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<!DOCTYPE HTML PUBLIC "-//W3C//DTD HTML 3.2//EN">
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<meta name="generator" content="HTML Tidy for Windows (vers 1st August 2002), see www.w3.org">
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<title>"Neue Rheinische Zeitung" - Vereinbarungsdebatten vom 7. Juli</title>
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<link rel=stylesheet type="text/css" href="http://www.mlwerke.de/css/artikel.css">
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<p align="center"><a href="me05_202.htm"></a><a href="me05_202.htm"><font size="2">Die
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auswärtige deutsche Politik und die letzen Ereignisse in Prag</font></a> <font size=
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"2">|</font> <a href="../me_nrz48.htm"><font size="2">Inhalt</font></a> <font size="2">|</font>
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<a href="me05_213.htm"><font size="2">Herr Forstmann über den Staatskredit</font></a></p>
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<small>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 5, S. 206-212<br>
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Dietz Verlag, Berlin/DDR 1971</small> <br>
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<h1>Vereinbarungsdebatten vom 7. Juli</font></p>
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<p><font size="2">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 44 vom 14. Juli 1848]</font></p>
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<p><b><a name="S206"><206></a></b> **<i>Köln</i>, 12. Juli. Erst gestern abend
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spät ist uns der Bericht über die Vereinbarungssitzung vom 7. Juli zugekommen. Die
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stenographischen Berichte, die sonst immer nur 24 Stunden später als die brieflichen
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Berichte hier eintrafen, verspäten sich immer mehr, statt daß sie früher fertig
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werden sollten.</p>
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<p>Wie leicht dieser Verschleppung abzuhelfen ist, geht aus der Schnelligkeit hervor, mit der
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französische und englische Blätter die Berichte ihrer gesetzgebenden Versammlungen
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bringen. Das englische Parlament sitzt oft bis vier Uhr morgens, und schon vier Stunden
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später bringt die <i>"Times"</i> den stenographischen Bericht der Sitzung fertig gedruckt
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in alle Teile von London. Die französische Kammer eröffnete ihre Sitzungen selten vor
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ein Uhr, schloß zwischen fünf und sechs, und schon um sieben mußte der
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"Moniteur" einen Abzug der stenographierten Verhandlungen in sämtlichen Pariser
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Zeitungsbüros abliefern. Warum kann der wohllöbliche "Staats-Anzeiger" nicht ebenso
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rasch fertig werden?</p>
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<p>Gehn wir jetzt zur Sitzung vom 7. über, der Sitzung, worin das Ministerium Hansemann
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gehänselt wurde. Wir übergehn die gleich anfangs eingereichten Proteste, den
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d'Esterschen Antrag wegen Aufhebung des am 4. gegen Ende der Sitzung gefaßten Beschlusses
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(dieser Antrag blieb auf der Tagesordnung stehn) und mehrere andre auf die Tagesordnung
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gesetzte Anträge. Wir beginnen gleich mit den Interpellationen und unangenehmen
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Anträgen, die heute auf das Ministerium regneten.</p>
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<p>Zuerst trat Herr <i>Philipps</i> auf. Er interpellierte das Ministerium, welche
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Maßregeln zum Schutz unsrer Grenzen gegen Rußland getroffen worden sind?</p>
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<p>Herr <i>Auerswald</i>: Ich halte diese Frage für nicht geeignet, in der Versammlung
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beantwortet zu werden.</p>
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<p><b><a name="S207"><207></a></b> Das glauben wir dem Herrn Auerswald herzlich gern. Die
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einzige Antwort, die er geben könnte, wäre: <i>gar keine</i>, oder wenn man genau
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sein will: die Verlegung mehrerer Regimenter von der russischen Grenze an den Rhein. Was uns
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nur wundert, ist, daß die Versammlung die kurzweilige Antwort des Herrn Auerswald, diesen
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Appell an das car tel est notre bon plaisir <denn dies ist unser Wille>, so ohne weiteres
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mit etwas "Zischen" und etwas "Bravo" durchgehen läßt.</p>
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<p>Herr <i>Borries</i> trägt an, daß die Klassensteuer der untersten Steuerstufe
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für das letzte Halbjahr 1848 erlassen und alle Zwangsmaßregeln zur Eintreibung der
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rückständigen Beträge des ersten Halbjahrs derselben Stufe sofort eingestellt
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werden.</p>
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<p>Der Antrag geht in die Fachkommission.</p>
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<p>Herr <i>Hansemann</i> erhebt sich und erklärt, daß solche Finanzsachen doch sehr
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gründlich beraten werden müßten. Man könne übrigens um so eher
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warten, als er in der nächsten Woche mehrere Finanzgesetze zur Beratung einbringen werde,
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worunter auch eins, was sich auf die Klassensteuer beziehe.</p>
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<p>Herr <i>Krause</i> interpelliert den Finanzminister: ob es möglich sei, die Mahl-,
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Schlacht- und Klassensteuer bis Anfang 1849 mit der Einkommensteuer zu vertauschen?</p>
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<p>Herr <i>Hansemann</i> muß abermals aufstehn und ärgerlich erklären, er habe
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schon einmal gesagt, daß er nächste Woche die Finanzgesetze einbringen werde.</p>
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<p>Aber damit ist sein Leidenskelch noch nicht erschöpft. Jetzt erst erhebt sich Herr
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<i>Grebel</i> mit einem langen Antrage, von dem jedes Wort ein Stich durchs Herz des Herrn
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Hansemann sein mußte:</p>
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<p>In Erwägung, daß zur Begründung der in Aussicht gestellten Zwangsanleihe die
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bloße Angabe keineswegs genüge, Schatz und Finanzen seien erschöpft;</p>
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<p>in Erwägung, daß zur Diskussion der Zwangsanleihe selbst (gegen welche Herr
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Grebel protestiert, solange nicht eine alle Versprechungen erfüllende Verfassung
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festgesetzt ist) die Einsicht aller Bücher und Belege des Staatshaushalts nötig ist,
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trägt Herr Grebel an:</p>
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<p>eine Kommission zu ernennen, die alle Bücher und Belege über die Verwaltung der
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Finanzen und des Schatzes von 1840 bis jetzt einsehen und darüber Bericht erstatten
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soll.</p>
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<p>Noch schlimmer aber als der Antrag ist die Motivierung des Herrn Grebel. Er spricht von den
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vielen Gerüchten über Verschleuderung und widerrechtliche Verwendung des
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Staatsschatzes, die die öffentliche Meinung beunruhigen; er verlangt im Interesse des
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Volks zu wissen, wohin all das Geld gekommen sei, das es seit 30 Friedensjahren bezahlt; er
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erklärt, solange <a name="S208"><b><208></b></a> diese Aufklärung nicht
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gegeben, könne die Versammlung keinen Groschen votieren. Die Zwangsanleihe hat enorme
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Sensation hervorgerufen, die Zwangsanleihe bricht den Stab über die ganze bisherige
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Finanzverwaltung, die Zwangsanleihe ist der vorletzte Schritt zum Staatsbankerott. Die
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Zwangsanleihe überraschte um so mehr, als wir gewohnt waren, stets zu hören, die
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Finanzlage sei ausgezeichnet und der Staatsschatz überhebe uns selbst im Falle eines
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bedeutenden Kriegs der Notwendigkeit einer Anleihe. Herr Hansemann selbst habe im Vereinigten
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Landtage berechnet, der Staatsschatz müsse wenigstens 30 Millionen betragen. Dies war auch
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zu erwarten, da nicht nur dieselben hohen Steuern wie in den Kriegsjahren fortgezahlt, sondern
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der Betrag der Steuern sich fortwährend vermehrte.</p>
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<p>Da plötzlich kam die Nachricht von der beabsichtigten Zwangsanleihe, und mit ihr, mit
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dieser schmerzlichen Enttäuschung, sank das Vertrauen sofort auf Null herab.</p>
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<p>Das einzige Mittel, das Vertrauen herzustellen, ist die sofortige rückhaltlose
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Darlegung der Finanzlage des Staats.</p>
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<p>Herr Hansemann hat zwar gesucht, das Bittre seiner Mitteilung wegen der Zwangsanleihe durch
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einen humoristischen Vortrag zu versüßen; er mußte aber dennoch zugeben,
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daß durch eine Zwangsanleihe ein unangenehmer Eindruck hervorgerufen werde.</p>
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<p>Herr <i>Hansemann</i> antwortet: Es versteht sich, daß das Ministerium, wenn es Geld
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verlangt, auch alle nötigen Aufklärungen darüber geben wird, wo die bisher
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eingezahlten Gelder geblieben sind. Man warte doch, bis die von mir bereits zweimal
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erwähnten Finanzgesetze vorgelegt werden. Was die Gerüchte angeht, so ist es nicht
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richtig, daß enorme Summen im Staatsschatz waren, daß sie in den letzten Jahren
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verringert wurden. Es ist natürlich, daß sich in den letzten Notjahren, in der
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jetzigen, mit beispielloser Geschäftsstockung verbundenen politischen Krisis, ein
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blühender Finanzzustand in einen bedenklichen verwandeln konnte. "Es ist gesagt worden,
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die Zwangsanleihe werde eine Vorläuferin des Staatsbankerotts sein. Nein, meine Herren,
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das <i>soll</i> sie nicht sein, sie <i>soll</i> im Gegenteil dazu dienen, daß der
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<i>Kredit sich belebe</i>." (Sie <i>soll</i>! sie <i>soll</i>! als ob der Effekt der
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Zwangsanleihe auf den Kredit von den frommen Wünschen des Herrn Hansemann abhinge!) Wie
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ungegründet solche Besorgnisse sind, geht aus dem Steigen der Staatspapiere hervor. Warten
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Sie, meine Herren, die Finanzgesetze ab, die ich Ihnen hiermit zum viertenmal verspreche.</p>
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<p>Also der Kredit des preußischen Staats ist so ruiniert, daß kein Kapitalist ihm
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gegen noch so wucherische Zinsen Geld vorschießen will, daß Herr Hansemann keinen
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andern Ausweg mehr sieht, als den letzten Notbehelf <a name="S209"><b><209></b></a>
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bankrotter Staaten, die Zwangsanleihe - und dabei spricht Herr Hansemann von steigendem
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Staatskredit, weil die Fonds in demselben Maße, als man sich vom 18. März entfernt,
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mühsam zwei bis drei Prozent in die Höhe gekrochen sind! Und wie werden die Fonds
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erst purzeln, sobald mit der Zwangsanleihe erst Ernst gemacht wird!</p>
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<p>Herr <i>Behnsch</i> dringt auf Ernennung der vorgeschlagenen
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Finanz-Untersuchungskommission.</p>
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<p>Herr <i>Schramm</i>: Die Abhülfe der Not aus Staatsmitteln war nicht der Rede wert, und
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wenn die Freiheit uns Geld kostet, so hat sie bis jetzt der <i>Regierung</i> wenigstens nichts
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gekostet. Im Gegenteil hat die Regierung eher Geld dazu gegeben, daß die Freiheit nicht
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in ihr gegenwärtiges Stadium trete.</p>
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<p>Herr <i>Mätze</i>: Zu dem, was wir wußten, daß im Staatsschatze nichts ist,
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erfahren wir jetzt noch, daß seit lange nichts mehr darin war. Diese Neuigkeit ist ein
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neuer Beweis für die Notwendigkeit der Ernennung einer Kommission.</p>
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<p>Herr <i>Hansemann</i> muß sich wieder erheben: "Ich habe nie gesagt, daß im
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Staatsschatz nichts sei und nichts gewesen sei; ich erkläre vielmehr, daß in den
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letzten sechs bis sieben Jahren der Staatsschatz sich bedeutend vermehrt hat." (Man vergleiche
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des Herrn Hansemann Denkschrift an den Vereinigten Landtag und die Thronrede, und man wird
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jetzt erst recht nicht mehr wissen, woran man ist.)</p>
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<p><i>Cieszkowski</i>: Ich bin für den Grebelschen Antrag, weil Herr Hansemann uns immer
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Versprechungen gemacht hat und jedesmal, wenn Finanzsachen hier zur Sprache kommen, auf seine
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nächstens zu gebenden, aber nie eintreffenden Aufschlüsse verweist. Dies Zaudern ist
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um so unbegreiflicher, als Herr Hansemann jetzt doch schon über drei Monate Minister
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ist.</p>
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<p>Herr <i>Milde</i>, Handelsminister, kommt endlich seinem bedrängten Kollegen zu
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Hülfe. Er fleht die Versammlung an, doch ja die Kommission nicht zu ernennen. Er
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verspricht die größte Offenheit von seiten des Ministeriums. Er beteuert, man solle
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die Lage der Sachen genau übersehn. Nur jetzt möge man die Regierung gewähren
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lassen, denn sie sei eben damit beschäftigt, das Staatsschiff aus den Schwierigkeiten
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herauszusteuern, in denen es sich gegenwärtig befindet. Die Versammlung werde gewiß
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dabei hülfreiche Hand leisten. (Bravo.)</p>
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<p>Herr <i>Baumstark</i> versucht auch, Herrn Hansemann einigermaßen unter die Arme zu
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greifen. Aber einen schlimmeren und taktloseren Verteidiger konnte der Finanzminister nicht
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finden:</p>
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<p><font size="2">"Es wäre ein <i>schlechter</i> Finanzminister, der den Zustand der
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Finanzen verheimlichen wollte, und wenn ein Finanzminister sagt, er werde die nötigen
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Vorlagen machen, so müssen wir ihn entweder für einen <i>ehrlichen Mann</i> halten
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<i>oder für das <a name="S210"><b><210></b></a></i> <i>Gegenteil</i> (!!!).
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(Aufregung.) Meine Herren, ich habe niemand beleidigt, ich habe gesagt, wenn <i>ein</i>, nicht
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wenn <i>der</i> Finanzminister (!!!)."</font></p>
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<p><i>Reichenbach</i>: Wohin sind die schönen Tage der großen Debatten, der
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Prinzipien- und Kabinettsfragen? Damals wünschte Herr Hansemann nichts sehnlicher, als
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eine Lanze brechen zu können, und jetzt, wo die Gelegenheit dazu da ist und noch dazu in
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seinem eignen Fach, jetzt weicht er aus! In der Tat, die Minister versprechen immerfort und
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stellen Grundsätze auf, bloß zu dem Zweck, sie ein paar Stunden nachher schon nicht
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mehr zu halten. (Aufregung.)</p>
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<p>Herr <i>Hansemann</i> wartet, ob sich ein Verteidiger für ihn erhebt. Aber da ist
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keiner, der für ihn aufträte. Endlich sieht er mit Schrecken, daß der
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Abgeordnete Baumstark sich erhebt, und damit dieser ihn nicht nochmals für einen
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"ehrlichen Mann" erkläre, ergreift er rasch selbst das Wort.</p>
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<p>Wir erwarten, daß der geplagte, mit Nadeln gestochene, von der ganzen Opposition
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gezerrte Löwe Duchâtel endlich in der ganzen Fülle seiner Kraft sich erheben,
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daß er seine Gegner niederschmettern, daß er, mit einem Wort, die
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<i>Kabinettsfrage</i> stellen wird? Ach, es ist nichts mehr zu sehen von der
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ursprünglichen Festigkeit und Keckheit, und die alte Größe ist
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dahingeschwunden, wie der Staatsschatz in den schweren Zeiten! Gebeugt, geknickt, verkannt
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steht der große Finanzier da; es ist so weit mit ihm gekommen, daß er sich auf
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Gründe einlassen muß! Und was für Gründe noch dazu!</p>
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<p><font size="2">"Jeder, der sich mit Finanzen und mit den darin vorkommenden vielen
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<i>Zahlen</i> (!!) beschäftigt hat, wird wissen, daß eine Erörterung über
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Finanzfragen nicht gelegentlich einer Interpellation gründlich erörtert werden kann,
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daß Steuerfragen so umfassend sind, daß darüber in gesetzgebenden
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Versammlungen" (Herr Hansemann denkt an seine glänzenden Reden im weiland Vereinigten
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Landtag) "tage-, ja wochenlang diskutiert worden ist."</font></p>
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<p>Aber wer verlangt denn eine gründliche Diskussion? Man hat von Herrn Hansemann erstens
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eine Erklärung, ein einfaches Ja oder Nein, über Steuerfragen verlangt; man hat
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ferner seine Zustimmung zu einer Prüfungskommission für die bisherige Verwaltung des
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Staatsschatzes etc. verlangt; und man hat, als er beides verweigerte, auf den Kontrast zwischen
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seinen früheren Versprechungen und seiner jetzigen Zurückhaltung hingewiesen.</p>
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<p>Und eben weil "Erörterungen über Finanzen und über die darin vorkommenden
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vielen Zahlen" Zeit erfordern, eben deswegen soll die Kommission sofort ihre Arbeit
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beginnen!</p>
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<p><font size="2">"Wenn übrigens die Finanzaachen nicht früher vorgekommen sind, so
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hat es seinen guten Grund darin, daß ich geglaubt habe, es würde günstiger
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für die Lage des Landes <a name="S211"><b><211></b></a></font> sein, wenn ich noch
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etwas wartete. Ich habe Hoffnung gehabt, daß die Ruhe des Landes und damit der
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Staatskredit sich etwas heben werde; ich wünsche, daß diese Hoffnung nicht
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zuschanden werde, und nach meiner Überzeugung habe ich <i>wohlgetan</i>, <i>diese Gesetze
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nicht früher einzubringen</i>."</p>
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<p>Welche Enthüllungen! Die Finanzgesetze des Herrn Hansemann, die den Staatskredit doch
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wohl befestigen sollten, sind also der Art, daß sie den Staatskredit bedrohen!</p>
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<p>Herr Hansemann hielt es für besser, die Finanzlage des Landes einstweilen noch
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geheimzuhalten!</p>
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<p>Wenn der Staat so steht, so ist es unverantwortlich von Herrn Hansemann, eine solche
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unbestimmte Äußerung zu tun, anstatt sofort den Stand der Finanzen offen darzulegen
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und durch die Tatsachen selbst alle Zweifel und Gerüchte niederzuschlagen. Im englischen
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Parlament wäre einer so taktlosen Äußerung sofort ein Mißtrauensvotum
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gefolgt,</p>
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<p>Herr <i>Siebert</i>:</p>
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<p><font size="2">"Bisher haben wir nichts getan. Alle wichtigen Fragen wurden, sowie sie reif
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zur Lösung waren, abgebrochen und beiseite geschoben. Wir haben bis jetzt noch keinen
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Beschluß gefaßt, der irgend etwas <i>Ganzes</i> enthielt, wir haben noch gar nichts
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Ganzes gemacht. Sollen wir es heute wieder so machen, sollen wir wieder auf Versprechungen hin
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die Frage aufschieben? Wer bürgt uns dafür, daß das <i>Ministerium noch acht
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Tage am Ruder bleibt</i>?"</font></p>
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<p>Herr <i>Parrisius</i> stellt ein Amendement, wonach Herr Hansemann aufgefordert wird, einer
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gleich zu wählenden Prüfungskommission aus 16 Mitgliedern binnen 14 Tagen die
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nötigen Vorlagen über Finanz- und Schatzverwaltung vom Jahre 1840 an zu machen. Herr
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|
Parrisius erklärt, es sei spezieller Auftrag seiner Kommittenten: Sie wollten wissen,
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wohin der Staatsschatz, der 1840 über 40 Millionen betragen, gekommen sei.</p>
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<p>Dies Amendement, noch schärfer als der ursprüngliche Antrag, wird doch wohl den
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ermatteten Duchâtel emporstacheln? Jetzt wird doch wohl die Kabinettsfrage gestellt
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werden?</p>
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<p>Im Gegenteil! Herr Hansemann, der <i>gegen</i> den Antrag war, hat gegen dies Amendement mit
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seiner beleidigenden Präklusivfrist durchaus nichts einzuwenden Er bemerkt nur, die Sache
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|
werde erstaunlich viel Zeit erfordern, und bedauert die armen Kommissionsmitglieder, die sich
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||
|
dieser sauren Arbeit unterziehen müssen.</p>
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|
<p>Es wird noch über die Abstimmung etwas hin und her gesprochen, wobei auch noch einige
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unangenehme Worte für Herrn Hansemann abfallen. Dann wird abgestimmt, die verschiedenen
|
||
|
motivierten und unmotivierten Tages- <a name="S212"><b><212></b></a> ordnungen verworfen,
|
||
|
und das Parrisiussche Amendement, dem sich Herr Grebel anschließt, fast einstimmig
|
||
|
angenommen.</p>
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|
<p>Herr Hansemann entging einer entscheidenden Niederlage nur durch seine Widerstandslosigkeit,
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||
|
nur durch die Selbstverleugnung, mit der er die Parrisiussche Beleidigung hinnahm. Geknickt,
|
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gebrochen, vernichtet saß er da auf seiner Bank, ein entlaubter Stamm, der das Mitleid
|
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|
selbst der rohesten Spötter erregt. Erinnern wir uns der Worte des Dichters:</p>
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<div style="margin-left: 12em">
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<p><font size="2">Es ziemt Germaniens Söhnen<br>
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Gar schlecht, mit herzlos schlechtem Witz<br>
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Gefallene Größe zu höhnen!<br>
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|
<H. Heine, "Der Tambourmajor"></font></p>
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</div>
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|
<p>Die zweite Hälfte der Sitzung morgen.</p>
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|
<p><font size="2">Geschrieben von Friedrich Engels.</font></p>
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</body>
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</html>
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