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<title>Friedrich Engels - Der deutsche Bauernkrieg - V</title>
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<p><small>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 7,S. 377-399<br>
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Dietz Verlag, Berlin/DDR 1960</small></p>
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<p align="center"><a href="me07_372.htm"><font size="2">IV - [Der Adelsaufstand]</font></a>
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<font size="2">|</font> <a href="me07_327.htm"><font size="2">Inhalt</font></a> <font size=
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"2">|</font> <a href="me07_400.htm"><font size="2">VI - [Der thüringische, elsässische
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und östreichische Bauernkrieg]</font></a></p>
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<p align="center"><font size="5">V</font></p>
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<p align="center"><font size="5">[Der schwäbisch-fränkische Bauernkrieg]</font></p>
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<p><b><a name="S377"><377></a></b> Von dem Augenblick an, wo Luthers Kriegserklärung
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gegen die katholische Hierarchie alle Oppositionselemente Deutschlands in Bewegung gesetzt,
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verging kein Jahr, in dem nicht die Bauern ebenfalls wieder mit ihren Forderungen hervortraten.
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Von 1518 bis 1523 folgte ein lokaler Bauernaufstand im Schwarzwald und in Oberschwaben auf den
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andern. Seit Frühjahr 1524 nahmen diese Aufstände einen systematischen Charakter an. Im
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April dieses Jahres verweigerten die Bauern der Abtei Marchthal die Frondienste und Leistungen;
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im Mai verweigerten die Sankt-Blasier Bauern die Leibeigenschaftsgebühren; im Juni
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erklärten die Bauern von Steinheim bei Memmingen, weder Zehnten noch sonstige Gebühren
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zahlen zu wollen; im Juli und August standen die Thurgauer Bauern auf und wurden teils durch die
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Vermittlung der Zürcher, teils durch die Brutalität der Eidgenossenschaft, die mehrere
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hinrichten ließ, wieder zur Ruhe gebracht. Endlich erfolgte in der Landgrafschaft
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Stühlingen ein entschiednerer Aufstand, der als der unmittelbare <i>Anfang des
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Bauernkriegs</i> gelten kann.</p>
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<p>Die Stühlinger Bauern verweigerten plötzlich die Leistungen an den Landgrafen,
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rotteten sich in starken Haufen zusammen und zogen unter <i>Hans Müller von Bulgenbach</i>
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am 24. August <(<i>1850</i> und <i>1875</i>) irrtümlich: Oktober> 1524 nach Waldshut.
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Hier stifteten sie in Gemeinschaft mit den Bürgern eine evangelische Brüderschaft. Die
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Bürger traten der Verbindung um so eher bei, als sie gleichzeitig wegen religiöser
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Verfolgungen gegen Balthasar <i>Hubmaier</i>, ihren Prediger, einen Freund und Schüler
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Thomas Münzers, mit der vorderöstreichischen Regierung im Konflikt waren. Es wurde also
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eine Bundessteuer von drei Kreuzern wöchentlich - ein enormer Betrag für den damaligen
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Geldwert - aufgelegt, Emissäre nach dem Elsaß, der Mosel, dem ganzen Oberrhein und
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Franken geschickt, um die Bauern überall in den Bund zu bringen, und als <a name=
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"S378"><b><378></b></a> Zweck des Bundes die Abschaffung der Feudalherrschaft, die
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Zerstörung aller Schlösser und Klöster und die Beseitigung aller Herren
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außer dem Kaiser proklamiert. Die Bundesfahne war die <i>deutsche Trikolore</i> <die
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schwarzrotgoldene Fahne>.</p>
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<p>Der Aufstand gewann rasch Terrain im ganzen jetzigen badischen Oberland. Ein panischer
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Schrecken ergriff den oberschwäbischen Adel, dessen Streitkräfte fast sämtlich in
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Italien, im Kriege gegen Franz I. von Frankreich, beschäftigt waren. Es blieb ihm nichts
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übrig, als die Sache durch Unterhandlungen in die Länge zu ziehen und inzwischen Gelder
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aufzutreiben und Truppen zu werben, bis er stark genug sei, die Bauern für ihre
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Vermessenheit mit "Sengen und Brennen, Plündern und Morden" zu züchtigen. Von jetzt an
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begann jener systematische Verrat, jene konsequente Wortbrüchigkeit und Heimtücke,
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durch die der Adel und die Fürsten sich während des ganzen Bauernkriegs auszeichneten
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und die gegenüber den dezentralisierten und schwer organisierbaren Bauern ihre stärkste
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Waffe war. Der Schwäbische Bund, der die Fürsten, den Adel und die Reichsstädte
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Südwestdeutschlands umfaßte, legte sich ins Mittel, aber ohne den Bauern positive
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Konzessionen zu garantieren. Diese blieben in Bewegung. Hans Müller von Bulgenbach zog vom
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30. September bis Mitte Oktober durch den Schwarzwald bis Urach und Furtwangen, brachte seinen
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Haufen bis auf 3.500 Mann und nahm mit diesem bei Ewattingen (nicht weit von Stühlingen)
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Position. Der Adel hatte nicht über 1.700 Mann zur Verfügung, und auch diese waren
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zersplittert. Er war gezwungen, sich auf einen Waffenstillstand einzulassen, der auch wirklich im
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Ewattinger Lager zustande kam. Gütlicher Vertrag, entweder direkt zwischen den Beteiligten
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oder durch Schiedsrichter, und Untersuchung der Beschwerden durch das Landgericht zu Stockach
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wurden den Bauern zugesagt. Sowohl die Adelstruppen wie die Bauern gingen auseinander.</p>
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<p>Die Bauern vereinigten sich auf 16 Artikel, deren Bewilligung vom Stockacher Gericht verlangt
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werden sollte. Sie waren sehr gemäßigt. Abschaffung des Jagdrechts, der Fronden, der
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drückenden Steuern und Herrschaftsprivilegien überhaupt, Schutz gegen willkürliche
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Verhaftung und gegen parteiische, nach Willkür urteilende Gerichte - weiter forderten sie
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nichts.</p>
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<p>Der Adel dagegen forderte, sobald die Bauern heimgegangen waren, sogleich sämtliche
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streitige Leistungen wieder ein, so lange bis das Gericht entschieden habe. Die Bauern weigerten
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sich natürlich und verwiesen die Herren an das Gericht. Der Streit brach von neuem aus; die
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Bauern zogen sich wieder zusammen, die Fürsten und Herren konzentrierten ihre Truppen.
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Diesmal ging die Bewegung wieder weiter, bis über den Breisgau und tief ins Württem-
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<a name="S379"><b><379></b></a> bergische hinein. Die Truppen unter <i>Georg Truchseß
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von Waldburg</i>, dem Alba des Bauernkriegs, beobachteten sie, schlugen einzelne Zuzüge,
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wagten aber nicht, das Gros anzugreifen. Georg Truchseß unterhandelte mit den Bauernchefs
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und brachte hier und da Verträge zustande.</p>
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<p>Ende Dezember begannen die Verhandlungen vor dem Landgericht zu Stockach. Die Bauern
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protestierten gegen die Zusammensetzung des Gerichts aus lauter Adligen. Ein kaiserlicher
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Bestallungsbrief wurde ihnen als Antwort vorgelesen. Die Verhandlungen zogen sich in die
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Länge, inzwischen rüsteten der Adel, die Fürsten, die schwäbischen
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Bundesbehörden. Erzherzog Ferdinand, der außer den jetzt noch östreichischen
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Erblanden auch Württemberg, den badischen Schwarzwald und den südlichen Elsaß
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beherrschte, befahl die größte Strenge gegen die rebellischen Bauern. Man solle sie
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fangen, foltern und ohne Gnade erschlagen, man solle sie, wie es am bequemsten sei, verderben,
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ihr Hab und Gut verbrennen und veröden und ihre Weiber und Kinder aus dem Lande jagen. Man
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sieht, wie die Fürsten und Herren den Waffenstillstand hielten und was sie unter
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gütlicher Vermittlung und Untersuchung der Beschwerden verstanden. Erzherzog Ferdinand, dem
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das Haus Welser in Augsburg Geld vorgeschossen, rüstete in aller Eile; der Schwäbische
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Bund schrieb ein in drei Terminen zu stellendes Kontingent von Geld und Truppen aus.</p>
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<p>Diese bisherigen Aufstände fallen zusammen mit der fünfmonatlichen Anwesenheit
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Thomas Münzers im Oberland. Von dem Einfluß, den er auf den Ausbruch und Gang der
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Bewegung gehabt, sind zwar keine direkten Beweise vorhanden, aber dieser Einfluß ist
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indirekt vollständig konstatiert. Die entschiedneren Revolutionäre unter den Bauern
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sind meist seine Schüler und vertreten seine Ideen. Die zwölf Artikel wie der
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Artikelbrief der oberländischen Bauern werden ihm von allen Zeitgenossen zugeschrieben,
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obwohl er wenigstens erstere gewiß nicht verfaßt hat. Noch auf seiner Rückreise
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nach Thüringen erließ er eine entschieden revolutionäre Schrift an die
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insurgierten Bauern.</p>
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<p>Gleichzeitig intrigierte der seit 1519 aus Württemberg vertriebene Herzog Ulrich, um mit
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Hülfe der Bauern wieder in den Besitz seines Landes zu kommen. Es ist faktisch, daß er
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seit seiner Vertreibung die revolutionäre Partei zu benutzen suchte und sie fortwährend
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unterstützte. In die meisten von 1520-24 vorgekommenen Lokalunruhen im Schwarzwald und in
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Württemberg wird sein Name verwickelt, und jetzt rüstete er direkt zu einem Einfall von
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seinem Schloß Hohentwiel aus nach Württemberg. Er wurde indes von den Bauern nur
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benutzt, hatte nie Einfluß auf sie und noch weniger ihr Vertrauen.</p>
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<p><b><a name="S380"><380></a></b> So verging der Winter, ohne daß es von einer der
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beiden Seiten zu etwas Entscheidendem kam. Die fürstlichen Herrn versteckten sich, der
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Bauernaufstand gewann an Ausdehnung. Im Januar 1525 war das ganze Land zwischen Donau, Rhein und
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Lech in voller Gärung, und im Februar brach der Sturm los.</p>
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<p>Während der <i>Schwarzwald-Hegauer Haufe</i> unter Hans Müller von Bulgenbach mit
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Ulrich von Württemberg konspirierte und zum Teil seinen vergeblichen Zug nach Stuttgart
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mitmachte (Februar und März 1525), standen die Bauern im Ried, oberhalb Ulm, am 9. Februar
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auf, sammelten sich in einem von Sümpfen gedeckten Lager bei Baltringen, pflanzten die
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<i>rote Fahne</i> auf und formierten, unter der Führung von Ulrich Schmid, den <i>Baltringer
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Haufen</i>. Sie waren 10.000 bis 12.000 Mann stark.</p>
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<p>Am 25. Februar zog sich der <i>Oberallgäuer Haufen</i>, 7.000 Mann stark, am Schussen
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zusammen, auf das Gerücht hin, daß die Truppen gegen die auch hier aufgetretenen
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Mißvergnügten heranzögen. Die Kemptner, die den ganzen Winter über mit ihrem
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Erzbischof im Streit gewesen, traten am 26. zusammen und vereinigten sich mit ihnen. Die
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Städte Memmingen und Kaufbeuren schlossen sich, unter Bedingungen, der Bewegung an; doch
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trat schon hier die Zweideutigkeit der Stellung hervor, die die Städte in diesem Kampf
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einnahmen. Am 7. März wurden in Memmingen die zwölf Memminger Artikel für alle
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Oberallgäuer Bauern angenommen.</p>
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<p>Auf Botschaft der Allgäuer bildete sich am Bodensee, unter Eitel Hans, der
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<i>Seehaufen</i>. Auch dieser Haufe verstärkte sich rasch. Das Hauptquartier war in
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Bermatingen.</p>
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<p>Ebenso standen im unteren Allgäu, in der Gegend von Ochsenhausen und Schellenberg, im
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Zeilschen und Waldburgschen, den Herrschaften des Truchseß, die Bauern auf, und zwar schon
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in den ersten Tagen des März. Dieser <i>Unterallgäuer Haufen</i> lagerte, 7.000 <Bei
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Zimmermann: 5.000> Mann stark, bei Wurzach.</p>
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<p>Diese vier Haufen nahmen alle die Memminger Artikel an, die übrigens noch viel
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gemäßigter waren als die der Hegauer und auch in den Punkten, die sich auf das
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Verhalten der bewaffneten Haufen zum Adel und den Regierungen bezogen, einen merkwürdigen
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Mangel an Entschiedenheit zur Schau tragen. Die Entschiedenheit, wo sie kam, kam erst im Laufe
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des Kriegs, nachdem die Bauern Erfahrungen über die Handlungsweise ihrer Feinde gemacht
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hatten.</p>
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<p>Gleichzeitig mit diesen Haufen bildete sich ein sechster an der Donau. Aus der ganzen Gegend
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von Ulm bis Donauwörth, aus den Tälern der Iller, Roth <a name=
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"S381"><b><381></b></a> und Biber kamen die Bauern nach Leipheim und schlugen dort ein
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Lager auf. Von 15 Ortschaften war jeder waffenfähige Mann, von 117 waren Zuzüge da. Der
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Führer des <i>Leipheimer Haufens</i> war Ulrich Schön, sein Prediger Jakob Wehe, der
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Pfarrer von Leipheim.</p>
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<p>So standen anfangs März, in sechs Lagern, an 30.000 bis 40.000 insurgierte
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oberschwäbische Bauern unter den Waffen. Der Charakter dieser Bauernhaufen war sehr
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gemischt. Die revolutionäre - Münzersche - Partei war überall in der
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Minorität. Trotzdem bildete sie überall den Kern und Halt der Bauernlager. Die Masse
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der Bauern war immer bereit, sich auf ein Abkommen mit den Herren einzulassen, wenn ihr nur die
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Konzessionen gesichert wurden, die sie durch ihre drohende Haltung zu ertrotzen hoffte. Dazu
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wurde sie, als die Sache sich in die Lange zog und die Fürstenheere heranrückten, des
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Kriegführens überdrüssig, und diejenigen, die noch etwas zu verlieren hatten,
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gingen größtenteils nach Hause. Dabei hatte sich den Haufen das vagabundierende
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Lumpenproletariat massenweise angeschlossen, das die Disziplin erschwerte, die Bauern
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demoralisierte und ebenfalls häufig ab- und zulief. Schon hieraus erklärt sich,
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daß die Bauernhaufen anfangs überall in der Defensive blieben, in den Feldlagern sich
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demoralisierten und auch, abgesehen von ihrer taktischen Unzulänglichkeit und von der
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Seltenheit guter Führer, den Armeen der Fürsten keineswegs gewachsen waren.</p>
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<p>Noch während die Haufen sich zusammenzogen, fiel Herzog Ulrich mit geworbenen Truppen und
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einigen Hegauer Bauern von Hohentwiel nach Württemberg ein. Der Schwäbische Bund war
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verloren, wenn die Bauern jetzt von der andern Seite her gegen die Truppen des Truchseß von
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Waldburg heranrückten. Aber bei der bloß defensiven Haltung der Haufen gelang es dem
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Truchseß bald, mit den Baltringer, Allgäuer und Seebauern einen Waffenstillstand
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abzuschließen, Verhandlungen einzuleiten und einen Termin zur Abmachung der Sache auf
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Sonntag Judika (2. April) anzusetzen. Währenddes konnte er gegen Herzog Ulrich ziehn,
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Stuttgart besetzen und ihn zwingen, schon am 17. März Württemberg wieder zu verlassen.
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Dann wandte er sich gegen die Bauern; aber in seinem eignen Heer revoltierten die Landsknechte
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und weigerten sich, gegen diese zu ziehn. Es gelang dem Truchseß, die Meuterer zu
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beschwichtigen, und nun marschierte er nach Ulm, wo sich neue Verstärkungen sammelten. Bei
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Kirchheim unter Teck hatte er ein Beobachtungslager zurückgelassen.</p>
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<p>Der Schwäbische Bund, der endlich die Hände frei und seine ersten Kontingente
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beisammen hatte, warf jetzt die Maske ab und erklärte, daß er "das, was die Bauern
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eigenen Willens sich unterfangen, mit den Waffen und mit Gottes Hülfe zu wenden entschlossen
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sei".</p>
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<p><b><a name="S382"><382></a></b> Die Bauern hatten sich inzwischen streng an den
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Waffenstillstand gehalten. Sie hatten für die Verhandlung am Sonntag Judika ihre Forderungen
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aufgesetzt, die berühmten <i>zwölf Artikel</i>. Sie verlangten Wahl und Absetzbarkeit
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der Geistlichen durch die Gemeinden, Abschaffung des kleinen Zehnten und Verwendung des
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großen zu öffentlichen Zwecken nach Abzug des Pfaffengehalts, Abschaffung der
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Leibeigenschaft, des Fischerei- und Jagdrechts und des Todfalls, Beschränkung der
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übermäßigen Fronden, Steuern und Gülten, Restitution der den Gemeinden und
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einzelnen gewaltsam entzogenen Waldungen, Weiden und Privilegien und Beseitigung der Willkür
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in Justiz und Verwaltung. Man sieht, die gemäßigte, verträgliche Partei wog noch
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bedeutend vor unter den Bauernhaufen. Die revolutionäre Partei hatte schon früher im
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<i>"Artikelbrief"</i> ihr Programm aufgestellt. Dieser offne Brief an sämtliche
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Bauernschaften fordert sie auf, einzutreten in die "christliche Vereinigung und
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Brüderschaft" zur Entfernung aller Lasten, sei es durch Güte, "was nicht wohl sein
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mag", sei es durch Gewalt, und bedroht alle Weigernden mit dem "weltlichen Bann", d.h. mit der
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Ausstoßung aus der Gesellschaft und aus allem Verkehr mit den Bundesmitgliedern. Alle
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Schlösser, Klöster und Pfaffenstifter sollen gleichfalls in den weltlichen Bann getan
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werden, es sei denn, daß Adel, Pfaffen und Mönche sie freiwillig verlassen, in
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gewöhnliche Häuser ziehn wie andre Leute und sich der christlichen Vereinigung
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anschließen. - In diesem radikalen Manifest, das offenbar <i>vor</i> dem
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Frühjahrsaufstand 1525 abgefaßt wurde, handelt es sich also vor allem um die
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Revolution, die vollständige Besiegung der noch herrschenden Klassen, und der "weltliche
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Bann" designiert nur die Unterdrücker und Verräter, die erschlagen, die Schlösser,
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die verbrannt, die Klöster und Stifter, die konfisziert und deren Schätze in Geld
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|
verwandelt werden sollen.</p>
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<p>Ehe jedoch die Bauern dazu kamen, ihre zwölf Artikel den berufenen Schiedsrichtern
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vorzulegen, kam ihnen die Nachricht von dem Vertragsbruch des Schwäbischen Bundes und dem
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|
Herannahen der Truppen. Sogleich trafen sie ihre Maßregeln. Eine Generalversammlung der
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|
Allgäuer, Baltringer und Seebauern wurde zu Gaisbeuren abgehalten. Die vier Haufen wurden
|
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vermischt und vier neue Kolonnen aus ihnen organisiert, die Konfiskation der geistlichen
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Güter, der Verkauf ihrer Kleinodien zum Besten der Kriegskasse und die Verbrennung der
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Schlösser wurden beschlossen. So wurde neben den offiziellen zwölf Artikeln der
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Artikelbrief die Regel ihrer Kriegsführung und der Sonntag Judika, der zum
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Friedensschluß angesetzte Tag, das Datum der <i>allgemeinen Erhebung</i>.</p>
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<p>Die überall wachsende Aufregung, die fortwährenden Lokalkonflikte der Bauern mit dem
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|
Adel, die Nachricht von dem seit sechs Monaten immer <a name="S383"><b><383></b></a>
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wachsenden Aufstand im Schwarzwald und von seiner Verbreitung bis an die Donau und den Lech
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reichen allerdings hin, um die rasche Aufeinanderfolge der Bauernaufstände in zwei Dritteln
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|
von Deutschland zu erklären. Aber daß Leute an der Spitze der Bewegung standen, die
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||
|
diese durch wiedertäuferische und sonstige Emissäre organisiert hatten, das beweist das
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|
Faktum der Gleichzeitigkeit aller einzelnen Aufstände. In der letzten Hälfte des
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||
|
März waren schon Unruhen im Württembergischen, am untern Neckar, im Odenwald, in Unter-
|
||
|
und Mittelfranken ausgebrochen; aber überall wurde schon vorher der 2. April, der Sonntag
|
||
|
Judika, als Tag des allgemeinen Losbruchs angegeben, überall geschah der entscheidende
|
||
|
Schlag, der Aufstand in Masse, in der ersten Woche des April. Auch die Allgäuer, Hegauer und
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||
|
Seebauern riefen am 1. April durch Sturmläuten und Massenversammlungen alle
|
||
|
waffenfähigen Männer ins Lager und eröffneten, gleichzeitig mit den Baltringern,
|
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|
die Feindseligkeiten gegen die Schlösser und Klöster.</p>
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|
<p>In <i>Franken</i>, wo sich die Bewegung um sechs Zentren gruppierte, brach der Aufstand
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||
|
überall in den ersten Tagen des April los. Bei <i>Nördlingen</i> bildeten sich um diese
|
||
|
Zeit zwei Bauernlager, mit deren Hülfe die revolutionäre Partei in der Stadt, deren
|
||
|
Chef <i>Anton Forner</i> war, die Oberhand erhielt und Forners Ernennung zum Bürgermeister
|
||
|
sowie den Anschluß der Stadt an die Bauern durchsetzte. Im <i>Ansbachschen</i> standen die
|
||
|
Bauern vom 1. bis 7. April überall auf, und der Aufstand verbreitete sich von hier bis nach
|
||
|
Bayern hinüber. Im <i>Rothenburgschen</i> standen die Bauern schon seit dem 22. März
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||
|
unter den Waffen; in der Stadt Rothenburg wurde am 27. März die Herrschaft der Ehrbarkeit
|
||
|
durch die Kleinbürger und Plebejer unter Stephan von <i>Menzingen</i> gestürzt; aber da
|
||
|
gerade die Leistungen der Bauern hier die Haupteinkünfte der Stadt waren, hielt sich auch
|
||
|
die neue Regierung sehr schwankend und zweideutig gegenüber den Bauern. Im Hochstift
|
||
|
<i>Würzburg</i> erhoben sich anfangs April die Bauern und die kleinen Städte allgemein,
|
||
|
und im Bistum <i>Bamberg</i> zwang die allgemeine Insurrektion binnen fünf Tagen den Bischof
|
||
|
zur Nachgiebigkeit. Endlich im Norden, an der thüringischen Grenze, zog sich das starke
|
||
|
<i>Bildhäuser Bauernlager</i> zusammen.</p>
|
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|
<p>Im <i>Odenwald</i>, wo <i>Wendel Hipler</i>, ein Adliger und ehemaliger Kanzler der Grafen von
|
||
|
Hohenlohe, und <i>Georg Metzler</i>, Wirt zu Ballenberg bei Krautheim, an der Spitze der
|
||
|
revolutionären Partei standen, brach der Sturm schon am 26. März los. Die Bauern zogen
|
||
|
von allen Seiten nach der Tauber. Auch 2.000 Mann aus dem Lager vor Rothenburg schlossen sich an.
|
||
|
Georg Metzler übernahm die Führung und marschierte, nachdem alle Verstärkungen
|
||
|
eingetroffen, am 4. April nach dem Kloster Schöntal an der Jagst, wo die <i>Neckartaler</i>
|
||
|
zu ihm stießen. Diese, von <i>Jäcklein Rohrbach,</i> Wirt zu Böckingen bei
|
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|
<a name="S384"><b><384></b></a> Heilbronn, geführt, hatten am Sonntag Judika in Flein,
|
||
|
Sontheim usw. die Insurrektion proklamiert, während gleichzeitig Wendel Hipler mit einer
|
||
|
Anzahl Verschworner Öhringen überrumpelt und die umwohnenden Bauern in die Bewegung
|
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|
hineingerissen hatte. Zu Schöntal wurden von den beiden, zum <i>"hellen Haufen"</i>
|
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vereinigten Bauernkolonnen die zwölf Artikel angenommen und Streifzüge gegen
|
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Schlösser und Klöster organisiert. Der helle Haufen war an 8.000 Mann stark und hatte
|
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Kanonen und 3.000 Handbüchsen. Auch <i>Florian Geyer</i>, ein fränkischer Ritter,
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schloß sich ihm an und bildete die Schwarze Schar, ein Elitekorps, das besonders aus der
|
||
|
Rothenburger und Öhringer Landwehr sich rekrutierte.</p>
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<p>Der württembergsche Vogt in Neckarsulm, Graf Ludwig von Helfenstein, eröffnete die
|
||
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Feindseligkeiten. Er ließ alle Bauern, die ihm in die Hände fielen, ohne weiteres
|
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niedermachen. Der helle Haufen zog ihm entgegen. Diese Metzeleien sowie die eben eingetroffene
|
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Nachricht von der Niederlage des Leipheimer Haufens, von Jakob Wehes Hinrichtung und den
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Grausamkeiten des Truchseß erbitterten die Bauern. Der Helfensteiner, der sich nach
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Weinsberg hineingeworfen hatte, wurde hier angegriffen. Das Schloß wurde von Florian Geyer
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gestürmt, die Stadt nach längerem Kampf genommen und Graf Ludwig nebst mehreren Rittern
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gefangen. Am nächsten Tag, am 17. April, hielt Jäcklein Rohrbach mit den
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entschiedensten Leuten des Haufens Gericht über die Gefangenen und ließ ihrer
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vierzehn, den Helfensteiner an der Spitze, durch die Spieße jagen - den schimpflichsten
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Tod, den er sie erdulden lassen konnte. Die Einnahme von Weinsberg und die terroristische Rache
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Jäckleins an dem Helfensteiner verfehlten ihre Wirkung auf den Adel nicht. Die Grafen von
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Löwenstein traten der Bauernverbindung bei, die von Hohenlohe, die schon früher
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zugetreten waren, aber noch keine Hülfe geleistet hatten, schickten sofort das verlangte
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Geschütz und Pulver.</p>
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<p>Die Hauptleute berieten darüber, ob sie nicht Götz von Berlichingen zum Hauptmann
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nehmen sollten, "da dieser den Adel zu ihnen bringen könne". Der Vorschlag fand Anklang;
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aber Florian Geyer, der in dieser Stimmung der Bauern und Hauptleute den Anfang einer Reaktion
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sah, trennte sich hierauf mit seiner Schwarzen Schar vom Haufen, durchstreifte auf eigne Faust
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zuerst die Neckargegend, dann das Würzburgische und zerstörte überall die
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Schlösser und Pfaffennester.</p>
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<p>Der Rest des Haufens zog nun zunächst gegen Heilbronn. In dieser mächtigen freien
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Reichsstadt stand, wie fast überall, der Ehrbarkeit eine bürgerliche und eine
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revolutionäre Opposition entgegen. Die letztere, im geheimen Einverständnis mit den
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Bauern, öffnete während eines Tumults schon am 17. April G[eorg] Metzler und
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Jäcklein Rohrbach die Tore. Die Bauernchefs nahmen <a name="S385"><b><385></b></a> mit
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ihren Leuten Besitz von der Stadt, die in die Brüderschaft aufgenommen wurde und 1.200
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Gulden Geld sowie ein Fähnlein Freiwilliger stellte. Nur die Geistlichkeit und die
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Besitzungen der Deutschordensherren wurden gebrandschatzt. Am 22. zogen die Bauern wieder ab,
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nachdem sie eine kleine Besatzung hinterlassen hatten. Heilbronn sollte das Zentrum der
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verschiedenen Haufen werden, die auch wirklich Delegierte hinschickten und über gemeinsame
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Aktion und gemeinsame Forderungen der Bauernschaften berieten. Aber die bürgerliche
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Opposition und die seit dem Einmarsch der Bauern mit ihr verbündete Ehrbarkeit hatten jetzt
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wieder die Oberhand in der Stadt, verhinderten alle energischen Schritte und warteten nur auf das
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Herannahen der fürstlichen Heere, um die Bauern definitiv zu verraten.</p>
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<p>Die Bauern zogen dem Odenwald zu. Am 24. April mußte Götz von Barlichingen, der
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sich wenige Tage vorher zuerst dem Kurfürsten von der Pfalz, dann den Bauern, dann wieder
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dem Kurfürsten angetragen hatte, in die evangelische Brüderschaft treten und das
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Oberkommando des hellen <i>lichten</i> Haufens (im Gegensatz zum <i>schwarzen</i> Haufen Florian
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Geyers) übernehmen. Er war aber zu gleicher Zeit Gefangener der Bauern, die ihn
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mißtrauisch überwachten und ihn an den Beirat der Hauptleute banden, ohne die er
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nichts tun konnte. Götz und Metzler zogen nun mit der Masse der Bauern über Buchen nach
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Amorbach, wo sie vom 30. April bis 5. Mai blieben und das ganze Mainzische insurgierten. Der Adel
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wurde überall zum Anschluß gezwungen und seine Schlösser dadurch geschont; nur
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die Klöster wurden verbrannt und geplündert. Der Haufen hatte sich zusehends
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demoralisiert; die energischsten Leute waren mit Florian Geyer oder mit Jäcklein Rohrbach
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fort, denn auch dieser hatte sich nach der Einnahme Heilbronns getrennt. offenbar weil er, der
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Richter des Grafen Helfenstein, nicht länger bei einem Haufen bleiben konnte, der sich mit
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dem Adel vertragen wollte. Dies Dringen auf eine Verständigung mit dem Adel war selbst schon
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ein Zeichen von Demoralisation. Bald darauf schlug Wendel Hipler eine sehr passende
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Reorganisation das Haufens vor: Man solle die sich täglich anbietenden Landsknechte in
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Dienst nehmen und den Haufen nicht wie bisher monatlich durch Einziehung von neuen und Entlassung
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der alten Kontingente erneuern, sondern die einmal unter den Waffen befindliche,
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einigermaßen geübte Mannschaft behalten. Aber die Gemeindeversammlung verwarf beide
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Anträge; die Bauern waren bereits übermütig geworden und sahen den ganzen Krieg
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als einen Beutezug an, wobei ihnen die Konkurrenz der Landsknechte nicht zusagen konnte und wobei
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es ihnen freistehen mußte, nach Hause zu ziehen, sobald ihre Taschen gefüllt waren. In
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Amorbach kam es sogar so weit, daß der Heilbronner Ratsherr Hans Berlin die "Deklaration
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der zwölf Artikel", ein Akten- <a name="S386"><b><386></b></a> stück, worin
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selbst die letzten Spitzen der zwölf Artikel abgebrochen und den Bauern eine demütig
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supplizierende Sprache in den Mund gelegt wurde, bei den Hauptleuten und Räten des Haufens
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durchsetzte. Diesmal war die Sache den Bauern doch zu stark; sie verwarfen die Deklaration unter
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großem Lärm und beharrten auf den ursprünglichen Artikeln.</p>
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<p>Inzwischen war im Würzburgischen eine entscheidende Wendung eingetreten. Der Bischof, der
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sich bei dem ersten Bauernaufstand anfangs April auf den festen Frauenberg bei Würzburg
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zurückgezogen und nach allen Seiten, aber vergeblich, um Hülfe geschrieben hatte, war
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endlich zur momentanen Nachgiebigkeit gezwungen worden. Am 2. Mai wurde ein Landtag
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eröffnet, auf dem auch die Bauern vertreten waren. Aber ehe irgendein Resultat gewonnen
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werden konnte, wurden Briefe aufgefangen, die die verräterischen Umtriebe des Bischofs
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konstatierten. Der Landtag ging gleich auseinander, und die Feindseligkeiten begannen zwischen
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den insurgierten Städtern und Bauern und den Bischöflichen. Der Bischof selbst entfloh
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am 5. Mai nach Heidelberg; am nächsten Tag schon kam Florian Geyer und die Schwarze Schar in
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Würzburg an, mit ihm <i>der fränkische Tauberhaufen</i>, der sich aus Mergentheimer,
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Rothenburger und ansbachschen Bauern gebildet hatte. Am 7. Mai rückte auch Götz von
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Berlichingen mit dem hellen lichten Haufen ein, und die Belagerung des Frauenbergs begann.</p>
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<p>Im Limpurgischen und in der Gegend von Ellwangen und Hall bildete sich ein andrer, der
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Gaildorfer oder <i>gemeine helle Haufen</i>, schon Ende März und Anfang April. Er trat sehr
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gewaltsam auf, insurgierte die ganze Gegend, verbrannte viele Klöster und Schlösser,
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u.a. auch das Schloß Hohenstaufen, zwang alle Bauern zum Mitzug und alle Adligen, selbst
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die Schenken von Limpurg, zum Eintritt in die christliche Verbrüderung. Anfang Mai machte er
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einen Einfall nach Württemberg, wurde aber zum Rückzug bewogen. Der Partikularismus der
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deutschen Kleinstaaterei erlaubte damals sowenig wie 1848, daß die Revolutionäre
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verschiedner Staatsgebiete gemeinsam agierten. Die Gaildorfer, auf ein kleines Terrain
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beschränkt, fielen notwendig in sich zusammen, nachdem sie allen Widerstand auf diesem
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Terrain besiegt hatten. Sie vertrugen sich mit der Stadt Gmünd und gingen mit Hinterlassung
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von nur 500 Bewaffneten auseinander.</p>
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<p>In der <i>Pfalz</i> hatten sich auf beiden Rheinufern gegen Ende April Bauernhaufen gebildet.
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Sie zerstörten viele Schlösser und Klöster und nahmen am 1. Mai Neustadt a.d.
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Haardt, nachdem die herübergekommenen Bruchrainer schon tags vorher Speyer zu einem Vertrag
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gezwungen hatten. Der Marschall von Habern konnte mit den wenigen kurfürstlichen Truppen
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nichts gegen sie ausrichten, und am 10. Mai mußte der Kurfürst mit den insurgierten
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Bauern <a name="S387"><b><387></b></a> einen Vertrag abschließen, in welchem er ihnen
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Abstellung ihrer Beschwerden auf einem Landtag garantierte.</p>
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<p>In <i>Württemberg</i> endlich war der Aufstand schon früh in einzelnen Gegenden
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losgebrochen. Auf der Uracher Alb hatten die Bauern schon im Februar einen Bund gegen die Pfaffen
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und Herren geschlossen, und Ende März erhoben sich die Blaubeurer, Uracher, Münsinger,
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Balinger und Rosenfelder Bauern. Die Gaildorfer fielen bei Göppingen, Jäcklein Rohrbach
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bei Brackenheim, die Trümmer des geschlagenen Leipheimer Haufens bei Pfullingen in
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württembergisches Gebiet ein und insurgierten das Landvolk. Auch in andern Gegenden brachen
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ernsthafte Unruhen aus. Schon am 6. April mußte Pfullingen mit den Bauern kapitulieren. Die
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Regierung des östreichischen Erzherzogs war in der größten Verlegenheit. Sie
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hatte gar kein Geld und sehr wenig Truppen. Die Städte und Schlösser waren im
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schlechtesten Zustand und hatten weder Besatzung noch Munition. Selbst der Asperg war fast
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schutzlos.</p>
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<p>Der Versuch der Regierung, die Aufgebote der Städte gegen die Bauern zusammenzuziehn,
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entschied ihre momentane Niederlage. Am 16. April weigerte sich das Bottwarer Aufgebot zu
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marschieren und zog, statt nach Stuttgart, auf den Wunnenstein bei Bottwar, wo es den Kern eines
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Lagers von Bürgern und Bauern bildete, das sich rasch vermehrte. An demselben Tage brach der
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Aufstand im Zabergäu aus; das Kloster Maulbronn wurde geplündert und eine Anzahl von
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Klöstern und Schlössern vollständig verwüstet. Aus dem benachbarten Bruchrain
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zogen den Gäubauern Verstärkungen zu.</p>
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<p>An die Spitze des Haufens auf dem Wunnenstein trat <i>Matern Feuerbacher</i>, Ratsherr von
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Bottwar, einer der Führer der bürgerlichen Opposition, aber hinreichend kompromittiert,
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um mit den Bauern gehn zu müssen. Er blieb indes fortwährend sehr gemäßigt,
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verhinderte die Vollziehung des Artikelbriefs an den Schlössern und suchte überall
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zwischen den Bauern und der gemäßigten Bürgerschaft zu vermitteln. Er verhinderte
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die Vereinigung der Württemberger mit dem hellen lichten Haufen und bewog später
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ebenfalls die Gaildorfer zum Rückzug aus Württemberg. Wegen seiner bürgerlichen
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Tendenzen wurde er am 19 April abgesetzt, aber bereits am nächsten Tag wieder zum Hauptmann
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ernannt. Er war unentbehrlich, und selbst als Jäcklein Rohrbach am 22. mit 200 Mann
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entschlossenen Leuten den Württembergern zuzog, blieb ihm nichts übrig, als jenen in
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seiner Stelle zu lassen und sich auf genaue Überwachung seiner Handlungen zu
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beschränken.</p>
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<p>Am 18. April versuchte die Regierung mit den Bauern auf dem Wunnenstein zu unterhandeln. Die
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Bauern bestanden darauf, die Regierung müsse die zwölf Artikel annehmen, und dies
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konnten die Bevollmächtigten natürlich nicht. Der Haufen setzte sich nun in Bewegung.
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Am 20. war er in Lauffen, wo <a name="S388"><b><388></b></a> die Abgeordneten der Regierung
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zum letztenmal zurückgewiesen wurden. Am 22. stand er, 6.000 Mann stark, in Bietigheim und
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bedrohte Stuttgart. Hier war der Rat größtenteils geflohen und ein
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Bürgerausschuß an die Spitze der Verwaltung gesetzt. In der Bürgerschaft waren
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dieselben Parteispaltungen zwischen Ehrbarkeit, bürgerlicher Opposition und
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revolutionären Plebejern wie überall. Die letzteren öffneten am 25. April den
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Bauern die Tore, und Stuttgart wurde sogleich besetzt. Hier wurde die Organisation des <i>hellen
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christlichen Haufens</i>, wie sich die württembergischen Insurgenten jetzt nannten,
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vollständig durchgeführt und Löhnung, Beuteverteilung und Verpflegung etc. in
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feste Regeln gebracht. Ein Fähnlein Stuttgarter unter Theus Gerber schloß sich an.</p>
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<p>Am 29. April zog Feuerbacher mit dem ganzen Haufen gegen die bei Schorndorf ins
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Württembergische eingefallenen Gaildorfer, nahm die ganze Gegend in die Verbindung auf und
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bewog dadurch die Gaildorfer zum Rückzug. Er verhinderte so, daß durch die Vermischung
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mit den rücksichtslosen Gaildorfern das revolutionäre Element in seinem Haufen, an
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dessen Spitze Rohrbach stand, eine gefährliche Verstärkung erhielt. Von Schorndorf zog
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er auf die Nachricht, daß der Truchseß heranziehe, diesem entgegen und lagerte am 1.
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Mai bei Kirchheim unter Teck.</p>
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<p>Wir haben hiermit das Entstehen und die Entwickelung des Aufstandes in demjenigen Teil
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Deutschlands geschildert, den wir als das Terrain der ersten Gruppe der Bauernhaufen betrachten
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müssen. Ehe wir auf die übrigen Gruppen (Thüringen und Hessen, Elsaß,
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Östreich und die Alpen) eingehn, müssen wir den Feldzug des Truchseß berichten,
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in dem er, anfangs allein, später unterstützt von verschiedenen Fürsten und
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Städten, diese erste Gruppe von Insurgenten vernichtete.</p>
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<p>Wir verließen den Truchseß bei Ulm, wohin er sich Ende März wandte, nachdem
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er bei Kirchheim unter Teck ein Beobachtungskorps unter Dietrich Spät zurückgelassen.
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Das Korps des Truchseß, nach Herbeiziehung der in Ulm konzentrierten bündischen
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Verstärkungen nicht ganz 10.000 Mann stark, wovon 7.200 Mann Infanterie, war das einzige zum
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Angriffskrieg gegen die Bauern disponible Heer. Die Verstärkungen kamen nur sehr langsam
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nach Ulm zusammen, teils wegen der Schwierigkeit der Werbung in insurgierten Ländern, teils
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wegen des Geldmangels der Regierungen, teils weil überall die wenigen Truppen zur Besatzung
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der Festungen und Schlösser mehr als unentbehrlich waren. Wie wenig Truppen die Fürsten
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und Städte disponibel hatten, die nicht zum Schwäbischen Bund gehörten, haben wir
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schon gesehn. Von den Erfolgen, die Georg Truchseß mit seiner Bundesarmee erfechten
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würde, hing also alles ab.</p>
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<p><b><a name="S389"><389></a></b> Der Truchseß wandte sich zuerst gegen den
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<i>Baltringer Haufen</i>, der inzwischen begonnen hatte, Schlösser und Klöster in der
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Umgehung des Ried zu verwüsten. Die Bauern, beim Herannahen der Bundestruppen
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zurückgegangen, wurden aus den Sümpfen durch Umgehung vertrieben, gingen über die
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Donau und warfen sich in die Schluchten und Wälder der Schwäbischen Alb. Hier, wo ihnen
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die Reiterei und das Geschütz, die Hauptstärke der hündischen Armee, nichts
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anhaben konnte, verfolgte sie der Truchseß nicht weiter. Er zog gegen die Leipheimer, die
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mit 5.000 Mann bei Leipheim, mit 4.000 im Mindeltal und mit 6.000 bei Illertissen standen, die
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ganze Gegend insurgierten, Klöster und Schlösser zerstörten und sich
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vorbereiteten, mit allen drei Kolonnen gegen Ulm zu ziehn. Auch hier scheint bereits einige
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Demoralisation unter den Bauern eingerissen zu sein und die militärische
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Zuverlässigkeit des Haufens vernichtet zu haben; denn Jakob Wehe suchte von vornherein mit
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dem Truchseß zu unterhandeln. Dieser aber ließ sich jetzt, wo er eine hinreichende
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Truppenmacht hinter sich hatte, auf nichts ein, sondern griff am 4. April den Haupthaufen bei
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Leipheim an und zersprengte ihn vollständig. Jakob Wehe und Ulrich Schön sowie zwei
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andere Bauernführer wurden gefangen und enthauptet; Leipheim kapitulierte, und mit einigen
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Streifzügen in der Umgegend war der ganze Bezirk unterworfen.</p>
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<p>Eine neue Rebellion der Landsknechte, durch das Verlangen der Plünderung und einer
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Extralöhnung veranlaßt, hielt den Truchseß abermals bis zum 10. April auf. Dann
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zog er südwestlich <i>gegen die Baltringer</i>, die inzwischen in seine Herrschaften
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Waldburg, Zeil und Wolfegg eingefallen waren und seine Schlösser belagerten. Auch hier fand
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er die Bauern zersplittert und schlug sie am 11. und 12. April nacheinander in einzelnen
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Gefechten, die den Baltringer Haufen ebenfalls vollständig auflösten. Der Rest zog sich
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unter dem Pfaffen Florian auf den <i>Seehaufen</i> zurück. Gegen diesen wandte sich nun der
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Truchseß. Der Seehaufen, der inzwischen nicht nur Streifzüge gemacht, sondern auch die
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Städte Buchhorn (Friedrichshafen) und Wollmatingen in die Verbrüderung gebracht hatte,
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hielt am 13. großen Kriegsrat im Kloster Salem und beschloß, dem Truchseß
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entgegenzuziehn. Sofort wurde überall Sturm geläutet, und 10.000 Mann, zu denen noch
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die geschlagenen Baltringer stießen, versammelten sich im Bermatinger Lager. Sie bestanden
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am 15. April ein günstiges Gefecht mit dem Truchseß, der seine Armee hier nicht in
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einer Entscheidungsschlacht aufs Spiel setzen wollte und vorzog zu unterhandeln, um so mehr, als
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er erfuhr, daß die Allgäuer und Hegauer ebenfalls heranrückten. Er schloß
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also am 17. April mit den Seebauern und Baltringern zu Weingarten einen für sie scheinbar
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ziemlich günstigen Vertrag, auf den die Bauern ohne Bedenken eingingen. Er brachte es ferner
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|
dahin, daß die Dele- <a name="S390"><b><390></b></a> gierten der Ober- und
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Unterallgäuer diesen Vertrag ebenfalls annahmen, und zog dann nach Württemberg ab.</p>
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<p>Die List des Truchseß rettete ihn hier vor sicherem Untergang. Hätte er nicht
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verstanden, die schwachen, beschränkten, größtenteils schon demoralisierten
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Bauern und ihre meist unfähigen, ängstlichen und bestechlichen Führer zu
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betören, so war er mit seiner kleinen Armee zwischen vier Kolonnen, zusammen mindestens
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25.000 bis 30.000 Mann stark, eingeschlossen und unbedingt verloren. Aber die bei Bauernmassen
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immer unvermeidliche Borniertheit seiner Feinde machte es ihm möglich, sich ihrer gerade in
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dem Moment zu entledigen, wo sie den ganzen Krieg, wenigstens für Schwaben und Franken, mit
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einem Schlage beendigen konnten. Die Seebauern hielten den Vertrag, mit dem sie schließlich
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natürlich geprellt wurden, so genau, daß sie später gegen ihre eignen
|
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|
Bundesgenossen, die Hegauer, die Waffen ergriffen; die Allgäuer, durch ihre Führer in
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den Verrat verwickelt, sagten sich zwar gleich davon los, aber inzwischen war der Truchseß
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aus der Gefahr.</p>
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<p>Die Hegauer, obwohl nicht in den Weingarter Vertrag eingeschlossen, gaben gleich darauf einen
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neuen Beleg von der grenzenlosen Lokalborniertheit und dem eigensinnigen Provinzialismus, der den
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ganzen Bauernkrieg zugrunde richtete. Nachdem der Truchseß vergeblich mit ihnen
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unterhandelt hatte und nach Württemberg abmarschiert war, zogen sie ihm nach und blieben ihm
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fortwährend in der Flanke; es fiel ihnen aber nicht ein, sich mit dem württembergischen
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|
hellen christlichen Haufen zu vereinigen, und zwar aus dem Grunde, weil die Württemberger
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und Neckartaler ihnen auch einmal Hülfe abgeschlagen hatten. Als daher der Truchseß
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sich weit genug von ihrer Heimat entfernt hatte, kehrten sie ruhig wieder um und zogen gegen
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Freiburg.</p>
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<p>Wir verließen die Württemberger unter Matern Feuerbacher bei Kirchheim unter Teck,
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von wo das vom Truchseß zurückgelassene Beobachtungskorps unter Dietrich Spät
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sich nach Urach zurückgezogen hatte. Nach einem vergeblichen Versuch auf Urach wandte sich
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Feuerbacher nach Nürtingen und schrieb an alle benachbarten Insurgentenhaufen um Zuzug
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für die Entscheidungsschlacht. Es kamen in der Tat sowohl aus dem württembergischen
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Unterland wie aus dem Gäu bedeutende Verstärkungen. Namentlich rückten die
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Gäubauern, die sich um die bis nach Westwürttemberg zurückgegangenen Trümmer
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der Leipheimer gesammelt und das ganze obere Neckar- und Nagoldtal bis nach Böblingen und
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Leonberg insurgiert hatten, in zwei starken Haufen heran und vereinigten sich am 5. Mai in
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Nürtingen mit Feuerbacher. Bei Böblingen stieß der Truchseß auf die
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vereinigten Haufen. Ihre Zahl, ihr Geschütz und ihre Stellung machten ihn stutzig; er fing
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nach seiner üblichen <a name="S391"><b><391></b></a> Methode sofort Unterhandlungen an
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und schloß einen Waffenstillstand mit den Bauern. Kaum hatte er sie hierdurch sicher
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|
gemacht, so überfiel er sie am 12. Mai <i>während des Waffenstillstandes</i> und zwang
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sie zu einer Entscheidungsschlacht. Die Bauern leisteten langen und tapferen Widerstand, bis
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endlich Böblingen dem Truchseß durch den Verrat der Bürgerschaft überliefert
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wurde. Der linke Flügel der Bauern war hiermit seines Stützpunktes beraubt, wurde
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geworfen und umgangen. Hierdurch war die Schlacht entschieden. Die undisziplinierten Bauern
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gerieten in Unordnung und bald in wilde Flucht; was nicht von den bündischen Reitern
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niedergemacht oder gefangen wurde, warf die Waffen weg und eilte nach Hause. Der "helle
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christliche Haufen", und mit ihm die ganze württembergische Insurrektion, war
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vollständig aufgelöst. Theus Gerber entkam nach Eßlingen, Feuerbacher floh nach
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der Schweiz, Jäcklein Rohrbach wurde gefangen und in Ketten bis Neckargartach mitgeschleppt,
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|
wo ihn der Truchseß an einen Pfahl ketten, ringsherum Holz aufschichten und so bei
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langsamem Feuer lebendig braten ließ, während er selbst, mit seinen Rittern zechend,
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||
|
sich an diesem ritterlichen Schauspiel weidete.</p>
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<p>Von Neckargartach aus unterstützte der Truchseß durch einen Einfall in den
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Kraichgau die Operationen des Kurfürsten von der Pfalz. Dieser, der inzwischen Truppen
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gesammelt, brach auf die Nachricht von den Erfolgen des Truchseß sofort den Vertrag mit den
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Bauern, überfiel am 23. Mai den Bruchrain, nahm und verbrannte Malsch nach heftigem
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Widerstande, plünderte eine Anzahl von Dörfern und besetzte Bruchsal. Zu gleicher Zeit
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überfiel der Truchseß Eppingen und nahm den dortigen Chef der Bewegung, Anton
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Eisenhut, gefangen, den der Kurfürst nebst einem Dutzend anderer Bauernführer sogleich
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hinrichten ließ. Der Bruchrain und Kraichgau waren hiermit pazifiziert und mußten
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gegen 40.000 Gulden Brandschatzung zahlen. Die beiden Heere des Truchsessen - auf 6.000 Mann
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reduziert durch die bisherigen Schlachten - und des Kurfürsten (6.500 Mann) vereinigten sich
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nun und zogen den Odenwäldern entgegen.</p>
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<p>Die Nachricht von der Böblinger Niederlage hatte überall Schrecken unter den
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Insurgenten verbreitet. Die freien Reichsstädte, soweit sie unter die drückende Hand
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der Bauern geraten waren, atmeten plötzlich wieder auf. Heilbronn war die erste, die zur
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Versöhnung mit dem Schwäbischen Bund Schritte tat. In Heilbronn saßen die
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Bauernkanzlei und die Delegierten der verschiedenen Haufen, um die Anträge zu beraten, die
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im Namen sämtlicher Insurgierten Bauern an Kaiser und Reich gestellt werden sollten. In
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diesen Verhandlungen, die ein allgemeines, für ganz Deutschland gültiges Resultat haben
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sollten, stellte sich abermals heraus, wie kein einzelner Stand, auch der der Bauern nicht, weit
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genug entwickelt war, um von seinem Standpunkt aus <a name="S392"><b><392></b></a> die
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gesamten deutschen Zustände neu zu gestalten. Es zeigte sich sogleich, daß man zu
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diesem Zweck den Adel und ganz besonders die Bürgerschaft gewinnen mußte. <i>Wendel
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Hipler</i> bekam hiermit die Leitung der Verhandlungen in seine Hände. Wendel Hipler
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erkannte von allen Führern der Bewegung die bestehenden Verhältnisse am richtigsten. Er
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war kein weitgreifender Revolutionär wie Münzer, kein Repräsentant der Bauern wie
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Metzler oder Rohrbach. Seine vielseitige Erfahrung, seine praktische Kenntnis der Stellung der
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einzelnen Stände gegeneinander verhinderte ihn, einen der in der Bewegung verwickelten
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Stände gegen die andern ausschließlich zu vertreten. Gerade wie Münzer, als
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Repräsentant der ganz außer dem bisherigen offiziellen Gesellschaftsverband stehenden
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Klasse, der Anfänge des Proletariats, zur Vorahnung des Kommunismus getrieben wurde,
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geradeso kam Wendel Hipler, der Repräsentant sozusagen des Durchschnitts aller progressiven
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Elemente der Nation, bei der Vorahnung der <i>modernen bürgerlichen Gesellschaft</i> an. Die
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Grundsätze, die er vertrat, die Forderungen, die er aufstellte, waren zwar nicht das
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unmittelbar Mögliche, sie waren aber das, etwas idealisierte, notwendige Resultat der
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bestehenden Auflösung der feudalen Gesellschaft; und die Bauern, sobald sie sich darangaben,
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für das ganze Reich Gesetzentwürfe zu machen, waren genötigt, darauf einzugehn. So
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nahm die Zentralisation, die von den Bauern gefordert wurde, hier in Heilbronn eine positivere
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Gestalt an, eine Gestalt, die von der Vorstellung der Bauern über sie indes himmelweit
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verschieden war. So wurde sie z.B. in der Herstellung der Einheit von Münze, Maß und
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Gewicht, in der Aufhebung der inneren Zölle etc. näher bestimmt, kurz, in Forderungen,
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die weit mehr im Interesse der Städtebürger als der Bauern waren. So wurden dem Adel
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Konzessionen gemacht, die sich den modernen Ablösungen bedeutend nähern und die auf die
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schließliche Verwandlung des feudalen Grundbesitzes in bürgerlichen hinausliefen.
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Kurz, sobald die Forderungen der Bauern zu einer "Reichsreform" zusammengefaßt wurden,
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mußten sie sich nicht den momentanen Forderungen, aber den definitiven Interessen der
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Bürger unterordnen.</p>
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<p>Während diese Reichsreform in Heilbronn noch debattiert wurde, reiste der Verfasser der
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"Deklaration der zwölf Artikel", Hans Berlin, schon dem Truchseß entgegen, um im Namen
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der Ehrbarkeit und Bürgerschaft wegen Übergabe der Stadt zu unterhandeln.
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Reaktionäre Bewegungen in der Stadt unterstützten den Verrat, und Wendel Hipler
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mußte mit den Bauern fliehen. Er ging nach Weinsberg, wo er die Trümmer der
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Württemberger und die wenige mobile Mannschaft der Gaildorfer zu sammeln suchte. Aber das
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Herannahen des Kurfürsten von der Pfalz und des Truchseß vertrieb ihn auch von hier,
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und so mußte er nach Würzburg gehn, um den hellen lichten Haufen <a name=
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"S393"><b><393></b></a> in Bewegung zu bringen. Die bündischen und kurfürstlichen
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Truppen unterwarfen indes die ganze Neckargegend, zwangen die Bauern, neu zu huldigen,
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verbrannten viele Dörfer und erstachen oder hängten alle flüchtigen Bauern, deren
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sie habhaft wurden. Weinsberg wurde, zur Rache für die Hinrichtung des Helfensteiners,
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niedergebrannt.</p>
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<p>Die vor Würzburg vereinigten Haufen hatten inzwischen den Frauenberg belagert und am 15.
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Mai, noch ehe die Bresche geschossen war, einen tapfern, aber vergeblichen Sturm auf die Festung
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versucht. 400 der besten Leute, meist von Florian Geyers Schar, blieben in den Gräben tot
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oder verwundet liegen. Zwei Tage später, am 17., kam Wendel Hipler an und ließ einen
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Kriegsrat halten. Er schlug vor, nur 4.000 Mann vor dem Frauenberg zu lassen und mit der ganzen,
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an 20.000 Mann starken Hauptmacht unter den Augen des Truchseß bei Krautheim an der Jagst
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ein Lager zu beziehen, auf das sich alle Verstärkungen konzentrieren könnten. Der Plan
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war vortrefflich; nur durch Zusammenhalten der Massen und durch Überzahl konnte man hoffen,
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das jetzt an 13.000 Mann starke fürstliche Heer zu schlagen. Aber schon war die
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Demoralisation und Entmutigung unter den Bauern zu groß geworden, um noch irgendeine
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energische Aktion zuzulassen. Götz von Berlichingen, der bald darauf offen als Verräter
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auftrat, mag auch dazu beigetragen haben, den Haufen hinzuhalten, und so wurde der Hiplersche
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Plan nie ausgeführt. Statt dessen wurden die Haufen, wie immer, zersplittert. Erst am 23.
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Mai setzte sich der helle lichte Haufen in Bewegung, nachdem die Franken versprochen hatten,
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schleunigst zu folgen. Am 26. wurden die in Würzburg lagernden
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markgräflich-ansbachschen Fähnlein heimgerufen durch die Nachricht, daß der
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Markgraf die Feindseligkeiten gegen die Bauern eröffnet habe. Der Rest des Belagerungsheers,
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nebst Florian Geyers Schwarzer Schar, nahm Position bei Heidingsfeld, nicht weit von
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Würzburg.</p>
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<p>Der helle lichte Haufen kam am 24. Mai in Krautheim an, in einem wenig schlagfertigen Zustand.
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Hier hörten viele, daß ihre Dörfer inzwischen dem Truchseß gehuldigt
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hatten, und nahmen dies zum Vorwand, um nach Hause zu gehn. Der Haufe zog weiter nach Neckarsulm
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und unterhandelte am 28. mit dem Truchseß. Zugleich wurden Boten an die Franken,
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Elsässer und Schwarzwald-Hegauer mit der Aufforderung zu schleunigem Zuzug geschickt. Von
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Neckarsulm marschierte Götz [von Berlichingen] auf Öhringen zurück. Der Haufe
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schmolz täglich zusammen; auch Götz von Berlichingen verschwand während des
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Marsches; er war heimgeritten, nachdem er schon früher durch seinen alten
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Waffengefährten Dietrich Spät mit dem Truchseß wegen seines Übertritts
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unterhandelt hatte. Bei Öhringen, infolge falscher Nachrichten über das Herannahen des
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Feindes, ergriff plötzlich ein panischer <a name="S394"><b><394></b></a> Schreck die
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rat- und mutlose Masse; der Haufen lief in voller Unordnung auseinander, und nur mit Mühe
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konnten Metzler und Wendel Hipler etwa 2.000 Mann zusammenhalten, die sie wieder auf Krautheim
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führten. Inzwischen war das fränkische Aufgebot, 5.000 Mann stark, herangekommen, aber
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durch einen von Götz offenbar in verräterischer Absicht angeordneten Seitenmarsch
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über Löwenstein nach Öhringen verfehlte es den hellen Haufen und zog auf
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Neckarsulm. Dies Städtchen, von einigen Fähnlein des hellen lichten Haufens besetzt,
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wurde vom Truchseß belagert. Die Franken kamen in der Nacht an und sahen die Feuer des
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bündischen Lagers; aber ihre Führer hatten nicht den Mut, einen Überfall zu wagen,
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und zogen sich nach Krautheim zurück, wo sie endlich den Rest des hellen lichten Haufens
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fanden. Neckarsulm ergab sich, als kein Entsatz kam, am 29. an die Bündischen, der
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Truchseß ließ sofort dreizehn Bauern hinrichten und zog dann sengend und brennend,
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plündernd und mordend den Haufen entgegen. Im ganzen Neckar-, Kocher- und Jagsttal
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bezeichneten Schutthaufen und an den Bäumen aufgehängte Bauern seinen Weg.</p>
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<p>Bei Krautheim stieß das bündische Heer auf die Bauern, die sich, durch eine
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Flankenbewegung des Truchseß gezwungen, auf Königshofen an der Tauber
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zurückgezogen. Hier faßten sie, 8.000 Mann mit 32 Kanonen, Position. Der
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Truchseß näherte sich ihnen hinter Hügeln und Wäldern versteckt, ließ
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Umgehungskolonnen vorrücken und überfiel sie am 2. Juni mit solcher Übermacht und
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Energie, daß sie trotz der hartnäckigsten, bis in die Nacht fortgesetzten Gegenwehr
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mehrerer Kolonnen vollständig geschlagen und aufgelöst wurden. Wie immer, trug auch
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hier die bündische Reiterei, "der Bauern Tod", hauptsächlich zur Vernichtung des
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Insurgentenheers bei, indem sie sich auf die durch Artillerie, Büchsenfeuer und
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Lanzenangriffe erschütterten Bauern warf, sie vollständig zersprengte und einzeln
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niedermachte. Welche Art von Krieg der Truchseß mit seinen Reitern führte, beweist das
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Schicksal der 300 Königshofener Bürger, die beim Bauernheer waren. Sie wurden
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während der Schlacht bis auf fünfzehn niedergehauen, und von diesen fünfzehn
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wurden nachträglich noch vier enthauptet.</p>
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<p>Nachdem er so mit den Odenwäldern, Neckartalern und Niederfranken fertig geworden,
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pazifizierte der Truchseß durch Streifzüge, Verbrennung ganzer Dörfer und
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zahllose Hinrichtungen die ganze Umgegend und zog dann gegen Würzburg. Unterwegs erfuhr er,
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daß der zweite fränkische Haufe unter Florian Geyer und Gregor von Burgbernheim bei
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Sulzdorf stand, und sofort wandte er sich gegen diesen.</p>
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<p>Florian Geyer, der seit dem vergeblichen Sturm auf den Frauenberg hauptsächlich mit den
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Fürsten und Städten, namentlich mit Rothenburg und <a name=
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"S395"><b><395></b></a> dem Markgrafen Kasimir von Ansbach, wegen ihres Beitritts zur
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Bauernverbrüderung unterhandelt hatte, wurde durch die Nachricht der Königshofener
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Niederlage plötzlich abgerufen. Mit seinem Haufen vereinigte sich der ansbachsche unter
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Gregor von Burgbernheim. Dieser Haufe hatte sich erst neuerdings gebildet. Der Markgraf Kasimir
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hatte in echt hohenzollerscher Weise den Bauernaufstand in seinem Gebiet teils durch
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Versprechungen, teils durch drohende Truppenmassen im Schach zu halten gewußt. Er hielt
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vollständige Neutralität gegen alle fremden Haufen, solange sie keine ansbachschen
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Untertanen an sich zogen. Er suchte den Haß der Bauern hauptsächlich auf die
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geistlichen Stifter zu lenken, durch deren schließliche Konfiskation er sich zu bereichern
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gedachte. Dabei rüstete er fortwährend und wartete die Ereignisse ab. Kaum war die
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Nachricht von der Schlacht bei Böblingen eingetroffen, als er sofort die Feindseligkeiten
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gegen seine rebellischen Bauern eröffnete, ihnen die Dörfer plünderte und
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verbrannte und viele von ihnen hängen und niedermachen ließ. Die Bauern jedoch zogen
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sich rasch zusammen und schlugen ihn, unter Gregor von Burgbernheim, am 29. Mai bei Windsheim.
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|
Während sie ihn noch verfolgten, erreichte sie der Ruf der bedrängten Odenwälder,
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|
und sofort wandten sie sich nach Heidingsfeld und von dort mit Florian Geyer wieder nach
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|
Würzburg (2. Juni). Hier ließen sie, stets ohne Nachricht von den Odenwäldern,
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|
5.000 Bauern zurück und zogen mit 4.000 Mann - der Rest war auseinandergelaufen - den
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übrigen nach. Durch falsche Nachrichten über den Ausfall der Schlacht bei
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Königshofen sicher gemacht, wurden sie bei <i>Sulzdorf</i> vom Truchseß
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überfallen und total geschlagen. Wie gewöhnlich richteten die Reiter und Knechte des
|
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|
Truchsessen ein furchtbares Blutbad an. Florian Geyer hielt den Rest seiner Schwarzen Schar, 600
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||
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Mann, zusammen und schlug sich durch nach dem Dorf Ingolstadt. 200 Mann besetzten die Kirche und
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||
|
den Kirchhof, 400 das Schloß. Die Pfälzer hatten ihn verfolgt, eine Kolonne von 1.200
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||
|
Mann nahm das Dorf und zündete die Kirche an; was nicht in den Flammen unterging, wurde
|
||
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niedergemacht. Dann schossen die Pfälzer Bresche in die baufällige Mauer des Schlosses
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und versuchten den Sturm. Zweimal von den Bauern, die hinter einer inneren Mauer gedeckt standen,
|
||
|
zurückgeschlagen, schossen sie auch diese zweite Mauer zusammen und versuchten dann den
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|
dritten Sturm, der auch gelang. Die Hälfte von Geyers Leuten wurde zusammengehauen; mit den
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|
letzten zweihundert entkam er glücklich. Aber sein Zufluchtsort wurde schon am nächsten
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||
|
Tage (Pfingstmontag) entdeckt; die Pfälzer umzingelten den Wald, in dem er versteckt lag,
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||
|
und hieben den ganzen Haufen nieder. Nur 17 Gefangene wurden während dieser zwei Tage
|
||
|
gemacht. Florian Geyer hatte sich mit wenigen der Entschlossensten wieder durchgeschlagen und
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<a name="S396"><b><396></b></a> wandte sich nun zu den Gaildorfern, die wieder an 7.000
|
||
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Mann stark zusammengetreten waren. Aber als er hinkam, fand er sie, infolge der niederschlagenden
|
||
|
Nachrichten von allen Seiten, größtenteils wieder aufgelöst. Er machte noch den
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||
|
Versuch, die Versprengten in den Wäldern zu sammeln, wurde aber am 9. Juni bei Hall von
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|
Truppen überrascht und fiel fechtend.</p>
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<p>Der Truchseß, der schon gleich nach dem Sieg von Königshofen den Belagerten auf dem
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|
Frauenberg Nachricht gegeben hatte, rückte nun auf Würzburg. Der Rat verständigte
|
||
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sich heimlich mit ihm, so daß das bündische Heer in der Nacht des 7. Juni die Stadt
|
||
|
nebst den darin befindlichen 5.000 Bauern umzingeln und am nächsten Morgen in die vom Rat
|
||
|
geöffneten Tore ohne Schwertstreich einziehen konnte. Durch diesen Verrat der
|
||
|
Würzburger "Ehrbarkeit" wurde der letzte fränkische Bauernhaufe entwaffnet und
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||
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sämtliche Führer gefangen. Der Truchseß ließ sogleich 81 enthaupten. Hier
|
||
|
in Würzburg trafen nun nacheinander die verschiedenen fränkischen Fürsten ein; der
|
||
|
Bischof von Würzburg selbst, der von Bamberg und der Markgraf von Brandenburg-Ansbach. Die
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|
gnädigen Herren verteilten unter sich die Rollen. Der Truchseß zog mit dem Bischof von
|
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|
Bamberg, der jetzt sofort den mit seinen Bauern abgeschlossenen Vertrag brach und sein Land den
|
||
|
wütenden Mordbrennerhorden des bündischen Heeres preisgab. Der Markgraf Kasimir
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||
|
verwüstete sein eigenes Land. Deiningen wurde verbrannt; zahllose Dörfer wurden
|
||
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geplündert oder den Flammen preisgegeben; dabei hielt der Markgraf in jeder Stadt ein
|
||
|
Blutgericht ab. In Neustadt an der Aisch ließ er achtzehn, in Bergel dreiundvierzig
|
||
|
Rebellen enthaupten. Von da zog er nach Rothenburg, wo die Ehrbarkeit bereits eine
|
||
|
Kontrerevolution gemacht und Stephan von Menzingen verhaftet hatte. Die Rothenburger
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||
|
Kleinbürger und Plebejer mußten jetzt schwer dafür büßen, daß
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sie sich den Bauern gegenüber so zweideutig benommen, daß sie ihnen bis ganz zuletzt
|
||
|
alle Hülfe abgeschlagen, daß sie in ihrem lokalbornierten Eigennutz auf
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Unterdrückung der ländlichen Gewerbe zugunsten der städtischen Zünfte
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bestanden und nur widerwillig die aus den Feudalleistungen der Bauern fließenden
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städtischen Einkünfte aufgegeben hatten. Der Markgraf ließ ihrer sechzehn
|
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köpfen, voran natürlich Menzingen. - Der Bischof von Würzburg durchzog in gleicher
|
||
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Weise sein Gebiet, überall plündernd, verwüstend und sengend. Er ließ auf
|
||
|
seinem Siegeszug 256 Rebellen hinrichten und krönte sein Werk, bei seiner Rückkehr nach
|
||
|
Würzburg, durch die Enthauptung von noch dreizehn Würzburgern.</p>
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<p>Im Mainzischen stellte der Statthalter, Bischof Wilhelm von Straßburg, die Ruhe ohne
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Widerstand her. Er ließ nur vier hinrichten. Der Rheingau, der ebenfalls erregt gewesen, wo
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aber längst alles nach Hause gegangen war, wurde nachträglich von Frowin von Hutten,
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Ulrichs Vetter, überfallen und durch <a name="S397"><b><397></b></a> Hinrichtung von
|
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zwölf Rädelsführern vollends "beruhigt". Frankfurt, das auch bedeutende
|
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|
revolutionäre Bewegungen erlebt hatte, war anfangs durch Nachgiebigkeit des Rats,
|
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|
später durch angeworbene Truppen im Zaum gehalten worden. In der Rheinpfalz hatten sich seit
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||
|
dem Vertragsbruch des Kurfürsten wieder an 8.000 Bauern zusammengerottet und von neuem
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Klöster und Schlösser verbrannt; aber der Trierer Erzbischof zog den Marschall von
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Habern zu Hülfe und schlug sie schon am 23. Mai bei Pfeddersheim. Eine Reihe von
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|
Grausamkeiten (in Pfeddersheim allein wurden 82 hingerichtet) und die Einnahme von
|
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|
Weißenberg am 7. Juli beendeten hier den Aufstand.</p>
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<p>Von sämtlichen Haufen blieben jetzt nur noch zwei zu besiegen: die
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Hegeu-Schwarzwälder und die Allgäuer. Mit beiden hatte der Erzherzog Ferdinand
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intrigiert. Wie Markgraf Kasimir und andere Fürsten den Aufstand zur Aneignung der
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geistlichen Ländereien und Fürstentümer, so suchte er ihn zur
|
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Vergrößerung der östreichischen Hausmacht zu benutzen. Er hatte mit dem
|
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|
Allgäuer Hauptmann Walter Bach und mit dem Hegauer Hans Müller von Bulgenbach
|
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unterhandelt, um die Bauern dahin zu bringen, sich für den Anschluß an Östreich
|
||
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zu erklären, aber obwohl beide Chefs käuflich waren, konnten sie bei den Haufen weiter
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|
nichts durchsetzen, als daß die Allgäuer mit dem Erzherzog einen Waffenstillstand
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|
schlossen und die Neutralität gegen Östreich beobachteten.</p>
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<p>Die <i>Hegauer</i> hatten auf ihrem Rückzug aus dem Württembergischen eine Anzahl
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Schlösser zerstört und Verstärkungen aus den markgräflich-badischen
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Ländern an sich gezogen. Sie marschierten am 13. Mai gegen Freiburg, beschossen es vom 18.
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|
an und zogen am 23., nachdem die Stadt kapituliert hatte, mit fliegenden Fahnen hinein. Von dort
|
||
|
zogen sie gegen Stockach und Radolfzell und führten lange einen erfolglosen kleinen Krieg
|
||
|
gegen die Besatzungen dieser Städte. Diese, sowie der Adel und die umliegenden Städte,
|
||
|
riefen kraft des Weingarter Vertrags die Seebauern um Hülfe an, und die ehemaligen Rebellen
|
||
|
des Seehaufens erhoben sich, 5.000 Mann stark, gegen ihre Bundesgenossen. So stark war die
|
||
|
Lokalborniertheit dieser Bauern. Nur 600 weigerten sich, wollten sich den Hegauern
|
||
|
anschließen und wurden massakriert. Die Hegauer jedoch, durch den abgekauften Hans
|
||
|
Müller von Bulgenbach veranlaßt, hatten bereits die Belagerung aufgehoben und waren,
|
||
|
als Hans Müller gleich darauf floh, meist auseinandergegangen. Der Rest verschanzte sich an
|
||
|
der Hilzinger Steige, wo er am 16. Juli von den inzwischen disponibel gewordenen Truppen
|
||
|
geschlagen und vernichtet wurde. Die Schweizer Städte vermittelten einen Vertrag für
|
||
|
die Hegauer, der indes nicht verhinderte, daß Hans Müller trotz seines Verrats zu
|
||
|
Laufenburg verhaftet und enthauptet wurde. Im Breisgau fiel nun auch Freiburg (17. Juli) vom
|
||
|
Bunde der Bauern <a name="S398"><b><398></b></a> ab und schickte Truppen gegen sie; doch
|
||
|
auch hier kam bei der Schwäche der fürstlichen Streitkräfte am 18. September ein
|
||
|
Vertrag zu Offenburg zustande, in den auch der Sundgau eingeschlossen wurde. Die acht Einungen
|
||
|
des Schwarzwalds und die Klettgauer, die noch nicht entwaffnet waren, wurden durch die Tyrannei
|
||
|
des Grafen von Sulz abermals zum Aufstand getrieben und im Oktober geschlagen. Am 13. November
|
||
|
wurden die Schwarzwälder zu einem Vertrag gezwungen, und am 6. Dezember fiel Waldshut, das
|
||
|
letzte Bollwerk der Insurrektion am Oberrhein.</p>
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||
|
<p>Die <i>Allgäuer</i> hatten seit dem Abzug des Truchseß ihre Kampagne gegen
|
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Klöster und Schlösser wieder aufgenommen und für die Verwüstungen der
|
||
|
Bündischen energische Repressalien geübt. Sie hatten wenig Truppen sich gegenüber,
|
||
|
die nur einzelne kleine Überfälle unternahmen, ihnen aber nie in die Wälder folgen
|
||
|
konnten. Im Juni brach in Memmingen, das sich ziemlich neutral gehalten hatte, eine Bewegung
|
||
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gegen die Ehrbarkeit aus, die nur durch die zufällige Nähe einiger bündischen
|
||
|
Truppen, welche der Ehrbarkeit noch zur rechten Zeit zu Hülfe kommen konnten,
|
||
|
unterdrückt wurde. Schappeler, der Prediger und Führer der plebejischen Bewegung,
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||
|
entkam nach Sankt Gallen. Die Bauern zogen nun vor die Stadt und wollten eben mit dem
|
||
|
Brescheschießen beginnen, als sie erfuhren, daß der Truchseß von Würzburg
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||
|
heranzog. Am 27. Juli marschierten sie ihm in zwei Kolonnen über Babenhausen und
|
||
|
Obergünzburg entgegen. Der Erzherzog Ferdinand versuchte nochmals die Bauern für das
|
||
|
Haus Östreich zu gewinnen. Gestützt auf den Waffenstillstand, den er mit ihnen
|
||
|
abgeschlossen, forderte er den Truchseß auf, nicht weiter gegen sie vorzurücken. Der
|
||
|
Schwäbische Bund jedoch befahl ihm, sie anzugreifen und nur das Sengen und Brennen zu
|
||
|
lassen; der Truchseß war indes viel zu klug, um auf sein erstes und entscheidendstes
|
||
|
Kriegsmittel zu verzichten, selbst wenn es ihm möglich gewesen wäre, die vom Bodensee
|
||
|
bis an den Main von Exzeß zu Exzeß geführten Landsknechte im Zaum zu halten. Die
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||
|
Bauern faßten Position hinter der Iller und Leubas, an 23.000 Mann stark. Der
|
||
|
Truchseß stand ihrer Front gegenüber mit 11.000 Mann. Die Stellungen beider Heere
|
||
|
waren stark; die Reiterei konnte auf dem vorliegenden Terrain nicht wirken, und wenn die
|
||
|
Landsknechte des Truchseß an Organisation, militärischen Hülfsquellen und
|
||
|
Disziplin den Bauern überlegen waren, so zählten die Allgäuer eine Menge gedienter
|
||
|
Soldaten und erfahrener Hauptleute in ihren Reihen und hatten zahlreiches, gut bedientes
|
||
|
Geschütz. Am 19. Juli eröffneten die Bündischen eine Kanonade, die von beiden
|
||
|
Seiten am 20. fortgesetzt wurde, jedoch ohne Resultat. Am 21. stieß Georg von Frundsberg
|
||
|
mit 3.000 Landsknechten zum Truchseß. Er kannte viele der Bauernhauptleute, die unter ihm
|
||
|
in den italienischen Feldzügen gedient hatten, und <a name="S399"><b><399></b></a>
|
||
|
knüpfte Unterhandlungen mit ihnen an. Der Verrat gelang, wo die militärischen
|
||
|
Hülfsmittel nicht ausreichten. Walter Bach, mehrere andere Hauptleute und
|
||
|
Geschützmeister ließen sich kaufen. Sie ließen den ganzen Pulvervorrat der
|
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|
Bauern in Brand stecken und bewegten den Haufen zu einem Umgehungsversuch. Kaum aber waren die
|
||
|
Bauern aus ihrer festen Stellung heraus, so fielen sie in den Hinterhalt, den ihnen der
|
||
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Truchseß nach Verabredung mit Bach und den anderen Verrätern gelegt hatte. Sie konnten
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||
|
sich um so weniger verteidigen, als ihre Hauptleute, die Verräter, sie unter dem Vorwand
|
||
|
einer Rekognoszierung verlassen hatten und schon auf dem Wege nach der Schweiz waren. Zwei der
|
||
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Bauernkolonnen wurden so vollständig zersprengt, die dritte, unter dem Knopf von Leubas,
|
||
|
konnte sich noch geordnet zurückziehen. Sie stellte sich wieder auf dem Kollenberg bei
|
||
|
Kempten, wo der Truchseß sie einschloß. Auch hier wagte er nicht, sie anzugreifen; er
|
||
|
schnitt ihr die Zufuhr ab und suchte sie zu demoralisieren, indem er an 200 Dörfer in der
|
||
|
Umgegend niederbrennen ließ. Der Hunger und der Anblick ihrer brennenden Wohnungen brachte
|
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die Bauern endlich dahin, daß sie sich ergaben (25. Juli). Mehr als zwanzig wurden sogleich
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hingerichtet. Der Knopf von Leubas, der einzige Führer dieses Haufens, der seine Fahne nicht
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verraten hatte, entkam nach Bregenz; aber hier wurde er verhaftet und nach langem Gefängnis
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gehängt.</p>
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<p>Damit war der schwäbisch-fränkische Bauernkrieg beendet.</p>
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