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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<TITLE>August Bebel - Die Frau und der Sozialismus - 28. Kapitel</TITLE>
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<P ALIGN="CENTER"><A HREF="beaa_503.htm"><FONT SIZE=2>27. Kapitel</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="beaa_000.htm"><FONT SIZE=2>Inhalt</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="beaa_523.htm"><FONT SIZE=2>29. Kapitel</FONT></A></P>
<FONT SIZE=2><P>August Bebel - "Die Frau und der Sozialismus" - 62. Auflage, Berlin/DDR, 1973, S. 515-522.</P>
<P>1. Korrektur.<BR>
Erstellt am 31.1.1999.</P>
</FONT><I><P ALIGN="CENTER">Achtundzwanzigstes Kapitel <BR>
</I><FONT SIZE=4>Die Frau in der Zukunft</P>
</FONT><B><P><A NAME="S515">|515|</A></B> Dieses Kapitel kann sehr kurz sein. Es enth&auml;lt nur die Konsequenzen, die aus dem bis jetzt Gesagten f&uuml;r die Stellung der Frau in der k&uuml;nftigen Gesellschaft sich ergeben, Konsequenzen, die nunmehr der Leser leicht selbst ziehen kann. </P>
<P>Die Frau der neuen Gesellschaft ist sozial und &ouml;konomisch vollkommen unabh&auml;ngig, sie ist keinem Schein von Herrschaft und Ausbeutung mehr unterworfen, sie steht dem Manne als Freie, Gleiche gegen&uuml;ber und ist Herrin ihrer Geschicke. Ihre Erziehung ist der des Mannes gleich, mit Ausnahme der Abweichungen, welche die Verschiedenheit des Geschlechts und ihre geschlechtlichen Funktionen bedingen; unter naturgem&auml;&szlig;en Lebensbedingungen lebend, kann sie ihre physischen und geistigen Kr&auml;fte und F&auml;higkeiten nach Bed&uuml;rfnis entwickeln und bet&auml;tigen; sie w&auml;hlt f&uuml;r ihre T&auml;tigkeit diejenigen Gebiete, die ihren W&uuml;nschen, Neigungen und Anlagen entsprechen und ist unter den gleichen Bedingungen wie der Mann t&auml;tig. Eben noch praktische Arbeiterin in irgendeinem Gewerbe ist sie in einem anderen Teil des Tages Erzieherin, Lehrerin, Pflegerin, &uuml;bt sie in einem dritten Teil irgendeine Kunst aus oder pflegt eine Wissenschaft und versieht in einem vierten Teil irgendeine verwaltende Funktion. Sie treibt Studien, leistet Arbeiten, genie&szlig;t Vergn&uuml;gungen und Unterhaltungen mit ihresgleichen oder mit M&auml;nnern, wie es ihr beliebt und wie sich ihr die Gelegenheit dazu bietet. </P>
<P>In der Liebeswahl ist sie gleich dem Mann frei und ungehindert. Sie freit oder l&auml;&szlig;t sich freien und schlie&szlig;t den Bund aus keiner anderen R&uuml;cksicht als auf ihre Neigung. Dieser Bund ist ein Privatvertrag ohne Dazwischentreten eines Funktion&auml;rs, wie die Ehe bis ins Mittelalter ein Privatvertrag war. Der Sozialismus schafft hier nichts Neues, er stellt auf h&ouml;herer Kulturstufe und unter neuen gesellschaftlichen Formen nur wieder her, was, <I>ehe das Privateigentum die Gesellschaft beherrschte, allgemein in Geltung war</I>. </P>
<B><P><A NAME="S516">|516|</A></B> Der Mensch soll unter der Voraussetzung, da&szlig; die Befriedigung seiner Triebe keinem anderen Schaden oder Nachteil zuf&uuml;gt, &uuml;ber sich selbst befinden.<I> Die Befriedigung des Geschlechtstriebs ist ebenso jedes einzelnen pers&ouml;nliche Sache wie die Befriedigung jedes anderen Naturtriebs.</I> Niemand hat dar&uuml;ber einem anderen Rechenschaft zu geben und kein Unberufener hat sich einzumischen. Wie ich esse, wie ich trinke. wie ich schlafe und mich kleide, ist meine pers&ouml;nliche Angelegenheit, ebenso mein Verkehr mit der Person eines anderen Geschlechts. Einsicht und Bildung, volle Unabh&auml;ngigkeit der Person, alles Eigenschaften, die durch die Erziehung und die Verh&auml;ltnisse in der k&uuml;nftigen Gesellschaft naturgem&auml;&szlig;e sind, werden jeden davor bewahren, Handlungen zu begehen, die zu seinem Nachteil gereichen. Selbstzucht und Kenntnis des eigenen Wesens besitzen die M&auml;nner und Frauen der k&uuml;nftigen Gesellschaft in viel h&ouml;herem Grade als die der heutigen. Die eine Tatsache, da&szlig; jene bl&ouml;de Scheu und l&auml;cherliche Heimlichtuerei, &uuml;ber geschlechtliche Dinge zu sprechen, verschwindet, wird den Verkehr der Geschlechter weit nat&uuml;rlicher gestalten, als dies heute der Fall ist. Stellt sich zwischen zwei Menschen, die einen Bund schlossen, Unvertr&auml;glichkeit, Entt&auml;uschung oder Abneigung heraus, so gebietet die Moral, die unnat&uuml;rlich und darum unsittlich gewordene Verbindung zu l&ouml;sen. Und da alle die Verh&auml;ltnisse verschwinden, die bisher eine gro&szlig;e Zahl Frauen entweder zur Ehelosigkeit oder zum Verkauf ihres K&ouml;rpers verurteilen, so kann die M&auml;nnerwelt kein &Uuml;bergewicht mehr geltend machen. Andererseits hat der g&auml;nzlich ver&auml;nderte Sozialzustand die vielen Hemmungen und St&ouml;rungen beseitigt, die heute das Eheleben beeinflussen und es so h&auml;ufig zu einer Entfaltung nicht gelangen lassen oder g&auml;nzlich unm&ouml;glich machen. </P>
<P>Die Hemmungen, Widerspr&uuml;che und Widernat&uuml;rlichkeiten in der heutigen Stellung der Frau kommen immer mehr zum Bewu&szlig;tsein weiter Kreise und finden in der sozialen wie in der Romanliteratur lebhaften Ausdruck; oft in verfehlter Form. Da&szlig; die heutige Zeit immer weniger ihrem Zweck entspricht, leugnet kein Denkender mehr, und so braucht man sich nicht zu wundern, da&szlig; selbst Personen die Freiheit der Liebeswahl und freie L&ouml;sung des eingegangenen Verh&auml;ltnisses nat&uuml;rlich finden, die im &uuml;brigen nicht geneigt sind, daraus die Konsequenzen f&uuml;r eine Ver&auml;nderung unseres jetzigen Sozialzustandes zu ziehen; sie glauben, nur den bevorrechteten Klassen die Freiheit im Geschlechtsverkehr vindizieren zu sollen.<I> Mathilde Reichhardt-</I> <A NAME="S517"><B>|517|</A></B> <I>Stromberg</I> &auml;u&szlig;ert zum Beispiel in einer Polemik <A NAME="ZF1"><A HREF="beaa_515.htm#F1">(1)</A></A> gegen die frauenemanzipatorischen Bestrebungen der Schriftstellerin <I>Fanny Lewald</I> folgendes: </P>
<P>"Wenn Sie (F. L.) die Forderung aufstellen der vollst&auml;ndigen Gleichberechtigung der Frau mit dem Manne im sozialen und politischen Leben, so mu&szlig; notwendig <I>George Sand</I> auch recht haben in ihren Emanzipationsbestrebungen, die auf nichts weiter hinausgehen als das, was der Mann seit l&auml;ngst unbestritten besa&szlig;. <I>Denn es ist schlechterdings kein vern&uuml;nftiger Grund aufzufinden, weshalb allein der Kopf und nicht auch das Herz der Frau an dieser Gleichberechtigung teilnehmen und frei sein soll, zu geben und zu nehmen wie der Mann.</I> Im Gegenteil: Soll das Weib seiner Natur nach berechtigt und dann auch verpflichtet sein - denn wir sollen das uns gegebene Pfund nicht vergraben -, die Fasern des Hirns bis aufs &auml;u&szlig;erste anzuspannen zum Wettlauf mit den Geistestitanen des anderen Geschlechts, so mu&szlig; es auch das Recht haben, <I>ganz wie diese zur Erhaltung des Gleichgewichtes den Blutumlauf des Herzens zu beschleunigen</I>, <I>auf immer welche Weise es ihm angemessen scheint</I>. Denn wir lesen alle doch ohne die geringste sittliche Entr&uuml;stung zum Beispiel von <I>Goethe</I> - um nur gleich den Gr&ouml;&szlig;ten als Beispiel zu w&auml;hlen -, wie er oft und immer wieder seines Herzens W&auml;rme und den Enthusiasmus seiner gro&szlig;en Seele an eine andere Frau verschwendete. Der Einsichtsvolle findet das nur nat&uuml;rlich, eben seiner gro&szlig;en, schwer zu befriedigenden Seele wegen, und nur der beschr&auml;nkte Moralist h&auml;lt sich tadelnd dabei auf. Warum also wollen Sie spotten &uuml;ber die 'gro&szlig;en Seelen' unter den Weibern!... Nehmen wir einmal an, das ganze weibliche Geschlecht best&auml;nde ohne Ausnahme aus George Sandschen gro&szlig;en Seelen; jede Frau sei eine Lukretia Floriani, deren Kinder alle Kinder der Liebe, die diese Kinder aber auch alle mit echt m&uuml;tterlicher Liebe und Hingebung sowohl als mit Einsicht und Verstand erz&ouml;ge. Was w&uuml;rde aus der Welt dabei werden? <I>Es unterliegt keinem Zweifel, die Welt k&ouml;nnte dabei fortbestehen und Fortschritte machen wie heute und k&ouml;nnte sich vielleicht ausnehmend wohl dabei befinden.</I>" </P>
<P>Aber warum sollen dieses nur die "gro&szlig;en Seelen<65> beanspruchen k&ouml;nnen und nicht auch die anderen, die keine "gro&szlig;en Seelen" sind? Konnten ein Goethe und eine George Sand, um die zwei unter den <A NAME="S518"><B>|518|</A></B> vielen, die gleich ihnen handelten und handeln, herauszunehmen, den Neigungen ihres Herzens leben, ver&ouml;ffentlicht man namentlich &uuml;ber Goethes Liebesaff&auml;ren halbe Bibliotheken, die von seinen Verehrern und Verehrerinnen mit einer Art and&auml;chtiger Verz&uuml;ckung verschlungen werden, warum bei anderen mi&szlig;billigen, was, von einem Goethe oder einer George Sand getan, zum Gegenstand ekstatischer Bewunderung wird? </P>
<P>Freilich, die Freiheit der Liebeswahl in der b&uuml;rgerlichen Welt zur Geltung zu bringen, ist unm&ouml;glich - darin gipfelt ja unsere Beweisf&uuml;hrung -, aber man setze die Gesamtheit unter &auml;hnliche soziale Bedingungen, wie sie heute nur den materiell und geistig Auserw&auml;hlten zuteil werden, und die Gesamtheit hat die M&ouml;glichkeit gleicher Freiheiten. In "Jacques" schildert George Sand einen Ehemann, der das ehebrecherische Verh&auml;ltnis seiner Frau zu einem anderen also beurteilt: "Kein menschliches Wesen kann &uuml;ber die Liebe gebieten, und niemand ist schuldig, wenn er sie f&uuml;hlt oder entbehrt. Was die Frau erniedrigt, ist die L&uuml;ge; was den Ehebruch konstituiert, ist nicht die Stunde, welche sie dem Geliebten gew&auml;hrt,<I> sondern die Nacht, die sie danach mit ihrem Manne zubringt</I>." Jacques f&uuml;hlt sich verpflichtet, infolge dieser Auffassung seinem Nebenbuhler (Borel) den Platz zu r&auml;umen und philosophiert dabei: "Borel an meiner Stelle w&uuml;rde ruhig seine Frau gepr&uuml;gelt haben und nicht err&ouml;tet sein, sie dann in seine Arme aufzunehmen, entw&uuml;rdigt von seinen Schl&auml;gen und seinen K&uuml;ssen. Es gibt M&auml;nner, die ohne weiteres nach orientalischer Manier ihre treulose Gattin totschlagen, weil sie dieselbe als gesetzliches Eigentum betrachten. Andere schlagen sich mit ihrem Nebenbuhler, t&ouml;ten oder entfernen ihn und bitten alsdann die Frau, welche sie zu lieben behaupten, um K&uuml;sse und Liebkosungen, w&auml;hrend diese sich entweder voll Schrecken zur&uuml;ckzieht oder in Verzweiflung sich hingibt. Dies ist in der ehelichen Liebe gemeiniglich die Art zu handeln, und mir kommt es vor, als ob die Liebe der Schweine weniger niedrig und weniger grob sei als diejenige solcher Menschen." Brandes bemerkt zu den hier zitierten S&auml;tzen: "Diese Wahrheiten, welche f&uuml;r unsere heutige<I> gebildete</I> Welt als elementare dastehen, waren vor f&uuml;nfzig Jahren himmelschreiende Sophismen."<A NAME="ZF2"><A HREF="beaa_515.htm#F2">(2)</A></A> Aber zu den George Sandschen Grunds&auml;tzen sich offen zu bekennen, wagt auch heute die <A NAME="S519"><B>|519|</A></B> "besitzende und gebildete Welt" nicht, obgleich sie tats&auml;chlich danach lebt. Wie sie in der Moral und Religion heuchelt, so heuchelt sie in der Ehe. </P>
<P>Was Goethe und George Sand taten, tun heute tausend andere, die sich mit Goethe oder der Sand nicht vergleichen k&ouml;nnen, und ohne im mindesten an Ansehen in der Gesellschaft zu verlieren. Man mu&szlig; nur eine angesehene Stellung innehaben, und alles macht sich von selbst. Dessenungeachtet gelten die Freiheiten eines Goethe und einer George Sand vom Standpunkt der b&uuml;rgerlichen Moral als unsittliche, denn sie versto&szlig;en gegen die von der Gesellschaft gezogenen Moralgesetze und stehen mit der Natur unseres Sozialzustandes im Widerspruch. Die Zwangsehe ist f&uuml;r die b&uuml;rgerliche Gesellschaft die Normalehe, die einzige "moralische" Verbindung der Geschlechter, jede andere geschlechtliche Verbindung ist unmoralisch. Die b&uuml;rgerliche Ehe ist, das haben wir unwiderleglich nachgewiesen, die Folge der b&uuml;rgerlichen Eigentumsverh&auml;ltnisse. In engster Verbindung mit dem Privateigentum und dem Erbrecht stehend, wird sie zur Erlangung "legitimer" Kinder als Erben geschlossen. Und unter dem Druck der gesellschaftlichen Zust&auml;nde wird sie auch denen aufgen&ouml;tigt, die nichts zu vererben haben, <A NAME="ZF3"><A HREF="beaa_515.htm#F3">(3)</A></A> sie wird gesellschaftliches Recht, dessen Verletzung der Staat bestraft, indem er M&auml;nner oder Frauen, die in Ehebruch leben und geschieden werden, auf einige Zeit ins Gef&auml;ngnis setzt. </P>
<P>In der sozialistischen Gesellschaft gibt es aber nichts mehr zu vererben, es sei denn, man wolle das Hausger&auml;t und das pers&ouml;nliche Inventar als Erbteil ansehen, demnach ist auch von diesem Gesichtspunkt aus die heutige Eheform hinf&auml;llig. Damit ist weiter die Frage nach dem Erbrecht erledigt, das der Sozialismus nicht n&ouml;tig hat abzuschaffen. Besteht kein Privateigentum mehr, so kann auch kein Erbrecht bestehen. Die Frau ist also<I> frei</I>, und Kinder, die sie besitzt, verk&uuml;rzen ihr diese Freiheit nicht, sie k&ouml;nnen ihr nur die Freude am <A NAME="S520"><B>|520|</A></B> Leben vermehren. Pflegerinnen, Erzieherinnen, befreundete Frauen, die heranwachsende weibliche Jugend stehen ihr in F&auml;llen, in welchen sie Hilfe braucht, zur Seite.</P>
<P>M&ouml;glich, da&szlig; es auch in Zukunft M&auml;nner gibt, die gleich <I>A Humboldt</I> sagen: "Ich bin nicht geschaffen, um Familienvater zu sein. Au&szlig;erdem halte ich das Heiraten f&uuml;r eine S&uuml;nde, das Kindererzeugen f&uuml;r ein Verbrechen." Was liegt daran? Die Macht der Naturtriebe wird bei anderen f&uuml;r das Gegengewicht sorgen. Uns beunruhigt weder die Ehefeindlichkeit eines Humboldt noch der philosophische Pessimismus eines Schopenhauer, Mainl&auml;nder oder v. Hartmann, welche der Menschheit die Selbstvernichtung im "Idealstaat" in Aussicht stellen. Wir halten es hier mit Fr. Ratzel, der mit vollem Recht schreibt:<I> </P>
<P>"Der Mensch darf sich nicht l&auml;nger als eine Ausnahme von den Naturgesetzen betrachten, sondern fange endlich an, das Gesetzm&auml;&szlig;ige in seinen eigenen Handlungen und Gedanken aufzusuchen und strebe, sein Leben den Naturgesetzen gem&auml;&szlig; zu f&uuml;hren. Er wird dahin kommen, das Zusammenleben mit Seinesgleichen, das hei&szlig;t die Familie und den Staat, nicht nach den Satzungen ferner Jahrhunderte, sondern nach den vern&uuml;nftigen Prinzipien einer naturgem&auml;&szlig;en Erkenntnis einzurichten. Politik, Moral, Rechtsgrunds&auml;tze, welche jetzt noch aus allen m&ouml;glichen Quellen gespeist werden, werden nur den Naturgesetzen entsprechend zu gestalten sein. Das menschenw&uuml;rdige Dasein, von welchem seit Jahrtausenden gefabelt wird, wird endlich zur Wahrheit werden."<A NAME="ZF4"></I><A HREF="beaa_515.htm#F4">(4)</A></A></P>
<P>Diese Zeit kommt mit<I> Riesenschritten</I> heran. Die menschliche Gesellschaft hat in Jahrtausenden alle Entwicklungsphasen durchlaufen, um schlie&szlig;lich dahin zu gelangen, von wo sie ausgegangen ist, zum kommunistischen Eigentum und zur vollen Gleichheit und Br&uuml;derlichkeit, aber nicht mehr blo&szlig; der Gentilgenossen,<I> sondern aller Menschen</I>. Das ist der gro&szlig;e Fortschritt, den sie macht. Was die b&uuml;rgerliche Gesellschaft vergeblich erstrebte und woran sie scheitert und scheitern mu&szlig;, die Freiheit, Gleichheit und Br&uuml;derlichkeit aller Menschen herzustellen, wird der Sozialismus verwirklichen. Die b&uuml;rgerliche Gesellschaft konnte nur die Theorie aufstellen, die Praxis widersprach, wie in so vielen andern Dingen, auch hier ihren Theorien. Der Sozialismus wird Theorie und Praxis vereinigen. </P>
<B><P><A NAME="S521">|521|</A></B> Aber indem die Menschheit zum Ausgangspunkt ihrer Entwicklung zur&uuml;ckkehrt, geschieht dies auf unendlich h&ouml;herer Kulturstufe als jene war, von der sie ausgegangen ist. Besa&szlig; die Urgesellschaft in der Gens, im Clan, das Gemeineigentum, so nur in rohester Form und auf unentwickelter Stufe. Der Entwicklungsgang, der sich seitdem vollzog, hat zwar das Gemeineigentum bis auf kleine unbedeutende Reste aufgel&ouml;st, die Gentes zertr&uuml;mmert und schlie&szlig;lich die ganze Gesellschaft atomisiert, er hat aber auch in seinen verschiedenen Phasen die Produktivkr&auml;fte der Gesellschaft und die Vielseitigkeit der Bed&uuml;rfnisse in gewaltigster Weise gesteigert, aus den Gentes und St&auml;mmen die Nationen und gro&szlig;en Staaten geschaffen, aber damit wieder einen Zustand erzeugt, der mit den Bed&uuml;rfnissen der Gesellschaft in den schreiendsten Widerspruch tritt. Die Aufgabe der Zukunft ist, diesen Widerspruch dadurch zu l&ouml;sen, da&szlig; auf breitester Basis die R&uuml;ckverwandlung des Eigentums und der Arbeitsmittel in gemeinsames Eigentum vorgenommen wird. </P>
<P>Die Gesellschaft nimmt zur&uuml;ck, was sie einst besessen und selbst geschaffen, sie erm&ouml;glicht aber allen, entsprechend den neugeschaffenen Lebensbedingungen, die Lebenshaltung auf<I> h&ouml;chster</I> Kulturstufe, das hei&szlig;t,<I> sie gew&auml;hrt allen, was unter primitiveren Verh&auml;ltnissen nur das Privilegium einzelner oder einzelner Klassen sein konnte</I>. Und jetzt erh&auml;lt auch die<I> Frau</I> die<I> aktive</I> Rolle<I> wieder</I>, die sie einst in der Urgesellschaft innehatte, aber nicht als Herrin, sondern als Gleichberechtigte. </P>
<P>"Das Ende der staatlichen Entwicklung gleicht dem Beginn des menschlichen Daseins. Die urspr&uuml;ngliche Gleichheit kehrt zuletzt wieder. Das m&uuml;tterlich stoffliche Dasein er&ouml;ffnet und schlie&szlig;t den Kreislauf der menschlichen Dinge", schreibt Bachofen in seinem Werke "Das Mutterrecht". Und Morgan &auml;u&szlig;ert: </P>
<P>"Seit dem Eintritt der Zivilisation ist das Wachstum des Reichtums so ungeheuer geworden, seine Formen so verschiedenartig, seine Anwendung so umfassend<I> und seine Verwaltung so geschickt im Interesse der Eigent&uuml;mer, da&szlig; dieser Reichtum dem Volke gegen&uuml;ber eine nicht zu bew&auml;ltigende Macht geworden ist</I>. Der Menschengeist steht ratlos und gebannt da vor seiner eigenen Sch&ouml;pfung. Aber dennoch wird die Zeit kommen, wo die menschliche Vernunft erstarken wird zur Herrschaft &uuml;ber den Reichtum, wo sie feststellen wird sowohl das Verh&auml;ltnis des Staates zu dem Eigentum, das er sch&uuml;tzt, wie die Grenze der <A NAME="S522"><B>|522|</A></B> Rechte der Eigent&uuml;mer. <I>Die Interessen der Gesellschaft gehen den Einzelinteressen absolut vor</I>, <I>und beide m&uuml;ssen in ein gerechtes und harmonisches Verh&auml;ltnis gebracht werden</I>; die blo&szlig;e Jagd nach Reichtum ist nicht die Endbestimmung der Menschheit, wenn anders der Fortschritt das Gesetz der Zukunft bleibt, wie er es war f&uuml;r die Vergangenheit. Die seit Anbruch der Zivilisation verflossene Zeit ist nur ein kleiner Bruchteil der verflossenen Lebenszeit der Menschheit, nur ein kleiner Bruchteil der ihr noch bevorstehenden. <I>Die Aufl&ouml;sung der Gesellschaft steht drohend vor uns als Abschlu&szlig; einer geschichtlichen Laufbahn, deren einziges Endziel der Reichtum ist; denn eine solche Laufbahn enth&auml;lt die Elemente ihrer eigenen Vernichtung. </P>
<P>Demokratie in der Verwaltung, Br&uuml;derlichkeit in der Gesellschaft, Gleichheit der Rechte, allgemeine Erziehung werden die n&auml;chste, h&ouml;here Stufe der Gesellschaft einweihen, zu der Erfahrung, Vernunft und Wissenschaft stetig hinarbeiten. </P>
<P>Sie wird eine Wiederbelebung sein - aber in h&ouml;herer Form - der Freiheit, Gleichheit und Br&uuml;derlichkeit der alten Gentes."<A NAME="ZF5"></I><A HREF="beaa_515.htm#F5">(5)</A></A> </P>
<P>So kommen M&auml;nner der verschiedensten Standpunkte, auf Grund ihrer wissenschaftlichen Forschungen, zu gleichen Resultaten. Die volle Emanzipation der Frau und ihre Gleichstellung mit dem Mann ist eins der Ziele unserer Kulturentwicklung, dessen Verwirklichung keine Macht der Erde zu verhindern vermag. Aber sie ist nur m&ouml;glich auf Grund einer Umgestaltung, welche die Herrschaft des Menschen &uuml;ber den Menschen - also auch des Kapitalisten &uuml;ber den Arbeiter - aufhebt. Jetzt erst wird die Menschheit zu ihrer h&ouml;chsten Entfaltung gelangen. Das "goldene Zeitalter", von dem die Menschen seit Jahrtausenden tr&auml;umten und nach dem sie sich sehnten, wird endlich kommen. Die Klassenherrschaft hat f&uuml;r immer ihr Ende erreicht, aber mit ihr auch die Herrschaft des Mannes &uuml;ber die Frau.</P>
<P><HR></P>
<P>Fu&szlig;noten von August Bebel</P>
<P><A NAME="F1">(1)</A> Frauenrecht und Frauenpflicht. Eine Antwort auf Fanny Lewalds Briefe: F&uuml;r und wider die Frauen. 2. Auflage, Bonn 1871. <A HREF="beaa_515.htm#ZF1">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F2">(2)</A> George Brandes, Die Literatur des neunzehnten Jahrhunderts. 5. Band. Leipzig 1883, Veit &amp; Co. <A HREF="beaa_515.htm#ZF2">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F3">(3)</A> In seinem Werke "Bau und Leben des sozialen K&ouml;rpers" sagt<I> Dr. Sch&auml;ffle</I>: "Eine Lockerung des Ehebandes durch Erleichterung der Ehescheidung sei gewi&szlig; nicht w&uuml;nschenswert, sie ginge wider die sittlichen Aufgaben menschlicher Paarung und w&auml;re der Erhaltung der Bev&ouml;lkerung sowie der Erziehung der Kinder nachteilig." Nach dem Dargelegten ergibt sich, da&szlig; wir diese Anschauungen nicht nur f&uuml;r unrichtig ansehen, sondern geneigt sind, sie f&uuml;r "unsittlich" zu halten. Indes w&uuml;rde auch Dr. Sch&auml;ffle zugeben, da&szlig; es unm&ouml;glich ist, in einer Gesellschaft von weit h&ouml;herer Kultur als die gegenw&auml;rtige Einrichtungen einzuf&uuml;hren oder aufrechtzuerhalten,<I> die gegen ihre sittlichen Begriffe versto&szlig;en</I>. <A HREF="beaa_515.htm#ZF3">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F4">(4)</A> Zitat in Haeckels "Nat&uuml;rliche Sch&ouml;pfungsgeschichte". 4. Auflage. <A HREF="beaa_515.htm#ZF4">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F5">(5)</A> Morgan, a.a.O., S. 474 bis 475. <A HREF="beaa_515.htm#ZF5">&lt;=</A></P></BODY>
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