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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<TITLE>Karl Marx - Bolivar y Ponte</TITLE>
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<P ALIGN="CENTER"><A HREF="me14_000.htm"><FONT SIZE=2>Inhaltsverzeichnis Aufs&auml;tze f&uuml;r "The New American Cyclop&aelig;dia"</FONT></A></P>
<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 14, 4. Auflage 1972, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 217-231.</P>
<P>1. Korrektur.<BR>
Erstellt am 22.08.1998.</FONT> </P>
<H2>Karl Marx</H2>
<H1>Bolivar y Ponte</H1>
<FONT SIZE=2><P>Geschrieben um den 8. Januar 1858.<BR>
Aus dem Englischen. </P>
</FONT><P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P><A NAME="S217">["The New American Cyclop&aelig;dia", Band III]</P>
</FONT><B><P>&lt;217&gt;</A></B> <I>Bolivar y Ponte</I>, Simon, der "Befreier" Kolumbiens, geboren am 24. Juli 1783 in Caracas, gestorben in San Pedro, nahe Santa Marta, am 17. Dezember 1830. Er war der Sohn einer der Familien Mantuanas, die zur Zeit der spanischen Oberhoheit den kreolischen Adel in Venezuela bildeten. Entsprechend dem Brauch wohlhabender Amerikaner jener Zeit wurde er im fr&uuml;hen Alter von 14 Jahren nach Europa geschickt. Von Spanien ging er nach Frankreich und hielt sich einige Jahre in Paris auf. 1802 verm&auml;hlte er sich in Madrid und kehrte dann nach Venezuela zur&uuml;ck, wo seine Frau pl&ouml;tzlich am gelben Fieber starb. Danach ging er ein zweites Mal nach Europa und wohnte 1804 der Kr&ouml;nung Napoleons zum Kaiser bei und war auch zugegen, als dieser 1805 die Eiserne Krone der Lombardei entgegennahm. 1809 kehrte er nach Hause zur&uuml;ck, und trotz des Dr&auml;ngens seines Vetters Jos&eacute; F&eacute;lix Ribas lehnte er es ab, sich der Revolution anzuschlie&szlig;en, die am 19. April 1810 in Caracas ausbrach; aber nach diesem Ereignis nahm er einen Auftrag an, nach London zu gehen, um Waffen zu kaufen und die Protektion der britischen Regierung zu erbitten. Nach au&szlig;en hin gut empfangen von dem Marquis von Wellesley, dem damaligen Minister des Ausw&auml;rtigen, erreichte er nichts anderes als die Erlaubnis, Waffen gegen bares Geld und bei Zahlung hohen Zolls auszuf&uuml;hren. Nach seiner R&uuml;ckkehr von London zog er sich wieder ins Privatleben zur&uuml;ck, bis er im September 1811 von General Miranda, damals Oberbefehlshaber der aufst&auml;ndischen Land- und Seestreitkr&auml;fte, veranla&szlig;t wurde, den Rang eines Oberstleutnants im Stab und das Kommando &uuml;ber Puerto Cabello, die st&auml;rkste Festung von Venezuela, anzunehmen.</P>
<P>Als es den spanischen Kriegsgefangenen, die Miranda regelm&auml;&szlig;ig nach Puerto Cabello zu senden pflegte, um sie in der Zitadelle unter Bewachung festzuhalten, gelungen war, ihre Wachen zu &uuml;berrumpeln und zu &uuml;berw&auml;ltigen und sich der Zitadelle zu bem&auml;chtigen, obwohl sie unbewaffnet <A NAME="S218"><B>&lt;218&gt;</A></B> waren, w&auml;hrend Bolivar &uuml;ber eine starke Garnison und gro&szlig;e Waffenmagazine verf&uuml;gte, schiffte er sich nachts &uuml;berst&uuml;rzt mit acht seiner Offiziere ein, ohne seine eigenen Truppen zu benachrichtigen, kam bei Tagesanbruch in La Guayra an und zog sich auf sein Gut in San Mateo zur&uuml;ck. Als die Garnison von der Flucht ihres Kommandanten Kenntnis erhielt, zog sie sich geordnet aus der Festung zur&uuml;ck, die sofort von den Spaniern unter Monteverde besetzt wurde. Dieses Ereignis gab den Ausschlag zugunsten Spaniens und zwang Miranda, im Auftrag des Kongresses an 26. Juli 1812 den Vertrag von Vittoria zu unterschreiben, der Venezuela wieder der spanischen Herrschaft unterwarf. Am 30. Juli kam Miranda in La Guayra an, wo er sich an Bord eines englischen Schiffes begeben wollte. Als er den Kommandanten des Ortes, Oberst Manuel Maria Casas, besuchte, traf er eine zahlreiche Gesellschaft an, unter ihnen Don Miguel Pe&ntilde;a und Simon Bolivar, die ihn &uuml;berredeten, wenigstens eine Nacht in Casas Haus zu bleiben. Um 2 Uhr morgens, als Miranda fest schlief, betraten Casas, Pe&ntilde;a und Bolivar mit vier bewaffneten Soldaten sein Zimmer, nahmen vorsorglich seinen Degen und seine Pistole an sich, weckten ihn dann und hie&szlig;en ihn grob aufstehen und sich anziehen, fesselten ihn und lieferten ihn schlie&szlig;lich an Monteverde aus, der ihn nach Cadiz schickte, wo er nach einigen Jahren der Gefangenschaft in Ketten starb. Diese Tat, zu der man als Vorwand benutzte, Miranda habe durch die Kapitulation von Vittoria sein Land verraten, verschaffte Bolivar die besondere Gunst Monteverdes, so da&szlig; dieser, als Bolivar seinen Pa&szlig; von ihm verlangte, er kl&auml;rte: "Oberst Bolivars Bitte sollte erf&uuml;llt werden als Belohnung f&uuml;r den durch die Auslieferung Mirandas dem K&ouml;nig von Spanien geleisteten Dienst."</P>
<P>So wurde also Bolivar gestattet, nach Cura&ccedil;ao zu segeln, wo er sechs Wochen verbrachte und von wo er sich dann in Begleitung seines Vetters Ribas in die kleine Republik Cartagena begab. Noch vor ihrer Ankunft war eine gro&szlig;e Anzahl Soldaten, die unter General Miranda gedient hatten, nach Cartagena gefl&uuml;chtet. Ribas schlug ihnen vor, eine Expedition gegen die Spanier in Venezuela zu unternehmen und Bolivar als ihren Oberbefehlshaber anzuerkennen. Den ersten Vorschlag griffen sie eifrig auf; gegen den letzteren str&auml;ubten sie sich, willigten aber schlie&szlig;lich unter der Bedingung ein, da&szlig; Ribas Stellvertreter des Befehlshabers werde. Manuel Rodr&iacute;guez Torrices, der Pr&auml;sident der Republik Cartagena, f&uuml;gte den so f&uuml;r Bolivar geworbenen 300 Soldaten noch 500 Mann unter dem Kommando seines Vetters Manuel Castillo hinzu. Die Expedition brach Anfang Januar 1813 auf. Da es wegen des Oberbefehls zwischen Bolivar und Castillo zu Differenzen <A NAME="S219"><B>&lt;219&gt;</A></B> kam, zog letzterer pl&ouml;tzlich mit seinen Granadern ab. Bolivar schlug seinerseits vor, Castillos Beispiel zu folgen und nach Cartagena zur&uuml;ckzukehren, aber Ribas &uuml;berredete ihn schlie&szlig;lich, seinen Weg wenigstens bis Bogota fortzusetzen, zu jener Zeit Sitz des Kongresses von Neu-Granada. Sie wurden gut empfangen, in jeder Weise unterst&uuml;tzt und vom Kongre&szlig; beide zu Generalen bef&ouml;rdert, und, nachdem sie ihre kleine Armee in zwei Kolonnen aufgeteilt hatten, marschierten sie auf verschiedenen Wegen nach Caracas. Je weiter sie vorr&uuml;ckten, desto mehr str&ouml;mten ihnen Verst&auml;rkungen zu; die grausamen Ausschreitungen der Spanier wirkten &uuml;berall als Rekrutierungssergeanten f&uuml;r die Armee der Unabh&auml;ngigen. Die Widerstandskraft der Spanier war gebrochen, teils weil sich drei Viertel ihrer Armee aus Einheimischen zusammensetzte, die bei jedem Treffen zum Gegner &uuml;berliefen, teils durch die Feigheit solcher Generale wie Tiscar, Cajigal und Fierro, die bei jeder Gelegenheit ihre eigenen Truppen verlie&szlig;en. So geschah es, da&szlig; Santiago Mari&ntilde;o, ein einfacher Jugendlicher, es fertigbrachte, die Spanier aus den Provinzen Cumana und Barcelona genau zur gleichen Zeit zu vertreiben, als Bolivar durch die westlichen Provinzen vorr&uuml;ckte. Den einzigen ernsthaften Widerstand setzten die Spanier der Kolonne von Ribas entgegen, der jedoch General Monteverde bei Los Taguanes in die Flucht schlug und ihn zwang, sich in Puerto Cabello mit dem Rest seiner Truppen zu verschanzen.</P>
<P>Als der Gouverneur von Caracas, General Fierro, von dem Herannahen Bolivars h&ouml;rte, sandte er Parlament&auml;re aus, um die Kapitulation anzubieten, die in Vittoria unterzeichnet wurde; aber Fierro, von pl&ouml;tzlicher Panik gepackt, machte sich, ohne die R&uuml;ckkehr seiner eigenen Emiss&auml;re abzuwarten, nachts heimlich davon und &uuml;berlie&szlig; mehr als 1.500 Spanier auf Gnade und Ungnade dem Feinde. Bolivar wurde nun durch einen &ouml;ffentlichen Triumphzug geehrt. In einem Triumphwagen stehend, barhaupt, in voller Uniform, einen kleinen Stab in seiner Hand schwingend, wurde Bolivar von 12 wei&szlig;gekleideten, mit den Nationalfarben geschm&uuml;ckten jungen Damen, die alle aus den ersten Familien von Caracas ausgew&auml;hlt worden waren, in etwa einer halben Stunde von den Stadttoren bis zu seiner Residenz gezogen. Er ernannte sich selbst zum "Diktator und Befreier der westlichen Provinzen Venezuelas" - Mari&ntilde;o hatte den Titel "Diktator der &ouml;stlichen Provinzen" angenommen - schuf den "Orden des Befreiers", bildete ein auserlesenes Truppenkorps, nannte es seine Leibgarde und umgab sich mit dem Glanze eines Hofes. Aber wie die meisten seiner Landsleute war er jeder l&auml;nger w&auml;hrenden Anstrengung abgeneigt, und seine Diktatur artete bald in eine Milit&auml;ranarchie aus, in der die wichtigsten Angelegenheiten den <A NAME="S220"><B>&lt;220&gt;</A></B> H&auml;nden von Favoriten &uuml;berlassen blieben, die die Finanzen des Landes verschleuderten und dann zu widerw&auml;rtigen Mitteln griffen, um sie wieder in Ordnung zu bringen. So verwandelte sich der neue Enthusiasmus des Volkes bald in Unzufriedenheit, und die verstreuten Kr&auml;fte des Feindes hatten Zeit, sich zu erholen. W&auml;hrend Anfang August 1813 Monteverde in der Festung Puerto Cabello eingeschlossen und der spanischen Armee nur ein schmaler Landstreifen im nordwestlichen Teil Venezuelas verbliebe war, hatte bereits drei Monate sp&auml;ter der Befreier sein Prestige verloren, und Caracas war durch das pl&ouml;tzliche Auftauchen der siegreichen Spanier unter Boves in seiner Nachbarschaft bedroht. Um seine wankende Macht zu festigen, versammelte Bolivar am 1. Januar 1814 eine Junta der einflu&szlig;reichsten Einwohner von Caracas und erkl&auml;rte, er sei nicht gewillt, l&auml;nger die Last der Diktatur zu tragen. Hurtado Mendoza bewies seinerseits in einer langen Rede</P>
<FONT SIZE=2><P>"die Notwendigkeit, die Oberhoheit in den H&auml;nden von General Bolivar zu belassen, bis der Kongre&szlig; von Neu-Granada zusammentreten und Venezuela unter einer Regierung vereinigt werden k&ouml;nnte".</P>
</FONT><P>Dieser Vorschlag wurde angenommen, und die Diktatur wurde auf diese Weise gesetzlich sanktioniert.</P>
<P>Der Krieg gegen die Spanier wurde eine Zeitlang in einer Reihe von kleinen Gefechten ohne einen entscheidenden Vorteil f&uuml;r eine der k&auml;mpfenden Parteien fortgesetzt. Im Juni 1814 marschierte Boves mit seinen vereinigten Streitkr&auml;ften von Calabozo nach La Puerta, wo sich die Truppen der beiden Diktatoren, Bolivar und Mari&ntilde;o, vereint hatten; hier traf Boves auf sie und befahl seinen Truppen, sofort anzugreifen. Nach kurzem Widerstand floh Bolivar in Richtung Caracas, w&auml;hrend Mari&ntilde;o in Richtung Cumana verschwand. Puerto Cabello und Valencia fielen in die H&auml;nde von Boves, der dann zwei Kolonnen (eine unter dem Kommando von Oberst Gonzalez) auf verschiedenen Wegen nach Caracas schickte. Ribas versuchte vergebens, den Vormarsch von Gonzalez aufzuhalten. Nach der &Uuml;bergabe von Caracas an Gonzalez, am 17. Juli 1814, evakuierte Bolivar La Guayra, befahl den im Hafen liegenden Schiffen nach Cumana zu segeln, und zog sich mit dem Rest seiner Truppen nach Barcelona zur&uuml;ck. Nach der Niederlage, die Boves den Aufst&auml;ndischen am 8. August 1814 bei Arguita zuf&uuml;gtem, verlie&szlig; Bolivar in derselben Nacht heimlich seine Truppen, um auf Nebenwegen nach Cumana zu eilen, wo er sich trotz der zornigen Proteste von Ribas sofort an Bord der "Bianchi" einschiffte, zusammen mit Mari&ntilde;o und einigen anderen Offizieren. Wenn Ribas, P&aacute;ez und andere Generale den <A NAME="S221"><B>&lt;221&gt;</A></B> Diktatoren auf ihrer Flucht gefolgt w&auml;ren, w&auml;re alles verloren gewesen. Von General Arismendi bei ihrer Ankunft in Juan Griego auf der Insel Margarita als Deserteure behandelt und aufgefordert, abzureisen, segelten sie nach Carupano, von wo aus sie sich, da sie von Oberst Berm&uacute;dez &auml;hnlich empfangen wurden, nach Cartagena begaben. Dort ver&ouml;ffentlichten sie, um ihre Flucht zu bem&auml;nteln, zu ihrer Rechtfertigung ein Memorandum in hocht&ouml;nenden Phrasen.</P>
<P>Da Bolivar sich einer Verschw&ouml;rung zum Sturz der Regierung von Cartagena angeschlossen hatte, mu&szlig;te er diese kleine Republik verlassen und ging nach Tunja, wo der Kongre&szlig; der F&ouml;derativen Republik Neu-Granada seinen Sitz hatte. Zu dieser Zeit stand die Provinz Cundinamarca an der Spitze der unabh&auml;ngigen Provinzen, die sich weigerten, den granadischen F&ouml;derativvertrag anzunehmen, w&auml;hrend Quito, Pasto, Santa Marta und andere Provinzen noch in der Macht der Spanier blieben. Bolivar, der am 22. November 1814 in Tunja ankam, wurde vom Kongre&szlig; zum Oberbefehlshaber der f&ouml;derativen Streitkr&auml;fte ernannt und erhielt den doppelten Auftrag, den Pr&auml;sidenten der Provinz Cundinamarca zu zwingen, die Autorit&auml;t des Kongresses anzuerkennen, und dann gegen Santa Marta zu marschieren, den einzigen befestigten Seehafen Neu-Granadas, der noch in den H&auml;nden der Spanier war. Der erste Auftrag wurde ohne Schwierigkeiten erledigt, da Bogota, die Hauptstadt der unzufriedenen Provinz, eine unbefestigte Stadt war. Obwohl die Stadt kapituliert hatte, erlaubte Bolivar seinen Soldaten, sie 48 Stunden lang zu pl&uuml;ndern. In Santa Marta hatte der spanische General Montalvo, der eine schwache Garnison von weniger als 200 Mann und eine Festung in miserablem Verteidigungszustand hatte, schon ein franz&ouml;sisches Schiff bestellt, um seine eigene Flucht zu sichern, w&auml;hrend die Einwohner der Stadt Botschaft an Bolivar sandten, da&szlig; sie bei seinem Erscheinen die Tore &ouml;ffnen und die Garnison hinaustreiben w&uuml;rden. Aber statt gegen die Spanier von Santa Marta zu marschieren, wie ihm vom Kongre&szlig; befohlen worden war, gab er seinem Ha&szlig; gegen&uuml;ber Castillo, dem Kommandanten von Cartagena, nach und f&uuml;hrte nach eigenem Ermessen seine Truppen gegen die letztgenannte Stadt, die ein integraler Bestandteil der F&ouml;derativen Republik war. Zur&uuml;ckgeschlagen, schlug er bei La Papa, einem gro&szlig;en H&uuml;gel, ungef&auml;hr einen Kanonenschu&szlig; von Cartagena entfernt, sein Lager auf und richtete eine einzige kleine Kanone als Batterie gegen eine mit etwa 80 Kanonen versehene Festung. Dann ging er von der Belagerung zur Blockade &uuml;ber, die bis Anfang Mai dauerte und kein anderes Ergebnis hatte als die Dezimierung seiner Armee von 2.400 auf etwa 700 Mann durch Desertion und Krankheit. Inzwischen war am 25. M&auml;rz 1815 <A NAME="S222"><B>&lt;222&gt;</A></B> eine gro&szlig;e spanische Expedition von Cadiz unter General Morillo auf der Insel Margarita eingetroffen, die sofort m&auml;chtige Verst&auml;rkungen nach Santa Marta geworfen und bald darauf Cartagena selbst eingenommen hatte. Vorher jedoch, am 10. Mai 1815 hatte sich Bolivar mit etwa einem Dutzend seiner Offiziere auf einer bewaffneten englischen Brigg nach Jamaika eingeschifft. An diesem Zufluchtsort angekommen, ver&ouml;ffentlichte er erneut eine Proklamation, in der er sich als das Opfer eines geheimen Feindes oder einer Partei hinstellte und seine Flucht vor den herannahenden Spaniern als einen R&uuml;cktritt vom Kommando aus R&uuml;cksicht auf den &ouml;ffentlichen Frieden verteidigte.</P>
<P>W&auml;hrend seines achtmonatigen Aufenthalts in Kingston leisteten die von ihm in Venezuela zur&uuml;ckgelassenen Generale und General Arismendi auf der Insel Margarita den spanischen Waffen hartn&auml;ckigen Widerstand. Aber nachdem Ribas, dem Bolivar seinen Ruhm verdankte, nach der Einnahme von Maturin von den Spaniern erschossen worden war, erschien dort an seiner Stelle ein anderer Mann mit noch gr&ouml;&szlig;eren F&auml;higkeiten auf der B&uuml;hne, der als Ausl&auml;nder keine selbst&auml;ndige Rolle in der s&uuml;damerikanischen Revolution spielen konnte, und sich daher entschlo&szlig;, in Bolivar Dienste zu treten. Das war Luis Brion. Um den Revolution&auml;ren Hilfe zu bringen, war er mit einer mit 24 Kanonen best&uuml;ckten Korvette, die er zum gro&szlig;en Teil auf eigene Kosten ausgestattet hatte, mit 14.000 Gewehren und einer gro&szlig;en Menge Kriegsmaterial von London nach Cartagena abgesegelt. Da er zu sp&auml;t eintraf und den Aufst&auml;ndischen schon nicht mehr n&uuml;tzlich sein konnte, schiffte er sich nach Cayes auf Haiti ein, wohin sich viel patriotische Emigranten nach der &Uuml;bergabe von Cartagena gefl&uuml;chtet hatten. Bolivar hatte sich inzwischen ebenfalls von Kingston nach Port au Prince begeben, wo P&eacute;tion, der Pr&auml;sident von Haiti, ihm auf sein Versprechen hin, die Sklaven zu befreien, umfangreiche materielle Unterst&uuml;tzung f&uuml;r eine neue Expedition gegen die Spanier in Venezuela anbot. In Cayes traf er Brion und die anderen Emigranten und schlug sich selbst in einer allgemeinen Zusammenkunft zum Chef der neuen Expedition vor, unter der Bedingung, da&szlig; bis zur Einberufung eines allgemeinen Kongresses die zivile und milit&auml;rische Gewalt in seiner Hand vereint werde. Da die Mehrheit diese Bedingung annahm, segelte die Expedition am 16. April 1816 mit Bolivar als Kommandeur und Brion als Admiral ab. Auf Margarita gelang es Bolivar, Arismendi zu gewinnen, den Kommandanten der Insel, dem es gelungen war, die Spanier so weit zur&uuml;ckzudr&auml;ngen, da ihnen nur noch ein einziger Ort, Pampatar, verblieben war. Auf Bolivar offizielles Versprechen, einen Nationalkongre&szlig; in Venezuela einzuberufen, <A NAME="S223"><B>&lt;223&gt;</A></B> sobald er Herr des Landes sein w&uuml;rde, rief Arismendi in der Kathedrale von La Villa del Norte eine Junta zusammen und proklamierte Bolivar &ouml;ffentlich zum Oberbefehlshaber der Republiken Venezuela und Neu-Granada. Am 31. Mai 1816 landete Bolivar in Carupano, wagte es aber nicht, Mari&ntilde;o und Piar daran zu hindern, sich von ihm zu trennen und auf eigene Faust gegen Cumana Krieg zu f&uuml;hren. Durch diese Trennung geschw&auml;cht, setzte er auf Brions Rat Segel nach Ocumare, wo er am 3. Juli 1816 mit 13 Schiffen eintraf, von denen nur 7 bewaffnet waren. Seine Armee bestand aus nur 650 Mann, die durch die Anwerbung von Negern, deren Befreiung er verk&uuml;ndet hatte, auf etwa 800 Mann anwuchs. In Ocumare gab er wiederum eine Proklamation heraus, in der er versprach, "die Tyrannen auszurotten" und "das Volk zusammenzurufen, damit es seine Abgeordneten in den Kongre&szlig; benenne". Bei seinem Vorr&uuml;cken in Richtung auf Valencia stie&szlig; er unweit von Ocumare auf den spanischen General Morales an der Spitze von etwa 200 Soldaten und 100 Mann Miliz. Als Morales Sch&uuml;tzen Bolivars Avantgarde zerstreut hatten, verlor dieser, wie ein Augenzeuge berichtet,</P>
<FONT SIZE=2><P>"alle Geistesgegenwart, sprach kein Wort, wandte rasch sein Pferd und floh mit verh&auml;ngten Z&uuml;geln gegen Ocumare zu, durchritt in vollem Galopp das Dorf, erreichte die benachbarte Bucht, sprang vom Pferd, setzte sich in ein Boot und gelangte so an Bord der 'Diana', gab Befehl, da&szlig; das ganze Geschwader ihm auf die kleine Insel Buen Ayre folgen sollte, und lie&szlig; alle seine Gef&auml;hrten ohne irgendwelche Hilfsmittel zur&uuml;ck."</P>
</FONT><P>Auf Brions Vorw&uuml;rfe und Ermahnungen hin schlo&szlig; er sich wieder den anderen Kommandeuren an der K&uuml;ste von Cumana an, da er jedoch von ihnen unfreundlich empfangen wurde und Piar ihm drohte, ihn vor ein Kriegsgericht als Deserteur und Feigling zu bringen, wandte er sich sofort wieder nach Cayes. Nach monatelangen Anstrengungen gelang es Brion schlie&szlig;lich, die Mehrheit der milit&auml;rischen F&uuml;hrer Venezuelas, die f&uuml;hlten, da&szlig; es wenigstens ein nominelles Zentrum geben m&uuml;&szlig;te, davon zu &uuml;berzeugen, Bolivar als ihren Oberbefehlshaber zur&uuml;ckzurufen, unter der ausdr&uuml;cklichen Bedingung, da&szlig; er den Kongre&szlig; einberufen und sich nicht in die Zivilverwaltung einmengen sollte. Am 31. Dezember 1816 traf er mit den Waffen, der Munition und den von P&eacute;tion gelieferten Vorr&auml;ten in Barcelona ein. Als sich ihm am 2. Januar 1817 Arismendi anschlo&szlig;, verk&uuml;ndete er am 4. Januar das Kriegsrecht und die Vereinigung der gesamten Macht in seiner Hand; aber 5 Tage sp&auml;ter, als Arismendi in einen von den Spaniern gelegten Hinterhalt geraten war, floh der Diktator nach Barcelona. Die Truppen sammelten sich erneut in Barcelona, wohin Brion <A NAME="S224"><B>&lt;224&gt;</A></B> Bolivar sowohl Kanonen als auch neue Verst&auml;rkungen schickte, so da&szlig; er bald ein neues Korps von 1.100 Mann aufstellen konnte. Am 5. April nahmen die Spanier die Stadt Barcelona ein, und die Truppen der Patrioten zogen sich auf das Armenhaus zur&uuml;ck, ein Geb&auml;ude au&szlig;erhalb Barcelonas, das auf Befehl Bolivars verschanzt wurde, aber ungeeignet war, eine Garnison 1.000 Mann gegen einen ernsthaften Angriff zu sch&uuml;tzen. Er verlie&szlig; den Posten in der Nacht zum 5. April und benachrichtigte Oberst Freites, dem er das Kommando &uuml;bertrug, da&szlig; er neue Truppen suchen ginge und bald zur&uuml;ckkehren w&uuml;rde. Freites, der diesem Versprechen vertraute, lehnte das Anerbieten einer Kapitulation ab und wurde nach der Erst&uuml;rmung zusammen mit der ganzen Garnison von den Spaniern niedergemetzelt.</P>
<P>Piar, ein Farbiger und Eingeborener von Cura&ccedil;ao, plante und vollzog die Eroberung Guayanas, wobei Admiral Brion dieses Unternehmen mit seinen Kanonenbooten unterst&uuml;tzte. Am 20. Juli, als das ganze Territorium von den Spaniern befreit war, beriefen Piar, Brion, Zea, Mari&ntilde;o, Arismendi und andere einen Provinzialkongre&szlig; in Angostura ein und setzten an die Spitze der Exekutive ein Triumvirat; Brion, der Piar ha&szlig;te und an Bolivar sehr interessiert war, da er auf dessen Erfolg sein gro&szlig;es Privatverm&ouml;gen gesetzt hatte, erreichte, da&szlig; letzterer ungeachtet seiner Abwesenheit zum Mitglied des Triumvirats ernannt wurde. Auf diese Nachricht hin verlie&szlig; Bolivar seinen Zufluchtsort und erschien in Angostura, wo er, von Brion ermutigt, den Kongre&szlig; und das Triumvirat aufl&ouml;ste, um sie durch einen "Obersten Rat der Nation" zu ersetzen, an dessen Spitze er selbst stand, w&auml;hrend Brion und Francisco Antonio Zea Pr&auml;sidenten, ersterer der milit&auml;rischen, letzterer der politischen Sektion wurden. Piar, der Eroberer von Guayana, der einst damit gedroht hatte, Bolivar als Deserteur vor ein Kriegsgericht zu bringen, sparte jedoch nicht mit Sarkasmen gegen den "Napoleon des R&uuml;ckzugs", und Bolivar stimmte daher einem Plan zu, ihn zu beseitigen. Unter der falschen Anschuldigung, er habe gegen die Wei&szlig;en konspiriert, Bolivar nach dem Leben getrachtet und die h&ouml;chste Gewalt angestrebt, wurde Piar vor ein Kriegsgericht unter dem Vorsitz von Brion gestellt, &uuml;berf&uuml;hrt, zum Tode verurteilt und am 16. Oktober 1817 erschossen. Sein Tod erf&uuml;llte Mari&ntilde;o mit Schrecken. Seiner eigenen Bedeutungslosigkeit sich voll bewu&szlig;t, nachdem er nun Piars beraubt war, verleumdete er in einem h&ouml;chst niedertr&auml;chtigen Brief &ouml;ffentlich seinen ermordeten Freund, bereute seine eigene Rivalit&auml;t gegen den Befreier und appellierte an Bolivars unersch&ouml;pfliche Gro&szlig;mut.</P>
<P>Die Eroberung Guayanas durch Piar hatte die Lage vollst&auml;ndig zugunsten der Patrioten ver&auml;ndert; diese eine Provinz bot ihnen mehr Ressourcen <A NAME="S225"><B>&lt;225&gt;</A></B> alle anderen sieben Provinzen Venezuelas zusammen. Von einem neuen Feldzug, den Bolivar durch eine neue Proklamation ank&uuml;ndigte, erwartete man daher allgemein, da&szlig; er zur endg&uuml;ltigen Vertreibung der Spanier f&uuml;hren w&uuml;rde. Dieses erste Bulletin, das einige kleine, sich von Calabozo zur&uuml;ckziehende spanische Fourageabteilungen als "Armeen, die vor unseren siegreichen Truppen fliehen", bezeichnete, war nicht darauf berechnet, diese Hoffnungen zu d&auml;mpfen. Gegen&uuml;ber etwa 4.000 Spaniern, die Morillo noch nicht hatte sammeln k&ouml;nnen, verf&uuml;gte Bolivar &uuml;ber mehr als 9.000 Mann, die gut bewaffnet und ausger&uuml;stet sowie mit allem, was im Kriege notwendig ist, ausgiebig versehen waren. Nichtsdestoweniger hatte er bis Ende Mai 1818 etwa ein Dutzend Schlachten und alle Provinzen n&ouml;rdlich des Orinoco verloren. Da er seine zahlenm&auml;&szlig;ig &uuml;berlegenen Streitkr&auml;fte zerstreute, wurden sie immer einzeln geschlagen. Er &uuml;berlie&szlig; die Kriegsf&uuml;hrung P&aacute;ez und seinen anderen Untergebenen und zog sich nach Angostura zur&uuml;ck. Ein Abfall folgte dem anderen, und alles schien zur v&ouml;lligen Katastrophe zu treiben. In diesem h&ouml;chst kritischen Moment ver&auml;nderte ein Zusammentreffen von gl&uuml;cklichen Umst&auml;nden wieder einmal die Lage der Dinge. In Angostura traf Bolivar mit Santander zusammen, der aus Neu-Granada stammte und ihn bat, ihm die Mittel zu einem milit&auml;rischen Einfall in dieses Gebiet zu geben, da die dortige Bev&ouml;lkerung zu einem allgemeinen Aufstand gegen die Spanier bereit sei. Bolivar kam in gewisser Hinsicht dieser Bitte nach. Inzwischen traf aus England eine starke Hilfe in Form von Menschen, Schiffen und Munition ein, und englische, franz&ouml;sische, deutsche und polnische Offiziere str&ouml;mten von allen Seiten nach Angostura. Schlie&szlig;lich erschien Dr. Germ&aacute;n Rosci auf der Bildfl&auml;che, der, best&uuml;rzt &uuml;ber das abnehmende Gl&uuml;ck der s&uuml;damerikanischen Revolution, Einflu&szlig; auf Bolivar gewann und ihn veranla&szlig;te, am 15. Februar 1819 einen Nationalkongre&szlig; einzuberufen, dessen blo&szlig;e Erw&auml;hnung sich als m&auml;chtig genug erwies, um eine neue Armee von etwa 14.000 Mann aufzustellen, so da&szlig; Bolivar wieder die Offensive ergreifen konnte.</P>
<P>Die ausl&auml;ndischen Offiziere rieten ihm, er solle vort&auml;uschen, da&szlig; er die Absicht habe, Caracas anzugreifen und Venezuela vom spanischen Joch zu befreien, um auf diese Weise Morillo zu veranlassen, seine Streitkr&auml;fte von Neu-Granada abzuziehen und zur Verteidigung Venezuelas zu konzentrieren, w&auml;hrend er (Bolivar) sich pl&ouml;tzlich nach Westen wenden, sich mit Santanders Guerillas vereinen und auf Bogota marschieren solle. Um diesen Plan auszuf&uuml;hren, verlie&szlig; Bolivar am 24. Februar 1819 Angostura, nachdem er Zea zum Pr&auml;sidenten des Kongresses und Vizepr&auml;sidenten der Republik w&auml;hrend seiner Abwesenheit ernannt hatte. Durch die Man&ouml;ver von P&aacute;ez <A NAME="S226"><B>&lt;226&gt;</A></B> wurden Morillo und la Torre bei Achaguas in die Flucht geschlagen und w&auml;ren v&ouml;llig vernichtet worden, wenn Bolivar eine Vereinigung seiner eigenen Truppen mit denen von P&aacute;ez und Mari&ntilde;o zustande gebracht h&auml;tte. Auf alle F&auml;lle f&uuml;hrten die Siege von P&aacute;ez zur Besetzung der Provinz Barima, wodurch f&uuml;r Bolivar der Weg nach Neu-Granada frei wurde. Da hier alles von Santander vorbereitet war, entschieden die ausl&auml;ndischen Truppen, die haupts&auml;chlich aus Engl&auml;ndern bestanden, das Schicksal Neu-Granadas durch eine Reihe von Siegen, die am 1. Juli und 23. Juli sowie am 7. August in der Provinz Tunja errungen wurden. Am 12. August zog Bolivar im Triumph in Bogota ein, w&auml;hrend die Spanier, gegen die sich alle Provinzen Neu-Granadas erhoben hatten, sich in der befestigten Stadt Mompox verschanzten.</P>
<P>Nachdem er den granadischen Kongre&szlig; in Bogota eingesetzt und General Santander zum Oberbefehlshaber ernannt hatte, marschierte Bolivar nach Pamplona, wo er etwa zwei Monate mit Festen und B&auml;llen verbrachte. Am 3. November kam er in Montecal in Venezuela an, wohin er die patriotisch gesinnten F&uuml;hrer dieses Landes mit ihren Truppen befohlen hatte. Mit einem Schatz von etwa 2.000.000 Dollar, die durch erzwungene Kontributionen von den Einwohnern Neu-Granadas erhoben worden waren, und mit einer verf&uuml;gbaren Streitkraft von etwa 9.000 Mann, von der ein Drittel aus gut disziplinierten Engl&auml;ndern, Iren, Hannoveranern und anderen Ausl&auml;ndern bestand, konnte er nun einem Feinde entgegentreten, der aller Hilfsquellen beraubt, dessen nominelle Streitkr&auml;fte auf etwa 4.500 Mann reduziert und von denen zwei Drittel Einheimische waren, auf die sich die Spanier also nicht verlassen konnten. Da Morillo sich von San Fernando de Apure nach San Carlos zur&uuml;ckzog, verfolgte Bolivar ihn bis Calabozo, so da&szlig; die feindlichen Hauptquartiere nur zwei Tagesm&auml;rsche voneinander entfernt waren. W&auml;re Bolivar k&uuml;hn vorgesto&szlig;en, so h&auml;tten seine europ&auml;ischen Truppen allein gen&uuml;gt, die Spanier zu vernichten; aber er zog es vor, den Krieg noch 5 Jahre hinzuziehen.</P>
<P>Im Oktober 1819 hatte der Kongre&szlig; von Angostura den von ihm ernannten Zea gezwungen, zur&uuml;ckzutreten und an seiner Stelle Arismendi gew&auml;hlt. Als Bolivar diese Nachricht erhielt, marschierte er pl&ouml;tzlich mit seiner Ausl&auml;nder-Legion nach Angostura, &uuml;berraschte Arismendi, der nur &uuml;ber 600 Einheimische verf&uuml;gte, verbannte ihn nach der Insel Margarita und setzte Zea wieder in seine W&uuml;rden ein. Dr. Rosci, der Bolivar mit der Perspektive einer Zentralmacht begeisterte, brachte ihn dazu, Neu-Granada und Venezuela als "Republik Kolumbien" zu proklamieren, ein Grundgesetz f&uuml;r den neuen Staat zu ver&ouml;ffentlichen, das von Rosci entworfen <A NAME="S227"><B>&lt;227&gt;</A></B> worden war, und in die Einsetzung eines f&uuml;r beide L&auml;nder gemeinsamen Kongresses einzuwilligen. Am 20. Januar 1820 war Bolivar wieder nach San Fernando de Apure zur&uuml;ckgekehrt. Das pl&ouml;tzliche Zur&uuml;ckziehen seiner Ausl&auml;nder-Legion, die die Spanier mehr f&uuml;rchteten als die zehnfache Anzahl Kolumbianer, hatte Morillo wiederum Gelegenheit gegeben, Verst&auml;rkungen zu sammeln, w&auml;hrend die Nachricht, da&szlig; eine m&auml;chtige Expedition unter O'Donnell von Spanien aufbreche, den sinkenden Mut der spanischen Partei neu belebte. Trotz seiner weit &uuml;berlegenen Streitkr&auml;fte brachte es Bolivar fertig, w&auml;hrend der Kampagne von 1820 nichts zu erreichen. Inzwischen kamen Nachrichten aus Europa, da&szlig; die Revolution auf der Insel Leon der beabsichtigten Expedition O'Donnells gewaltsam ein Ende gemacht hatte. In Neu-Granada hatten sich von 22 Provinzen 15 der Regierung Kolumbiens angeschlossen, und den Spaniern waren nur die Festung Cartagena und die Landenge von Panama verblieben. In Venezuela ordneten sich 6 Provinzen von 8 den Gesetzen Kolumbiens unter. Das war der Stand der Dinge, als Bolivar sich von Morillo zu Verhandlungen verleiten lie&szlig;, die am 25. November 1820 zu dem Abkommen von Truxillo &uuml;ber einen sechsmonatigen Waffenstillstand f&uuml;hrten. In dem Waffenstillstandsabkommen war die Republik Kolumbien nicht einmal erw&auml;hnt, obgleich der Kongre&szlig; ausdr&uuml;cklich verboten hatte, irgendeinen Vertrag mit dem spanischen Befehlshaber abzuschlie&szlig;en, ohne da&szlig; dieser vorher die Unabh&auml;ngigkeit der Republik anerkenne.</P>
<P>Am 17. Dezember schiffte sich Morillo, eifrig bestrebt, in Spanien eine Rolle zu spielen, nach Puerto Cabello ein und &uuml;berlie&szlig; Miguel de la Torre den Oberbefehl; am 10. M&auml;rz 1821 schrieb Bolivar an la Torre, da&szlig; die Feindseligkeiten nach Ablauf von 30 Tagen wieder aufgenommen w&uuml;rden. Die Spanier hatten bei Carabobo, einem Dorfe etwa auf dem halben Wege zwischen San Carlos und Valencia, eine starke Position bezogen; aber anstatt dort alle seine Streitkr&auml;fte zu vereinigen, hatte la Torre nur seine 1. Division, 2.500 Mann Infanterie und etwa 1.500 Mann Kavallerie, konzentriert, w&auml;hrend Bolivar etwa 6.000 Mann Infanterie hatte, darunter die britische Legion mit 1.100 Mann und 3.000 Llaneros zu Pferde unter P&aacute;ez. Die feindliche Stellung erschien Bolivar so gefahrdrohend, da&szlig; er seinem Kriegsrat vorschlug, einen neuen Waffenstillstand abzuschlie&szlig;en, was jedoch von seinen Subalternen zur&uuml;ckgewiesen wurde. An der Spitze der haupts&auml;chlich aus der britischen Legion bestehenden Kolonne umging P&aacute;ez den rechten Fl&uuml;gel des Gegners auf einem Fu&szlig;pfade, und nach der erfolgreichen Ausf&uuml;hrung dieses Man&ouml;vers war la Torre der erste von den Spaniern, der davonlief und nicht eher anhielt, bis er Puerto Cabello <A NAME="S228"><B>&lt;228&gt;</A></B> erreicht hatte, wo er sich mit dem Rest seiner Truppen verschanzte. Puerto Cabello h&auml;tte sich bei einem raschen Vorr&uuml;cken der siegreichen Armee unweigerlich ergeben m&uuml;ssen, aber Bolivar verlor seine Zeit, indem er sich in Valencia und Caracas feiern lie&szlig;. Am 21 .September 1821 kapitulierte die starke Festung Cartagena vor Santander. Die letzten Waffentaten in Venezuela - die Seeschlacht bei Maracaibo im August 1823 und die erzwungene &Uuml;bergabe von Puerto Cabello im Juli 1824 - waren beide das Werk Padillas. Die Revolution auf der Insel Leon, die O'Donnells Expedition an der Abfahrt hinderte, sowie der Beistand der britischen Legion hatten offensichtlich den Ausgang der Dinge zugunsten der Kolumbianer entschieden.</P>
<P>Der kolumbianische Kongre&szlig; er&ouml;ffnete seine Sitzungen im Januar 1821 in Cucuta; am 30. August ver&ouml;ffentlichte er die neue Verfassung und verl&auml;ngerte, nachdem Bolivar wieder gedroht hatte abzutreten, dessen Vollmachten. Nachdem er die neue Verfassung unterzeichnet hatte, erhielt Bolivar die Erlaubnis, die Kampagne von Quito (1822) zu unternehmen, wohin sich die Spanier, nachdem sie durch eine allgemeine Volkserhebung von der Landenge von Panama vertrieben worden waren, sich zur&uuml;ckgezogen hatten. Diese Kampagne, die mit der Einverleibung von Quito, Pasto und Guayaquil in Kolumbien endete, f&uuml;hrten dem Namen nach Bolivar und General Sucre, aber die wenigen Erfolge des Korps waren ganz und gar den britischen Offizieren, besonders Oberst Sands, zu danken. W&auml;hrend der <A HREF="me14_168.htm">Kampagnen gegen die Spanier in Ober- und Unterperu</A> von 1823/1824 hielt Bolivar es nicht l&auml;nger f&uuml;r n&ouml;tig, den Feldherrn zu spielen, sondern &uuml;berlie&szlig; die ganze milit&auml;rische F&uuml;hrung General Sucre und beschr&auml;nkte sich selbst auf triumphale Einz&uuml;ge, Manifeste und die Proklamation von Verfassungen. Durch seine kolumbianische Leibgarde beeinflu&szlig;te er die Entscheidungen des Kongresses von Lima, der ihm am 10. Februar 1823 die Diktatur &uuml;bertrug, w&auml;hrend er sich durch ein neues Abdankungsman&ouml;ver die Wiederwahl zum Pr&auml;sidenten von Kolumbien sicherte. Inzwischen hatte sich seine Position gefestigt, teils durch die offizielle Anerkennung des neuen Staates durch England, teils durch Sucres Eroberung der Provinzen von Oberperu, die letzterer zu der unabh&auml;ngigen Republik Bolivien vereinte. Hier, wo Sucres Bajonette den Vorrang hatten, lie&szlig; Bolivar seinen Neigungen zum Despotismus freien Lauf und f&uuml;hrte den Code Boliviano ein, eine Nachahmung des Code Napol&eacute;on. Er beabsichtigte, diesen Code von Bolivien auf Peru zu &uuml;bertragen und von Peru auf Kolumbien, um die ersten beiden Staaten durch kolumbianische Trup- <A NAME="S229"><B>&lt;229&gt;</A></B> pen und letzteren durch die Ausl&auml;nder-Legion und peruanische Soldaten in Schach zu halten. Mit Gewalt, aber auch durch Intrige gelang es ihm tats&auml;chlich, wenn auch nur f&uuml;r einige Wochen, seinen Code in Peru durchzusetzen. Als Pr&auml;sident und Befreier Kolumbiens, als Protektor und Diktator von Peru und als Taufpate von Bolivien hatte er nun den H&ouml;hepunkt seines Ruhms erreicht. Aber in Kolumbien war es zu ernsthaften Differenzen zwischen den Zentralisten oder Bolivar-Anh&auml;ngern und den F&ouml;deralisten gekommen; unter letzterem Namen hatten sich die Feinde der milit&auml;rischen Anarchie mit den milit&auml;rischen Rivalen Bolivars zusammengeschlossen. Als der kolumbianische Kongre&szlig; auf Betreiben Bolivars Anklage gegen P&aacute;ez, den Vizepr&auml;sidenten von Venezuela, erhob, antwortete letzterer mit offener Revolte, die heimlich von Bolivar selbst unterst&uuml;tzt und gen&auml;hrt wurde, da er Aufst&auml;nde brauchte, um einen Vorwand zur Beseitigung der Verfassung zu haben und sich wieder der Diktatur zu bedienen. Als Bolivar aus Peru zur&uuml;ckkehrte, hatte er au&szlig;er seiner Leibgarde 800 Peruaner bei sich, um sie angeblich gegen die f&ouml;deralistischen Rebellen zu f&uuml;hren. In Puerto Cabello jedoch, wo er mit P&aacute;ez zusammentraf, best&auml;tigte er ihn nicht nur als Befehlshaber in Venezuela und verk&uuml;ndete nicht nur eine Amnestie f&uuml;r alle Rebellen, sondern ergriff offiziell f&uuml;r sie Partei und tadelte die Anh&auml;nger der Verfassung; durch das am 23. November 1826 in Bogota erlassene Dekret erhielt er diktatorische Vollmachten.</P>
<P>Im Jahre 1826, als seine Macht zu schwinden begann, gelang es ihm, einen Kongre&szlig; in Panama zusammenzurufen mit dem offiziellen Ziel, einen neuen, demokratischen, internationalen Code einzuf&uuml;hren. Bevollm&auml;chtigte kamen aus Kolumbien, Brasilien, La Plata, Bolivien, Mexiko, Guatemala etc. Was Bolivar wirklich beabsichtigte, war die Vereinigung ganz S&uuml;damerikas zu einer f&ouml;derativen Republik, deren Diktator er selbst sein wollte. W&auml;hrend er so seinen Tr&auml;umen, eine halbe Welt an seinen Namen zu heften, vollen Spielraum gab, entglitt die reale Macht rasch seinen H&auml;nden. Die kolumbianischen Truppen in Peru, die von seinen Vorbereitungen zur Einf&uuml;hrung des Code Boliviano erfahren hatten. sch&uuml;rten einen gewaltsamen Aufstand. Die Peruaner w&auml;hlten General La Mar zum Pr&auml;sidenten ihrer Republik, halfen den Bolivianern, die kolumbianischen Truppen aus dem Lande zu jagen und unternahmen sogar einen siegreichen Krieg gegen Kolumbien, der mit einem Vertrag endete, wonach letzteres auf seine urspr&uuml;nglichen Grenzen reduziert, die Gleichheit der beiden L&auml;nder festgelegt und ihre Staatsschulden getrennt wurden. Der Kongre&szlig; von Oca&ntilde;a, der von Bolivar einberufen wurde, um die Verfassung zugunsten seiner unumschr&auml;nkten Macht zu &auml;ndern, wurde am 2. M&auml;rz 1828 mit <A NAME="S230"><B>&lt;230&gt;</A></B> der Verlesung einer sorgf&auml;ltig ausgearbeiteten Botschaft er&ouml;ffnet, in der auf die Notwendigkeit neuer Privilegien f&uuml;r die Exekutive bestanden wurde. Als jedoch offenbar wurde, da&szlig; der Entwurf f&uuml;r die Verfassungs&auml;nderung ein ganz andrer sein w&uuml;rde als urspr&uuml;nglich vorgesehen war, verlie&szlig;en Bolivars Freunde den Kongre&szlig;, wodurch die K&ouml;rperschaft nicht mehr beschlu&szlig;f&auml;hig war und ihre T&auml;tigkeit damit ein Ende hatte. Bolivar, der sich auf einen einige Meilen von Oca&ntilde;a entfernten Landsitz zur&uuml;ckgezogen hatte, ver&ouml;ffentlichte ein neues Manifest, in dem er vorgab, &uuml;ber die von seinen Freunden unternommenen Schritte erbittert zu sein, gleichzeitig aber den Kongre&szlig; angriff und an die Provinzen appellierte, au&szlig;erordentliche Ma&szlig;nahmen zu ergreifen, und erkl&auml;rte, da&szlig; er bereit sei, jede B&uuml;rde der Macht auf sich zu nehmen, die man ihm &uuml;bertragen w&uuml;rde. Unter dem Druck seiner Bajonette verschafften ihm Volksversammlungen in Caracas, Cartagena und Bogota, wohin er sich begeben hatte, aufs neue diktatorische Macht. Ein Versuch, ihn in seinem Schlafzimmer in Bogota zu ermorden, dem er nur entging, weil er vom Balkon ins Dunkle sprang und unter einer Br&uuml;cke verborgen lag, gestattete ihm, einige Zeit eine Art Milit&auml;rterror auszu&uuml;ben. Bolivar legte jedoch nicht Hand an Santander, obwohl dieser an der Verschw&ouml;rung teilgenommen hatte, w&auml;hrend er General Padilla, dessen Schuld keineswegs bewiesen war, der als Farbiger jedoch keinen Widerstand leisten konnte, t&ouml;ten lie&szlig;.</P>
<P>Als 1829 ein heftiger Kampf der Parteien die Republik ersch&uuml;tterte, forderte Bolivar in einem neuen Appell die B&uuml;rger auf, ihre W&uuml;nsche bez&uuml;glich der in der Verfassung vorzunehmenden Ab&auml;nderungen freiheraus zu sagen. Als Antwort darauf beschuldigte eine Versammlung von Notabeln in Caracas ihn &ouml;ffentlich des Ehrgeizes, deckte die Schw&auml;chen seiner Regierung auf, verk&uuml;ndete die Losl&ouml;sung Venezuelas von Kolumbien und stellte P&aacute;ez an die Spitze dieser Republik. Der Senat von Kolumbien stand zu Bolivar, aber neue Aufst&auml;nde brachen an verschiedenen Orten aus. Nachdem er zum f&uuml;nften Male abgedankt hatte, nahm Bolivar im Januar 1830 erneut die Pr&auml;sidentschaft an und verlie&szlig; Bogota, um im Namen des kolumbianischen Kongresses gegen P&aacute;ez Krieg zu f&uuml;hren. Gegen Ende M&auml;rz 1830 r&uuml;ckte er an der Spitze von 8.000 Mann vor, nahm Caracuta, das revoltiert hatte, und wandte sich dann gegen die Provinz Maracaibo, wo P&aacute;ez ihn mit 12.000 Mann in einer starken Position erwartete. Sobald Bolivar klar wurde, da&szlig; P&aacute;ez ernsthaft zu k&auml;mpfen beabsichtigte, verlie&szlig; ihn der Mut. Einen Augenblick dachte er sogar daran, sich P&aacute;ez zu unterwerfen und sich gegen den Kongre&szlig; zu erkl&auml;ren; aber der Einflu&szlig; seiner Anh&auml;nger im Kongre&szlig; schwand, und er war gezwungen, seine Abdankung anzubieten, da man <A NAME="S231"><B>&lt;231&gt;</A></B> ihm zu verstehen gab, da&szlig; er diesmal zu seinem Wort stehen m&uuml;sse und da&szlig; ihm unter der Bedingung seiner Abreise ins Ausland eine Jahrespension gew&auml;hrt werden w&uuml;rde. Er &uuml;bersandte daher am 27. April 1830 dem Kongre&szlig; sein R&uuml;cktrittsgesuch. Da er jedoch hoffte, durch den Einflu&szlig; seiner Parteig&auml;nger wieder zur Macht zu kommen und da eine Reaktion gegen Joaquin Mosquera, den neuen Pr&auml;sidenten von Kolumbien einsetzte, z&ouml;gerte er seine Abreise aus Bogota hinaus und verstand es, unter verschiedenen Vorw&auml;nden seinen Aufenthalt in San Pedro bis Ende 1830 auszudehnen, als er pl&ouml;tzlich starb.</P>
<P>Folgendes Portr&auml;t gibt Ducoudray Holstein von ihm:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Simon Bolivar ist 5 Fu&szlig; 4 Zoll gro&szlig;, sein Gesicht ist schmal, seine Wangen eingefallen, seine Gesichtsfarbe bl&auml;ulich-braun; er hat mittelgro&szlig;e und tiefliegende Augen, sowie sch&uuml;tteres Haar. Sein Schnurrbart gibt ihm ein d&uuml;steres und wildes Aussehen, besonders, wenn er erregt ist. Er ist am ganzen K&ouml;rper d&uuml;nn und mager. Sein Aussehen ist das eines Mannes von 65 Jahren. Beim Gehen schlenkert er mit den Armen. Er kann nicht lange gehen und erm&uuml;det schnell. Er liebt es, in der H&auml;ngematte zu sitzen oder sich auszustrecken. Er hat oft pl&ouml;tzliche Wutausbr&uuml;che und wird dann wie toll, wirft sich in seine H&auml;ngematte und bricht in Fl&uuml;che und Verw&uuml;nschungen gegen alle um sich her aus. Er ergeht sich gern in Sarkasmen gegen Abwesende, liest nur leichte franz&ouml;sische Literatur, ist ein k&uuml;hner Reiter und tanzt leidenschaftlich gern Walzer. Er h&ouml;rt sich gerne reden und liebt es, Toaste auszubringen. Im Ungl&uuml;ck und wenn er der Hilfe von au&szlig;en bedarf, ist er vollkommen frei von Leidenschaft und Wutausbr&uuml;chen. Dann wird er milde, geduldig, sanft und sogar unterw&uuml;rfig. Er versteht es ausgezeichnet, seine Fehler hinter der H&ouml;flichkeit eines wohlerzogenen Mannes der sogenannten beau monde &lt;vornehmen Gesellschaft&gt; zu verbergen, besitzt ein fast asiatisches Verstellungstalent und hat bessere Menschenkenntnis als die meisten seiner Landsleute."</P>
</FONT><P>Durch Dekret des Kongresses von Neu-Granada wurden 1842 seine sterblichen &Uuml;berreste nach Caracas &uuml;berf&uuml;hrt, und ihm dort ein Denkmal errichtet.</P>
<P>Siehe: "Histoire de Bolivar, par G&eacute;n[&eacute;ral] Ducoudray Holstein, continu&eacute;e jusqu'&agrave; sa mort par Alphonse Viollet" (Paris 1831); "Memoirs of Gen[eral] John Miller (in the service of the Republik of Peru)"; Col[onel] Hippisleys "Account of his Journey to the Orinoco" (London 1819).</P>
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</HTML>