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<meta name="generator" content="HTML Tidy for Windows (vers 1st August 2002), see www.w3.org">
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<title>"Neue Rheinische Zeitung" - Das Schild der Dynastie</title>
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<p align="center"><a href="me05_055.htm"><font size="2">Neue Teilung Polens</font></a> <font
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size="2">|</font> <a href="../me_nrz48.htm"><font size="2">Inhalt</font></a> <font size=
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"2">|</font> <a href="me05_059.htm"><font size="2">Köln in Gefahr</font></a></p>
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<small>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 5, S. 57-58<br>
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Dietz Verlag, Berlin/DDR 1971</small> <br>
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<h1>Das Schild der Dynastie</font></p>
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<p><font size="2">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 10 vom 10. Juni 1848]</font></p>
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<p><b><a name="S57"><57></a></b> **<i>Köln</i>, 9. Juni. Wie deutsche Blätter
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melden, hat Herr Camphausen vor seinen Vereinbarern am 6. d. [Mts.] sein
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überströmendes Herz ausgeschüttet. Er hielt</p>
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<p><font size="2">"eine nicht sowohl glänzende als vielmehr dem <i>innersten Herzquell
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entströmende</i> Rede, die an Paulus erinnert, wo er sagt: 'Und wenn ich mit Menschen- und
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mit Engelszungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz'!
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Seine Rede war reich an jener heiligen Bewegung, die wir Liebe nennen ... sie sprach
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begeisternd zu Begeisterten, der Beifall wollte nicht enden ... und eine längere Pause war
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nötig, um ihrem ganzen Eindruck sich hinzugeben und ihn in sich aufzunehmen."</font></p>
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<p>Und wer war der Held dieser herzquellentströmenden, liebevollen Rede? Wer war das
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Thema, das Herrn Camphausen so begeisterte, daß er begeisternd zu Begeisterten sprach?
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Wer der Äneas dieser Äneide vom 6. Juni?</p>
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<p>Wer anders als der <i>Prinz von Preußen</i>!</p>
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<p>Man lese nach in dem stenographischen Bericht, wie der dichterische Konseilpräsident
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die Fahrten des modernen Anchisessohnes schildert; wie er, als der Tag gekommen,</p>
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<div style="margin-left: 4em">
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<p><font size="2">- wo die heilige Ilias hinsank,<br>
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Priamos auch und das Volk des lanzenkundigen Königs!<br>
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<Homer, "Ilias">,</font></p>
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<p>wie er nach dem Fall des junkertümlichen Troja nach langen Irrfahrten zu Wasser und zu
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Lande endlich an den Strand des modernen Karthago geschlagen und von der Königin Dido
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freundschaftlichst empfangen wurde; wie es ihm besser erging als Äneas 1., indem sich ein
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Camphausen fand, der Troja möglichst wiederherstellte und den heiligen "Rechtsboden"
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wieder entdeckte; wie Camphausen seinen Aneas endlich zu seinen Penaten heimkehren ließ
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und wie nun wieder Freude herrscht in Trojas Hallen. Alles das und <a name=
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"S58"><b><58></b></a> zahllose dichterische Ausschmückungen muß man lesen, um
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zu empfinden, was es heißt, wenn ein Begeisternder zu Begeisterten spricht.</p>
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<p>Dies ganze Epos dient übrigens dem Herrn Camphausen nur zum Vorwand für einen
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Dithyrambus auf sich selbst und sein eigenes Ministerium.</p>
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<p><font size="2">"Ja" - ruft er aus - "wir haben geglaubt, es entspreche dem Geiste der
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konstitutionellen Verfassung, daß <i>wir</i> uns an die Stelle einer hohen
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Persönlichkeit setzten, daß <i>wir</i> uns als die Persönlichkeiten
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hinstellten, gegen die alle Angriffe zu richten seien ... So ist es geschehen. Wir haben uns
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als Schild vor die Dynastie gestellt und alle Gefahren und Angriffe auf uns
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geleitet!"</font></p>
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<p>Welch ein Kompliment für die "hohe Persönlichkeit", welch ein Kompliment für
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die "Dynastie"! Ohne Herrn Camphausen und seine sechs Paladine war die Dynastie verloren.
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Für welch eine kräftige, welch eine "tief im Volk wurzelnde Dynastie" muß Herr
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Camphausen das Haus Hohenzollern halten, um so zu sprechen! Wahrlich, hätte Herr
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Camphausen weniger "begeisternd zu Begeisterten" gesprochen, wäre er weniger "reich an
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jener heiligen Bewegung gewesen, die wir Liebe nennen", oder hätte er nur seinen Hansemann
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sprechen lassen, der sich mit dem "tönenden Erz" begnügt, es wäre besser gewesen
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für die Dynastie!</p>
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<p><font size="2">"Allein, meine Herren, ich spreche dies nicht mit herausforderndem Stolze,
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sondern mit der Demut, die aus dem Bewußtsein entspringt, daß die hohe Aufgabe, die
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Ihnen und uns gestellt ist, nur gelöst werden kann, wenn der Geist der <i>Milde</i> und
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<i>Versöhnung</i> sich auch auf diese Versammlung herabsenkt, wenn wir neben Ihrer
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Gerechtigkeit auch Ihre Nachsicht finden!"</font></p>
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<p>Herr Camphausen hat recht, Milde und Nachsicht für sich von einer Versammlung zu
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erbitten, die der Milde und Nachsicht des Publikums selbst so sehr bedarf!</p>
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