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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<title>Karl Marx - Die Konstitution der Franzoesischen Republik, angenommen am 4. November
1848</title>
</head>
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<p><font size="2">Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz
Verlag, Berlin. Band 7, 5. Auflage 1973, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1960,
Berlin/DDR. S. 494-506.</font></p>
<h2>Karl Marx</h2>
<h1>Die Konstitution der Franz&ouml;sischen Republik,<br>
angenommen am 4. November 1848</h1>
<p><font size="2">Aus dem Englischen.</font></p>
<p align="center"></p>
<hr>
<p><font size="2">["Notes to the People" Nr. 7 vom 14. Juni 1851]</font></p>
<p><b><a name="S494">&lt;494&gt;</a></b> Die Konstitution wird durch eine rhetorische
Pr&auml;ambel eingeleitet, in der folgende Stellen Beachtung verdienen:</p>
<p>1. Frankreich erkl&auml;rt sich als Republik. 2. Die Franz&ouml;sische Republik ist
<i>demokratisch</i>, eins und unteilbar. 3. Ihre Grunds&auml;tze sind Freiheit, Gleichheit,
Br&uuml;derlichkeit, und ihre Grundlagen sind die Familie, die Arbeit, das Eigentum und die
&ouml;ffentliche Ordnung. 5. Sie achtet die Unabh&auml;ngigkeit anderer Nationen, wie sie ihrer
eigenen Unabh&auml;ngigkeit Achtung zu verschaffen wei&szlig;. Sie wird keinen Angriffskrieg
f&uuml;hren und ihre Streitkr&auml;fte niemals gegen die Freiheit eines anderen Volkes einsetzen.
<i>(Rom!)</i></p>
<p>Vor dem Juniaufstand hatte die Nationalversammlung eine Konstitution ausgearbeitet, die, unter
vielen anderen Anerkennungen der Menschenrechte und -pflichten, folgende Artikel enthielt:</p>
<p><i><font size="2">Art. 6</font></i><font size="2">: Das Recht auf Bildung ist das Recht aller
B&uuml;rger auf die M&ouml;glichkeit der vollen Entfaltung ihrer physischen, moralischen und
intellektuellen F&auml;higkeiten vermittelst <i>unentgeltlichen</i> Unterrichts durch den
Staat.</font></p>
<p><font size="2"><i>Art. 7</i>: Das Recht auf Arbeit ist das Recht eines jeden Mitgliedes der
Gesellschaft, durch Arbeit leben zu k&ouml;nnen. Die Gesellschaft hat daher die Verpflichtung,
allen arbeitsf&auml;higen Personen, die anders keine Arbeit erhalten k&ouml;nnen, Arbeit zu
verschaffen.</font></p>
<p><font size="2"><i>Art. 9</i>: <i>Das Recht auf Unterst&uuml;tzung</i> ist das Recht der
Waisen. der Arbeitsunf&auml;higen und der Greise, vorn Staat ihre Existenzmittel zu
erhalten.</font></p>
<p>Nachdem die Siege des Juni 1848 der Bourgeoisie Mut gemacht hatten, merzte sie diese drei
Artikel aus der</p>
<p align="center">KONSTITUTION</p>
<p>aus, die nun wie folgt lautet:</p>
<p align="center">KAP. 1. [VON DER SOUVER&Auml;NIT&Auml;T]</p>
<p><b><font size="2"><a name="S495">&lt;495&gt;</a></font></b> <font size="2">"[&sect; 1.] Die
Souver&auml;nit&auml;t beruht in der Gesamtheit der franz&ouml;sischen B&uuml;rger. Sie ist
unver&auml;u&szlig;erlich und unverj&auml;hrbar. Kein Individuum, keine Fraktion des Volkes kann
sich die Aus&uuml;bung dieser Souver&auml;nit&auml;t zueignen."</font></p>
<p align="center">KAP. II. RECHTE,<br>
DIE DURCH DIE KONSTITUTION VERB&Uuml;RGT WERDEN</p>
<p><font size="2">"[&sect; 2.] Niemand kann anders festgenommen oder gefangengehalten werden, als
es die Gesetze vorschreiben."</font></p>
<p><font size="2">"&sect; 3. Die Wohnung eines jeden, der auf franz&ouml;sischem Gebiet wohnt,
ist unverletzlich, es ist nicht gestattet, anders als in den durch das Gesetz vorgeschriebenen
Formen einzudringen.</font></p>
<p>Man beachte hier und im gesamten Text, da&szlig; die franz&ouml;sische Konstitution die
Freiheit garantiert, doch immer mit dem Vorbehalt <i>der Ausnahmen</i>, <i>die das Gesetz
macht</i> oder die es noch machen wird! - und alle die Ausnahmen, die durch Kaiser Napoleon,
durch die Restauration und durch Louis-Philippe gemacht wurden, sind nicht nur erhalten
geblieben, sondern sind nach der Junirevolution ma&szlig;los vervielfacht worden. So z.B. das
Gesetz vom 9. August 1849, das sich auf den Belagerungszustand bezieht, den die
Nationalversammlung und w&auml;hrend ihrer Tagungspausen der Pr&auml;sident verh&auml;ngen kann,
und das den Milit&auml;rbeh&ouml;rden das Recht gibt, alle Personen, die sich politischer
Vergehen schuldig gemacht haben, vor ein Kriegsgericht zu bringen. Es gibt ihnen au&szlig;erdem
die Macht, in jedes Haus bei Tag oder Nacht einzudringen und es zu durchsuchen, alle Waffen zu
beschlagnahmen und alle Personen auszuweisen, die in dem unter Belagerungszustand stehenden Ort
keinen Wohnsitz haben.</p>
<p>Was die <i>Ausl&auml;nder</i> anbelangt, so ist ihr einziges "Recht", das sie auf
franz&ouml;sischem Boden genie&szlig;en, eingesperrt und ausgewiesen zu werden, so oft es die
Polizeibeh&ouml;rden f&uuml;r richtig halten.</p>
<p>Was die <i>Franzosen</i> anbelangt, so kann jeder franz&ouml;sische B&uuml;rger verhaftet
werden, wenn ein einziger <i>Beamter</i> den Auftrag dazu erteilt!</p>
<p><font size="2">"&sect; 4. Jeder darf ausschlie&szlig;lich von seinen nat&uuml;rlichen Richtern
abgeurteilt werden. Es d&uuml;rfen keine Sondergerichte gebildet werden, gleichviel unter welcher
Bezeichnung oder unter welchem Vorwand."</font></p>
<p>Wir haben bereits gesehen, da&szlig; im "Belagerungszustand" das Kriegsgericht alle anderen
Gerichte au&szlig;er Kraft setzt. Au&szlig;erdem setzte die Nationalversammlung 1848 ein
"Sondergericht" unter der Bezeichnung "Haute Cour" f&uuml;r einen Teil der Personen ein, die sich
politischer Vergehen schul- <a name="S496"><b>&lt;496&gt;</b></a> dig gemacht haben; und nach dem
Juniaufstand deportierte sie 15.000 Aufst&auml;ndische ohne irgendein Gerichtsverfahren!</p>
<p><font size="2">"&sect; 5. Die Todesstrafe f&uuml;r politische Vergehen ist
abgeschafft."</font></p>
<p>Aber man deportiert sie in fieberverseuchte Gegenden, wo sie nur etwas langsamer und viel
qualvoller hingerichtet werden.</p>
<p><font size="2">"&sect; 8. Die B&uuml;rger haben des Recht, sich zu verbinden, sich friedlich
und ohne Waffen zu versammeln, Petitionen einzureichen und ihre Meinung durch die Presse oder auf
andere Art zu &auml;u&szlig;ern. Die Aus&uuml;bung dieser Rechte ist nur beschr&auml;nkt durch
die gleichen Rechte der anderen und durch die &ouml;ffentliche Sicherheit."</font></p>
<p>Da&szlig; die Einschr&auml;nkung durch die "&ouml;ffentliche Sicherheit" die Aus&uuml;bung des
Rechts &uuml;berhaupt beseitigt, wird durch die folgenden Tatsachen klar bewiesen:</p>
<p>1. <i>Die Freiheit der Presse</i>. Durch die Gesetze vom 11. August 1848 und vom 27. Juli 1849
wurden nicht nur wieder Kautionen f&uuml;r Zeitungen verlangt, sondern alle Beschr&auml;nkungen,
die vom Kaiser Napoleon und seitdem verf&uuml;gt worden waren, erneuert und versch&auml;rft.</p>
<p>Das Gesetz vom 16. Juli 1850 &lt;In "Notes to the People": 23. Juli 1850&gt;
<i>erh&ouml;ht</i> die Kautionen und dehnt sie auf alle Wochenschriften, Magazine, Zeitschriften
usw. aus. Dar&uuml;ber hinaus verlangt es, da&szlig; jeder Artikel mit dem Namen des Verfassers
unterzeichnet sei, und f&uuml;hrt wieder den <i>Stempel</i> f&uuml;r Zeitungen ein. Damit nicht
genug, fordert es sogar f&uuml;r den Unterhaltungsroman und die rein literarische Brosch&uuml;re
einen Stempel und erzwingt dies alles durch Androhung enormer Geldstrafen! Nach der Annahme des
letztgenannten Gesetzes verschwand die revolution&auml;re Presse ganz und gar. Sie hatte lange
gegen die Verfolgung gek&auml;mpft: Woche f&uuml;r Woche wurden Zeitung auf Zeitung und
Brosch&uuml;re auf Brosch&uuml;re unter Anklage gestellt, bestraft, unterdr&uuml;ckt. Die
Bourgeoisie sa&szlig; auf der Geschworenenbank und vernichtete die Arbeiterpresse.</p>
<p>Der H&ouml;hepunkt dieses Systems wurde mit dem Gesetz vom 30. Juli 1850 erreicht, das die
Zensur &uuml;ber das Drama wiederherstellte. Damit wurde die Meinungsfreiheit aus ihrer letzten
literarischen Zuflucht vertrieben.</p>
<p>2. <i>Das Recht der Vereinigung und der &ouml;ffentlichen Versammlungen</i>. Durch die Dekrete
vom 28. Juli bis 2. August 1848 werden die Klubs einer gro&szlig;en Zahl von Polizeiverordnungen
unterworfen, die ihnen fast jede Freiheit nehmen. So d&uuml;rfen sie z.B. keine Resolutionen in
legislativer Form annehmen usw. Alle <i>un</i>politischen Zirkel und <i>privaten</i>
Vereinigungen werden durch dieses Gesetz g&auml;nzlich der Aufsicht und den Launen der Polizei
ausgeliefert.</p>
<p><b><a name="S497">&lt;497&gt;</a></b> Durch das Gesetz vom 19.-22. Juni 1849 wird die
Regierung erm&auml;chtigt, f&uuml;r die Dauer eines Jahres alle Klubs und Versammlungen, die ihr
nicht genehm sind, zu verbieten. Durch das Gesetz vom 6.-12. Juni 1850 wird der Regierung diese
Erm&auml;chtigung f&uuml;r ein weiteres Jahr gegeben und praktisch auf jene Versammlungen und
Zusammenk&uuml;nfte ausgedehnt, die mit der Wahl der Volksvertreter zusammenh&auml;ngen und der
Regierung mi&szlig;fallen k&ouml;nnten! Das Ergebnis ist, da&szlig; im Prinzip seit Juli 1848
alle Klubs und &ouml;ffentlichen Versammlungen, mit Ausnahme der cercles &lt;Klubs&gt; der
Royalisten und Bonapartisten, aufgehoben wurden.</p>
<p>Durch das Gesetz vom 29. November 1849 wird allen Arbeitern, die sich f&uuml;r eine
Erh&ouml;hung ihrer L&ouml;hne zusammenschlie&szlig;en sollten, Gef&auml;ngnis bis zu 3 Monaten
und eine Geldstrafe bis zu 3.000 Francs auferlegt. Und durch dasselbe Gesetz werden diese
Arbeiter, nach Verb&uuml;&szlig;ung ihrer Strafe, f&uuml;nf Jahre lang unter Polizeiaufsicht
gestellt (was Betteln, Ruin und Verfolgung bedeutet).</p>
<p>Soviel &uuml;ber das Recht der Vereinigung und der &ouml;ffentlichen Versammlung.</p>
<p align="center">&#8212;&#8212;&#8212;&#8212;&#8212;</p>
<p><font size="2">"&sect; 9. Der Unterricht ist frei. Die Freiheit des Unterrichts wird nach den
durch das Gesetz festgelegten Bedingungen und unter Aufsicht des Staats
ausge&uuml;bt."</font></p>
<p>Hier wird der alte Witz wiederholt. "Der Unterricht ist frei", aber "nach den durch das Gesetz
festgelegten Bedingungen", und das sind gerade die Bedingungen, die die Freiheit g&auml;nzlich
beseitigen.</p>
<p>Durch das Gesetz vom 15. M&auml;rz 1850 wird das Erziehungssystem v&ouml;llig unter die
Aufsicht der Geistlichkeit gestellt.</p>
<p>An der Spitze dieses Regierungsdepartements steht ein conseil supeneur de l'instruction
publique &lt;Oberster Rat f&uuml;r &ouml;ffentlichen Unterricht&gt;, dem vier franz&ouml;sische
Erzbisch&ouml;fe vorstehen. Er unterwirft alle Schulmeister der Provinzen, obwohl sie von den
Gemeinder&auml;ten oder den Kirchenr&auml;ten gew&auml;hlt wurden, der Macht der recteurs oder
Pfarrherren. Die Lehrer sind in eine Lage versetzt, die der milit&auml;rischen Unterordnung und
Disziplin unter die Pfarrherren, B&uuml;rgermeister und Pfarrer gleichkommt, und die Freiheit des
Unterrichts besteht nach dem bereits angef&uuml;hrten Gesetz darin, da&szlig; niemand ohne
Genehmigung der Zivil- und Kirchenbeh&ouml;rden das Recht zum Unterrichten hat.</p>
<p><font size="2">"&sect; 11. Das Eigentum ist unverletzlich."</font></p>
<p><font size="2">"&sect; 14. Die Staatsschuld ist gew&auml;hrleistet."</font></p>
<p><font size="2">"&sect; 15. Steuern werden nur f&uuml;r den allgemeinen Nutzen erhoben. Jeder
B&uuml;rger tr&auml;gt entsprechend seinen Mitteln und seinem Verm&ouml;gen dazu bei."</font></p>
<p align="center">KAP. III. VON DEN STAATSGEWALTEN</p>
<p><b><a name="S498">&lt;498&gt;</a></b> Dieses Kapitel behauptet:</p>
<p><font size="2">1. "Alle Staatsgewalten gehen vorn Volke aus und k&ouml;nnen nicht erblich
&uuml;bertragen werden."</font></p>
<p><font size="2">2. "Die Trennung der Gewalten ist die erste Bedingung einer freien
Regierung."</font></p>
<p>Hier haben wir den alten Verfassungsunsinn. Die Voraussetzung f&uuml;r eine "freie Regierung"
ist nicht die <i>Trennung</i>, sondern die Einheit der Gewalten. Die Regierungsmaschinerie kann
gar nicht einfach genug sein. Es ist immer die Kunst der Spitzbuben, sie kompliziert und
geheimnisvoll zu machen.</p>
<p align="center">KAP. IV. VON DER GESETZGEBENDEN GEWALT</p>
<p>Die gesetzgebende Gewalt wird einer einzigen Versammlung von 750 Repr&auml;sentanten,
einschlie&szlig;lich der Vertreter Algeriens und der Kolonien, &uuml;bertragen. Jede Versammlung,
die zur Revision der Verfassung einberufen werden sollte, mu&szlig; aus 900 Personen bestehen.
Das Wahlsystem st&uuml;tzt sich auf die Bev&ouml;lkerungszahl.</p>
<p>Jetzt folgen vier Paragraphen, die vollst&auml;ndig wiedergegeben werden m&uuml;ssen:</p>
<p><font size="2">"&sect; 24. Das Wahlrecht ist direkt und allgemein, die Abstimmung ist
geheim."</font></p>
<p><font size="2">"&sect; 25. W&auml;hler sind alle Franzosen, welche 21 Jahre alt und im Genusse
ihrer politischen und zivilen Rechte sind, ohne R&uuml;cksicht auf irgendeinen
Wahlzensus."</font></p>
<p><font size="2">"&sect; 26. Alle W&auml;hler, die das Alter von 25 Jahren erreicht haben,
k&ouml;nnen als Repr&auml;sentanten gew&auml;hlt werden, ohne Beschr&auml;nkung durch den
Wohnsitz."</font></p>
<p><font size="2">"&sect; 27. Das Wahlgesetz wird die Gr&uuml;nde bestimmen, wodurch einem
franz&ouml;sischen B&uuml;rger das Recht zu w&auml;hlen und gew&auml;hlt zu werden entzogen
werden kann."</font></p>
<p>Die obigen Artikel sind genau in demselben Geist abgefa&szlig;t wie die ganze &uuml;brige
Konstitution. "Alle Franzosen, die im Genusse ihrer politischen Rechte sind, sind wahlberechtigt"
- doch "das Wahlgesetz" hat zu entscheiden, welcher Franzose die politischen Rechte <i>nicht</i>
besitzen soll!</p>
<p>Das Wahlgesetz vom 15. M&auml;rz 1849 rechnet unter diese Kategorie alle kriminellen
Verbrecher, aber nicht Personen, die sich politischer Vergehen schuldig gemacht haben. Das
Wahlgesetz vom 31. Mai 1850 f&uuml;gte nicht nur diese Personen hinzu - alle diejenigen, die
wegen "Vergehens gegen die althergebrachten Ansichten" und gegen die Pressegesetze verurteilt
wurden.-, sondern f&uuml;hrte praktisch Wohnortsbeschr&auml;nkungen ein, durch die zwei Drittel
des franz&ouml;sischen Volkes des Wahlrechts beraubt wurden!</p>
<p>Das versteht man in Frankreich unter "direktem und allgemeinem Wahlrecht".</p>
<p><b><font size="2"><a name="S499">&lt;499&gt;</a></font></b> <font size="2">"&sect; 28. Die
Aus&uuml;bung jedes bezahlten &ouml;ffentlichen Amtes ist mit dem Mandat eines
Volksrepr&auml;sentanten unvereinbar. Kein Volksrepr&auml;sentant kann w&auml;hrend der Dauer der
Session bezahlte &ouml;ffentliche &Auml;mter einnehmen, die von der vollziehenden Gewalt
abh&auml;ngen."</font></p>
<p>Diese beiden Bestimmungen wurden durch sp&auml;tere Entscheidungen eingeschr&auml;nkt und sind
im wesentlichen nahezu aufgehoben.</p>
<p><font size="2">"&sect; 30. Die Wahl erfolgt nach Departements, in dem Hauptort des Bezirks und
mit Stimmschein."</font></p>
<p><font size="2">"&sect; 31. Die Nationalversammlung wird f&uuml;r drei Jahre gew&auml;hlt;
danach mu&szlig; eine Neuwahl stattfinden."</font></p>
<p><font size="2">"&sect; 32. Sie ist permanent, kann sich jedoch vertagen und mu&szlig; dann
eine Kommission zu ihrer Vertretung ernennen, welche aus 25 Deputierten und den Mitgliedern des
B&uuml;ros der Versammlung besteht. Diese Kommission ist erm&auml;chtigt, die Versammlung im
Notfalle einzuberufen."</font></p>
<p>&sect;&sect; 33-38. Die Repr&auml;sentanten sind wiederw&auml;hlbar. Sie sind an keine
bestimmten Weisungen gebunden, sie sind unverletzlich und k&ouml;nnen wegen der Meinungen, welche
sie innerhalb der Nationalversammlung &auml;u&szlig;ern, nicht verfolgt oder verurteilt werden.
Sie erhalten eine Entsch&auml;digung, auf welche sie <i>nicht verzichten d&uuml;rfen</i>.</p>
<p>Was die "Unverletzlichkeit des Repr&auml;sentanten" und sein "Recht auf freie
Meinungs&auml;u&szlig;erung" betrifft, so nahm die Mehrheit nach dem 13. Juni ein neues
r&egrave;glement an, das den Pr&auml;sidenten der Nationalversammlung erm&auml;chtigt, &uuml;ber
einen Abgeordneten die <i>Zensur</i> zu verh&auml;ngen, ihn mit einer Geldstrafe zu belegen, ihm
seine Entsch&auml;digung zu entziehen und ihn vor&uuml;bergehend <i>auszuschlie&szlig;en -</i>
womit die "Meinungsfreiheit" v&ouml;llig aufgehoben ist. Im Jahre 1850 nahm die Versammlung ein
Gesetz an, durch das Repr&auml;sentanten sogar w&auml;hrend der Tagung des Hauses wegen Schulden
verhaftet werden k&ouml;nnen und, wenn sie nicht in einer angegebenen Frist bezahlen, ihre
Mandate als Repr&auml;sentanten verlieren.</p>
<p>Somit gibt es in Frankreich weder das Recht der freien Meinungs&auml;u&szlig;erung noch die
Unverletzlichkeit des Repr&auml;sentanten - sondern lediglich die Unverletzlichkeit des
Gl&auml;ubigers.</p>
<p>&sect;&sect; 39-42. Die Sitzungen der Versammlung sind &ouml;ffentlich. Nichtsdestoweniger
kann sich die Versammlung auf Verlangen der erforderlichen Anzahl Repr&auml;sentanten zu einem
geheimen Komitee konstituieren. Um ein Gesetz rechtsg&uuml;ltig zu erlassen, mu&szlig; es von
einer Stimme mehr als der H&auml;lfte aller Repr&auml;sentanten beschlossen werden. Abgesehen von
dringenden F&auml;llen kann ein Gesetz nur nach drei Lesungen mit einem Abstand von jeweils 5
Tagen angenommen werden.</p>
<p><b><a name="S500">&lt;500&gt;</a></b> Diese Ordnung, die aus der englischen "Konstitution"
entlehnt wurde, wird in Frankreich bei wichtigen Anl&auml;ssen nie eingehalten - gerade bei
denjenigen nicht, bei denen sie am n&ouml;tigsten w&auml;re. Zum Beispiel wurde das Wahlgesetz
vom 31. Mai nach einer Lesung angenommen.</p>
<p align="center">KAP. V. VON DER VOLLZIEHENDEN GEWALT</p>
<p>&sect;&sect; 43-44. Die vollziehende Gewalt wird einem Pr&auml;sidenten &uuml;bertragen. Der
Pr&auml;sident mu&szlig; ein geborener Franzose sein, wenigstens 30 Jahre alt, und darf niemals
die franz&ouml;sischen B&uuml;rgerrechte verloren haben.</p>
<p>Der erste Pr&auml;sident der Franz&ouml;sischen Republik, L. N. Bonaparte, hatte nicht nur
seine franz&ouml;sischen B&uuml;rgerrechte verloren, war nicht nur ein englischer
Spezial-Konstabler gewesen, sondern auch ein naturalisierter Schweizer.</p>
<p>&sect;&sect; 45-70. Der Pr&auml;sident der Republik ist f&uuml;r vier Jahre gew&auml;hlt und
erst vier Jahre nach Ablauf seiner Amtsperiode wiederw&auml;hlbar. Dieselben Beschr&auml;nkungen
gelten f&uuml;r seine Verwandten bis zum sechsten Grade einschlie&szlig;lich. Die Wahl soll am
zweiten Sonntag des Monats Mai stattfinden. Wenn der Pr&auml;sident zu einer anderen Zeit
gew&auml;hlt wurde, so erl&ouml;schen seine Vollmachten am zweiten Sonntag des Monats Mai im
vierten Jahre nach seiner Wahl. Er wird in geheimer Abstimmung und mit <i>absoluter</i> Mehrheit
gew&auml;hlt. Wenn kein Kandidat mehr als die H&auml;lfte der abgegebenen Stimmen, jedoch
wenigstens zwei Millionen erlangt, w&auml;hlt die Nationalversammlung den Pr&auml;sidenten unter
den f&uuml;nf Kandidaten, welche die meisten Stimmen erhalten haben.</p>
<p>Der Pr&auml;sident mu&szlig; der Verfassung die Treue schw&ouml;ren; er hat das Recht, durch
seine Minister der Nationalversammlung Gesetzentw&uuml;rfe vorzulegen; er kann &uuml;ber die
bewaffnete Macht verf&uuml;gen, ohne sie pers&ouml;nlich zu befehligen; er darf keinen Teil des
franz&ouml;sischen Territoriums abtreten, die Nationalversammlung weder aufl&ouml;sen noch
vertagen, noch die Konstitution au&szlig;er Kraft setzen. Er schlie&szlig;t und ratifiziert alle
Vertr&auml;ge, die aber nur verbindlich sind, wenn sie von der Nationalversammlung gebilligt
wurden. Er darf keinen Krieg ohne Zustimmung der Nationalversammlung unternehmen; er kann das
Begnadigungsrecht aus&uuml;ben, aber keine Amnestie erlassen. Wer von dem Haute Cour
&lt;Hochgericht&gt; verurteilt wurde, kann nur durch die Nationalversammlung begnadigt werden.
Der Pr&auml;sident kann die Verk&uuml;ndung eines Gesetzes aufschieben und fordern, da&szlig; die
Versammlung noch einmal dar&uuml;ber berate. <a name="S501"><b>&lt;501&gt;</b></a> Eine solche
Beratung beschlie&szlig;t dann jedoch endg&uuml;ltig. Er ernennt Botschafter und Minister und hat
das Recht, die von den B&uuml;rgern gew&auml;hlten B&uuml;rgermeister, Departementsr&auml;te,
Nationalgarden usw. f&uuml;r drei Monate zu suspendieren. Alle seine Dekrete m&uuml;ssen durch
die Minister gegengezeichnet sein, mit Ausnahme der Entlassungen der Minister selbst. Der
Pr&auml;sident, die Minister und die Beamten sind, jeder f&uuml;r seinen Teil, verantwortlich
f&uuml;r alle Handlungen der Regierung. Jede Handlung, durch die der Pr&auml;sident die
ordnungsgem&auml;&szlig;e Aus&uuml;bung der T&auml;tigkeit der Nationalversammlung
beeinflu&szlig;t, verz&ouml;gert oder verhindert, ist ein Akt des Hochverrats. Durch eine solche
Handlung ist der Pr&auml;sident sogleich seines Amtes enthoben - es wird zur Pflicht eines jeden
B&uuml;rgers, seinen Anordnungen den Gehorsam zu verweigern; seine Amtsgewalt geht sofort an die
Nationalversammlung &uuml;ber; die Richter des Haute Cour de Justice treten unverz&uuml;glich
zusammen und berufen das Gericht an einen von ihnen festgesetzten Ort, um den Pr&auml;sidenten
und seine Mitschuldigen abzuurteilen.</p>
<p>Der Pr&auml;sident verf&uuml;gt &uuml;ber einen offiziellen Wohnsitz und ein Jahresgehalt von
600.000 Francs oder &pound; 24.000. (Er erh&auml;lt jetzt 2.160.000 Francs oder &pound; 86.400.)
Die Minister haben ex officio &lt;von Amt wegen&gt; einen Sitz in der Nationalversammlung und
k&ouml;nnen so oft sprechen, wie sie w&uuml;nschen. Die Nationalversammlung w&auml;hlt unter drei
Kandidaten, die der Pr&auml;sident innerhalb eines Monats nach seiner eignen Wahl benennt, einen
Vizepr&auml;sidenten der Republik. Der Vizepr&auml;sident leistet den gleichen Eid wie der
Pr&auml;sident; er darf kein Verwandter des Pr&auml;sidenten sein; er &uuml;bernimmt die Stelle
des Pr&auml;sidenten, wenn dieser verhindert ist, und amtiert als Pr&auml;sident des Staatsrates.
Wenn das Amt des Pr&auml;sidenten durch Todesfall oder aus anderen Gr&uuml;nden frei wird,
mu&szlig; binnen Monatsfrist eine Neuwahl stattfinden.</p>
<p align="center">KAP. VI. VOM STAATSRAT</p>
<p>&sect;&sect; 71-75. Der Staatsrat ist eine lediglich beratende K&ouml;rperschaft zur
Pr&uuml;fung der Gesetzentw&uuml;rfe der Regierung und derjenigen, welche von der Versammlung an
ihn verwiesen werden.</p>
<p align="center">KAP. VII. VON DER INNEREN VERWALTUNG</p>
<p>Dieser Abschnitt handelt von den Beamten &lt;in "Notes to the People offensichtlich ein
Druckfehler: clergy (Geistlichkeit) statt clerks (Beamten)&gt;, den h&ouml;heren Beamten, den
Gemeinde- und Kantonalr&auml;ten. Der einzige Artikel von Bedeutung und der- <a name=
"S502"><b>&lt;502&gt;</b></a> jenige, von dem im gr&ouml;&szlig;tm&ouml;glichen Ausma&szlig;
Gebrauch gemacht wird, ist der folgende:</p>
<p><font size="2">"&sect; 80. Die Generalr&auml;te, die Kantonalr&auml;te und die
Gemeinder&auml;te k&ouml;nnen durch den Pr&auml;sidenten mit Zustimmung des Staatsrates
aufgel&ouml;st werden."</font></p>
<p align="center">KAP. VIII. VON DER GERICHTLICHEN GEWALT</p>
<p>Im Grunde genommen wiederholt dieser Abschnitt lediglich die Verordnungen des Kaisers
Napoleon. Die folgenden Zus&auml;tze sind jedoch bemerkenswert:</p>
<p><font size="2">"&sect; 81. Im Namen des franz&ouml;sischen Volkes wird die Rechtspflege
unentgeltlich ausge&uuml;bt."</font></p>
<p>Das trifft so wenig zu, da&szlig; man nicht einmal umsonst gek&ouml;pft wird!</p>
<p>&sect;&sect; 91-100 behandeln den Haute Cour de Justice, der allein berechtigt ist, &uuml;ber
den Pr&auml;sidenten Gericht zu halten, vor dem die Minister und alle Personen, von denen es die
Nationalversammlung f&uuml;r richtig h&auml;lt, sie wegen politischer Vergehen vor dieses
Tribunal zu stellen, angeklagt werden k&ouml;nnen.</p>
<p>Dieses "Hochgericht" besteht aus f&uuml;nf Richtern, die der Kassationshof (das h&ouml;chste
Tribunal in Frankreich) aus seinen Mitgliedern w&auml;hlt, und aus sechsunddrei&szlig;ig
Geschworenen, welche sich aus Mitgliedern der Generalr&auml;te der Departements, einer
v&ouml;llig aristokratischen K&ouml;rperschaft, zusammensetzen. Die einzigen Personen, die von
diesem Gerichtshof bisher verurteilt wurden, sind die Angeklagten des 15. Mai 1848 (hier treten
die Namen Barb&egrave;s, Blanqui und andere im Urteil hervor!) und die Deputierten, die sich am
13. Juni 1849 kompromittiert hatten.</p>
<p>Durch das Gesetz vom 7. August 1848 werden alle diejenigen, die nicht lesen und schreiben
k&ouml;nnen, aus der Liste der Geschworenen gestrichen und somit zwei Drittel der erwachsenen
Bev&ouml;lkerung disqualifiziert!</p>
<p align="center">KAP. IX. VON DER BEWAFFNETEN GEWALT</p>
<p>Das alte Milit&auml;rgesetz bleibt vollst&auml;ndig bestehen. F&uuml;r die Vergehen der
Soldaten sind die Zivilgerichtsh&ouml;fe nicht zust&auml;ndig. Der folgende Paragraph
kennzeichnet den Geist dieser Konstitution.</p>
<p><font size="2">"&sect; 102. Jeder Franzose ist zum Dienst in der Armee und in der
Nationalgarde verpflichtet, mit Ausnahme der F&auml;lle, die das Gesetz bestimmt."</font></p>
<p>Jeder, der Geld hat, kann sich von der Dienstpflicht befreien.</p>
<p>Durch das jetzt zur Beratung stehende Gesetz, das in zweiter Lesung bereits durchgegangen ist,
werden die arbeitenden Klassen g&auml;nzlich aus den <a name="S503"><b>&lt;503&gt;</b></a> Reihen
der Nationalgarde ausgeschlossen! Dar&uuml;ber hinaus hat der Pr&auml;sident das Recht, die
Nationalgarden jeder Gemeinde f&uuml;r ein Jahr zu suspendieren - und in der Tat wurde in halb
Frankreich die Nationalgarde aufgel&ouml;st!</p>
<p align="center">KAP. X. BESONDERE VERF&Uuml;GUNGEN</p>
<p><font size="2">"&sect; 110. Die Nationalversammlung vertraut die Konstitution der Wachsamkeit
und dem Patriotismus des gesamten Volkes an"</font></p>
<p>- und vertraut die "Wachsamen" und "Patriotischen" der Barmherzigkeit des Haute Cour an! - 13.
Juni!</p>
<p align="center">KAP. XI. VON DER REVISION DER KONSTITUTION</p>
<p><font size="2">"&sect; 111. Sollte die Nationalversammlung am Ende ihrer Session den Wunsch
nach einer vollst&auml;ndigen oder teilweisen &Auml;nderung der Konstitution aussprechen, dann
soll die Revision in folgender Weise durchgef&uuml;hrt werden: Der durch die Nationalversammlung
ausgesprochene Wunsch kann nur Gesetzeskraft erlangen nach drei aufeinanderfolgenden
Verhandlungen, die mit je einem Monat Zwischenraum stattfinden m&uuml;ssen, und mit einer
Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen, wobei die Anzahl der Stimmenden wenigstens 500
betragen mu&szlig;. Die eigens f&uuml;r die Revision einberufene Versammlung wird nur auf drei
Monate gew&auml;hlt und soll sich, abgesehen von sehr dringenden F&auml;llen, mit keinen anderen
Fragen besch&auml;ftigen."</font></p>
<p align="center">&#8212;&#8212;&#8212;&#8212;&#8212;</p>
<p>So sieht die "Konstitution der Franz&ouml;sischen Republik" aus, und das ist die Art und
Weise, in der von ihr Gebrauch gemacht wurde. Der Leser erkennt sofort, da&szlig; sie von Anfang
bis Ende eine Menge sch&ouml;ner Worte ist, die eine h&ouml;chst betr&uuml;gerische Absicht
verbergen. Schon durch ihren Wortlaut wird ihre Verletzung <i>unm&ouml;glich</i> gemacht, denn
jede ihrer Bestimmungen enth&auml;lt ihre eigene Antithese - hebt sich selbst vollst&auml;ndig
auf. Zum Beispiel: "Das Wahlrecht ist direkt und allgemein" - "<i>ausgenommen</i> die F&auml;lle,
die das <i>Gesetz</i> bestimmen wird."</p>
<p>Daher kann man nicht sagen, da&szlig; das Gesetz vom 31. Mai 1850 (das zwei Dritteln der
Bev&ouml;lkerung das Wahlrecht entzieht) die Konstitution &uuml;berhaupt verletzt.</p>
<p>Die Konstitution wiederholt immer wieder die Formulierung, da&szlig; die Regelung und
Begrenzung der Rechte und Freiheiten des Volkes (z.B. des Vereinigungsrechts, des Wahlrechts, der
Freiheit der Presse, des Unterrichts usw.) durch ein nachfolgendes <b>organisches Gesetz</b>
festgelegt werden soll - und diese "organischen Gesetze" "bestimmen" die versprochene Freiheit,
indem sie sie vernichten. Diesen Trick, die volle Freiheit zu versprechen, die sch&ouml;nsten
Prinzipien festzulegen und ihre Anwendung, die <i>Details</i>, der Ent- <a name=
"S504"><b>&lt;504&gt;</b></a> scheidung "nachfolgender Gesetze" zu &uuml;berlassen, hat die
&ouml;sterreichische und preu&szlig;ische Bourgeoisie von ihren franz&ouml;sischen Vorbildern
&uuml;bernommen, denn dasselbe wurde in der franz&ouml;sischen Konstitution von 1830 und in den
vorangegangenen Konstitutionen getan.</p>
<p>Volk! K&uuml;mmere dich ebensosehr um die <b>Details</b> wie um die Prinzipien, bevor du zur
Macht gelangst. Im englischen Konvent wurde deshalb gerade um diesen Punkt gek&auml;mpft!</p>
<p>Die einzigen bestimmten und endg&uuml;ltigen Klauseln der ganzen Konstitution sind diejenigen
&uuml;ber die Pr&auml;sidentenwahl (&sect; 45) und &uuml;ber die Revision der Konstitution
(&sect; 11). Sie sind die einzigen Bestimmungen, die verletzt werden k&ouml;nnen, weil sie die
einzigen sind, die sich nicht selbst widersprechen.</p>
<p>Sie waren von der konstituierenden Versammlung des Jahres 1848 direkt gegen Bonaparte
gerichtet, dessen Intrigen um das Pr&auml;sidentenamt die Deputierten alarmierte.</p>
<p>Die ewigen Widerspr&uuml;che dieses Humbugs von einer Konstitution zeigen klar genug,
da&szlig; die Bourgeoisie zwar in <i>Worten</i> demokratisch sein kann, aber nicht in ihren
Handlungen, sie wird die Wahrheit eines Prinzips anerkennen, es aber nie in die Praxis umsetzen -
und die wirkliche "Konstitution" Frankreichs findet sich nicht in der Charta, die wir
wiedergegeben haben, sondern in den auf ihrer Grundlage erlassenen organischen Gesetzen, welche
wir dem Leser kurz umrissen haben. Die <i>Prinzipien</i> waren vorhanden - die <i>Details</i>
wurden der Zukunft &uuml;berlassen, und mit jenen Details wurde die schamlose Tyrannei wieder zum
Gesetz erhoben!</p>
<p>Das in Frankreich erreichte &Uuml;berma&szlig; an Despotismus wird durch die folgenden
Bestimmungen f&uuml;r die Arbeiter offensichtlich:</p>
<p>Jeder Arbeiter erh&auml;lt von der Polizei ein Buch, dessen erste Seite seinen Namen, Alter,
Geburtsort, Gewerbe oder Beruf und eine Beschreibung seiner Person enth&auml;lt. Er ist
verpflichtet, den Namen des Unternehmers, f&uuml;r den er arbeitet, darin einzutragen sowie die
Gr&uuml;nde, warum er ihn verl&auml;&szlig;t. Doch das ist noch nicht alles: Das Buch wird seinem
Unternehmer &uuml;bergeben und von diesem, versehen mit einer Charakterisierung des Arbeiters, im
Polizeib&uuml;ro hinterlegt. Wenn ein Arbeiter seine Stellung aufgibt, mu&szlig; er zum
Polizeib&uuml;ro gehen und dieses Buch holen; er darf keine andere Stelle annehmen, ohne es
vorzulegen. Dadurch h&auml;ngt das Brot des Arbeiters v&ouml;llig von der Polizei ab. Doch das
ist wiederum noch nicht alles: Dieses Buch erf&uuml;llt den Zweck eines Passes. Wenn der Arbeiter
sich unbeliebt gemacht hat, schreibt die Polizei hinein: "bon pour retounner chez lui"
&lt;"g&uuml;ltig f&uuml;r die Heimreise"&gt; und er mu&szlig; in seinen Heimatort zur&uuml;ck-
<a name="S505"><b>&lt;505&gt;</b></a> kehren! Die Enth&uuml;llung dieser furchtbaren Tatsache
braucht keinen Kommentar! &Uuml;berlassen wir es dem Leser, sich selbst die volle Auswirkung
auszumalen und den tats&auml;chlichen Konsequenzen nachzusp&uuml;ren. Nicht einmal in der
Leibeigenschaft der Feudalzeit oder in dem Pariawesen Indiens findet sich eine Parallele. Ist es
da ein Wunder, wenn das franz&ouml;sische Volk auf die Stunde des Aufstands wartet. Ist es ein
Wunder, wenn sein Unwille einen Sturm entfesselt. Es war gn&auml;dig im Jahre 1830, es war
gn&auml;dig im Jahre 1848; doch seitdem wurde seine Freiheit verschachert und sein Blut in
Str&ouml;men vergossen; jedes Gef&auml;ngnis in Frankreich ist mit lebensl&auml;nglich
Verurteilten &uuml;berf&uuml;llt, 15.000 wurden auf einen Schub deportiert, und jetzt lastet auf
ihm der f&uuml;rchterliche Despotismus, den wir beschrieben haben. Ist es da ein Wunder, wenn die
Bourgeoisie das Volk f&uuml;rchtet und ihre letzte Kraft anspannt, um die Stunde der Vergeltung
hinauszuschieben. Doch sie ist in sich gespalten. Sie hat zu viele widerspr&uuml;chliche
Bestrebungen, und als erste steht auf dem Programm:</p>
<p align="center">DAS SPIEL NAPOLEONS</p>
<p>Die Frage ist jetzt, ob die Amtszeit des Pr&auml;sidenten verl&auml;ngert und die Konstitution
revidiert werden soll. Napoleon kann ohne einen offenen Bruch der Konstitution nicht
wiedergew&auml;hlt werden, erstens weil er vor Ablauf einer Periode von vier Jahren nach seiner
Amtszeit nicht wiedergew&auml;hlt und zweitens weil die Konstitution nur durch eine
Zweidrittelmehrheit ge&auml;ndert werden kann. Eine solche Mehrheit gibt es in dieser Frage
nicht, und daher ist eine verfassungsm&auml;&szlig;ige Wiederwahl nicht m&ouml;glich.</p>
<p>Darum gibt es f&uuml;r Bonaparte nur die eine Alternative: der Konstitution zu trotzen, zu den
Waffen zu greifen und die Sache auszufechten oder zum vorgeschriebenen Zeitpunkt sein Amt dem
Gesetz entsprechend zu &uuml;bergeben. Im letzteren Falle w&uuml;rde Cavaignac Pr&auml;sident und
die <b>Republik der Bourgeoisie</b> w&auml;re vollendet. Im ersteren Falle sind die Folgen
komplizierter.</p>
<p>Das Spiel Napoleons geht deshalb jetzt darauf hinaus, die Unzufriedenheit des Volkes zu
sch&uuml;ren. Die Bourgeoisie ist der Feind Napoleons - das Volk wei&szlig; das, und es besteht
zwischen ihnen ein Band der Sympathie. Er teilt jedoch den Makel der Unterdr&uuml;ckung mit der
Bourgeoisie; wenn er diesen v&ouml;llig von seinen Schultern auf ihre abw&auml;lzen kann, dann
ist ein gro&szlig;es Hindernis beseitigt.</p>
<p>Da&szlig; er dies anstrebt, bewies seine k&uuml;rzliche Rede in Dijon, wo er sagte:</p>
<p><font size="2">"Die Nationalversammlung hat alle schlechten Gesetze in Kraft gesetzt; jedes
gute Gesetz, das ich vorgeschlagen habe, wurde von dieser K&ouml;rperschaft verworfen oder
verst&uuml;mmelt. Sie haben alle meine Bem&uuml;hungen, eure Bedingungen zu verbessern, vereitelt
und den Verbesserungen Hindernisse entgegengestellt, wo es keine gab."</font></p>
<p><b><a name="S506">&lt;506&gt;</a></b> So bem&uuml;ht er sich, den Blitz von seinem Haupt auf
die Versammlung abzuleiten. Unterdessen ist die Armee eher f&uuml;r ihn als f&uuml;r die letztere
K&ouml;rperschaft - und das Elend des Volkes ist derart, da&szlig; nach Meinung der breiten Masse
beinahe jede &Auml;nderung eine Besserung bedeuten m&uuml;sse, w&auml;hrend die Einsichtigen nur
eine Minderheit sind.</p>
<p>Deshalb w&uuml;rde das Volk, wenn vielleicht die Bourgeoisie angesichts der Entschlossenheit
Napoleons unter Cavaignac den Kampf wagen w&uuml;rde, bestimmt gegen sie k&auml;mpfen - und
Napoleon w&uuml;rde auf seiten des Volkes k&auml;mpfen. Vereint w&uuml;rden sie sich f&uuml;r die
Versammlung als zu stark erweisen. Doch dann w&uuml;rde der kritische Zeitpunkt eintreten, da die
Versammlung herausfinden w&uuml;rde, da&szlig; das Volk im Begriff ist zu siegen, und sie
w&uuml;rde das kleinere der beiden &Uuml;bel w&auml;hlen. Sie w&uuml;rde ein Kaiserreich oder
eine Diktatur Napoleons einer demokratischen und sozialen Republik vorziehen und deshalb mit dem
Pr&auml;sidenten zu einer Einigung kommen. Da der letztere die demokratische Macht ebenso wie sie
f&uuml;rchtet, w&uuml;rde er ihre Hilfe annehmen. Die Armee oder zumindest ein Teil derselben
w&uuml;rde durch die Erregung, die Gefahr und den "Ruhm" des Kampfes Napoleon noch mehr ergeben
sein, und die Auseinandersetzung w&uuml;rde damit ein neues Gesicht bekommen - die Armee und die
Bourgeoisie gegen das Volk. Der Ausgang h&auml;ngt von dem Mut, der Klugheit und der Einigkeit
des Volkes ab. Das Spiel Napoleons besteht darin, erst das Volk gegen die Bourgeoisie, dann die
Bourgeoisie gegen das Volk auszuspielen und die Armee gegen beide zu gebrauchen.</p>
<p>Die Zukunft geht mit gro&szlig;en Ereignissen schwanger, und das gegenw&auml;rtige Frankreich
ist eines der interessantesten Studienobjekte, welche die Geschichte bietet.</p>
</body>
</html>