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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<TITLE>Karl Marx - Der Buergerkrieg in den Vereinigten Staaten</TITLE>
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</I><P ALIGN="CENTER"><A HREF="../me_ak61.htm"><FONT SIZE=2>Inhaltsverzeichnis Artikel und Korrespondenzen 1861</FONT></A></P>
<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 15, 4. Auflage 1972, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 93-347.</P>
<P>1. Korrektur<BR>
Erstellt am 20.09.1998</P>
</FONT><H2>Karl Marx </H2>
<H1>Der B&uuml;rgerkrieg in den Vereinigten Staaten </H1>
<FONT SIZE=2><P>Geschrieben Ende Oktober 1861.<BR>
Aus dem Englischen.</P>
</FONT><P ALIGN="CENTER"><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["Die Presse" Nr. 306 vom 7. November 186l] </P>
</FONT><B><P><A NAME="S339">&lt;339&gt;</A></B> "La&szlig; ihn laufen, er ist Deines Zorns nicht wert!" Diesen Rat Leporellos an die verla&szlig;ne Geliebte Don Juans ruft englische Staatsweisheit neulich - noch durch den Mund Lord John Russells - wieder und wieder dem Norden der Vereinigten Staaten zu. L&auml;&szlig;t der Norden den S&uuml;den laufen, so befreit er sich von aller Verquickung mit der Sklaverei, von seiner geschichtlichen Erbs&uuml;nde und schafft die Grundlage einer neuen und h&ouml;heren Entwicklung. </P>
<P>In der Tat, wenn Nord und S&uuml;d zwei selbst&auml;ndige L&auml;nder bildeten, wie etwa England und Hannover, so w&auml;re ihre Trennung nicht schwieriger, als die Trennung von England und Hannover war.<I> "Der S&uuml;den"</I> jedoch ist weder ein geographisch vom Norden fest geschiedenes Gebiet, noch eine moralische Einheit. Er ist &uuml;berhaupt kein Land, sondern eine Schlachtparole. </P>
<P>Der Rat einer g&uuml;tlichen Scheidung setzt voraus, da&szlig; die s&uuml;dliche Konf&ouml;deration, obgleich sie die Offensive zum B&uuml;rgerkrieg ergriff, ihn wenigstens zu defensiven Zwecken f&uuml;hrt. Man glaubt, es handle sich f&uuml;r die Sklavenhalterpartei nur darum, die Gebiete ihrer bisherigen Herrschaft zu einer selbst&auml;ndigen Staatengruppe zu vereinigen und der Oberhoheit der Union zu entziehen. Nichts kann falscher sein. "<I>Der S&uuml;den braucht sein ganzes Territorium.</I> Er will und mu&szlig; es haben." Mit diesem Schlachtruf &uuml;berfielen die Sezessionisten Kentucky. Unter ihrem "ganzen Territorium" verstehen sie zun&auml;chst s&auml;mtliche sogenannte<I> Grenzstaaten</I> (border states), Delaware, Maryland, Virginia, North-Carolina, Kentucky, Tennessee, Missouri und Arkansas. Au&szlig;erdem beanspruchen sie das ganze Territorium s&uuml;dlich von der Linie, die vom nordwestlichen Winkel Missouris bis zum Stillen Ozean l&auml;uft. Was die Sklavenhalter also "den S&uuml;den" nennen, umfa&szlig;t mehr als drei Viertel des bisherigen Gebiets der Union. Ein gro&szlig;er <A NAME="S340"><B>&lt;340&gt;</A></B> Teil des so beanspruchten Gebiets befindet sich noch im Besitz der Union und m&uuml;&szlig;te ihr erst aberobert werden. S&auml;mtliche sogenannte Grenzstaaten aber, auch die im Besitz der Konf&ouml;deration befindlichen, waren nie<I> eigentliche Sklavenstaaten</I>. Sie bilden vielmehr das Gebiet der Vereinigten Staaten, worin das System der Sklaverei und das System der freien Arbeit nebeneinander existieren und um die Herrschaft streiten, das eigentliche Schlachtfeld zwischen S&uuml;d und Nord, zwischen Sklaverei und Freiheit. Der Krieg der s&uuml;dlichen Konf&ouml;deration ist also kein Verteidigungskrieg, sondern ein Eroberungskrieg, ein Eroberungskrieg zur Ausbreitung und Verewigung der Sklaverei. </P>
<P>Die Bergkette, die in Alabama beginnt und nach Norden bis zum Hudsonflu&szlig; reicht - gewisserma&szlig;en die Wirbels&auml;ule der Vereinigten Staaten - zerschneidet den sogenannten S&uuml;den in drei St&uuml;cke. Das Gebirgsland, gebildet durch das Alleghany-Gebirge mit seinen zwei Parallelketten, der Cumberland Range im Westen und den Blue Mountains im Osten, trennt keilm&auml;&szlig;ig die Tiefebenen an der Westk&uuml;ste des Atlantischen Ozeans von den Tiefebenen in den s&uuml;dlichen T&auml;lern des Mississippi. Die beiden durch das Gebirgsland geschiedenen Tiefebenen, mit ihren ungeheuren Reismor&auml;sten und weit ausgedehnten Baumwollpflanzungen, sind das eigentliche Areal der Sklaverei. Der lange, bis in das Herz der Sklaverei vorgeschobene Keil von Gebirgsland mit entsprechend freier Atmosph&auml;re, einem lebensfrischen Klima und einem Boden, reich an Kohle, Salz, Kalkstein, Eisenerz, Gold, kurz jedem zur vielseitigsten industriellen Entwicklung n&ouml;tigen Rohmaterial, ist schon jetzt zum gr&ouml;&szlig;ten Teil freies Land. Seiner physischen Beschaffenheit nach kann der Boden hier nur durch freie Parzellenbauern mit Erfolg bebaut werden. Das Sklavensystem vegetiert hier nur sporadisch und schlug nie Wurzeln. Aus den Bewohnern dieser Hochlande besteht in dem gr&ouml;&szlig;ten Teil der sogenannten Grenzstaaten der Kern der freien Bev&ouml;lkerung, die schon im Interesse der Selbsterhaltung f&uuml;r den Norden Partei ergreift. </P>
<P>Betrachten wir das streitige Gebiet im einzelnen. </P>
<I><P>Delaware</I>, der nord&ouml;stlichste der Grenzstaaten, befindet sich faktisch und moralisch im Besitz der Union. Alle Versuche der Sezessionisten zur Bildung auch nur einer ihnen g&uuml;nstigen Parteifraktion sind vom Beginn des Krieges an der Einstimmigkeit der Bev&ouml;lkerung gescheitert. Das Sklavenelement dieses Staates war seit lange im Aussterben begriffen. Von 1850 bis 1860 allein verminderte sich die Sklavenzahl um die H&auml;lfte, so da&szlig; Delaware auf eine Gesamtbev&ouml;lkerung von 112.218 jetzt nur noch 1.798 Sklaven z&auml;hlt. Trotzdem wird Delaware von der s&uuml;dlichen Konf&ouml;de- <A NAME="S341"><B>&lt;341&gt;</A></B> ration herausverlangt und w&auml;re in der Tat f&uuml;r den Norden milit&auml;risch unhaltbar, sobald sich der S&uuml;den Marylands bem&auml;chtigt h&auml;tte. </P>
<P>In<I> Maryland</I> selbst findet der obenerw&auml;hnte Konflikt zwischen Hochland und Flachland statt. Auf eine Gesamtbev&ouml;lkerung von 687.034 kommen hier 87.188 Sklaven. Da&szlig; die weit &uuml;berwiegende Mehrzahl des Volkes mit der Union geht, haben die j&uuml;ngsten allgemeinen Wahlen zum Kongre&szlig; in Washington wieder schlagend bewiesen. Die Armee von 30.000 Unionstruppen, die Maryland augenblicklich besetzt h&auml;lt, soll nicht nur der Armee am Potomac als Reserve dienen, sondern namentlich auch die rebellischen Sklaveneigner im Innern des Landes im Schach halten. Hier zeigt sich n&auml;mlich ein &auml;hnliches Ph&auml;nomen wie in anderen Grenzstaaten, wo die gro&szlig;e Masse des Volkes zum Norden, eine numerisch unbedeutende Sklavenhalterpartei zum S&uuml;den steht. Was ihr an Zahlen fehlt, ersetzt die Sklavenhalterpartei durch die Machtmittel, die langj&auml;hriger Besitz aller Staats&auml;mter, erbliche Besch&auml;ftigung mit politischer Intrige und Konzentration gro&szlig;er Verm&ouml;gen in wenigen H&auml;nden ihr gesichert haben.<I> </P>
<P>Virginia</I> bildet jetzt das gro&szlig;e Standlager, wo die Hauptarmee der Sezession und die Hauptarmee der Union gegeneinander Front machen. In den nordwestlichen Hochlanden Virginias bel&auml;uft sich die Sklavenmasse auf 15.000, w&auml;hrend die zwanzigfach gr&ouml;&szlig;ere freie Bev&ouml;lkerung der Mehrzahl nach aus unabh&auml;ngigen Bauern besteht. Das &ouml;stliche Flachland Virginias z&auml;hlt dagegen beinahe eine halbe Million Sklaven; Negerzucht und der Verkauf der Neger in die s&uuml;dlichen Staaten bilden seine Haupteinkommen-Quelle. Sobald die R&auml;delsf&uuml;hrer des Flachlandes durch Intrigen in der Staatslegislatur zu Richmond die Sezessionsordonnanz durchgesetzt und die Tore Virginias in aller Eile der S&uuml;darmee ge&ouml;ffnet hatten, sezedierte Nordwest-Virginia von der Sezession, bildete einen neuen Staat und verteidigt jetzt unter dem Banner der Union mit den Waffen in der Hand sein Gebiet gegen die s&uuml;dlichen Eindringlinge.<I> </P>
<P>Tennessee</I>, mit 1.109.847 Einwohnern, worunter 275.784 Sklaven, befindet sich in den H&auml;nden der s&uuml;dlichen Konf&ouml;deration, die das ganze Land dem Standrecht unterworfen hat und einem Proskriptions-System, das an die Zeiten der r&ouml;mischen Triumvirate erinnert. Als die Sklavenhalter im Winter 186l eine allgemeine Volkskonvention vorschlugen, die &uuml;ber Sezession oder Nichtsezession abstimmen sollte, verweigerte die Volksmajorit&auml;t jede Konvention, um jeden Vorwand zur Sezessionsbewegung abzuschneiden. Sp&auml;ter, als Tennessee bereits von der s&uuml;dlichen Konf&ouml;deration milit&auml;risch &uuml;berrannt und einem Schreckenssystem unterworfen war, erkl&auml;rte sich bei den Wahlen immer noch mehr als ein Dritteil der Stimmgeber f&uuml;r <A NAME="S342"><B>&lt;342&gt;</A></B> die Union. Das eigentliche Zentrum des Widerstandes gegen die Sklavenhalterpartei bildet hier, wie in den meisten Grenzstaaten, das Gebirgsland,<I> Ost-Tennesee</I>. Am 17. Juni 1861 trat in Greenville eine allgemeine Volkskonvention von Ost-Tennessee zusammen, erkl&auml;rte sich f&uuml;r die Union, deputierte den ehemaligen Gouverneur des Staates, Andrew Johnson, einen der eifrigsten Unionisten, zum Senat in Washington, und ver&ouml;ffentlichte eine "declaration of grievances", eine Beschwerdeschrift, die alle Mittel des Betruges, der Intrige und des Schreckens blo&szlig;legt, wodurch Tennessee aus der Union "hinausvotiert" worden ist. Seit dieser Zeit wird Ost-Tennessee durch Waffengewalt von den Sezessionisten im Schach gehalten. </P>
<P>&Auml;hnliche Verh&auml;ltnisse wie in West-Virginia und Ost-Tennessee, finden sich im Norden von Alabama, Nordwesten von Georgia und Norden von Nord-Carolina. Weiter westlich, im Grenzstaat<I> Missouri</I>, mit 1.173.317 Einwohnern und 114.965 Sklaven - letztere meist zusammengedr&auml;ngt auf das nordwestliche Gebiet des Staates - entschied die Volkskonvention vom August 1861 f&uuml;r die Union. Jackson, der Gouverneur des Staates und Werkzeug der Sklavenhalterpartei, emp&ouml;rte sich gegen die Legislatur Missouris, ward in die Acht erkl&auml;rt und trat nun an die Spitze der bewaffneten Horden, die Missouri von Texas, Arkansas und Tennessee aus &uuml;berfielen, um es vor der Konf&ouml;deration auf die Knie zu werfen und sein Band mit der Union durch das Schwert zu zerschneiden. Missouri bildet in diesem Augenblicke n&auml;chst Virginia das Haupttheater des B&uuml;rgerkrieges.<I> </P>
<P>New Mexico</I>, kein Staat, sondern ein blo&szlig;es Territorium, wohin unter Buchanans P&auml;sidentschaft 25 Sklaven importiert wurden, um ihnen von Washington aus eine Sklavenkonstitution nachzuschicken - hat, wie selbst der S&uuml;den zugesteht, seiner nicht begehrt. Aber der S&uuml;den begehrt New Mexico und spie demgem&auml;&szlig; von Texas aus eine bewaffnete Abenteurerbande &uuml;ber die Grenze. Gegen diese Befreier hat New Mexico den Schutz der Unionsregierung angefleht. </P>
<P>Man wird bemerkt haben, da&szlig; wir besonderen Nachdruck auf das numerische Verh&auml;ltnis von Sklaven zu Freien in den einzelnen Grenzstaaten legen. Dies Verh&auml;ltnis ist in der Tat entscheidend. Es ist der Thermometer, woran man das Lebensfeuer des Sklavensystems messen mu&szlig;. Die Seele der ganzen Sezessionsbewegung ist<I> S&uuml;d-Carolina</I>. Es z&auml;hlt 402.541 Sklaven auf 301.271 Freie. In zweiter Linie folgt<I> Mississippi</I>, das der s&uuml;dlichen Konf&ouml;deration ihren Diktator, Jefferson Davis, gegeben hat. Es z&auml;hlt 436.696 Sklaven auf 354.699 Freie. In dritter Linie kommt<I> Alabama</I> mit 435.132 Sklaven auf 539.164 Freie. </P>
<B><P><A NAME="S343">&lt;343&gt;</A></B> Der letzte der streitigen Grenzstaaten, dessen wir noch zu erw&auml;hnen haben, ist<I> Kentucky</I>. Seine j&uuml;ngste Geschichte ist besonders charakteristisch f&uuml;r die Politik der s&uuml;dlichen Konf&ouml;deration. Kentucky z&auml;hlt auf 1.135.713 Einwohner 225.490 Sklaven. In drei aufeinanderfolgenden allgemeinen Volkswahlen - im Winter 1861, als zu einem Kongre&szlig; der Grenzstaaten gew&auml;hlt ward; im Juni 1861, als die Wahlen zum Kongre&szlig; in Washington stattfanden; endlich im August 1861 in den Wahlen zur Legislatur des Staates Kentucky - entschied eine stets wachsende Majorit&auml;t f&uuml;r die Union. Dagegen sind Magoffin, der Gouverneur von Kentucky, und s&auml;mtliche W&uuml;rdentr&auml;ger des Staates fanatische Partisanen der Sklavenhalterpartei, ebenso Breckinridge, Vertreter Kentuckys im Senat zu Washington, Vizepr&auml;sident der Vereinigten Staaten unter Buchanan und 1860 Kandidat der , Sklavenhalterpartei w&auml;hrend der Pr&auml;sidentenwahl. Zu schwach, um Kentucky f&uuml;r die Sezession zu gewinnen, war der Einflu&szlig; der Sklavenhalterpartei m&auml;chtig genug, um es beim Ausbruch des Krieges zu einer Neutralit&auml;tserkl&auml;rung zu kirren. Die Konf&ouml;deration erkannte die Neutralit&auml;t an, solange sie ihren Zwecken diente, solange sie damit besch&auml;ftigt war, den Widerstand in Ost-Tennessee niederzuschlagen. Kaum war dieser Zweck erreicht, als sie mit dem Musketkolben an den Toren von Kentucky anklopfte unter dem Schrei: "<I>Der S&uuml;den braucht sein ganzes Territorium</I>. Er will und mu&szlig; es haben!" </P>
<P>Von S&uuml;dwest und S&uuml;dast brachen ihre Freibeuterkorps gleichzeitig in den "neutralen" Staat ein. Kentucky erwachte aus dem Traum der Neutralit&auml;t, seine Legislatur ergriff offen Partei f&uuml;r die Union, umgab den verr&auml;terischen Gouverneur mit einem Komitee der &ouml;ffentlichen Sicherheit, rief das Volk zu den Waffen, erkl&auml;rte Breckinridge in die Acht und befahl den Sezessionisten, das &uuml;berfallene Gebiet sofort zu r&auml;umen. Dies war das Signal zum Krieg. Eine Armee der s&uuml;dlichen Konf&ouml;deration bewegt sich auf Louisville zu, w&auml;hrend Freiwillige von Illinois, Indiana und Ohio herbeistr&ouml;men, um Kentucky vor den bewaffneten Mission&auml;ren der Sklaverei zu retten. </P>
<P>Die Versuche der Konf&ouml;deration, Missouri und Kentucky z.B. wider den Willen dieser Staaten sich einzuverleiben, beweisen die Hohlheit des Vorwandes, da&szlig; sie f&uuml;r die Rechte der Einzelstaaten gegen die &Uuml;bergriffe der Union k&auml;mpfe. Den einzelnen Staaten, die sie zum "S&uuml;den" rechnet, erkennt sie allerdings das Recht zu, sich von der Union zu trennen, keineswegs aber das Recht, in der Union zu verbleiben. </P>
<P>Selbst die eigentlichen Sklavenstaaten, so sehr Krieg nach au&szlig;en, Milit&auml;rdiktatur im Innern und Sklaverei &uuml;berall ihnen f&uuml;r den Augenblick <A NAME="S344"><B>&lt;344&gt;</A></B> den Schein der Harmonie geben, sind jedoch nicht ohne widerstrebende Elemente. Ein schlagendes Beispiel ist<I> Texas</I> mit 180.388 Sklaven auf 601.039 Einwohner. Das Gesetz von 1845, kraft dessen Texas als Sklavenstaat in die Reihe der Vereinigten Staaten trat, berechtigte es, aus seinem Territorium nicht nur einen, sondern f&uuml;nf Staaten zu bilden. Dadurch h&auml;tte der S&uuml;den statt zwei zehn neue Stimmen im amerikanischen Senat gewonnen, und Vermehrung seiner Stimmenzahl im Senat war ein Hauptziel seiner damaligen Politik. Die Sklavenhalter fanden es jedoch von 1845 bis 1860 untunlich, Texas, wo die deutsche Bev&ouml;lkerung eine gro&szlig;e Rolle spielt, auch nur in zwei Staaten zu zerschneiden, ohne in dem zweiten Staate der Partei der freien Arbeit die Oberhand &uuml;ber die Partei der Sklaverei einzur&auml;umen. Bester Beweis dies, wie m&auml;chtig der Gegensatz gegen die Sklavenhalter-Oligarchie in Texas selbst.<I> </P>
<P>Georgia</I> ist der gr&ouml;&szlig;te und bev&ouml;lkertste der Sklavenstaaten. Auf eine Einwohnermasse von 1.057.327 z&auml;hlt es 462.230 Sklaven, also beinahe die H&auml;lfte der Bev&ouml;lkerung. Trotzdem gelang es der Sklavenhalterpartei bisher nicht, die zu Montgomery dem S&uuml;den aufoktroyierte Konstitution durch allgemeine Volksabstimmung in Georgia sanktionieren zu lassen. </P>
<P>In der Staatskonvention<I> Louisianas</I>, die am 21. M&auml;rz 1861 zu New Orleans zusammentrat, erkl&auml;rte Roselius, der politische Veteran des Staates: </P>
<FONT SIZE=2><P>"Die Montgomery-Konstitution ist keine Konstitution, sondern eine Konspiration. Sie inauguriert keine Volksregierung, sondern<I> eine geh&auml;ssige und uneingeschr&auml;nkte Oligarchie</I>. Dem Volk war es nicht erlaubt, bei dieser Gelegenheit mitzuhandeln. Die Konvention von Montgomery hat das Grab der politischen Freiheit gegraben, und jetzt beruft man uns, um ihrem Leichenbeg&auml;ngnis beizuwohnen." </P>
</FONT><P>Die Oligarchie der 300.000 Sklavenhalter ben&uuml;tzte n&auml;mlich den Kongre&szlig; von Montgomery nicht nur, um die Trennung des S&uuml;dens vom Norden zu proklamieren. Sie beutete ihn zugleich aus zur Umw&auml;lzung der innern Verfassung der Sklavenstaaten, zur v&ouml;lligen Unterwerfung des Teils der wei&szlig;en Bev&ouml;lkerung, der unter dem Schutz und der demokratischen Verfassung der Union noch einige Selbst&auml;ndigkeit behauptet hatte. Schon w&auml;hrend 1856 bis 1860 hatten die politischen Wortf&uuml;hrer, Juristen, Moralisten und Theologen der Sklavenhalterpartei nicht so sehr zu beweisen gesucht, da&szlig; die Negersklaverei berechtigt sei, als vielmehr, da&szlig; die Farbe gleichg&uuml;ltig zur Sache und die arbeitende Klasse &uuml;berall zur Sklaverei geschaffen sei. Man sieht also, da&szlig; der Krieg der s&uuml;dlichen Konf&ouml;deration im eigentlichen Sinne des Wortes ein Eroberungskrieg zur Ausbreitung und Ver- <A NAME="S345"><B>&lt;345&gt;</A></B> ewigung der Sklaverei ist. Der gr&ouml;&szlig;te Teil der Grenzstaaten und Territorien befindet sich noch im Besitz der Union, f&uuml;r die sie erst durch die Wahlurne, dann durch die Waffen Partei ergriffen haben. Die Konf&ouml;deration rechnet sie aber zum<I> "S&uuml;den"</I> und sucht sie der Union abzuerobern. In den Grenzstaaten, welche die Konf&ouml;deration einstweilen besetzt hat, h&auml;lt sie das relativ freie Gebirgsland durch das Standrecht im Zaum. Innerhalb der eigentlichen Sklavenstaaten selbst verdr&auml;ngt sie die bisherige Demokratie durch die uneingeschr&auml;nkte Oligarchie von 300.000 Sklavenhaltern. </P>
<P>Mit dem Verzicht auf ihre Eroberungspl&auml;ne w&uuml;rde die s&uuml;dliche Konf&ouml;deration auf ihre Lebensf&auml;higkeit und auf den Zweck der Sezession verzichten. Die Sezession fand ja nur statt, weil innerhalb der Union die Verwandlung der Grenzstaaten und Territorien in Sklavenstaaten nicht l&auml;nger erreichbar schien. Andererseits mit einer friedlichen Preisgabe des streitigen Gebiets an die s&uuml;dliche Konf&ouml;deration w&uuml;rde der Norden der Sklavenrepublik mehr als drei Vierteile vom Gesamtgebiet der Vereinigten Staaten &uuml;berlassen. Der Norden verl&ouml;re den Meerbusen von Mexiko ganz, den Atlantischen Ozean mit Ausnahme des schmalen Streifens von der Bucht von Penobscot bis zur Bucht von Delaware, und w&uuml;rde sich selbst vom Stillen Ozean abschneiden. Missouri, Kansas, New Mexico, Arkansas und Texas w&uuml;rden Kalifornien nachziehen. Die gro&szlig;en Ackerbaustaaten in dem Becken zwischen den Rocky Mountains und den Alleghanys, in den T&auml;lern des Mississippi, Missouri und Ohio, unf&auml;hig, die Ausfl&uuml;sse des Mississippi den H&auml;nden der starken, feindlichen Sklavenrepublik im S&uuml;den zu entrei&szlig;en, w&auml;ren durch ihre &ouml;konomischen Interessen gezwungen, vom Norden zu sezedieren und der s&uuml;dlichen Konf&ouml;deration beizutreten. Diese nordwestlichen Staaten ihrerseits w&uuml;rden alle weiter &ouml;stlich gelegenen Nordstaaten, mit Ausnahme etwa der Staaten von Neuengland, in denselben Wirbel der Sezession nachziehen. </P>
<P>Es f&auml;nde so in der Tat keine Aufl&ouml;sung der Union statt, sondern eine<I> Reorganisation</I> derselben, eine<I> Reorganisation auf der Grundlage der Sklaverei</I>, unter der anerkannten Kontrolle der sklavenhaltenden Oligarchie. Der Plan einer solchen Reorganisation ist von den Hauptrednern des S&uuml;dens offen auf dem Kongre&szlig; von Montgomery proklamiert worden und erkl&auml;rt den Paragraph der neuen Konstitution, der jedem Staat der alten Union den Anschlu&szlig; an die neue Konf&ouml;deration offenh&auml;lt. Das Sklavensystem w&uuml;rde die ganze Union verpesten. In den n&ouml;rdlichen Staaten, wo Negersklaverei praktisch unausf&uuml;hrbar, w&uuml;rde die wei&szlig;e Arbeiterklasse nach und nach auf das Niveau des Helotentums niedergedr&uuml;ckt werden. Es <A NAME="S346"><B>&lt;346&gt;</A></B> entspr&auml;che dies v&ouml;llig dem laut verk&uuml;ndeten Grundsatz, da&szlig; nur gewisse Rassen der Freiheit f&auml;hig sind, und wie die eigentliche Arbeit im S&uuml;den das Los des Negers, so im Norden das des Deutschen und Irl&auml;nders, oder ihrer unmittelbaren Nachkommen. </P>
<P>Der gegenw&auml;rtige Kampf zwischen S&uuml;d und Nord ist also nichts als ein Kampf zweier sozialer Systeme, des Systems der Sklaverei und des Systems der freien Arbeit. Weil beide Systeme nicht l&auml;nger friedlich auf dem nordamerikanischen Kontinent nebeneinander hausen k&ouml;nnen, ist der Kampf ausgebrochen. Er kann nur beendet werden durch den Sieg des einen oder des andern Systems. </P>
<P>Wenn die Grenzstaaten, die streitigen Gebiete, worin beide Systeme bisher um die Herrschaft rangen, ein Dorn im Fleisch des S&uuml;dens sind, so ist andererseits nicht zu verkennen, da&szlig; sie in dem bisherigen Lauf des Krieges die Hauptschw&auml;che des Nordens bildeten. Ein Teil der Sklavenhalter in diesen Distrikten heuchelte Loyalit&auml;t f&uuml;r den Norden auf Gehei&szlig; der Verschw&ouml;rer im S&uuml;den; ein anderer Teil derselben fand es in der Tat seinen reellen Interessen und traditionellen Begriffen gem&auml;&szlig;, mit der Union zu gehen. Beide haben den Norden gleichm&auml;&szlig;ig gel&auml;hmt. Angst, die "loyalen" Sklavenhalter der Grenzstaaten bei gutem Humor zu erhalten, Furcht, sie der Sezession in die Arme zu werfen, mit einem Wort zarte R&uuml;cksichtnahme auf die Interessen, Vorurteile und Empfindlichkeiten dieser zweideutigen Verb&uuml;ndeten, hat die Unionsregierung seit Beginn des Krieges mit unheilbarer Schw&auml;che geschlagen, sie zu halben Ma&szlig;regeln gedr&auml;ngt, sie gezwungen, das Prinzip des Krieges wegzuheucheln und den verwundbarsten Fleck des Gegners zu schonen, die Wurzel des &Uuml;bels - die<I> Sklaverei selbst</I>. </P>
<P>Wenn Lincoln noch neulich Fr&eacute;monts Missouri-Proklamation zur Emanzipation der den Rebellen angeh&ouml;rigen Neger kleinm&uuml;tig widerrief, so geschah es nur aus R&uuml;cksicht auf den lauten Protest der "loyalen" Sklavenhalter Kentuckys. Indes ist bereits ein Wendepunkt eingetreten. Mit Kentucky ist der letzte Grenzstaat in die Reihe der Schlachtfelder zwischen S&uuml;d und Nord gedr&auml;ngt worden. Mit dem wirklichen Krieg um die Grenzstaaten in den Grenzstaaten selbst ist ihr Gewinn oder Verlust der Sph&auml;re diplomatischer und parlamentarischer Verhandlungen entzogen. Der eine Teil der Sklavenhalter wird die loyale Maske abwerfen, der andere mit der Aussicht auf eine Geldentsch&auml;digung, wie Gro&szlig;britannien sie den westindischen Pflanzern gab, vorlieb nehmen. Die Ereignisse selbst dr&auml;ngen zur Verk&uuml;ndigung der entscheidenden Parole - der<I> Sklavenemanzipation</I>. </P>
<B><P><A NAME="S347">&lt;347&gt;</A></B> Wie selbst die verstocktesten Demokraten und Diplomaten des Nordens sich zu diesem Punkt hingezogen f&uuml;hlen, zeigen einige Kundgebungen der neuesten Zeit. General Cass, Kriegsminister unter Buchanan und bisher einer der eifrigsten Alliierten des S&uuml;dens, erkl&auml;rt in einem offenen Sendschreiben die Sklavenemanzipation f&uuml;r die conditio sine qua non &lt;unerl&auml;&szlig;liche Bedingung&gt; der Rettung der Union. Dr. Brownson, der Wortf&uuml;hrer der katholischen Partei des Nordens, nach seinem eigenen Gest&auml;ndnis von 1836-1860 der energischste Gegner der Emanzipationsbewegung, publiziert in seiner letzten "Revue" f&uuml;r Oktober einen Artikel<I> f&uuml;r</I> die Abolition. </P>
<FONT SIZE=2><P>"Wenn wir", sagt er unter anderm, "die Abolition bek&auml;mpften, so lange wir durch sie die Union bedroht hielten, m&uuml;ssen wir jetzt um so entschiedener gegen den Fortbestand der Sklaverei auftreten, seitdem wir uns &uuml;berzeugt haben, da&szlig; eine l&auml;ngere Fortdauer der Sklaverei unvereinbar ist mit der Erhaltung der Union oder unserer Nation als einer freien Republik." </P>
</FONT><P>Endlich die<I> "World"</I>, ein New-Yorker Organ der Diplomaten des Washingtoner Kabinetts, schlie&szlig;t einen ihrer letzten Polterartikel gegen die Abolitionisten mit den Worten: </P>
<FONT SIZE=2><P>"An dem Tag, wo es entschieden sein wird, da&szlig; entweder die Sklaverei untergehen mu&szlig; oder die Union, an dem Tage ist das Todesurteil der Sklaverei gesprochen. Wenn der Norden nicht<I> ohne</I> Emanzipation siegen kann, wird er<I> mit</I> Emanzipation siegen."</P>
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