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<!DOCTYPE HTML PUBLIC "-//W3C//DTD HTML 3.2//EN">
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<title>"Neue Rheinische Zeitung" - Die Debatte ueber den Jakobyschen Auftrag</title>
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<link rel=stylesheet type="text/css" href="http://www.mlwerke.de/css/artikel.css">
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</head>
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<p align="center"><a href="me05_216.htm"><font size="2">Vereinbarungsdebatten</font></a> <font
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size="2">|</font> <a href="../me_nrz48.htm"><font size="2">Inhalt</font></a> <font size=
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"2">|</font> <a href="me05_238.htm"><font size="2">Die Unterdrückung der Klubs in
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Stuttgart und Heidelberg</font></a></p>
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<small>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 5, S. 222-237<br>
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Dietz Verlag, Berlin/DDR 1971</small> <br>
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<h1>Die Debatte über den Jacobyschen Antrag</font></p>
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<p><font size="2">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 48 vom 18. Juli 1848]</font></p>
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<p><b><a name="S222"><222></a></b> **<i>Köln</i>, 17. Juli. Wir haben wieder einmal
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eine "große Debatte" gehabt, um mit Herrn Camphausen zu sprechen, eine Debatte, die volle
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zwei Tage dauerte.</p>
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<p>Die Grundlagen der Debatte sind bekannt: der Vorbehalt der Regierung gegen die sofortige
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Rechtsgültigkeit der Beschlüsse der Nationalversammlung und der Jacobysche Antrag auf
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Anerkennung der Befugnis der Versammlung, sofort rechtskräftige Beschlüsse zu fassen,
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ohne die Zustimmung von irgend jemand abzuwarten, aber auch auf Mißbilligung des
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Beschlusses über die Zentralgewalt.</p>
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<p>Wie eine Debatte über diesen Gegenstand nur möglich war, wird andern Völkern
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unbegreiflich erscheinen. Aber wir sind im Land der Eichen und der Linden, und da darf uns so
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leicht nichts verwundern.</p>
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<p>Das Volk schickt eine Versammlung nach Frankfurt mit dem Mandat, sie soll sich souverän
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erklären über ganz Deutschland und alle seine Regierungen; sie soll kraft ihrer vom
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Volk ihr übertragenen Souveränetät eine Verfassung für Deutschland
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beschließen.</p>
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<p>Die Versammlung, statt sogleich ihre Souveränetät gegenüber den Einzelstaaten
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und dem Bundestag zu proklamieren, umgeht schüchtern jede Frage, die darauf Bezug hat, und
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bewahrt eine unentschiedene, schwankende Stellung.</p>
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<p>Endlich kommt sie zu einer entscheidenden Frage: zur Ernennung einer provisorischen
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Zentralgewalt. Scheinbar unabhängig, in der Tat aber von den Regierungen durch Gagerns
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Vermittlung geleitet, wählt sie selbst den ihr von den Regierungen im voraus bestimmten
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Reichsverweser.</p>
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<p>Der Bundestag erkennt die Wahl an und zeigt eine gewisse Prätension, ihr durch seine
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Bestätigung erst Rechtskraft zu geben.</p>
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<p><b><a name="S223"><223></a></b> Trotzdem aber laufen von Hannover und selbst von
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Preußen Vorbehalte ein; und der preußische Vorbehalt ist es, der der Debatte vom
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11. und 12. zum Grunde liegt.</p>
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<p>Die Berliner Kammer ist also diesmal nicht so sehr schuld daran, wenn die Debatten sich ins
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Nebelhafte verlaufen. Es ist die Schuld der unentschiedenen, schlaffen, energielosen
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Frankfurter Nationalversammlung, wenn ihre Beschlüsse derart sind, daß sich schwer
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andres über sie sagen läßt als bloße Kannegießereien.</p>
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<p><i>Jacoby</i> leitet seinen Antrag kurz und mit seiner gewöhnlichen Präzision ein.
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Er erschwert den Rednern der Linken ihren Standpunkt sehr; er sagt alles, was man über den
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Antrag sagen kann, wenn man nicht auf die für die Nationalversammlung so kompromittierende
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Entstehungsgeschichte der Zentralgewalt eingehen will.</p>
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<p>In der Tat haben nach ihm die Abgeordneten der Linken wenig Neues mehr vorgebracht, wogegen
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es der Rechten noch viel schlimmer erging: sie verlief sich entweder in pure
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Kannegießerei oder in juristische Spitzfindigkeiten. Auf beiden Seiten wurde unendlich
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oft wiederholt.</p>
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<p>Der Abgeordnete <i>Schneider</i> hat die Ehre, die Argumente der Rechten zuerst der
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Versammlung zu unterbreiten.</p>
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<p>Er beginnt mit dem großen Argument, daß der Antrag sich selbst widerspreche.
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Einerseits erkenne er die Souveränetät der Nationalversammlung an, andrerseits fordre
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er die Vereinbarungskammer auf, einen Tadel gegen sie auszusprechen und sich dadurch über
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sie zu stellen. Jeder Einzelne könne den Tadel aussprechen, nicht aber die
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Versammlung.</p>
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<p>Dieser feine Beweisgrund, auf den die Rechte augenscheinlich sehr stolz ist, denn er geht
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durch alle ihre Reden, stellt eine ganz neue Theorie auf. Nach ihr hat die Versammlung weniger
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Recht als ein Einzelner gegenüber der Nationalversammlung.</p>
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<p>Auf dies erste große Argument folgt das republikanische. Deutschland besteht
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größtenteils aus konstitutionellen Monarchien und daher muß es auch ein
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konstitutionelles, unverantwortliches Oberhaupt haben, kein republikanisches, verantwortliches.
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Dies Argument hat am zweiten Tage Herr <i>Stein</i> beantwortet: Deutschland war seiner
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Zentralverfassung nach immer eine Republik, freilich auch eine erbauliche Republik.</p>
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<p><font size="2">"Wir haben", sagt Herr Schneider, "das Mandat erhalten, die konstitutionelle
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Monarchie zu vereinbaren, und die Frankfurter haben das ähnliche Mandat erhalten, mit den
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deutschen Regierungen eine Verfassung für Deutschland zu vereinbaren."</font></p>
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<p>Die Reaktion spricht ihre Wünsche schon als bestehende Tatsachen aus. Damals, als der
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zitternde Bundestag auf Befehl einer Versammlung ohne <a name="S224"><b><224></b></a>
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irgendein rechtskräftiges Mandat, des sogenannten Vorparlaments, die deutsche
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Nationalversammlung einberief, damals war von Vereinbarung nicht die Rede, damals galt die
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berufene Nationalversammlung für souverän. Jetzt aber ist das anders. Die Pariser
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Junitage haben die Hoffnungen nicht nur der großen Bourgeoisie, sondern auch der
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Anhänger des gestürzten Systems neu geschwellt. Jeder Krautjunker erwartet die
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Herstellung seines alten Kantschuregiments, und von dem kaiserlichen Hoflager zu Innsbruck bis
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zu der Stammburg Heinrichs LXXII. beginnt schon der Ruf nach "Vereinbarung der deutschen
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Verfassung" sich zu erheben. Das hat die Frankfurter Versammlung sich freilich selbst
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zuzuschreiben.</p>
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<p><font size="2">"Die Nationalversammlung hat also nach ihrem Mandat gehandelt, indem sie ein
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konstitutionelles Oberhaupt wählte. Sie hat aber auch nach dem Willen des Volkes
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gehandelt; die große Majorität will die konstitutionelle Monarchie. Ja, ich
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hätte es für ein Unglück gehalten, hatte die Nationalversammlung anders
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beschlossen. <i>Nicht</i> weil ich <i>gegen die Republik bin</i>, im <i>Prinzip</i> erkenne ich
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- darin bin ich mit mir vollständig einig - die Republik als die <i>vollkommenste und
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edelste Staatsform</i> an, aber in der Wirklichkeit sind wir dahin noch lange nicht gelangt.
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Wir können die Form nicht haben, ohne den Geist zu haben. Wir können keine Republik
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haben wollen, wenn uns die <i>Republikaner</i> fehlen, d.h. die edlen Charaktere, die nicht nur
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in der Begeisterung, sondern zu jeder Zeit mit ruhigem Bewußtsein und in edler
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Selbstverleugnung ihr Interesse dem gemeinsamen Interesse unterzuordnen wissen."</font></p>
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<p>Kann man einen schönern Beweis verlangen, welche Tugenden in der Berliner Kammer
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vertreten sind, als diese edlen, bescheidenen Worte des Abgeordneten Schneider? Wahrlich, wenn
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noch ein Zweifel bestehen konnte über die Befähigung der Deutschen zur Republik, er
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mußte in sein Nichts verschwinden vor diesen Proben echter Bürgertugend, edler,
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bescheidenster Selbstaufopferung unseres Cincinnatus-Schneider! Möge Cincinnatus Mut
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fassen und Vertrauen zu sich und den zahllosen edlen Bürgern Deutschlands, die ebenfalls
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die Republik für die edelste Staatsform, aber sich selbst für schlechte Republikaner
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halten: Sie sind reif für die Republik, sie würden die Republik mit demselben
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heroischen Gleichmut ertragen wie die absolute Monarchie. Die Republik der Biedermänner
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würde die glücklichste sein, die je bestand: eine Republik ohne Brutus und Catilina,
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ohne Marat und Junistürme, die Republik der satten Tugend und zahlungsfähigen
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Moral.</p>
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<p>Wie sehr täuscht sich Cincinnatus-Schneider, wenn er ausruft:</p>
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<p><font size="2">"Unter dem Absolutismus können sich keine republikanischen Charaktere
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bilden; es läßt sich der republikanische Geist nicht hervorrufen, wie man die
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<i>Hand</i> umdreht; wir haben unsere Kinder und Kindeskinder dahin erst zu erziehen!
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Gegenwärtig würde ich die Republik nur für das höchste Unheil halten, denn
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sie wäre die Anarchie <a name="S225"><b><225></b></a></font> mit dem entheiligten
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Namen der Republik, der Despotismus unter der Larve der Freiheit!"</p>
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<p>Im Gegenteil, die Deutschen sind, wie Herr <i>Vogt</i> (von Gießen) in der
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Nationalversammlung sagte, die <i>gebornen</i> Republikaner, und Cincinnatus-Schneider kann
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seine Kinder nicht besser zur Republik erziehen, als wenn er sie in der alten deutschen Zucht,
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Sitte und Gottesfurcht erzieht, in der er selbst schlecht und recht herangewachsen. Die
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Republik der Biedermänner würde anstatt Anarchie und Despotismus dieselben
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gemütlichen Weißbierverhandlungen erst zur höchsten Vollkommenheit entwickeln,
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in denen Cincinnatus-Schneider sich so sehr auszeichnet. Die Republik der Biedermänner,
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fern von allen Greueln und Verbrechen, die die französische erste Republik besudelten,
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rein von Blut und die rote Fahne verabscheuend, würde das bisher Unerreichte möglich
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machen, daß jeder honette Bürger ein stilles und ruhiges Leben führe in aller
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Gottseligkeit und Ehrbarkeit. Wer weiß, ob uns die Republik der Biedermänner nicht
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gar die Zünfte mit sämtlichen erheiternden Bönhasenprozessen wiederbrächte!
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Diese Republik der Biedermänner ist kein luftgewebtes Traumbild, sie ist eine
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Wirklichkeit, sie existiert in Bremen, Hamburg, Lübeck und Frankfurt und selbst noch in
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einigen Teilen der Schweiz. Überall aber droht ihr Gefahr im Sturm der Zeiten,
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überall ist sie am Untergehen.</p>
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<p>Darum auf, Cincinnatus-Schneider, verlaß Pflug und Rübenfeld, Weißbier und
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Vereinbarung, steig zu Roß und rette die bedrohte Republik, <i>deine</i> Republik, die
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<i>Republik der Biedermänner!</i></p>
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<p><font size="2">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 49 vom 19. Juli 1848]</font></p>
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<p>**<i>Köln</i>, 18. Juli. Nach Herrn Schneider betritt Herr Waldeck die Tribüne, um
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für den Antrag zu sprechen:</p>
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<p><font size="2">"Wahrlich, die Lage des preußischen Staats ist jetzt beispiellos, und
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<i>im Grunde</i> kann man sich nicht verhehlen, sie ist auch <i>einigermaßen</i>
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bedenklich."</font></p>
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<p>Dieser Anfang ist ebenfalls einigermaßen bedenklich. Wir glauben noch immer den
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Abgeordneten Schneider zu hören:</p>
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<p>"<font size="2">Preußen war, wir dürfen es sagen, berufen zur Hegemonie in
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Deutschland."</font></p>
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<p>Noch immer die altpreußische Illusion, noch immer der süße Traum,
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Deutschland in Preußen aufgehen zu machen und Berlin zum deutschen Paris zu
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erklären! Herr Waldeck sieht zwar diese süße Hoffnung vor seinen Augen
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zerrinnen, aber mit schmerzlichem Gefühl schaut er ihr nach, er <a name=
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"S226"><b><226></b></a> macht der vorigen und jetzigen Regierung einen Vorwurf daraus,
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sie habe es verschuldet, daß Preußen nicht an der Spitze von Deutschland stehe.</p>
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<p>Leider, die schönen Tage sind vorüber, in denen der Zollverein die
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preußische Hegemonie über Deutschland anbahnte, in denen der Provinzialpatriotismus
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glauben konnte, "der märkische Stamm habe seit 200 Jahren die Geschicke Deutschlands
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entschieden" und werde sie auch ferner entscheiden; die schönen Tage, in denen das
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gänzlich zerfallende Bundestags-Deutschland selbst in der allgemeinen Anwendung der
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preußisch-bürokratischen Zwangsjacke ein letztes Mittel des Zusammenhalts sehen
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konnte!</p>
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<p><font size="2">"Der längst von der öffentlichen Meinung gerichtete Bundestag
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verschwindet, und plötzlich steht vor den Augen der <i>erstaunten Welt</i> die
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konstituierende Nationalversammlung zu Frankfurt!"</font></p>
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<p>Die "Welt" mußte allerdings "erstaunen", als sie <i>diese</i> konstituierende
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Nationalversammlung sah. Man vergleiche darüber die französischen, englischen und
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italienischen Blätter.</p>
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<p>Herr Waldeck erklärt sich noch des breiteren gegen einen deutschen Kaiser und macht dem
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Herrn Reichensperger II Platz.</p>
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<p>Herr <i>Reichensperger II</i> erklärt die Unterstützer des Jacobyschen Antrags
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für Republikaner und wünscht, sie möchten nur so offen mit ihren Absichten
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hervortreten wie die Frankfurter Republikaner. Dann beteuert auch er, Deutschland besitze noch
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nicht das "Vollmaß bürgerlicher und politischer Tugend, welches ein großer
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Staatslehrer <Montesquieu> als die wesentliche Bedingung der Republik bezeichnet". Es
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muß schlimm um Deutschland stehen, wenn der Patriot Reichensperger das sagt!</p>
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<p>Die Regierung, fährt er fort, hat keine Vorbehalte gemacht (!), sondern bloße
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Wünsche ausgesprochen. Dazu war Veranlassung genug, und auch ich hoffe, daß nicht
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immer die Regierungen bei den Beschlüssen der Nationalversammlung umgangen werden. Eine
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Festsetzung der Kompetenz der Frankfurter Nationalversammlung liegt außer unserer
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Kompetenz; die Nationalversammlung selbst hat sich dagegen ausgesprochen, Theorien über
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ihre Kompetenz aufzustellen, sie hat praktisch gehandelt, wo die Notwendigkeit das Handeln
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gebot.</p>
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<p>Das heißt, die Frankfurter Versammlung hat nicht in der Zeit der revolutionären
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Aufregung, wo sie allmächtig war, den unausbleiblichen Kampf mit den deutschen Regierungen
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durch einen entscheidenden Schlag abgemacht; sie hat vorgezogen, die Entscheidung
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aufzuschieben, bei jedem einzelnen Beschluß kleine Scharmützel mit dieser oder jener
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Regierung zu <a name="S227"><b><227></b></a> bestehen, die für sie in demselben
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Maße schwächend sind, als sie sich von der Zeit der Revolutionen entfernt und durch
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ihr schlaffes Auftreten in den Augen des Volks kompromittiert. Und insofern hat Herr
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Reichensperger recht: Es verlohnt sich für uns nicht der Mühe, einer Versammlung zu
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Hülfe zu kommen, die sich selbst im Stich läßt!</p>
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<p>Rührend aber ist es, wenn Herr Reichensperger sagt:</p>
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<p><font size="2">"Es ist also <i>unstaatsmännisch,</i> derartige Kompetenzfragen zu
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erörtern; es kömmt nur darauf an, die jedesmal sich darbietenden praktischen Fragen
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zu lösen."</font></p>
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<p>Allerdings, es ist "unstaatsmännisch", diese "praktischen Fragen" ein für allemal
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durch einen energischen Beschluß zu beseitigen; es ist "unstaatsmännisch", das
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revolutionäre Mandat, das jede aus den Barrikaden hervorgegangene Versammlung besitzt,
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geltend zu machen gegenüber den Versuchen der Reaktion, die Bewegung aufzuhalten;
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allerdings, Cromwell, Mirabeau, Danton, Napoleon, die ganze englische und französische
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Revolution waren höchst "unstaatsmännisch", aber Bassermann, Biedermann, Eisenmann,
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Wiedenmann, Dahlmann benehmen sich "staatsmännisch"! Die "Staatsmänner" hören
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überhaupt auf, wenn die Revolution eintritt, und die Revolution muß für den
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Augenblick eingeschlafen sein, wenn die "Staatsmänner" wieder auftreten! Und vollends die
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Staatsmänner von der Stärke des Herrn Reichensperger II, Abgeordneten des Kreises
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Kempen!</p>
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<p><font size="2">"Gehen Sie von diesem System ab, so wird es schwerlich gelingen, Konflikte
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mit der deutschen Nationalversammlung oder mit den Regierungen der Einzelstaaten zu vermeiden;
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in jedem Falle werden Sie beklagenswerten Zwiespalt säen; infolge des Zwiespalts wird die
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Anarchie sich erheben, und niemand schützt uns alsdann vor Bürgerkrieg. Der
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Bürgerkrieg aber ist der Anfang noch größern Unglücks ... ich halte es
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nicht für unmöglich, daß es alsdann auch einmal von uns heißen wird: Die
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Ordnung ist in Deutschland hergestellt - durch unsere Freunde von Osten und Westen!"</font></p>
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<p>Herr Reichensperger mag recht haben. Wenn die Versammlung sich auf Kompetenzfragen
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einläßt, so mag das Veranlassung zu Kollisionen sein, die den Bürgerkrieg, die
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Franzosen und die Russen herbeirufen. Aber wenn sie es nicht tut, wie sie es wirklich nicht
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|
getan hat, so ist uns der Bürgerkrieg doppelt sicher. Die Konflikte, im Anfang der
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Revolution noch ziemlich einfach, verwickeln sich täglich mehr, und je länger die
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Entscheidung aufgeschoben wird, desto schwieriger, desto blutiger wird die Lösung
|
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|
sein.</p>
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<p>Ein Land wie Deutschland, das gezwungen ist, sich aus der namenlosesten Zersplitterung zur
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Einheit emporzuarbeiten, das bei Strafe des Untergangs einer um so strengeren
|
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|
revolutionären Zentralisation bedarf, je zerfallener es bisher war; ein Land, das zwanzig
|
||
|
Vendéen in seinem Schoße birgt, das <a name="S228"><b><228></b></a> von den
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||
|
beiden mächtigsten und zentralisiertesten Kontinentalstaaten eingeklemmt, von zahllosen
|
||
|
kleinen Nachbarn umgeben und mit allen gespannt oder gar im Kriege ist - ein solches Land kann
|
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in der gegenwärtigen Zeit der allgemeinen Revolution <i>weder dem Bürgerkriege noch
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||
|
dem auswärtigen Kriege</i> entgehen. Und diese Kriege, die uns ganz sicher bevorstehen,
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||
|
werden um so gefährlicher, um so verheerender werden, je unentschlossener das Volk und
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||
|
seine Leiter sich benehmen, je länger die Entscheidung hinausgeschoben wird. Bleiben die
|
||
|
"Staatsmänner" des Herrn Reichensperger am Ruder, so können wir einen zweiten
|
||
|
Dreißigjährigen Krieg erleben. Aber zum Glück haben die Gewalt der Ereignisse,
|
||
|
das deutsche Volk, der Kaiser von Rußland und das französische Volk noch ein Wort
|
||
|
mitzusprechen.</p>
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<p><font size="2">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 53 vom 23. Juli 1848]</font></p>
|
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|
<p>**<i>Köln</i>, 22. Juli. Endlich gestatten uns die Ereignisse, Gesetzentwürfe,
|
||
|
Waffenstillstandsprojekte usw. wieder zu unsern geliebten Vereinbarungsdebatten
|
||
|
zurückzukehren. Wir finden den Abgeordneten Herrn v. <i>Berg</i> aus Jülich auf der
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||
|
Tribüne, einen Mann, der uns doppelt interessiert: erstens als Rheinländer und
|
||
|
zweitens als Ministerieller neuesten Datums.</p>
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||
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|
<p>Herr Berg ist aus verschiedenen Gründen gegen den Jacobyschen Antrag. Der erste ist
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||
|
dieser:</p>
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|
<p><font size="2">"Der erste Teil des Antrags, der an uns die Forderung stellt, eine
|
||
|
Mißbilligung eines Beschlusses des deutschen Parlaments auszusprechen, dieser erste Teil
|
||
|
ist weiter nichts als ein Protest im Namen einer Minorität gegen eine gesetzliche
|
||
|
Majorität. Es ist weiter nichts als ein Versuch einer Partei, die <i>innerhalb</i> eines
|
||
|
gesetzgebenden Körpers <i>unterlegen</i> ist, <i>sich von außen zu stärken</i>,
|
||
|
ein Versuch, der in seinen Konsequenzen <i>zum Bürgerkrieg führen
|
||
|
muß</i>."</font></p>
|
||
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|
<p>Herr Cobden befand sich von 1840 bis 1845 mit seinem Antrag zur Aufhebung der Korngesetze im
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||
|
Unterhause in der Minorität. Er gehörte zu "einer Partei, die innerhalb eines
|
||
|
gesetzgebenden Körpers unterlegen" war. Was tat er? Er suchte sich "von außen zu
|
||
|
stärken". Er erließ nicht bloß eine Mißbilligung der Beschlüsse des
|
||
|
Parlaments; er ging viel weiter, er gründete und organisierte die Anti-Korngesetz-Ligue,
|
||
|
die Anti-Korngesetz-Presse, kurz die ganze kolossale Agitation gegen die Korngesetze. Nach der
|
||
|
Ansicht des Herrn Berg war das ein Versuch, der "zum Bürgerkrieg führen
|
||
|
mußte".</p>
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|
<p>Die Minorität des seligen Vereinigten Landtags suchte sich ebenfalls "von außen
|
||
|
zu stärken". Herr Camphausen, Herr Hansemann, Herr Milde nahmen in dieser Beziehung nicht
|
||
|
den mindesten Anstand. Die beweisenden Tatsachen sind notorisch. Es ist klar, nach Herrn Berg,
|
||
|
daß die Konsequenzen <a name="S229"><b><229></b></a> auch ihres Benehmens "zum
|
||
|
Bürgerkrieg führen mußten". Sie führten aber nicht zum Bürgerkrieg,
|
||
|
sondern zum Ministerium.</p>
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|
<p>Und so könnten wir noch hundert andre Beispiele anführen.</p>
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<p>Also die Minorität eines gesetzgebenden Körpers soll sich bei Strafe, zum
|
||
|
Bürgerkriege zu führen, nicht von außen zu stärken suchen. Aber was ist
|
||
|
denn "von außen"? Die Wähler, d.h. die Leute, die die gesetzgebenden Körper
|
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<i>machen</i>. Und wenn man sich nicht mehr durch Einwirkung auf diese Wähler
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"stärken" soll, wodurch soll man sich stärken?</p>
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<p>Sind die Reden der Herrn Hansemann, Reichensperger, v. Berg etc. bloß für die
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Versammlung gehalten oder auch fürs Publikum, dem sie durch stenographische Berichte
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mitgeteilt werden? Sind diese Reden nicht ebenfalls Mittel, wodurch diese "Partei innerhalb
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eines gesetzgebenden Körpers" sich "von außen zu stärken sucht" oder zu
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[stärken] <i>hofft</i>?</p>
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<p>Mit einem Wort: Das Prinzip des Herrn Berg würde zur Aufhebung aller politischen
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Agitation führen. Die Agitation ist nichts anders als die Anwendung der
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Unverantwortlichkeit der Repräsentanten, der Preßfreiheit, des Assoziationsrechts -
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d.h. der in Preußen zu Recht bestehenden Freiheiten. Ob diese Freiheiten zum
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Bürgerkriege führen oder nicht, geht uns gar nichts an; genug, sie bestehen, und wir
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wollen sehen, wohin es "führt", wenn man fortfährt, sie anzutasten.</p>
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<p><font size="2">"Meine Herren, diese Versuche der Minorität, sich außerhalb der
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gesetzgebenden Gewalt Kraft und Geltung zu verschaffen, sind nicht von heute und gestern, sie
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datieren vom ersten Tag der deutschen Erhebung. Auf dem Vorparlament entfernte sich die
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Minorität protestierend, und die Folge davon war ein Bürgerkrieg."</font></p>
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<p>Erstens ist hier beim Jacobyschen Antrag von einer "protestierenden Entfernung der
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Minorität" keine Rede.</p>
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<p>Zweitens "sind die Versuche der Minorität, sich außerhalb der gesetzgebenden
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Gewalt Geltung zu verschaffen", allerdings "nicht von heute und gestern", denn sie datieren von
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dem Tage, wo es gesetzgebende Gewalten und Minoritäten gab.</p>
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<p>Drittens hat nicht die protestierende Entfernung der Minorität des Vorparlaments zum
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Bürgerkrieg geführt, sondern die "moralische Überzeugung" des Herrn Mittermaier,
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daß Hecker, Fickler und Konsorten Landesverräter seien, und die infolge davon
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ergriffenen, durch die schlotterndste Angst diktierten Maßregeln der badischen
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Regierung.</p>
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<p>Nach dem Argument des Bürgerkriegs, das natürlich ganz geeignet ist, dem deutschen
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Bürger gewaltige Angst einzujagen, kommt das Argument des mangelnden Mandats.</p>
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<p><font size="2"><b><a name="S230"><230></a></b> "Wir sind von unsern Wählern
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gewählt, um eine Staatsverfassung für Preußen zu begründen; dieselben
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Wähler haben andere ihrer Mitbürger nach Frankfurt entsendet, um dort die
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Zentralgewalt zu begründen. Es ist nicht zu leugnen, daß dem Wähler, welcher
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das Mandat gibt, allerdings zusteht, das, was der Mandatar tut, zu billigen oder zu
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mißbilligen; aber die Wähler haben uns nicht beauftragt, in dieser Beziehung die
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Stimmen für sie zu führen."</font></p>
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<p>Dies triftige Argument hat große Bewunderung bei den Juristen und juristischen
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Dilettanten der Versammlung erregt. Wir haben kein Mandat! Und dennoch behauptet derselbe Herr
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Berg zwei Minuten später, die Frankfurter Versammlung sei "berufen worden, um im
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Einvernehmen mit den deutschen Regierungen die künftige Verfassung Deutschlands
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aufzubauen", und die preußische Regierung würde in diesem Falle doch hoffentlich
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ihre Bestätigung nicht geben, ohne die Vereinbarungsversammlung oder die nach der neuen
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Konstitution gewählte Kammer zu Rate zu ziehen. Und dennoch hat das Ministerium die
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Anerkennung des Reichsverwesers der Versammlung sogleich nebst ihren Vorbehalten angezeigt und
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die Versammlung dadurch aufgefordert, ihr Urteil abzugeben!</p>
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<p>Gerade der Standpunkt des Herrn Berg, seine eigene Rede und die Mitteilung des Herrn
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Auerswald führen also zu der Konsequenz, daß die Versammlung allerdings ein Mandat
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hat, sich mit den Frankfurter Beschlüssen zu beschäftigen!</p>
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<p>Wir haben kein Mandat! Also wenn die Frankfurter Versammlung die Zensur wieder vorschreibt,
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bei einem Konflikt zwischen Kammer und Krone bayrische und östreichische Truppen zur
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Unterstützung der Krone nach Preußen schickt, so hat Herr Berg "kein Mandat"!</p>
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<p>Welches Mandat hat Herr Berg? Buchstäblich nur das, "die Verfassung mit der Krone zu
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vereinbaren". Er hat also keineswegs das Mandat zu interpellieren,
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Unverantwortlichkeitsgesetze, Bürgerwehrgesetze, Ablösungsgesetze und andere nicht in
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der Verfassung figurierende Gesetze zu vereinbaren. Die Reaktion behauptet das auch
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täglich. Er selbst sagt: "Jeder Schritt über dieses Mandat hinaus ist
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Ungerechtigkeit, ein Aufgeben desselben oder gar Verrat!"</p>
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<p>Und dennoch gibt Herr Berg und die ganze Versammlung jeden Augenblick, von der Notwendigkeit
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gezwungen, ihr Mandat auf. Sie muß es infolge des revolutionären oder vielmehr jetzt
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reaktionären Provisoriums. Infolge dieses Provisoriums gehört aber alles zur
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Kompetenz der Versammlung, was dazu dient, die Errungenschaften der Märzrevolution
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sicherzustellen, und wenn dies durch einen moralischen Einfluß auf die Frankfurter
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Versammlung geschehen kann, so ist die Vereinbarungskammer dazu nicht nur befugt, sondern sogar
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verpflichtet.</p>
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<p><b><a name="S231"><231></a></b> Folgt das rheinpreußische Argument, das für
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uns Rheinländer von besondrer Wichtigkeit ist, weil es beweist, wie wir in Berlin
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vertreten sind.</p>
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<p><font size="2">"Wir Rheinländer, Westfalen und noch andere Provinzen haben mit
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Preußen <i>durchaus</i> kein anderes Verband, als daß wir <i>zur Krone
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Preußen gekommen</i> sind. Lösen wir das Band auf, so fällt der Staat
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auseinander. Ich sehe auch gar nicht ein, und ich glaube, die meisten Deputierten meiner
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Provinz auch nicht, was wir mit einer Republik Berlin sollen. Da könnten wir ja lieber
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eine Republik Köln wollen."</font></p>
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<p>Auf die kannegießerlichen Möglichkeiten, was wir wohl "wollen könnten", wenn
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Preußen sich in eine "Republik Berlin" verwandelte, auf die neue Theorie über die
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Lebensbedingungen des preußischen Staats usw. gehen wir gar nicht ein. Wir protestieren
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als Rheinländer nur dagegen, daß "wir zur Krone Preußen gekommen sind". Im
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Gegenteil, die "Krone Preußen" ist <i>zu uns</i> gekommen.</p>
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<p>Der nächste Redner gegen den Antrag ist der Herr <i>Simons</i> aus Elberfeld. Er
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wiederholt alles, was der Herr Berg gesagt hat.</p>
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<p>Auf ihn folgt ein Redner der Linken und sodann der Herr <i>Zachariä</i>. Er wiederholt
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alles, was Herr Simons gesagt hat.</p>
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<p>Der Abgeordnete <i>Duncker</i> wiederholt alles, was Herr Zachariä gesagt hat. Er sagt
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aber auch noch einige andere Dinge, oder er sagt das schon Gesagte in so krasser Form,
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daß wir gut tun, auf seine Rede kurz einzugehen.</p>
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<p><font size="2">"Wenn wir, die konstituierende Versammlung von 16 Millionen Deutschen, der
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konstituierenden Versammlung sämtlicher Deutschen einen solchen Tadel hinwerfen,
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stärken wir dadurch in dem Bewußtsein des Volks die Autorität der deutschen
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Zentralgewalt, die Autorität des deutschen Parlaments? Untergraben wir nicht damit den
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freudigen Gehorsam, der ihr von den einzelnen Stämmen [gewährt] werden muß,
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wenn sie wirken soll für die Einheit Deutschlands?"</font></p>
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<p>Nach Herrn Duncker besteht die Autorität der Zentralgewalt und Nationalversammlung, der
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"freudige Gehorsam"; er besteht darin, daß das <i>Volk</i> sich ihr blindlings
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unterwirft, aber die einzelnen <i>Regierungen</i> ihre <i>Vorbehalte</i> machen und
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gelegentlich ihr den Gehorsam kündigen.</p>
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<p><font size="2">"Wozu in unserer Zeit, wo die Gewalt der Tatsachen eine so unermeßliche
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ist, wozu theoretische Erklärungen?"</font></p>
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<p>Die Anerkennung der Souveränetät der Frankfurter Versammlung durch die Vertreter
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"von 16 Millionen Deutschen" ist also eine bloß "theoretische Erklärung"!?</p>
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<p><font size="2">"Wenn in Zukunft die Regierung und die Volksvertretung Preußens einen
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Beschluß, der in Frankfurt gefaßt würde, für unmöglich, für
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unausführbar <i>hielten</i>, würde dann überhaupt die Möglichkeit der
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Ausführung eines solchen Beschlusses da sein?"</font></p>
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<p><b><a name="S232"><232></a></b> Die bloße Meinung, das <i>Dafürhalten</i>
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der preußischen Regierung und Volksvertretung wäre also imstande, Beschlüsse
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der Nationalversammlung <i>unmöglich</i> zu machen.</p>
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<p><font size="2">"Wenn das ganze preußische Volk, wenn zwei Fünftel Deutschlands
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sich den Frankfurter Beschlüssen nicht unterwerfen wollten, so wären sie
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unausführbar, wir mögen heute aussprechen, was wir wollen."</font></p>
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<p>Da haben wir den ganzen alten Preußenhochmut, den Berliner Nationalpatriotismus in der
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ganzen alten Glorie mit dem Zopf und Krückstock des alten Fritzen. Wir sind zwar die
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Minorität, wir sind nur zwei Fünftel (nicht einmal), aber wir werden der
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Majorität schon zeigen, daß <i>wir</i> die Herren in Deutschland, daß wir die
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Preußen sind!</p>
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<p>Wir raten den Herrn von der Rechten nicht, einen solchen Konflikt zwischen "Zwei
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Fünftel" und "Drei Fünftel" zu provozieren. Das Zahlenverhältnis würde sich
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doch ganz anders stellen, und manche Provinz dürfte sich erinnern, daß sie seit
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undenklichen Zeiten deutsch, aber erst seit dreißig Jahren preußisch ist.</p>
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<p>Aber Herr Duncker hat einen Ausweg. Die Frankfurter so gut wie wir müssen "solche
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Beschlüsse fassen, daß in ihnen ausgesprochen ist der vernünftige Gesamtwille,
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die wahre öffentliche Meinung, daß sie bestehen können vor dem sittlichen
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Bewußtsein der Nation", d.h. Beschlüsse nach dem Herzen des Abgeordneten
|
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Duncker.</p>
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<p><font size="2">"Wenn wir, wenn jene in Frankfurt solche Beschlüsse fassen, dann sind
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wir, dann sind sie souverän, sonst sind wir es nicht, und wenn wir es zehnmal
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dekretieren."</font></p>
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<p>Nach dieser tiefsinnigen, seinem sittlichen Bewußtsein entsprechenden Definition der
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Souveränetät, stößt Herr Duncker den Seufzer aus "Jedenfalls gehört
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dies der Zukunft an" - und damit schließt er seine Rede.</p>
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<p>Raum und Zeit schließen ein Eingehen auf die an demselben Tage gehaltenen Reden der
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Linken aus. Indessen werden unsre Leser schon aus den gegebenen Reden der Rechten gesehen
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haben, daß Herr Parrisius nicht ganz unrecht hatte, wenn er auf Vertagung antrug, aus dem
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Grunde, weil "die Hitze in dem Saale so hoch gestiegen ist, daß man <i>seine Gedanken
|
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|
nicht vollständig klar</i> haben kann"!</p>
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<p><font size="2">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 55 vom 25. Juli 1848]</font></p>
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<p>**<i>Köln</i>, 24. Juli. Als wir vor einigen Tagen durch den Drang der Weltereignisse
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genötigt waren, die Schilderung dieser Debatte zu unterbrechen, hat ein benachbarter
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Publizist die Gefälligkeit gehabt, diese Schilderung an <a name=
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"S233"><b><233></b></a> unsrer Stelle zu übernehmen. Er hat das Publikum bereits auf
|
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"die Fülle treffender Gedanken und heller Ansichten", auf "den guten gesunden Sinn
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für wahre Freiheit" aufmerksam gemacht, welche "die Redner der Majorität in dieser
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großen zweitägigen Debatte gezeigt haben" - und namentlich unser unvergleichlicher
|
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Baumstark.</p>
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<p>Wir müssen uns beeilen, die Debatte zu Ende zu bringen, aber wir können nicht
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umhin, einige Beispiele der "treffenden Gedanken und hellen Ansichten" der Rechten aus der
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"Fülle" hervorzusuchen.</p>
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<p>Den zweiten Tag der Debatte eröffnet der Abgeordnete <i>Abegg</i> mit der Drohung an
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die Versammlung: Wenn man über diesen Antrag ins reine kommen wolle, so müsse man die
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ganzen Frankfurter Debatten vollständig wiederholen - und dazu sei die hohe Versammlung
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doch offenbar nicht berechtigt! Das würden ihre Herren Kommittenten "bei dem praktischen
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Takt und praktischen Sinn, der ihnen beiwohnt", nie billigen können! Übrigens, was
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solle aus der deutschen Einheit werden, wenn man sich (jetzt kömmt ein ganz besonders
|
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"treffender Gedanke") "<i>nicht nur auf Vorbehalte</i> beschränke, sondern zu einer
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entschiedenen Billigung oder Mißbilligung der Frankfurter Beschlüsse" übergehe!
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Da bleibe ja nichts als die "lediglich formelle Fügsamkeit"!</p>
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<p>Natürlich, die "lediglich formelle Fügsamkeit", die kann man durch "Vorbehalte"
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und im Notfall auch direkt weigern, das kann der deutschen Einheit keinen Schaden tun; aber
|
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eine Billigung oder Mißbilligung, ein Urteil über diese Beschlüsse vom
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stilistischen, logischen oder Nützlichkeitsstandpunkt - da hört wirklich alles
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auf!</p>
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<p>Herr <i>Abegg</i> schließt mit der Bemerkung, es sei die Sache der Frankfurter,
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<i>nicht</i> der Berliner Versammlung, sich über die der Berliner, <i>nicht</i> der
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Frankfurter Versammlung vorgelegten Vorbehalte zu erklären. Man dürfe den
|
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Frankfurtern nicht vorgreifen; das beleidige ja die Frankfurter!</p>
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<p>Die Herren in Berlin sind inkompetent, über Erklärungen zu urteilen, die ihre
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eignen Minister ihnen machen.</p>
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<p>Überspringen wir nun die Götter der kleinen Leute, einen <i>Baltzer,</i> einen
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<i>Kämpff,</i> einen <i>Gräff,</i> und eilen wir, den Helden des Tages, den
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|
unvergleichlichen <i>Baumstark,</i> zu hören.</p>
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<p>Der Abgeordnete <i>Baumstark</i> erklärt, er werde sich nie für inkompetent
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erklären, sobald er nicht zugeben müsse, er verstehe von der Sache nichts - und das
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werde doch wohl nicht das Resultat der achtwöchentlichen Debatte sein, daß man von
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der Sache nichts verstehe?</p>
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<p>Der Abgeordnete Baumstark ist also <i>kompetent</i>. Und zwar folgendermaßen:</p>
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<p><font size="2"><b><a name="S236"></a><a name="S234"><234></a></b> "Ich frage, sind wir
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denn durch unsere bisher bewiesene Weisheit dazu vollkommen berechtigt" (d.h. kompetent),
|
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"einer Versammlung gegenüberzutreten, welche das allgemeine Interesse Deutschlands, die
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Bewunderung von ganz Europa, durch die Vortrefflichkeit ihrer Gesinnung, durch die Höhe
|
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ihrer Intelligenz, durch die Sittlichkeit ihrer Staatsanschauung auf sich gezogen hat - ich
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sage, durch alles, was in der Geschichte den Namen Deutschlands groß gemacht und
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verherrlicht hat? Dem <i>beuge</i> ich mich" (d.h. erkläre mich <i>inkompetent</i>) "und
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|
wünsche, daß die Versammlung in dem Gefühl der Wahrheit (!!) sich ebenfalls
|
||
|
beugen" (d.h. <i>inkompetent</i> erklären) "möge!"</font></p>
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<p>"Meine Herren", fahrt der "kompetente" Abgeordnete Baumstark fort, "man hat in der gestrigen
|
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|
Sitzung gesagt, daß man von Republik usw. gesprochen, das sei ein unphilosophisches
|
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Wesen. Es kann aber unmöglich unphilosophisch sein, als ein Charakteristikum der Republik
|
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im demokratischen Sinne die Verantwortlichkeit dessen zu bezeichnen, der an der Spitze des
|
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Staats steht. Meine Herren, es steht fest, daß alle Staatsphilosophen von <i>Plato</i> an
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bis herab zu <i>Dahlmann</i>" (tiefer "herab" konnte der Abgeordnete Baumstark allerdings nicht
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steigen) "diese Ansicht ausgesprochen haben, und wir dürfen ohne ganz besondere
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Gründe, die noch erst vorgebracht werden müssen, dieser mehr als tausendjährigen
|
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Wahrheit (!) und historischen Tatsache nicht widersprechen."</p>
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<p>Herr Baumstark meint also doch, daß man wohl zuweilen "ganz besondere Gründe"
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haben könne, um sogar "historischen Tatsachen" zu widersprechen. Die Herren von der
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|
Rechten pflegen sich allerdings in dieser Beziehung nicht zu genieren.</p>
|
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|
<p>Herr Baumstark erklärt sich ferner abermals <i>inkompetent</i>, indem er die Kompetenz
|
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|
auf die Schultern "aller Staatsphilosophen von Plato bis herab zu Dahlmann" schiebt, zu welchen
|
||
|
Staatsphilosophen Herr Baumstark natürlich nicht gehört.</p>
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<p><font size="2">"Denke man sich dies Staatsgebäude! <i>Eine</i> Kammer und ein
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|
verantwortlicher Reichsverweser, und basiert auf das jetzige Wahlgesetz! Bei einiger
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|
Betrachtung würde man finden, daß dies der gesunden <i>Vernunft</i>
|
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|
widerspricht."</font></p>
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|
<p>Und nun tut Herr Baumstark folgenden tiefgeschöpften Ausspruch, der selbst bei der
|
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|
schärfsten Betrachtung nicht "der gesunden Vernunft" widersprechen wird:</p>
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<p><font size="2">"Meine Herren! Zur Republik gehört zweierlei: die Volksansicht und die
|
||
|
leitenden Persönlichkeiten. Wenn wir unsere deutsche Volksansicht etwas näher
|
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|
betrachten, so werden wir darin von <i>dieser</i>" (nämlich der erwähnten
|
||
|
reichsverweserlichen) "Republik wenig finden!"</font></p>
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<p><b><a name="S235"><235></a></b> Herr Baumstark erklärt sich also abermals
|
||
|
<i>inkompetent</i>, und diesmal ist es die <i>Volksansicht</i>, die für die Republik statt
|
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|
seiner kompetent ist. Die Volksansicht "versteht" also mehr von der Sache als der Angeordnete
|
||
|
Baumstark.</p>
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<p>Endlich aber beweist der Redner, daß es auch Sachen gibt, von denen er etwas
|
||
|
"versteht", und zu diesen Sachen gehört vor allen Dingen die
|
||
|
Volkssouveränetät.</p>
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|
<p><font size="2">"Meine Herren! Die Geschichte, und ich muß darauf zurückkommen,
|
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|
gibt den Beweis, <i>wir haben Volkssouveränetät von jeher gehabt</i>, aber sie hat
|
||
|
sich unter verschiedenen Formen verschieden gestaltet."</font></p>
|
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||
|
<p>Und jetzt folgt eine Reihe der "treffendsten Gedanken und hellsten Ansichten" über die
|
||
|
brandenburgisch-preußische Geschichte und die Volkssouveränetät, welche den
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||
|
benachbarten Publizisten alle irdischen Leiden im Übermaß konstitutioneller Wonne
|
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|
und doktrinärer Seligkeit verschwinden macht.</p>
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|
<p><font size="2">"Als der Große Kurfürst jene morschen ständischen Elemente,
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||
|
infiziert von dem Gift französischer Entsittlichung" (das Recht der ersten Nacht war
|
||
|
allerdings allmählich von der "französischen entsittlichten" Zivilisation zu Grabe
|
||
|
getragen worden!) "unberücksichtigt ließ, <i>ja</i> (!) niederschmetterte" (das
|
||
|
"Niederschmettern" ist allerdings die beste Art, etwas unberücksichtigt zu lassen), "da
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||
|
ward ihm allgemein vom Volke zugejauchzt in dem tiefen Gefühl der Sittlichkeit, einer
|
||
|
Kräftigung des deutschen, insbesondere des preußischen
|
||
|
Staatsgebäudes."</font></p>
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|
<p>Man bewundre das "tiefe Gefühl der Sittlichkeit" der brandenburgischen
|
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Spießbürger des 17. Jahrhunderts, die im tiefen Gefühl ihrer Profite dem
|
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|
Kurfürsten zujauchzten, als er ihre Feinde, die Feudalherren, angriff und ihnen selbst
|
||
|
Konzessionen verkaufte - man bewundre aber noch mehr die "gesunde Vernunft" und "helle Ansicht"
|
||
|
des Herrn Baumstark, der in diesem Zujauchzen "Volkssouveränetät" erblickt!</p>
|
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|
<p><font size="2">"Zu jener Zeit ist keiner gewesen, der dieser absoluten Monarchie nicht
|
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|
gehuldigt hätte" (weil er sonst Stockprügel bekommen), "und der Große Friedrich
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|
wäre zu jener Bedeutung nicht gekommen, hätte ihn die <i>wahre</i>
|
||
|
Volkssouveränetät nicht getragen."</font></p>
|
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|
<p>Die Volkssouveränetät der Stockprügel, Leibeigenschaft und Frondienste - das
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||
|
ist für Herrn Baumstark die wahre Volkssouveränetät. Naives Geständnis!</p>
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|
<p>Von der wahren kommt Herr Baumstark jetzt zu den <i>falschen</i>
|
||
|
Volkssouveränetäten.</p>
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|
<p><font size="2">"Aber es kam eine andere Zeit, die der konstitutionellen
|
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|
Monarchie."</font></p>
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<p>Dies wird bewiesen durch eine lange "konstitutionelle Litanei", deren kurzer Sinn ist,
|
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|
daß das Volk in Preußen von 1811 bis 1847 stets nach der <b><236></b>
|
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|
Konstitution, nie nach der Republik gerufen habe (!), woran sich ungezwungen die Bemerkung
|
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|
knüpft, daß auch von der letzten süddeutschen republikanischen Schilderhebung
|
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|
"das Volk sich mit Entrüstung hinweggewendet hat".</p>
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<p>Daraus folgt nun ganz natürlich, daß die zweite Art der
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Volkssouveränetät (freilich nicht mehr die "wahre") die "eigentlich konstitutionelle"
|
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ist.</p>
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|
<p><font size="2">"Es ist die, durch welche die Staatsgewalt unter König und Volk geteilt
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wird, es ist eine <i>geteilte</i> Volkssouveränetät" (die "Staatsphilosophen von
|
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Plato bis herab zu Dahlmann" mögen uns sagen, was das heißen soll), "welche dem
|
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Volke <i>unverkürzt</i> und <i>unbedingt</i> werden muß (!!), aber ohne daß
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|
der König an seiner gesetzlichen Gewalt" (durch welche Gesetze ist diese in Preußen
|
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seit dem 19. März bestimmt?) "verliert - darüber ist Klarheit" (namentlich im Kopfe
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des Abgeordneten Baumstark); "der Begriff ist durch die Geschichte des konstitutionellen
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Systems festgesetzt, und kein Mensch kann mehr darüber im Zweifel sein" (die "Zweifel"
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fangen leider erst wieder an, wenn man die Rede des Abgeordneten Baumstark liest).</font></p>
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<p>Endlich "gibt es eine dritte Volkssouveränetät, es ist die
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demokratisch-republikanische, auf den sogenannten breitesten Grundlagen ruhen sollende. Dieser
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unglückliche Ausdruck <i>'breiteste Grundlage'</i>!"</p>
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<p>Gegen diese breiteste Grundlage "erhebt" nun Herr Baumstark "ein Wort". Diese Grundlage
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führt zum Verfall der Staaten, zur Barbarei! Wir haben keine Catonen, die der Republik die
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sittliche Unterlage geben könnten. Und jetzt beginnt Herr Baumstark so laut in das alte,
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längst verstimmte und mit Beulen besäte Montesquieusche Horn von der republikanischen
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Tugend zu stoßen, daß der benachbarte Publizist von Bewunderung fortgerissen
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ebenfalls einstimmt und zum Erstaunen von ganz Europa den glänzenden Beweis führt,
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daß die "republikanische Tugend ... eben zum Konstitutionalismus führt"! Zu gleicher
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Zeit aber fällt Herr Baumstark in eine andere Tonart und läßt sich durch die
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<i>Abwesenheit</i> der republikanischen Tugend ebenfalls zum Konstitutionalismus führen.
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Den glänzenden Effekt dieses Duetts, in dem nach einer Reihe der herzzerreißendsten
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Dissonanzen zuletzt beide Stimmen auf dem versöhnenden Akkord des Konstitutionalismus
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zusammenkommen, mag sich der Leser denken.</p>
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<p>Herr Baumstark kommt nun durch längere Erörterungen zu dem Resultat, daß die
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Minister eigentlich gar "keinen <i>eigentlichen</i> Vorbehalt" gemacht hätten, sondern nur
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"einen <i>leisen</i> Vorbehalt im Betreff der Zukunft", gerät zuletzt selbst auf die
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breiteste Grundlage, indem er das Heil Deutschlands nur in einem demokratisch-konstitutionellen
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Staate sieht, und wird dabei so sehr "von dem Gedanken an die Zukunft Deutschlands
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überwältigt", daß er sich durch den Ruf Luft macht: "Hoch, dreimal hoch das
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volkstümlich-konstitutionelle erbliche deutsche Königtum!"</p>
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<p><b><a name="S237"><237></a></b> In der Tat, er hatte recht zu sagen: Diese
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unglückliche breiteste Grundlage!</p>
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<p>Es sprechen nun noch mehrere Redner beider Seiten, aber nach dem Abgeordneten Baumstark
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wagen wir sie unsern Lesern nicht mehr vorzuführen. Nur eins erwähnen wir noch: Der
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Abgeordnete <i>Wachsmuth</i> erklärt, an der Spitze seines Glaubensbekenntnisses stehe der
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Satz des edlen Stein: Der Wille freier Menschen ist der unerschütterliche Pfeiler jedes
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Throns.</p>
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<p><font size="2">"Das", ruft der benachbarte Publizist, in Entzücken schwelgend, "das
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trifft den Mittelpunkt der Sache! Nirgends gedeiht der Wille freier Menschen besser als im
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Schatten des unerschütterlichen Throns, nirgends ruht der Thron so unerschütterlich
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wie auf der intelligenten Liebe freier Menschen!"</font></p>
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<p>In der Tat, die "Fülle treffender Gedanken und heller Ansichten", der "gesunde Sinn
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für wahre Freiheit", die die Majorität in dieser Debatte entwickelt hat, reicht noch
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lange nicht an die inhaltreiche Gedankenschwere des benachbarten Publizisten!</p>
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<p><font size="2">Geschrieben von Friedrich Engels.</font></p>
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