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<title>"Neue Rheinische Zeitung" - Die Adressfrage</title>
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<p align="center"><a href="me05_048.htm"><font size="2">Vereinbarungsdebatten</font></a> <font
size="2">|</font> <a href="../me_nrz48.htm"><font size="2">Inhalt</font></a> <font size=
"2">|</font> <a href="me05_055.htm"><font size="2">Neue Teilung Polens</font></a></p>
<small>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 5, S. 53-54<br>
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1971</small> <br>
<br>
<h1>Die Adre&szlig;frage</font></p>
<p><font size="2">["Neue Rheinische Zeitung Nr. 8 vom 8. Juni 1848]</font></p>
<p><b><a name="S53">&lt;53&gt;</a></b> ***<i>K&ouml;ln</i>, 7. Juni. Die Berliner Versammlung
hat also beschlossen, eine Adresse an den K&ouml;nig zu richten, um dem <i>Ministerium</i>
Gelegenheit zu geben, seine Ansichten auszusprechen, seine bisherige Verwaltung zu
rechtfertigen. Es soll keine Dankadresse im alten Landtagsstile sein, nicht einmal eine
Respektsbezeugung: Se. Majest&auml;t bietet nach dem Gest&auml;ndnis Allerh&ouml;chst Ihrer
"Verantwortlichen" nur den "schicklichsten", den "besten" <i>Anla&szlig;</i>, die
Grunds&auml;tze der Majorit&auml;t mit denen des Ministeriums in "&Uuml;bereinstimmung" zu
bringen.</p>
<p>Wenn so der Sache nach die Person des K&ouml;nigs ein blo&szlig;es Austauschmittel ist - wir
verweisen wiederum auf die eigenen Worte des Konseilpr&auml;sidenten -, ein Wertzeichen, das
nur das eigentliche Gesch&auml;ft vermittelt, so ist sie f&uuml;r die Form der Verhandlung
keineswegs gleichg&uuml;ltig. Einmal werden dadurch die Vertreter des Volkswillens unmittelbar
mit der Krone in Verbindung gesetzt, und man kann hieraus sehr leicht, schon in der
Adre&szlig;debatte selbst, eine Anerkennung der Vereinbarungstheorie, eine Verzichtleistung auf
die Volkssouver&auml;net&auml;t herleiten. Zweitens aber wird man zu dem
achtungsbed&uuml;rftigen Staatsoberhaupte nicht so sprechen m&ouml;gen, als wenn man sich
direkt an die Minister adressierte. Man wird sich mit gr&ouml;&szlig;erer Zur&uuml;ckhaltung
ausdr&uuml;cken, mehr andeuten als gerade heraussagen, und dann h&auml;ngt es ja noch immer von
der Entschlie&szlig;ung des Ministeriums ab, ob es einen leisen Tadel mit seinem Fortbestehen
f&uuml;r vereinbar h&auml;lt. Die schwierigen Punkte aber, wobei die Gegens&auml;tze am
schroffsten hervortreten, werden m&ouml;glicherweise gar nicht oder nur oberfl&auml;chlich
ber&uuml;hrt. Die Furcht vor einem vorzeitigen Bruche mit der Krone, der vielleicht von
bedenklichen Folgen begleitet w&auml;re, wird sich hier leicht erregen lassen und einen
Deckmantel in der Beteurung finden, da&szlig; man der sp&auml;tem gr&uuml;ndlichem Diskussion
&uuml;ber die einzelnen Fragen nicht vorgreifen wolle.</p>
<p><b><a name="S54">&lt;54&gt;</a></b> So werden aufrichtige Ehrfurcht, sei es vor der Person
des Monarchen, sei es vor dem monarchischen Prinzip im allgemeinen, dann die Besorgnis, zu weit
zu gehen, die Angst vor anarchischen Tendenzen, dem Ministerium bei der Adre&szlig;debatte
unsch&auml;tzbare Vorteile darbieten, und Herr Camphausen konnte mit Recht die Gelegenheit die
"schickliche", "beste" nennen, eine starke Majorit&auml;t zu gewinnen.</p>
<p>Es wird sich nun fragen, ob die Volksvertreter geneigt sind, in diese gehorsam
abh&auml;ngige Stellung einzutreten. Schon hat die konstituierende Versammlung sich viel
vergeben, da&szlig; sie nicht aus eigenem Antriebe die Minister zur Rechenschaft &uuml;ber ihre
bisherige provisorische Regierung gezogen hat; das h&auml;tte ihre erste Aufgabe sein
m&uuml;ssen; sie ist ja angeblich deswegen so fr&uuml;h einberufen worden, um die Anordnungen
der Regierung auf den indirekten Volkswillen zu st&uuml;tzen. Freilich scheint sie jetzt,
<i>nachdem</i> sie zusammengetreten, nur da sein zu sollen, "um mit der Krone eine hoffentlich
dauernde Verfassung zu vereinbaren".</p>
<p>Aber anstatt durch ein solches Auftreten von vornherein ihre wahre Mission zu
verk&uuml;nden, hat die Versammlung sich die Dem&uuml;tigung gefallen lassen, von den Ministern
zur Annahme eines Rechenschaftsberichtes gezwungen werden zu m&uuml;ssen. Auffallenderweise hat
kein einziges ihrer Mitglieder dem Antrag auf Bildung einer Adre&szlig;kommission die Forderung
entgegengestellt, das Ministerium m&ouml;ge <i>ohne</i> eine besondre "Gelegenheit" lediglich
zu dem Zwecke vor die Kammer hintreten, um sich &uuml;ber seine bisherige Amtsf&uuml;hrung zu
verantworten. Und doch war dies das einzige schlagende Argument gegen eine Adresse; allen
andern Gr&uuml;nden gegen&uuml;ber waren die Minister v&ouml;llig im Rechte.</p>
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</html>