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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<HEAD>
<TITLE>Josef W. Stalin: Gegen die Vulgarisierung der Losung der Selbstkritik</TITLE>
</HEAD>
<BODY BGCOLOR="#ff8080">
<P>
<big>Josef W. Stalin</big>
<H2>
<big>Gegen die Vulgarisierung der Losung der
Selbstkritik</big>
</H2>
<P>
26. Juni 1928
<P>
<P>
aus: Zu den Fragen des Leninismus, Fischer, 1970, Frankfurt am Main
<P>
<I>[alle Hervorhebungen sind vom Autor]</I>
<P>
<HR>
<P>
Die Losung der Selbstkritik darf nicht als etwas Vor&uuml;bergehendes und
Schnellverg&auml;ngliches betrachtet werden. Die Selbstkritik ist eine besondere
Methode, eine bolschewistische Methode zur Erziehung der Parteikader sowie
der Arbeiterklasse &uuml;berhaupt im Geiste der revolution&auml;ren Entwicklung.
Schon Marx sprach von der Selbstkritik als von einer Methode zur St&auml;rkung
der proletarischen Revolution. Was die Selbstkritik in unserer Partei betrifft,
so geht der Beginn der Selbstkritik bis auf das Aufkommen des Bolschewismus
in unserem Lande, bis auf die ersten Tage seines Entstehens als einer besonderen
revolution&auml;ren Str&ouml;mung in der Arbeiterbewegung zur&uuml;ck.
<P>
Bekanntlich hat Lenin bereits im Fr&uuml;hjahr 1904, als die Bolschewiki
noch keine selbst&auml;ndige politische Partei bildeten, sondern gemeinsam
mit den Menschewiki innerhalb EINER sozialdemokratischen Partei wirkten -
bekanntlich hat Lenin damals schon die Partei zur "Selbstkritik und
r&uuml;cksichtslosen Enth&uuml;llung der eigenen M&auml;ngel" aufgerufen.
Folgendes schrieb Lenin damals in seiner Brosch&uuml;re "Ein Schritt
vorw&auml;rts, zwei Schritte zur&uuml;ck":
<P>
"Sie (das hei&szlig;t die Gegner der Marxisten. J. St.) feixen und sind
schadenfroh &uuml;ber unsere Streitigkeiten; sie werden sich nat&uuml;rlich
bem&uuml;hen, einzelne Stellen aus meiner Brosch&uuml;re, die den M&auml;ngeln
und Unzul&auml;nglichkeiten unserer Partei gewidmet ist, f&uuml;r ihre Zwecke
aus dem Zusammenhang zu rei&szlig;en. Die russischen Sozialdemokraten haben
bereits gen&uuml;gend im Kugelregen der Schlachten gestanden, um sich durch
diese Nadelstiche nicht beirren zu lassen, um dessenungeachtet ihre Arbeit
- SELBSTKRITIK UND R&Uuml;CKSICHTSLOSE ENTH&Uuml;LLUNG DER EIGENEN M&Auml;NGEL
- fortzusetzen, die durch das Wachstum der Arbeiterbewegung unbedingt und
unvermeidlich ihre &Uuml;berwindung finden werden. Die Herren Gegner aber
m&ouml;gen versuchen, uns ein Bild der WAHREN Sachlage in ihren `Parteien'
zu zeigen, das auch nur im entferntesten an das Bild heranreicht, das die
Protokolle unseres II. Parteitags wiedergeben!" (Bd. VI, S. 161.)
<P>
Deshalb sind die Genossen ganz und gar im Unrecht, die da glauben, die
Selbstkritik sei eine vor&uuml;bergehende Erscheinung, eine Mode, von der
man in kurzer Zeit ebenso abkommen wird, wie man gew&ouml;hnlich von jeder
Mode abkommt. In Wirklichkeit ist die Selbstkritik eine nicht wegzudenkende
und st&auml;ndig wirkende Waffe in der R&uuml;stkammer des Bolschewismus,
ist sie mit der ganzen Natur des Bolschewismus, mit seinem revolution&auml;ren
Geist untrennbar verbunden.
<P>
Manchmal wird behauptet, die Selbstkritik sei eine gute Sache f&uuml;r die
Partei, die noch nicht zur Macht gelangt ist und die "nichts zu verlieren"
habe, die Selbstkritik sei jedoch gef&auml;hrlich und sch&auml;dlich f&uuml;r
eine Partei, die bereits zur Macht gelangt ist, die von feindlichen Kr&auml;ften
umgeben ist und gegen die die Enth&uuml;llungen ihrer Schw&auml;chen von
Feinden ausgenutzt werden k&ouml;nnen.
<P>
Das ist falsch. Das ist absolut falsch! Im Gegenteil, gerade weil der
Bolschewismus zur Macht gelangt ist, gerade weil die Bolschewiki durch die
Erfolge unseres Aufbaus &uuml;berheblich werden k&ouml;nnten, gerade weil
die Bolschewiki ihre Schw&auml;chen &uuml;bersehen und dadurch die Sache
ihrer Feinde erleichtern k&ouml;nnten - gerade darum ist die Selbstkritik
besonders jetzt, besonders nach der Eroberung der Macht vonn&ouml;ten.
<P>
Das Ziel der Selbstkritik ist die Aufdeckung und Ausmerzung unserer Fehler,
unserer Schw&auml;chen - ist es etwa nicht klar, da&szlig; die Selbstkritik
unter den Verh&auml;ltnissen der Diktatur des Proletariats den Kampf des
Bolschewismus gegen die Feinde der Arbeiterklasse nur erleichtern kann? Lenin
zog diese Besonderheiten der Lage nach der Eroberung der Macht durch die
Bolschewiki in Betracht, als er in seiner Schrift "Der `linke Radikalismus',
die Kinderkrankheit im Kommunismus" im April / Mai 1920 schrieb:
<P>
"Das Verhalten einer politischen Partei zu ihren Fehlern ist eines der
wichtigsten und sichersten Kriterien f&uuml;r den Ernst einer Partei und
f&uuml;r die TATS&Auml;CHLICHE Erf&uuml;llung ihrer Pflichten gegen&uuml;ber
ihrer Klasse und den werkt&auml;tigen Massen. EINEN FEHLER OFFEN ZUGEBEN,
seine Ursachen aufdecken, die Umst&auml;nde, die ihn hervorgerufen haben,
analysieren, die Mittel zur Behebung des Fehlers sorgf&auml;ltig pr&uuml;fen
- das ist das Merkmal einer ernsten Partei, das hei&szlig;t Erf&uuml;llung
ihrer Pflichten, das hei&szlig;t Erziehung und Schulung der KLASSE und dann
auch der MASSE." (4. Ausgabe, Bd. 31, S. 39 [deutsch in `Ausgew&auml;hlte
Werke' in zwei B&auml;nden, Bd. II, S. 703])
<P>
Lenin hatte tausendmal recht, als er auf dem XI. Parteitag im M&auml;rz 1922
sagte:
<P>
"Das Proletariat f&uuml;rchtet nicht zuzugeben, da&szlig; ihm in der Revolution
dies und jenes gro&szlig;artig gelungen, dies und jenes aber mi&szlig;lungen
ist. Alle revolution&auml;ren Parteien, die bisher zugrunde gegangen sind,
gingen daran zugrunde, da&szlig; sie &Uuml;BERHEBLICH WURDEN und nicht zu
sehen vermochten, worin ihre Kraft bestand, da&szlig; sie F&Uuml;RCHTETEN,
VON IHREN SCHW&Auml;CHEN ZU SPRECHEN. Wir aber werden nicht zugrunde gehen,
weil wir nicht f&uuml;rchten, von unseren Schw&auml;chen zu sprechen, und
es lernen werden, die Schw&auml;chen zu &uuml;berwinden." (4. Ausgabe, Bd.
33, S. 278, russ.)
<P>
Daraus ergibt sich nur EINE Schlu&szlig;folgerung: Ohne Selbstkritik - keine
richtige Erziehung der Partei, der Klasse, der Massen - kein Bolschewismus.
<P>
Warum hat die Losung der Selbstkritik gerade jetzt, gerade im gegebenen
historischen Augenblick, gerade im Jahre 1928 eine besonders aktuelle Bedeutung
gewonnen?
<P>
Weil die Versch&auml;rfung der Klassenbeziehungen sowohl auf der inneren
als auch auf der &auml;u&szlig;eren Linie jetzt krasser als vor ein oder
zwei Jahren zutage getreten ist.
<P>
Weil die W&uuml;hlarbeit der Klassenfeinde der Sowjetmacht, die unsere
Schw&auml;chen und unsere Fehler gegen die Arbeiterklasse unseres Landes
ausnutzen, jetzt krasser als vor ein oder zwei Jahren in Erscheinung getreten
ist.
<P>
Weil die Lehren der Schachty-Aff&auml;re und der
"Getreidebeschaffungsman&ouml;ver" der kapitalistischen Elemente des Dorfes
plus unsere Fehler in der Planung an uns nicht spurlos vor&uuml;bergehen
k&ouml;nnen und nicht vor&uuml;bergehen d&uuml;rfen.
<P>
Wollen wir die Revolution festigen und uneren Feinden gewappnet entgegentreten,
so m&uuml;ssen wir uns SCHNELLSTENS von unseren Fehlern und Schw&auml;chen
BEFREIEN, die durch die Schachty-Aff&auml;re und die Schwierigkeiten bei
der Getreidebeschaffung aufgedeckt worden sind.
<P>
Wollen wir nicht den Feinden der Arbeiterklasse zur Freude von allerhand
"&Uuml;berraschungen" und "Zuf&auml;lligkeiten" &uuml;berrumpelt werden,
so m&uuml;ssen wir SCHNELLSTENS unsere NOCH NICHT AUFGEDECKTEN, jedoch zweifellos
vorhandenen Schw&auml;chen und Fehler AUFDECKEN.
<P>
Hier zaudern hie&szlig;e die Arbeit unserer Feinde erleichtern, unsere
Schw&auml;chen und Fehler vertiefen. Es ist jedoch unm&ouml;glich, all dies
zu schaffen, ohne die Selbstkritik zu entfalten, ohne die Selbstkritik zu
verst&auml;rken, ohne die Millionenmassen der Arbeiterklasse und der Bauernschaft
zur Aufdeckung und Beseitigung unserer Schw&auml;chen und Fehler heranzuziehen.
<P>
Das Aprilplenum des ZK und der ZKK war deshalb vollkommen im Recht, als es
in seiner Resolution zur Schachty-Aff&auml;re erkl&auml;rte: "Die Hauptbedingung
zur Gew&auml;hrleistung einer erfolgreichen Durchf&uuml;hrung aller vorgesehenen
Ma&szlig;nahmen mu&szlig; die TATS&Auml;CHLICHE VERWIRKLICHUNG der Losung
des XV. Parteitags &uuml;ber die Selbstkritik sein."
<P>
Um jedoch die Selbstkritik entfalten zu k&ouml;nnen, mu&szlig; vor allem
eine ganze Reihe von Hindernissen, die der Partei im Wege stehen,
&uuml;berwunden werden. Hierzu geh&ouml;ren die kulturelle
R&uuml;ckst&auml;ndigkeit der Massen, der Mangel an kulturellen Kr&auml;ften
der proletarischen Vorhut, unsere Tr&auml;gheit, unsere "kommunistische Hoffart"
usw. Doch eins der &auml;rgsten Hindernisse, wenn nicht das &auml;rgste Hindernis
&uuml;berhaupt, ist der B&Uuml;ROKRATISMUS unserer Apparate. Es handelt sich
darum, da&szlig; innerhalb unserer Partei-, Staats-, Gewerkschafts-,
Genossenschafts- und aller Art anderer Organisationen b&uuml;rokratische
Elemente vorhanden sind. Es handelt sich um die b&uuml;rokratischen Elemente,
die von unseren Schw&auml;chen und Fehlern leben, die die Kritik der Massen,
die Kontrolle der Massen wie das Feuer f&uuml;rchten und die uns hindern,
die Selbstkritik zu entfalten, uns hindern, uns von unseren Schw&auml;chen,
von unseren Fehlern zu befreien. Der B&uuml;rokratismus in unseren Organisationen
ist nicht einfach als Amtsschimmel und Kanzleiwirtschaft zu betrachten. Der
B&uuml;rokratismus ist eine &Auml;u&szlig;erung des b&uuml;rgerlichen Einflusses
auf unsere Organisation. Lenin hatte recht, als er sagte:
<P>
"... es ist notwendig, da&szlig; wir begreifen, da&szlig; der Kampf gegen
den B&uuml;rokratismus ein ABSOLUT NOTWENDIGER Kampf und da&szlig; er ebenso
kompliziert ist wie der Kampf gegen das kleinb&uuml;rgerliche Element. Der
B&uuml;rokratismus ist in unserer Staatsordnung so sehr zum wunden Punkt
geworden, da&szlig; in unserem Parteiprogramm von ihm die Rede ist, und zwar
deshalb, WEIL ER MIT DIESEM KLEINB&Uuml;RGERLICHEN ELEMENT UND SEINER
ZERSPLITTERUNG IN ZUSAMMENHANG STEHT." (4. Ausgabe, Bd. 32, S. 167, russ.)
<P>
Mit um so gr&ouml;&szlig;erer Beharrlichkeit mu&szlig; der Kampf gegen den
B&uuml;rokratismus unserer Organisation gef&uuml;hrt werden, wenn wir die
Selbstkritik wirklich entfalten und uns von den Gebrechen unseres Aufbaus
befreien wollen.
<P>
Mit um so gr&ouml;&szlig;erer Beharrlichkeit m&uuml;ssen wir die Millionenmassen
der Arbeiter und Bauern zur Kritik VON UNTEN, zur Kontrolle VON UNTEN
mobilisieren, die das wichtigste Gegengift gegen den B&uuml;rokratismus sind.
<P>
Lenin hatte recht, als er sagte: "Wenn wir den Kampf gegen den
B&uuml;rokratismus f&uuml;hren wollen, so m&uuml;ssen wir die breiten Massen
heranziehen, ... denn kann man den B&uuml;rokratismus etwa auf andere Weise
beseitigen als durch Heranziehung der Arbeiter und Bauern?" (4. Ausgabe,
Bd. 31, S. 398, russ.)
<P>
Um jedoch die Millionenmassen "heranzuziehen", gilt es, in allen
Massenorganisationen der Arbeiterklasse und vor allem in der Partei selbst
die proletarische Demokratie zu entfalten. Ohne diese Bedingung ist die
Selbstkritik eine Null, ein Nichts, eine Phrase.
<P>
Wir brauchen nicht JEDWEDE Selbstkritik. Wir brauchen eine Selbstkritik,
die das Kulturniveau der Arbeiterklasse hebt, ihren Kampfgeist entwickelt,
ihren Siegesglauben festigt, ihre Kr&auml;fte vermehrt und ihr hilft, der
wirkliche Herr des Landes zu werden.
<P>
Die einen meinen, wenn einmal Selbstkritik vorhanden ist, dann brauche man
keine ARBEITSDISZIPLIN, dann k&ouml;nne man die Arbeit im Stich lassen und
sich mit Geschw&auml;tz &uuml;ber alle m&ouml;glichen Dinge befassen. Das
w&auml;re keine Selbstkritik, sondern eine Verh&ouml;hnung der Arbeiterklasse.
Selbstkritik ist notwendig, nicht um die Arbeitsdisziplin zu zerst&ouml;ren,
sondern um sie zu FESTIGEN, um sie zu einer BEWUSSTEN Arbeitsdisziplin zu
machen, die der kleinb&uuml;rgerlichen Schlamperei zu widerstehen vermag.
<P>
Andere meinen, wenn einmal Selbstkritik vorhanden ist, dann sei keine
F&Uuml;HRUNG mehr erforderlich, dann k&ouml;nne man das Steuer verlassen
und alles "dem nat&uuml;rlichen Lauf der Dinge" &uuml;berlassen. Das w&auml;re
keine Selbstkritik, sondern eine Schmach. Selbstkritik ist notwendig, nicht
um die F&uuml;hrung zu schw&auml;chen, sondern um sie ZU ST&Auml;RKEN, um
sie aus einer papiernen und wenig autoritativen F&uuml;hrung in eine
LEBENSVERBUNDENE und wirklich AUTORITATIVE F&uuml;hrung zu verwandeln.
<P>
Es gibt jedoch auch "Selbstkritik" anderer Art, eine "Selbstkritik", die
zur ZERST&Ouml;RUNG des Parteigeistes, zur DISKREDITIERUNG der Sowjetmacht,
zur SCHW&Auml;CHUNG unseres Aufbaus, zur ZERSETZUNG der Wirtschaftskader,
zur ENTWAFFNUNG der Arbeiterklasse, zu einem Geschw&auml;tz &uuml;ber ENTARTUNG
f&uuml;hrt. Gerade zu einer solchen "Selbstkritik" hat uns gestern die
trotzkistische Opposition aufgerufen. Es er&uuml;brigt sich zu sagen, da&szlig;
die Partei mit dieser "Selbstkritik" nichts gemein hat. Es er&uuml;brigt
sich zu sagen, da&szlig; die Partei mit allen Kr&auml;ften, mit allen Mitteln
gegen eine solche "Selbstkritik" k&auml;mpfen wird.
<P>
Man mu&szlig; streng unterscheiden zwischen dieser uns FREMDEN, zersetzenden,
antibolschewistischen "Selbstkritik" und UNSERER, der bolschewistischen
Selbstkritik, deren Ziel es ist, den Parteigeist ZU PFLEGEN, die Sowjetmacht
ZU FESTIGEN, unseren Aufbau ZU VERBESSERN, unsere Wirtschaftskader ZU
ST&Auml;RKEN, die Arbeiterklasse ZU WAPPNEN.
<P>
Die Kampagne zur Verst&auml;rkung der Selbstkritik hat bei uns erst vor einigen
Monaten begonnen. Uns fehlen noch die n&ouml;tigen Unterlagen, um die erste
Bilanz der Kampagne ziehen zu k&ouml;nnen. Doch schon jetzt kann man sagen,
da&szlig; die Kampagne erfreuliche Ergebnisse zu zeitigen beginnt.
<P>
Es ist nicht zu leugnen, da&szlig; die Welle der Selbstkritik zu wachsen
und sich zu verbreitern beginnt, da&szlig; sie immer breitere Schichten der
Arbeiterklasse erfa&szlig;t und sie in den sozialistischen Aufbau einbezieht.
Davon sprechen allein schon solche Tatsachen wie die Belebung der
Produktionsberatungen und der zeitweiligen Kontrollkommissionen.
<P>
Zwar gibt es immer noch Versuche, begr&uuml;ndete und &uuml;berpr&uuml;fte
Hinweise der Produktionsberatungen und der zeitweiligen Kontrollkommissionen
zu den Akten zu legen, wogegen der entschiedenste Kampf gef&uuml;hrt werden
mu&szlig;, da solche Versuche das Ziel haben, den Arbeitern jede Lust zur
Selbstkritik zu nehmen. Es besteht jedoch kaum ein Grund, daran zu zweifeln,
da&szlig; k&uuml;nftig derartige b&uuml;rokratische Versuche durch die
anwachsende Welle der Selbstkritik restlos hinweggesp&uuml;lt werden.
<P>
Man kann auch nicht abstreiten, da&szlig; unsere Wirtschaftskader im Ergebnis
der Selbstkritik sich zusammennehmen, wachsamer werden, ernsthafter an die
Fragen der Wirtschaftsf&uuml;hrung heranzugehen beginnen und da&szlig; unsere
Partei-, Sowjet-, Gewerkschafts- und alle m&ouml;glichen anderen Kader
hellh&ouml;riger werden, feinf&uuml;hliger auf die Bed&uuml;rfnisse der Massen
reagieren.
<P>
Zwar darf man nicht annehmen, da&szlig; die innerparteiliche und &uuml;berhaupt
die Arbeiterdemokratie in den Massenorganisationen der Arbeiterklasse bereits
voll verwirklicht ist. Es besteht jedoch kein Grund, daran zu zweifeln, da&szlig;
diese Sache mit der weiteren Entfaltung der Kampagne vorangetrieben wird.
<P>
Man kann auch nicht abstreiten, da&szlig; unsere Presse im Ergebnis der
Selbstkritik lebendiger und lebensverbundener geworden ist und da&szlig;
solche Trupps unserer Zeitungsmitarbeiter wie die Organisationen der Arbeiter-
und Bauernkorrespondenten sich bereits in eine ernste politische Kraft zu
verwandeln beginnen.
<P>
Zwar gleitet unsere Presse immer noch hie und da an der Oberfl&auml;che,
sie hat noch nicht gelernt, von einzelnen kritischen Bemerkungen zu einer
tiefersch&uuml;rfenden Kritik &uuml;berzugehen und von einer
tiefsch&uuml;rfenden Kritik zur Verallgemeinerung der Ergebnisse der Kritik,
zur Aufzeigung der ERRUNGENSCHAFTEN, die dank der Kritik in unserem Aufbau
erzielt worden sind. Es ist jedoch kaum daran zu zweifeln, da&szlig; diese
Arbeit im weiteren Verlauf der Kampagne vorangetrieben wird.
<P>
Es ist jedoch notwendig, neben den positiven die negativen Seiten unserer
Kampagne hervorzuheben. Ich meine die Entstellungen der Losung der Selbstkritik,
die jetzt schon, zu Beginn der Kampagne, zu verzeichnen sind und die, wenn
nicht sofort dagegen angek&auml;mpft wird, die Gefahr einer Vulgarisierung
der Selbstkritik heraufbeschw&ouml;ren.
<P>
</big>1. </big>Es ist vor allem notwendig, hervorzuheben, da&szlig;
sich in einer Reihe von Presseorganen die Tendenz bemerkbar gemacht hat,
die Kampagne von dem Boden einer sachlichen Kritik an den M&auml;ngeln unseres
SOZIALISTISCHEN AUFBAUS auf den Boden eines Reklamegeschreis gegen
Ausw&uuml;chse IM PERS&Ouml;NLICHEN LEBEN &uuml;berzuleiten. Das mag unglaublich
erscheinen. Doch leider ist es Tatsache. Nehmen wir zum Beispiel die Zeitung
"Wlastj Truda" [Macht der Arbeit], das Organ des Bezirkskomitees und
Bezirksexekutivkomitees von Irkutsk (Nr. 128). Man findet dort eine ganze
Seite, die von Reklame"losungen" strotzt wie: "Hemmungslosigkeit im
Geschlechtsleben ist b&uuml;rgerlich", "Ein Schn&auml;pschen zieht das andere
nach", "Das eigene H&auml;uschen &auml;ugt nach der eigenen Kuh", "Banditen
des Doppelbetts", "Ein Schu&szlig;, der nicht losging" usw. usf. Es fragt
sich, was kann dieses "kritische", der "Birshowka" w&uuml;rdige Geschrei
mit der bolschewistischen Selbstkritik gemein haben, deren Ziel es ist, unseren
SOZIALISTISCHEN AUFBAU zu verbessern? Es ist wohl m&ouml;glich, da&szlig;
der Verfasser dieser Reklamenotizen Kommunist ist. Es ist m&ouml;glich, da&szlig;
er von gl&uuml;hender Feindschaft gegen die "Klassenfeinde" der Sowjetmacht
erf&uuml;llt ist. Doch da&szlig; er hier vom richtigen Wege abirrt, die Losung
der Selbstkritik vulgarisiert und die Sprache NICHT UNSERER KLASSE spricht,
daran kann es keinen Zweifel geben.
<P>
</big>2.</BIG> </BIG>Es ist ferner notwendig, hervorzuheben, da&szlig;
selbst die Presseorgane, denen, allgemein gesprochen, die F&auml;higkeit,
richtig zu kritisieren, nicht abgeht - da&szlig; selbst sie sich mitunter
zu einer Kritik UM DER KRITIK WILLEN verleiten lassen, die Kritik in einen
SPORT, in SENSATIONSMACHEREI verwandeln. Nehmen wir zum Beispiel die
"Komsomolskaja Prawda". Allbekannt sind die Verdienste der "Komsomolskaja
Prawda" um die Entfaltung der Selbstkritik. Doch nehmen wir die letzten Nummern
dieser Zeitung und sehen wir uns die "Kritik" an den F&uuml;hrern des Zentralrats
der Gewerkschaften der Sowjetunion an, die aus einer ganzen Reihe
unzul&auml;ssiger Karikaturen &uuml;ber dieses Thema besteht. Es fragt sich,
wer braucht eine derartige "Kritik", und welche Ergebnisse kann sie zeitigen
au&szlig;er einer Kompromittierung der Losung der Selbstkritik? Wozu war
eine derartige "Kritik" n&ouml;tig, wenn man nat&uuml;rlich die Interessen
unseres sozialistischen Aufbaus im Auge hat und keine billige Sensation,
darauf berechnet, dem Spie&szlig;er etwas zum Kichern zu bieten? Nat&uuml;rlich
erfordert die Selbstkritik den Einsatz aller Waffengattungen, darunter auch
der "leichten Kavallerie". Doch folgt etwa daraus, da&szlig; die leichte
Kavallerie eine LEICHTSINNIGE Kavallerie sein soll?
<P>
</big>3. </big>Es ist schlie&szlig;lich notwendig, hervorzuheben,
da&szlig; bei einer ganzen Reihe unserer Organisationen eine bestimmte Neigung
besteht, die Selbstkritik IN EINE HETZE gegen unsere Wirtschaftler zu verwandeln,
sie zur DISKREDITIERUNG der Wirtschaftler in den Augen der Arbeiterklasse
auszunutzen. Es ist eine Tatsache, da&szlig; manche Organisationen in der
Ukraine und in Zentralru&szlig;land eine direkte HETZE gegen unsere BESTEN
Wirtschaftler begonnen haben, deren ganze Schuld darin besteht, da&szlig;
sie nicht hundertprozentig gegen Fehler gefeit sind. Wie w&auml;ren sonst
die von den Organisationen gefa&szlig;ten Beschl&uuml;sse &uuml;ber die Absetzung
dieser Wirtschaftler zu verstehen, Beschl&uuml;sse ohne jede bindende Kraft,
die jedoch offensichtlich darauf berechnet sind, die Wirtschaftler zu
diskreditieren? Wie w&auml;re es sonst zu verstehen, da&szlig; man die
Wirtschaftler wohl kritisiert, aber ihnen nicht die M&ouml;glichkeit gibt,
auf die Kritik zu antworten? Seit wann wird bei uns ein "Schemjaka-Gericht"
f&uuml;r Selbstkritik ausgegeben?
<P>
Nat&uuml;rlich k&ouml;nnen wir nicht fordern, da&szlig; die Kritik
hundertprozentig richtig ist. Wenn die Kritik von unten kommt, d&uuml;rfen
wir sogar eine Kritik, die nur zu 5-10 Prozent richtig ist, nicht unbeachtet
lassen. All dies ist richtig. Doch folgt etwa daraus, da&szlig; wir von den
Wirtschaftlern fordern sollen, da&szlig; sie hundertprozentig gegen Fehler
gefeit sind? Gibt es denn &uuml;berhaupt Menschen, die hundertprozentig gegen
Fehler gefeit sind? Ist es denn schwer, zu verstehen, da&szlig; zur Heranbildung
von Wirtschaftskadern Jahre und nochmals Jahre erforderlich sind, da&szlig;
wir mit den Wirtschaftlern &auml;u&szlig;erst behutsam und sorgsam umgehen
m&uuml;ssen? Ist es denn schwer, zu verstehen, da&szlig; wir die Selbstkritik
nicht zu einer Hetze gegen die Wirtschaftskader, sondern zu ihrer Verbesserung
und St&auml;rkung brauchen?
<P>
Kritisiert die M&auml;ngel unseres Aufbaus, aber vulgarisiert nicht die Losung
der Selbstkritik und verwandelt sie nicht in ein Werkzeug f&uuml;r
Reklame&uuml;bungen &uuml;ber Themen wie "Banditen des Doppelbetts", "Ein
Schu&szlig;, der nicht losging" und andere mehr.
<P>
Kritisiert die M&auml;ngel unseres Aufbaus, aber diskreditiert nicht die
Losung der Selbstkritik und verwandelt sie nicht in eine Gark&uuml;che zur
Zubereitung billiger Sensationen.
<P>
Kritisiert die M&auml;ngel unseres Aufbaus, aber entstellt nicht die Losung
der Selbstkritik und verwandelt sie nicht in ein Werkzeug der Hetze gegen
unsere Wirtschaftler und andere Funktion&auml;re.
<P>
Und die Hauptsache: Ersetzt die Massenkritik VON UNTEN nicht durch "kritisches"
Wortgeprassel VON OBEN, gebt den Massen der Arbeiterklasse die M&ouml;glichkeit,
ihre Aktivit&auml;t zu entfalten und zur Behebung unserer M&auml;ngel, zur
Verbesserung unseres Aufbaus ihre sch&ouml;pferische Initiative zu offenbaren.
<P>
<HR>
<P>
26. Juni 1928
<P>
<HR>
</BODY></HTML>
s