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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<title>"Neue Rheinische Zeitung" - Die demokratische Partei</title>
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<p align="center"><a href="me05_019.htm"><font size="2">Die neueste Heldentat des Hauses
Bourbon</font></a> <font size="2">|</font> <a href="../me_nrz48.htm"><font size=
"2">Inhalt</font></a> <font size="2">|</font> <a href="me05_025.htm"><font size="2">Camphausens
Erkl&auml;rung in der Sitzung vom 30. Mai</font></a></p>
<small>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 5, S. 22-24<br>
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1971</small> <br>
<br>
<h1>Die demokratische Partei</font></p>
<p><font size="2">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 2 vom 2. Juni 1848]</font></p>
<p><b><a name="S22">&lt;22&gt;</a></b> **<i>K&ouml;ln</i>, 1. Juni. Es ist eine
gew&ouml;hnliche Anforderung an jedes neue Organ der &ouml;ffentlichen Meinung: Begeisterung
f&uuml;r die Partei, deren Grunds&auml;tze es bekennt, unbedingte Zuversicht zu ihrer Kraft,
stete Bereitschaft, sei es mit der faktischen Macht das Prinzip zu decken, sei es mit dem Glanz
des Prinzips die faktische Schw&auml;che zu besch&ouml;nigen. Diesem Verlangen werden wir nicht
entsprechen. Wir werden erlittene Niederlagen nicht mit t&auml;uschenden Illusionen zu
vergolden suchen.</p>
<p>Die demokratische Partei hat Niederlagen erlitten; die Grunds&auml;tze, die sie im
Augenblicke ihres Triumphes proklamiert hat, sind in Frage gestellt, das Terrain, das sie
wirklich gewonnen, wird ihr Fu&szlig; f&uuml;r Fu&szlig; streitig gemacht; schon hat sie viel
verloren, und bald wird sich die Frage bieten, was ihr noch &uuml;briggeblieben sei.</p>
<p>Es kommt uns darauf an, da&szlig; die demokratische Partei sich ihrer Stellung bewu&szlig;t
werde. Man wird fragen, warum wir uns an eine Partei wenden, warum wir nicht lieber das Ziel
der demokratischen Bestrebungen ins Auge fassen, die Volkswohlfahrt, das Heil aller ohne
Unterschied?</p>
<p>Es ist dies das Recht und die Gewohnheit des Kampfes, und nur aus dem <i>Kampfe</i> der
Parteien, nicht aus scheinklugen Kompromissen, aus einem erheuchelten Zusammengehen bei
widerstreitenden Ansichten, Interessen und Zwecken kann das Heil der neuen Zeit erwachsen.</p>
<p>Wir verlangen von der demokratischen Partei, da&szlig; sie sich ihrer Stellung bewu&szlig;t
werde. Diese Forderung entspringt aus den Erfahrungen der letzten Monate. Die demokratische
Partei hat sich viel zu sehr dem Taumel des ersten Siegesrausches hingegeben. Trunken vor
Freude, da&szlig; sie endlich einmal ihr Prinzip laut und unverhohlen aussprechen durfte,
bildete sie sich ein, <a name="S23"><b>&lt;23&gt;</b></a> da&szlig; es nur seiner
Verk&uuml;ndigung bed&uuml;rfe, um auch sofort der Verwirklichung sicher zu sein. &Uuml;ber
diese Verk&uuml;ndigung ist sie nach ihrem ersten Siege und den Konzessionen, die unmittelbar
daran gekn&uuml;pft waren, nicht herausgekommen. Aber w&auml;hrend sie mit ihren Ideen
freigebig war und jeden als Bruder umarmte, der nur nicht gleich Widerspruch zu erheben wagte,
handelten die andern, denen die Macht gelassen oder gegeben war. Und ihre T&auml;tigkeit ist
nicht ver&auml;chtlich gewesen. Mit ihrem Prinzipe zur&uuml;ckhaltend, das sie nur soweit
hervortreten lie&szlig;en, als es gegen den alten, durch die Revolution umgeworfenen Zustand
gerichtet war, die Bewegung vorsichtig beschr&auml;nkend, wo das Interesse des neu zu bildenden
Rechtszustandes, die Herstellung der &auml;u&szlig;ern Ordnung als Vorwand dienen konnte, den
Freunden der alten Ordnung scheinbare Zugest&auml;ndnisse machend, um ihrer zur
Durchf&uuml;hrung ihrer Pl&auml;ne desto sicherer zu sein, dann allm&auml;hlich ihr eignes
politisches System in den Grundz&uuml;gen auff&uuml;hrend, ist es ihnen gelungen, zwischen der
demokratischen Partei und den Absolutisten eine Mittelstellung zu gewinnen, nach der einen
Seite fortschreitend, nach der andern zur&uuml;ckdr&auml;ngend, zugleich progressiv - gegen den
Absolutismus, reaktion&auml;r - gegen die Demokratie.</p>
<p>Das ist die Partei des besonnenen, gem&auml;&szlig;igten B&uuml;rgertums, von der sich die
Volkspartei in ihrer ersten Trunkenheit hat &uuml;berlisten lassen, bis ihr endlich, als man
sie schn&ouml;de zur&uuml;ckstie&szlig;, als man sie als W&uuml;hler denunzierte und ihr alle
m&ouml;glichen verwerflichen Tendenzen unterschob, die Augen aufgegangen sind, bis sie gewahrt
hat, da&szlig; sie im Grunde nichts erreicht hat, als was die Herren von der B&uuml;rgerschaft
mit ihrem wohlverstandenen Interesse f&uuml;r vereinbar halten. Mit sich selbst in Widerspruch
gesetzt durch ein undemokratisches Wahlgesetz, geschlagen in den Wahlen, sieht sie jetzt eine
doppelte Vertretung sich gegen&uuml;ber, wovon nur das schwer zu sagen ist, welche von beiden
sich entschiedener ihren Forderungen entgegenstemmt. Damit ist dann freilich ihre Begeisterung
verraucht und die n&uuml;chterne Erkenntnis an die Stelle getreten, da&szlig; eine
m&auml;chtige Reaktion zur Herrschaft gelangt ist, und zwar merkw&uuml;rdigerweise, noch ehe es
&uuml;berhaupt zu einer Aktion im Sinne der Revolution gekommen ist.</p>
<p>So unzweifelhaft dies alles ist, so gef&auml;hrlich w&auml;re es, wenn sich jetzt die
demokratische Partei unter dem bittern Gef&uuml;hle der ersten teilweise selbst verschuldeten
Niederlage bestimmen lie&szlig;e, zu jenem unseligen, dem deutschen Charakter leider so
befreundeten Idealismus zur&uuml;ckzukehren, verm&ouml;ge dessen ein Prinzip, das nicht
sogleich ins Leben gef&uuml;hrt werden kann, der fernen Zukunft anempfohlen, f&uuml;r die
Gegenwart aber der harmlosen Bearbeitung der "Denker" &uuml;berlassen wird.</p>
<p><b><a name="S24">&lt;24&gt;</a></b> Wir m&uuml;ssen direkt warnen vor jenen gleisnerischen
Freunden, die sich mit dem Prinzip zwar einverstanden erkl&auml;ren, aber die
Ausf&uuml;hrbarkeit bezweifeln, weil die Welt noch nicht reif daf&uuml;r sei, die keineswegs
gemeint sind, sie reif zu machen, vielmehr es vorziehen, in diesem schlechten Erdendasein
selber dem allgemeinen Geschicke der Schlechtigkeit anheimzufallen. Wenn das die
Kryptorepublikaner sind, die der Hofrat Gervinus so sehr f&uuml;rchtet, so stimmen wir ihm von
Herzen bei: Die Leute sind gef&auml;hrlich.</p>
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</html>