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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<TITLE>Teil 2; I. Kapitel: Die "Aufhebung der Familie"</TITLE>
<title>Stimmen der proletarischen Revolution - MLwerke</title>
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<BODY BGCOLOR="#ffff80">
<H2>
Wilhelm Reich
</H2>
<H1>
Die sexuelle Revolution
</H1>
<H3>
Quelle: Fischer Taschenbuch, Frankfurt / Main 1972
</H3>
<P>
<HR>
<H2>
Teil 2; I. Kapitel: Die "Aufhebung der Familie"
</H2>
<P>
<HR>
<P>
<HR>
<P>
Die sexuelle Revolution in der Sowjetunion setzte mit der Aufl&ouml;sung
der Familie ein. Sie zerfiel radikal in allen Kreisen der Bev&ouml;lkerung,
hier fr&uuml;her, dort sp&auml;ter. Dieser Proze&szlig; war schmerzhaft und
chaotisch; er verursachte Schrecken und Verwirrung. Ein vollg&uuml;ltiger
objektiver Beweis f&uuml;r die Richtigkeit der sexual&ouml;konomischen Theorie
&uuml;ber Wesen und Funktion der Zwangsfamilie war gegeben: Die patriarchale
Familie ist die strukturelle und ideologische Reproduktionsst&auml;tte aller
gesellschaftlichen Ordnungen, die auf dem Autorit&auml;tsprinzip beruhen.
Mit der Abschaffung dieses Prinzips mu&szlig;te automatisch auch die
Familiensituation ersch&uuml;ttert werden.
<P>
Der Zerfall der Zwangsfamilie ist der Ausdruck daf&uuml;r, da&szlig; die
sexuellen Bed&uuml;rfnisse der Menschen die Fesseln sprengen, die ihnen mit
der wirtschaftlichen und autorit&auml;ren famili&auml;ren Bindung auferlegt
wurden. <I>Es vollzieht sich die Trennung von Wirtschaft und
Sexualit&auml;t.</I> Stand vorher im Patriarchat das Sexualbed&uuml;rfnis
im Dienste und daher unter dem Zwange wirtschaftlicher Interessen einer
Minderheit; stand im urkommunistischen Matriarchat die Wirtschaft im Dienste
der Bed&uuml;rfnisbefriedigung der Gesamtgesellschaft (auch der
<I>sexuellen</I>), so zielt die echte soziale Revolution eindeutig darauf,
die Wirtschaft wieder in den Dienst der Bed&uuml;rfnisbefriedigung aller
produktiv Arbeitenden zu stellen. Diese Umkehrung des Verh&auml;ltnisses
von Bed&uuml;rfnis und Wirtschaft ist einer der Kernpunkte der sozialen
Revolution. Nur aus diesem allgemeinen Proze&szlig; ist der Zerfall der
Zwangsfamilie zu begreifen. Er w&uuml;rde sich rasch und gr&uuml;ndlich,
auch reibungslos vollziehen, k&auml;me nichts anderes in Frage als die Last,
die die famili&auml;re &ouml;konomische Bindung f&uuml;r die Familienmitglieder
bedeutet, und die St&auml;rke der durch sie gefesselten sexuellen
Bed&uuml;rfnisse. Das Problem ist also nicht so sehr das, weshalb die Familie
zerf&auml;llt; die Gr&uuml;nde daf&uuml;r liegen klar zutage. Viel schwieriger
ist die Frage zu beantworten, weshalb dieser Zerfall psychisch so schmerzhaft
ist wie keine andere Umw&auml;lzung. Die Enteignung der Produktionsmittel
bereitet nur ihrem fr&uuml;heren Besitzer Schmerzen, jedoch nicht der Masse,
dem Tr&auml;ger der Revolution. Doch die Aufhebung der Familie betrifft gerade
diejenigen, die die wirtschaftliche Umw&auml;lzung vollziehen sollen: die
Arbeiter, Angestellten, Bauern.
<P>
Gerade hier enth&uuml;llt sich die konservative Funktion der Familienbindung
am allerdeutlichsten. Durch die ungeheuer intensiven Familiengef&uuml;hle
wirkt sich eine Bremsung gerade auf den Tr&auml;ger der Revolution selbst
aus. Seine Bindung an Frau und Kinder, seine Liebe zum Heim, wenn er es hat,
auch wenn es noch so notd&uuml;rftig ist, sein Hang zur gebundenen Marschroute
usw. behindert ihn mehr oder minder, wenn er den Hauptakt der Revolution,
den Umbau des Menschen, durchf&uuml;hren soll. So wie bei der Heranbildung
der faschistischen Diktatur etwa in Deutschland die famili&auml;re Bindung
als Bremsung der revolution&auml;ren Kraft sich ausgewirkt hatte (was Hitler
erst erm&ouml;glichte, die imperialistische, nationalistische Ideologie auf
dem festen Fundament dieser Bindungen aufzubauen), so wirkt sich in der
Revolution die famili&auml;re Bindung bremsend auf die beabsichtigte
<I>&Auml;nderung</I> des Lebens aus. Es entsteht ein schwerer Widerspruch
zwischen dem Zerfall der Grundlagen der Familie einerseits und der alten,
nicht so rasch wandelbaren famili&auml;ren Struktur der Menschen, die die
Familie gef&uuml;hlsm&auml;&szlig;ig, und zwar meist unbewu&szlig;t,
aufrechterhalten wollen, andererseits.
<P>
Die Ersetzung der patriarchalischen Familienform durch das Arbeitskollektiv
stellt fraglos den Kern des revolution&auml;ren Kulturproblems dar. Durch
das oft so laute rebellische Geschrei: "Los von der Familie" darf man sich
hier keineswegs t&auml;uschen lassen. Oft ist gerade der, der am lautesten
die Vernichtung der Familie fordert, unbewu&szlig;t am allerst&auml;rksten
an seine famili&auml;re Kindheit gebunden. Solche Rufer sind wenig geeignet,
das schwerste aller Probleme, die Abl&ouml;sung der famili&auml;ren Bindung
durch gesellschaftliche Bindungen theoretisch und praktisch zu l&ouml;sen.
Gelingt es nun nicht, gleichzeitig mit der Herstellung der selbstregulierenden
arbeitsdemokratischen Gesellschaft ihre strukturelle Verankerung in der
psychischen Struktur des Menschen zu sichern, erh&auml;lt sich auf die Dauer
das famili&auml;re Gef&uuml;hl, dann mu&szlig; notwendigerweise eine immer
weiter klaffende Schere entstehen zwischen der wirtschaftlichen und der
massenstrukturellen, d.h. kulturellen Entwicklung der arbeitsdemokratischen
Gesellschaft. Die Umw&auml;lzung im kulturellen &Uuml;berbau bleibt aus,
weil der Tr&auml;ger und Pfleger dieser Umw&auml;lzung, die <I>psychische
Struktur des Menschen</I> nicht <I>qualitativ</I> mit ver&auml;ndert wurde.
<P>
&nbsp;Wir finden in Trotzkis <I>Fragen des Alltagslebens</I> (S. 53-60) reichlich
Material zum Proze&szlig; des Familienzerfalls in den Jahren 1919 - 1920.
Folgende Tatsachen wurden festgestellt:
<P>
Die Familie, auch die proletarische, hat sich "gelockert". Diese Tatsache
wurde bei einer Besprechung der Moskauer Agitatoren als feststehend betrachtet
und von niemandem bestritten. Sie wurde w&auml;hrend der Besprechung in
verschiedener Weise bewertet: "von den einen mehr beunruhigt, von den anderen
zur&uuml;ckhaltend, von den dritten unschl&uuml;ssig." Es war f&uuml;r alle
klar, da&szlig; man "irgendeinen gro&szlig;en, sehr chaotischen, bald tragische
Formen annehmenden Proze&szlig;" vor sich hatte, der noch "gar nicht di in
ihm verborgenen M&ouml;glichkeiten einer neuen, h&ouml;heren Familienordnung
offenbaren konnte". Hinweise &uuml;ber den Verfall der Familie drangen auch
in die Presse, "wenn auch &auml;u&szlig;erst selten und in allgemeiner Form".
Viele glaubten, da&szlig; man in dem Zerfall der Arbeiterfamilien das
Zutagetreten des "b&uuml;rgerlichen Einflusses auf das Proletariat" erblicken
m&uuml;&szlig;te. Viele andere hielten diese Erkl&auml;rung f&uuml;r falsch.
Die Sache, meinten sie, w&auml;re tiefer und komplizierter. Nat&uuml;rlich
best&uuml;nde ein Einflu&szlig; der b&uuml;rgerlichen Vergangenheit und der
b&uuml;rgerlichen Gegenwart. Aber der Hauptproze&szlig; w&auml;re in der
krankhaften und krisenhaften "Evolution der proletarischen Familie" selbst
zu suchen; man w&auml;re Zeuge der ersten sehr chaotischen Etappen dieses
Prozesses.
<P>
Auf dem Gebiete des Familienlebens w&auml;re die erste Zerr&uuml;ttungsperiode
noch bei weitem nicht beendet; die Zerr&uuml;ttung und der Zerfall w&auml;ren
noch im vollen Gange. Das Alltagsleben w&auml;re viel konservativer als die
Wirtschaft, unter anderem auch deshalb, weil es viel weniger bewu&szlig;t
erkannt wurde als diese.
<P>
Ferner wurde festgestellt, da&szlig; sich der Zerfall der alten Familie nicht
auf die oberste Schicht der Klasse beschr&auml;nkte, die dem Einflu&szlig;
der neuen Verh&auml;ltnisse am meisten ausgesetzt war, sondern &uuml;ber
die Avantgarde hinaus noch weiter drang. Letzten Endes machte, so lautete
die Ansicht, die kommunistische Avantgarde nur fr&uuml;her und in schrofferer
Form durch, was f&uuml;r die Klasse als Ganzes mehr oder weniger unvermeidlich
war.
<P>
Der Mann oder die Frau geriet mehr und mehr in &ouml;ffentliche Funktionen;
dadurch zerst&ouml;rte sich der Anspruch der Familie auf das Familienmitglied.
Heranwachsende Kinder kamen in die Kollektive. <I>So entstand eine Konkurrenz
zwischen den famili&auml;ren und den gesellschaftlichen Bindungen.</I> Doch
die gesellschaftlichen Bindungen waren neu, jung, kaum geboren, die
famili&auml;ren sa&szlig;en hingegen in jeder Ritze und Fuge des Alltagslebens,
in jeder &Auml;u&szlig;erung der psychischen Struktur. Die geistige &Ouml;de
der sexuellen Beziehungen in den meisten Ehen konnte mit den neuen und
lebensfrohen sexuellen Beziehungen im Kollektiv nicht konkurrieren. Und dies
alles auf der Grundlage einer st&auml;ndig fortschreitenden Entwurzelung
des Hauptverbandes der Familie, der materiellen Gewalt des Vaters &uuml;ber
Frau und Kinder. Die wirtschaftliche Bindung ri&szlig;, und mit ihr zerbrach
die sexuelle Hemmung.
<P>
Doch das bedeutete noch nicht "sexuelle Freiheit". Die
<I>&auml;u&szlig;ere</I> Freiheit zum sexuellen Gl&uuml;ck ist noch nicht
das Gl&uuml;ck selbst. Dazu geh&ouml;rt vor allem die psychische F&auml;higkeit,
es zu gestalten und zu genie&szlig;en. Doch in der Familie waren meist an
die Stelle der genitalen Bed&uuml;rfnisse s&auml;uglinghafte Abh&auml;ngigkeiten
oder krankhafte Sexualgewohnheiten getreten. Bed&uuml;rfnisse, die mit aller
Kraft sexueller Energie ausgestattet sind, aber jede biologisch normale
orgastische Erlebnisf&auml;higkeit zerst&ouml;ren. Die Familienmitglieder
ha&szlig;ten einander bewu&szlig;t oder unbewu&szlig;t und &uuml;bert&ouml;nten
den Ha&szlig; mit einer krampfhaften Liebe und mit einer klebrigen
Abh&auml;ngigkeit, die ihre Herkunft aus verh&uuml;lltem Ha&szlig; schlecht
verbarg.
<P>
Im Vordergrunde der Schwierigkeiten stand die Unf&auml;higkeit der
genital-sexuell verkr&uuml;ppelten und f&uuml;r wirtschaftliche
Selbst&auml;ndigkeit unvorbereiteten Frauen zum Verzicht auf den famili&auml;ren
Sklavenschutz und auf die Ersatzbefriedigung in der Herrschaft &uuml;ber
die Kinder. Die Frau, deren ganzes Leben sexuell &ouml;de und wirtschaftlich
abh&auml;ngig war, hatte in der Aufzucht ihrer Kinder den Sinn ihres Lebens
gesehen. Jede, auch die f&uuml;r die Kinder g&uuml;nstige Einschr&auml;nkung
dieser Beziehung, empfand sie als eine schwere Beeintr&auml;chtigung, und
sie verstand es, sich kr&auml;ftig dagegen zu wehren. Dieses Wehren ist durchaus
begreiflich; man mu&szlig; ihm Rechnung tragen. Aus Gladkows Roman <I>Neue
Erde</I> geht eindeutig hervor, da&szlig; der Kampf um den Aufbau des Kollektivs
keiner Schwierigkeit begegnet, die sich mit dem Kampf der Frauen um Heim,
Familie und Kinder auch nur ann&auml;hernd h&auml;tte vergleichen lassen
k&ouml;nnen.
<P>
Die Kollektivierung des Lebens ging zun&auml;chst von oben mit Dekreten und
mit Unterst&uuml;tzung der revolution&auml;ren Jugend vor sich, die die Fesseln
der elterlichen Autorit&auml;t zerbrach. Doch die Hemmungen der Familienbindung
wirkten in jedem Schritt, den das durchschnittliche Mitglied der Masse zur
Kollektivierung hin machen wollte, in erster Linie in Form der eigenen
unbewu&szlig;ten famili&auml;ren Abh&auml;ngigkeit und Sehnsucht.
<P>
Was sich an Schwierigkeiten und Konflikten im kleinen Alltagsleben ergab,
entsprach nicht etwa einem "zuf&auml;lligen" "chaotischen" Zustand, der durch
die "Unvernunft" oder "Unsittlichkeit" der Menschen zustande gekommen w&auml;re;
er stand vielmehr durchaus im Einklang mit einem Gesetz, das die Beziehungen
zwischen den Sexualformen und den gesellschaftlichen Organisationsformen
beherrscht.
<P>
In der Urgesellschaft, die kollektiv und "urkommunistisch" strukturiert ist,
ist die Einheit der Klan, die Summe aller von einer Urmutter sich ableitenden
Blutsverwandten. Innerhalb dieses Klans, der gleichzeitig auch die
wirtschaftliche Einheit darstellt, existiert nur die lockere Paarungsehe.
In dem Ma&szlig;e, in dem infolge wirtschaftlicher Umw&auml;lzungen die Klans
der keimhaft patriarchalischen Familie des H&auml;uptlings untertan werden,
beginnt auch die Zerst&ouml;rung des Klans durch die Familie. Familie und
Klan treten in Gegensatz zueinander. Die Familie wird nunmehr fortschreitend
anstelle des Klans zur wirtschaftlichen Einheit und somit zum gesellschaftlichen
Kristallisationspunkt des Patriarchats. Der H&auml;uptling der mutterrechtlichen
Klanorganisation, der urspr&uuml;nglich in keinem Gegensatz zur Klangesellschaft
stand, wird allm&auml;hlich der Patriarch der Familie, bekommt dadurch ein
&ouml;konomisches &Uuml;bergewicht und entwickelt sich fortschreitend zum
Patriarchen des gesamten Stammes. Es entsteht, wie sich nachweisen lie&szlig;,
erstmalig ein Klassengegensatz zwischen der Familie des H&auml;uptlings und
den unteren Klans des Stammes.
<P>
Die ersten Klassen waren also die Familie des H&auml;uptlings auf der einen
Seite, die Gens auf der anderen Seite.
<P>
In der Entwicklung vom Mutterrecht zum Vaterrecht, die sich solcherweise
anbahnte, erh&auml;lt die Familie neben ihrer wirtschaftlichen Funktion noch
die andere und bedeutsamere der Umstrukturierung des Menschen vom freien
Klangenossen zum unterdr&uuml;ckten Familienmitglied. In der heutigen indischen
Gro&szlig;familie ist diese Funktion am klarsten ausgepr&auml;gt. Indem sich
die Familie gegen&uuml;ber dem Klan verselbst&auml;ndigt, wird sie nicht
nur Ursprungsorganisation des Klassenverh&auml;ltnisses, sondern auch der
sozialen Unterdr&uuml;ckung innerhalb und au&szlig;erhalb ihrer Grenzen.
Der nun entstehende "Familienmensch" beginnt die werdende patriarchalische
Klassenorganisation der Gesellschaft durch Ver&auml;nderung seiner Struktur
zu reproduzieren. Der Kernmechanismus dieser Reproduktion ist der Umschwung
von der Sexualbejahung zur Sexualunterdr&uuml;ckung, ihre Basis ist das
materielle &Uuml;bergewicht des H&auml;uptlings.
<P>
Fassen wir das Wesen dieses psychischen Umschwungs kurz zusammen: An die
Stelle der freien, freiwilligen, nur von gemeinsamen Lebensinteressen getragenen
Beziehung der Klan- und Stammesgenossen tritt ein Gegensatz wirtschaftlicher
und mit ihnen sexueller Interessen. An die Stelle der freiwilligen
Arbeitsleistung tritt die Forderung nach ihr und die Rebellion gegen sie;
an die Stelle der nat&uuml;rlichen sexuellen Sozialit&auml;t die moralische
Forderung; an die Stelle kameradschaftlicher Kriegerschaft die autorit&auml;re
Gefolgschaft; an die Stelle der freiwilligen, gl&uuml;ckhaften Liebesvereinigung
die "seelische Pflicht"; an die Stelle der Klansolidarit&auml;t die
Familienbindung gleichzeitig mit der Rebellion gegen sie; an die Stelle des
sexual&ouml;konomisch geordneten Lebens die genitale Einschr&auml;nkung und
mit ihr erstmalig seelische Erkrankungen und sexuelle Perversionen; der
nat&uuml;rliche starke, selbstsichere biologische Organismus wird hilflos,
anlehnungsbed&uuml;rftig, gottesf&uuml;rchtig; das orgastische Naturerleben
macht mystischer Extatik, dem sp&auml;teren "religi&ouml;sen Erleben", und
unausl&ouml;schlicher vegetativer Sehnsucht Platz; das geschw&auml;chte Ich
jedes einzelnen sucht St&auml;rkung in der Anlehnung und Identifizierung
mit dem Stamm, der allm&auml;hlich zur "Nation" wird, mit dem
Stammesh&auml;uptling, der allm&auml;hlich zum Stammespatriarchen und
schlie&szlig;lich zum K&ouml;nig wird. Die Geburt der Untertanenstruktur
ist vollzogen; die strukturelle Verankerung der menschlichen Unterjochung
ist gesichert.
<P>
Die soziale Revolution in der Sowjetunion enth&uuml;llt uns in ihren ersten
Phasen die neuerliche Umkehr dieses Prozesses: Die Wiederherstellung der
urkommunistischen Verh&auml;ltnisse auf einer h&ouml;heren, zivilisierten
Ebene; <I>den Umschwung von der Sexualverneinung zur Sexualbejahung.</I>
<P>
Nach den Feststellungen von Marx, die im Kommunistischen Manifest entwickelt
sind, ist eine der Hauptaufgaben der sozialen Revolution die Aufhebung der
Familie (Da&szlig; die Aufhebung der getrennten Wirtschaft von der Aufhebung
der Familie nicht zu trennen ist, versteht sich von selbst.). Was hier
theoretisch aus dem Proze&szlig; der Gesellschaft erschlossen wurde, fand
seine Best&auml;tigung sp&auml;ter durch die Entwicklung der gesellschaftlichen
Organisation in der Sowjetunion: An die Stelle der Familie begann eine
Organisation zu treten, die mit dem alten Klan der Urgesellschaft bestimmte
&Auml;hnlichkeiten hatte: das <I>sozialistische Kollektiv</I> im Betrieb,
in der Schule, im Kolchos usw. Der Unterschied zwischen dem Klan der Urzeit
und dem Kollektiv des Kommunismus ist der, da&szlig; jener auf der
Blutsverwandtschaft beruht und als solcher auch zu einer wirtschaftlichen
Einheit wird; das sozialistische Kollektiv des Kommunismus dagegen besteht
aus nicht blutsverwandten Menschen und gr&uuml;ndet sich auf gemeinsame
wirtschaftliche Funktionen; es entsteht als wirtschaftliche Einheit und
f&uuml;hrt notwendigerweise zur Bildung pers&ouml;nlicher Beziehungen, die
es auch als ein sexuelles Kollektiv kennzeichnen, besser zu kennzeichnen
beginnen.
<P>
<I>So wie in der Urgesellschaft die Familie den Klan zerst&ouml;rte, so
zerst&ouml;rt im Kommunismus das wirtschaftliche Kollektiv die Familie</I>,
die schon in der Krise des Kapitalismus zu zerbr&ouml;ckeln begann. Der
Proze&szlig; kehrt sich um. Wenn die Familie ideologisch oder strukturell
festgehalten wird, dann wird das Kollektiv in seiner Entwicklung gebremst;
gelingt es ihm nicht, die Bremsen zu &uuml;berwinden, dann zerst&ouml;rt
es sich selbst an den Schranken der famili&auml;ren Struktur des Menschen
wie z. B. in den Jugendkommunen (vgl. Kapitel V). Der Proze&szlig; im Beginn
der kommunistischen Entwicklung l&auml;&szlig;t sich kennzeichnen als ein
<I>Konflikt zwischen wirtschaftlichem Kollektiv und der ihr anh&auml;ngenden
sexualbejahenden Tendenz zur sexuellen Selbst&auml;ndigkeit auf der einen
Seite und der individualistisch-famili&auml;ren, sexual&auml;ngstlichen Struktur
der Individuen auf der anderen Seite.</I>
<P>
<HR>
<H4>
... zum 2. Kapitel: Die sexuelle Revolution
</H4>
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