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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<TITLE>John Reed: 10 Tage die die Welt ersch&uuml;tterten</TITLE>
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<BODY bgcolor="#FFFFFF">
<H3>
II. DER HERAUFZIEHENDE STURM
</H3>
<P>
<P>
Im September 1917 marschierte der General Kornilow auf Petrograd, um sich
zum milit&auml;rischen Diktator &uuml;ber Ru&szlig;land aufzuschwingen. Hinter
ihm wurde pl&ouml;tzlich die Eisenfaust der Bourgeoisie sichtbar, die sich
anschickte, mit verwegenem Schlag die Revolution niederzuschmettern. In die
Verschw&ouml;rung waren auch einige sozialistische Minister verwickelt. Selbst
Kerenski war verd&auml;chtig. Sawkinow, von dem Zentralkomitee seiner Partei,
den Sozialrevolution&auml;ren, aufgefordert, Aufkl&auml;rung zu geben, weigerte
sich dessen und wurde ausgeschlossen. Soldatenkomitees verhafteten Kornilow,
Generale wurden entlassen, Minister ihrer &Auml;mter enthoben, und das Kabinett
wurde gest&uuml;rzt. Kerenski machte den Versuch, eine neue Regierung zu
bilden mit Einschlu&szlig; der Kadetten, der Partei der Bourgeoisie. Seine
eigene Partei, die Sozialrevolution&auml;re, befahlen ihm den Ausschlu&szlig;
der Kadetten. Kerenski weigerte sich zu gehorchen und drohte mit seinem eigenen
R&uuml;cktritt aus dem Kabinett, wenn die Sozialisten auf ihrer Forderung
best&auml;nden. Indessen war die Aufregung der Volksmassen so gro&szlig;,
da&szlig; er sich - wenigstens f&uuml;r den Moment - nicht zu widersetzen
wagte, und ein provisorisches Direktorium von f&uuml;nf der bisherigen Minister,
mit Kerenski an der Spitze &uuml;bernahm die Macht bis zur endg&uuml;ltigen
Regelung der Frage. Die Kornilow - Aff&auml;re hatte alle sozialistischen
gruppen, von den Gem&auml;&szlig;igten bis zu den Revolution&auml;ren, in
einem leidenschaftlichen Impuls der Selbstverteidigung zusammengef&uuml;hrt.
Es galt, das Auftauchen neuer Kornilows zu verhindern. Eine neue Regierung
mu&szlig;te gebildet werden, die den der Revolution ergebenen Elementen
verantwortlich war. So forderte denn das Zentralexekutivkomitee der Sowjets
die Organisationen auf, Delegierte zu einer &AElig;Demokratischen Beratung"
zu entsenden, die im September in Petrograd zusammentreten sollte. Im
Zentralexekutivkomitee der Sowjets hatten sich von vornherein drei Richtungen
bemerkbar gemacht. Die Bolschewiki forderten die Einberufung eines neuen
(zweiten) Gesamtrussischen Sowjetkongresses und die &Uuml;bernahme der Macht
durch die Sowjets. Das von Tschernow gef&uuml;hrte Zentrum der
Sozialrevolution&auml;re, die linken Sozialrevolution&auml;re unter F&uuml;hrung
von Kamkow und Spiridowna, die Menschewiki - Internationalisten unter Martow
und das Zentrum der Menschewiki, dessen Sprecher Bogdanow und Skobelew waren,
traten f&uuml;r eine &AElig;rein sozialistische" Regierung ein. Zereteli,
Dan und Liber, die F&uuml;hrer der rechten Menschewiki, und die rechten
Sozialrevolution&auml;re unter Awxentjew und Goz bestanden auf der Hinzuziehung
der besitzenden Klassen bei der Bildung der neuen Regierung. Im Petrograder
Sowjet gelang es den Bolschewiki fast sofort, die Mehrheit zu gewinnen. Dem
Beispiel Petrograds folgten schnell die Sowjets in Moskau, Kiew, Odessa und
anderen St&auml;dten. Aufs h&ouml;chste best&uuml;rzt, kamen die das
Zentralexekutivkomitee der Sowjets beherrschenden Menschewiki zu der
Schlu&szlig;folgerung, da&szlig; die Gefahr Lenin mehr zu f&uuml;rchten sei
als die Gefahr Kornilow. Sie revidierten den f&uuml;r die Demokratische Beratung
aufgestellten Vertretungsmodus, indem sie den Genossenschaften und
&auml;hnlichen konservativen Organisationen eine gr&ouml;&szlig;ere Anzahl
von Delegierten zusprachen. Selbst diese gesiebte Versammlung stimmte zuerst
f&uuml;r eine Koalitionsregierung ohne die Kadetten. Nur Kerenskis offen
Drohung mit dem R&uuml;cktritt und das Alarmgeschrei der
&AElig;gem&auml;&szlig;igten" Sozialisten, da&szlig; &AElig;die Republik
in Gefahr sei" , erreichten, da&szlig; die Beratung mit einer geringen Mehrheit
sich zugunsten der Koalition mit der Bourgeoisie aussprach und der Errichtung
einer Art beratenden Parlaments, ohne gesetzgebende Gewalt, zustimmte, das
den Namen &AElig;Provisorische Rat der Russischen Republik" erhielt. Die
neue Regierung wurde praktisch von den besitzenden Klassen beherrscht, und
auch in dem neugeschaffenen Rat der Russischen Republik hatten diese eine
verh&auml;ltnism&auml;&szlig;ig gro&szlig;e Zahl von Sitzen inne. Das
Zentralexekutivkomitee der Sowjets hatte faktisch aufgeh&ouml;rt, die einfachen
Menschen in den Sowjets zu vertreten. Es weigerte sich, den im September
f&auml;lligen neuen Gesamtrussischen Sowjetkongre&szlig; einzuberufen, und
war auch nicht gewillt, seine Einberufung durch andere zu dulden. Das offizielle
Organ des Komitees. &AElig;Iswestija", begann sogar anzudeuten, da&szlig;
die Funktion der Sowjets beendet und ihre baldige Aufl&ouml;sung zu erwarten
sei. Zur selben Zeit bezeichnete die neue Regierung als einen wesentlichen
Teil ihrer Politik die Liquidierung aller &AElig;unverantwortlichen
Organisationen", womit die Sowjets gemeint waren. Die Bolschewiki antworteten
hierauf mit der Aufforderung an die Gesamtrussischen Sowjets, sich am 2.
November in Petrograd zu versammeln und die Rgeierungsgewalt zu &uuml;bernehmen.
Gleichzeitig zogen sie ihre Vertreter aus dem Provisorischen Rat der Russischen
Republik zur&uuml;ck mit der Erkl&auml;rung, da&szlig; sie es ablehnten,
an einer &AElig;Regierung des Volksverrats" teilzunehmen. Der R&uuml;cktritt
der Bolschewiki lie&szlig; den ungl&uuml;ckseligen Rat jedoch keineswegs
zur Ruhe kommen. Die besitzenden Klassen, wider im Besitz einer Machtposition,
wurden arrogant. Die Kadetten erkl&auml;rten, da&szlig; die Regierung nicht
berechtigt gewesen sei, Ru&szlig;land zu einer Republik zu proklamieren.
Sie forderten strenge Ma&szlig;nahmen in Armee und Flotte zur Unterdr&uuml;ckung
der Soldaten- und Matrosenkomitees und griffen die Sowjets heftig an. Auf
der anderen Seite traten die Menschewiki - Internationalisten und die linken
Sozialrevolution&auml;re f&uuml;r den sofortigen Friedensschlu&szlig; ein,
f&uuml;r die &Uuml;bergabe des Landes an die Bauern und f&uuml;r die
Durchf&uuml;hrung der Arbeiterkontrolle &uuml;ber die Industrie, was praktisch
auf das Programm der Bolschewiki hinauslief. Ich habe Martows Antwortrede
an die Kadetten geh&ouml;rt. Todkrank, wie er war, hielt er sich mit M&uuml;he
am Rednerpult aufrecht, und mit einer Stimme, so heiser, da&szlig; man ihn
kaum zu h&ouml;ren vermochte, drohte er nach den rechten B&auml;nken
hin&uuml;ber: &AElig;Ihr schimpft uns Def&auml;tisten; aber die wahren
Def&auml;tisten sind jene, die um ihrer egoistischen Interessen willen den
Friedensschlu&szlig; so lange hinausz&ouml;gern m&ouml;chten, bis von der
russischen Armee nichts mehr &uuml;briggeblieben sein wird und Ru&szlig;land
nur noch ein Schacherobjekt der verschiedenen imperialistischen Gruppen ist......
Ihr versucht, dem russischen Volk eine von den Interessen der Bourgeoisie
diktierte Politik aufzuzwingen. Die Frage des Friedens sollte unverz&uuml;glich
entschieden werden.... Ihr werdet dann sehen, da&szlig; sie nicht umsonst
gearbeitet haben, jene, die ihr deutsche Agenten nennt, jene Zimmerwaldler,
die in allen L&auml;ndern daf&uuml;r gewirkt haben, da&szlig; das
Bewu&szlig;tsein der demokratischen Massen erwacht...."
<P>
Zwischen diesen beiden Gruppen schwankten die Menschewiki und
Sozialrevolution&auml;re - mit unwiderstehlicher Gewalt nach links getrieben
durch den Druck der steigenden Unzufriedenheit der Massen. Eine tiefgehende
Feindschaft teilte so den Rat in Gruppen, die miteinander auszus&ouml;hnen
unm&ouml;glich war. So war die Lage, als die lang erwartete Ank&uuml;ndigung
der Pariser Alliiertenkonferenz die brennende Frage der Au&szlig;enpolitik
auf die Tagesordnung setzte. In der Theorie waren alle sozialistischen Parteien
f&uuml;r den schnellstm&ouml;glichen Friedensschlu&szlig; auf demokratischer
Grundlage. Schon im Mai 1917 hatte der Petrograder Sowjet, damals noch unter
menschewistischer und sozialrevolution&auml;rer F&uuml;hrung, die ber&uuml;hmten
russischen Friedensbedingungen proklamiert und die Alliierten aufgefordert,
eine Konferenz zur Besprechung der Kriegsziele einzuberufen. Diese Konferenz,
f&uuml;r den August versprochen, wurde ein erstes Mal bis zum September,
dann bis zum Oktober vertagt und sollte jetzt endg&uuml;ltig am 10. November
stattfinden. Die Provisorische Regierung hatte zwei Vertreter vorgeschlagen,
den General Alexejew, einen reaktion&auml;ren Milit&auml;r, und Tereschtschenko,
den Minister des Ausw&auml;rtigen. Die Sowjets erw&auml;hlten Skobelew zu
ihrem Sprecher und entwarfen ein Manifest, den ber&uuml;hmten &AElig;Nakas"
(Direktiven). Die Provisorische Regierung lehnte Skobelew und seinen
&AElig;Nakas" ab. Die Gesandten der Alliierten protestierten, und zu guter
Letzt erkl&auml;rte Bonar Law im englischen Unterhaus in Beantwortung einer
an die Regierung gerichteten Anfrage k&uuml;hl: &AElig;Soweit mir bekannt,
wird die Pariser Konferenz die Kriegsziele &uuml;berhaupt nicht diskutieren,
sondern nur die &gt;Methoden der Kriegsf&uuml;hrung....." Die konservative
russische Presse jubelte, wohingegen die Bolschewiki riefen: &AElig;Da seht
ihr, wohin die Menschewiki und Sozialrevolution&auml;re mit ihrer
Kompromi&szlig;taktik gelangt sind!"
<P>
Mittlerweile waren an der Tausende Kilometer weiten Front die Millionen Soldaten
der russischen Armee in Bewegung geraten. H&ouml;her und h&ouml;her gingen
die Wogen der Erregung, immer neue Delegationen fluteten in die Hauptstadt
mit dem Ruf. Friede, Friede! Ich ging eines Abends nach dem jenseits des
Flusses gelegenen Zirkus &AElig;Modern" in eine der gro&szlig;en
Volksversammlungen, die, jeden Abend zahlreicher, in der ganzen Stadt
veranstaltet wurden. In dem schmucklosen Amphitheater, von f&uuml;nf winzigen,
an einem d&uuml;nnen Draht h&auml;ngenden Gl&uuml;hlampen unzureichend
erleuchtet, dr&auml;ngten sich von der Arena bis hoch unterm Dach
un&uuml;bersehbare Massen von Soldaten, Matrosen, Arbeitern und Frauen, alle
mit gespanntester Aufmerksamkeit lauschend, als ob es um ihr Leben ginge.
Ein Soldat redete von der 548. Division: &AElig;Genossen" rief er, und tiefe
Sorge sprach aus seinem eingefallenen Gesicht und seinen verzweifelten Gesten.
&AElig;Die an der Spitze verlangen von uns immer neue Opfer und Opfer, aber
wir m&uuml;ssen sehen, da&szlig; die, die im Besitze sind, v&ouml;llig
ungeschoren bleiben. Wir f&uuml;hren Krieg gegen die Deutschen. W&uuml;rde
es uns einfallen, die Arbeiten unseres Stabes deutschen Generalen anzuvertrauen?
Wir stehen auch mit den Kapitalisten im Kriege, und doch laden wir diese
ein, an unserer Regierung teilzunehmen. Der Soldat sagt: ;Zeigt mir, wof&uuml;r
ich k&auml;mpfen soll. F&uuml;r Konstantinopel oder f&uuml;r ein freies
Ru&szlig;land? F&uuml;r die Demokratie oder f&uuml;r die kapitalistischen
R&auml;uber? Wenn man mir beweisen kann, da&szlig; ich die Revolution verteidige,
dann werde ich hingehen und k&auml;mpfen, auch ohne die Todesstrafe, mit
der man mich zwingen will.' Wenn das Land den Bauern geh&ouml;ren wird, die
Fabriken den Arbeitern, wenn die Sowjets die Macht aus&uuml;ben werden, dann
haben wir etwas zu verteidigen und dann werden wir auch k&auml;mpfen!"
<P>
&Uuml;berall in den Kasernen, in den Fabriken, an jeder Stra&szlig;enecke
reden Soldaten zu den Massen. Alle fordern die Beendigung des Krieges und
erkl&auml;ren, da&szlig; die Truppen die Sch&uuml;tzengr&auml;ben zu verlassen
und nach Hause zu gehen entschlossen seien, wenn die Regierung keine ernstlichen
Anstrengungen machen w&uuml;rde, zum Frieden zu gelangen.
<P>
Ein Vertreter der Achten Armee: &AElig;Wir sind schwach, unsere Kompanien
z&auml;hlen nur noch wenige Mann. Wir brauchen Lebensmittel und Stiefel und
Verst&auml;rkung, oder die Sch&uuml;tzengr&auml;ben werden bald verlassen
sein. Frieden oder Verst&auml;rkung..... Die Regierung mu&szlig; den Krieg
beendigen oder der Armee zur Hilfe kommen...."
<P>
Dann ein Redner, der f&uuml;r die Sechsundvierzigste Sibirische Artillerie
sprach: &AElig;Die Offiziere lehnten es ab, mit unsern Komitees zu arbeiten,
sie verraten uns an den Feind, sie verh&auml;ngen &uuml;ber unsere Agitatoren
die Todesstrafe; die konterrevolution&auml;re Regierung unterst&uuml;tzt
sie Wir glauben, da&szlig; die Revolution den Frieden bringen wird. Jetzt
aber verbietet die Regierung, von solchen Dingen auch nur zu reden, w&auml;hrend
sie uns gleichzeitig hungern l&auml;&szlig;t und die Munition nicht liefert,
die wir brauchen, wenn wir k&auml;mpfen sollen...." Dazu kamen aus Europa
Ger&uuml;chte &uuml;ber einen Friedensschlu&szlig; auf Kosten Ru&szlig;lands.
Die allgemeine Unzufriedenheit wurde noch gesteigert durch die Nachrichten
&uuml;ber die Behandlung der russischen Truppen in Frankreich. Die 1. Brigade
hatte dort versucht, ihre Offiziere durch Soldatenkomitees zu ersetzen, wie
das ihre Kameraden zu Hause getan hatten, und sich geweigert, einem Befehl
Folge zu leisten, der sie nach Saloniki beorderte. Sie verlangte, nach
Ru&szlig;land geschickt zu werden. Man hatte die Brigade daraufhin eingeschlossen
und ausgehungert, dann unter Artilleriefeuer genommen, wobei viele Soldaten
get&ouml;tet wurden. Am 29. Oktober h&ouml;rte ich in dem wei&szlig;marmornen,
rotdekorierten Saal des Marienpalastes die von dem ersch&ouml;pften und nach
Frieden lechzenden Lande mit Ungeduld erwartete Erkl&auml;rung Tereschtschenkos
&uuml;ber die Au&szlig;enpolitik der Regierung. Diese &auml;u&szlig;erst
sorgf&auml;ltig vorbereitete, ganz unverbindliche Rede brachte indessen nichts
als die sattsam bekannten Phrasen &uuml;ber die Zerschmetterung des deutschen
Militarismus mit Hilfe der Alliierten, &uuml;ber das Staatsinteresse
Ru&szlig;lands, &uuml;ber die durch Skobelews &AElig;Nakas" verursachten
Verlegenheiten. Der Schlu&szlig; war bezeichnend: &AElig;Ru&szlig;land ist
m&auml;chtig , es wird m&auml;chtig bleiben, was auch geschehen mag. Wir
m&uuml;ssen Ru&szlig;land verteidigen. Wir m&uuml;ssen zeigen, da&szlig;
wir die Vork&auml;mpfer eines gro&szlig;en Ideals sind und Kinder einer
gro&szlig;en Nation." Befriedigt war niemand. Den Reaktion&auml;ren war es
um eine starke imperialistische Politik zu tun, und die demokratischen Parteien
wollten die Garantie haben, da&szlig; die Regierung nichts unversucht lassen
w&uuml;rde, um zum Frieden zu gelangen. Hier ein Artikel aus &AElig;Rabotschi
i Soldat" (Arbeiter und Soldat), dem Organ des bolschewistischen Petrograder
Sowjets:
<P>
&AElig;W a s d i e R e g i e r u n g d e n S c h &uuml; t z e n g r &auml;
b e n z u s a g e n h a t !
<P>
Der schweigsamste unserer Minister, Herr Tereschtschenko, hat endlich die
Sprache gefunden, um den Sch&uuml;tzengr&auml;ben das Folgende mitzuteilen:
<P>
1. Wir sind auf das engste verb&uuml;ndet mut unseren Alliierten (nicht mit
den V&ouml;lkern, sondern mit den Regierungen).
<P>
2. Es ist zwecklos f&uuml;r die Demokratie, die M&ouml;glichkeit oder
Unm&ouml;glichkeit eines Winterfeldzuges zu diskutieren. Dar&uuml;ber entscheiden
die Regierungen unserer Verb&uuml;ndeten.<I></I>
<P>
<I></I>3. Die Julioffensive war n&uuml;tzlich, und sie war eine sehr
gl&uuml;ckliche Sache. (Kein Wort &uuml;ber die Folgen!) <I></I>
<P>
<I></I>4. Es ist nicht wahr, da&szlig; sich unsere Verb&uuml;ndeten nicht
um uns sorgen. Der Minister ist im Besitz sehr wichtiger Erkl&auml;rungen.
(Erkl&auml;rungen? Wie ist`s mit den Taten? Das Verhalten der britischen
Flotte? Die Unterredung des englischen K&ouml;nigs mit dem landesfl&uuml;chtigen
konterrevolution&auml;ren General Gurko? Alles dies lie&szlig; der Minister
unerw&auml;hnt.)<I></I>
<P>
<I></I>5. Der Nakas Skobelews taugt nichts; unsere Verb&uuml;ndeten wollen
davon nichts wissen, auch die russischen Diplomaten wollen ihn nicht. In
der Alliiertenkonferenz m&uuml;ssen alle eine Sprache sprechen.<I></I>
<P>
<I></I>6. Und das ist alles? - Das ist alles. Wo ist der Ausweg? - Vertrauen
zu den Alliierten und zu Tereschtschenko! Wann wird der Friede kommen? -
Wenn die Alliierten es erlauben! Das ist die Antwort der Regierung auf die
Frage der Sch&uuml;tzengr&auml;ben nach dem Frieden."<I></I>
<P>
<I></I>
<P>
Da tauchte - vorl&auml;ufig noch in unklaren umrissen - im Hintergrunde der
russischen Politik eine gef&auml;hrliche Macht auf: die Kosaken. &AElig;Nowaja
Shisn" (Neues Leben), die Zeitung Gorkis, machte auf ihre T&auml;tigkeit
aufmerksam: &AElig;Zu Beginn der Revolution weigerten sich die Kosaken, auf
das Volk zu schie&szlig;en. Als Kornilow auf Petrograd marschierte, folgten
sie ihm nicht. In der letzten Zeit hat sich ihre Rolle etwas ge&auml;ndert.
Von der passiven Loyalit&auml;t zur Revolution sind sie zu einer aktiven
politische Offensive (gegen sie ) &uuml;bergegangen...." Kaledin, der Ataman
der Donkosaken, von der Provisorischen Regierung wegen seiner Beteiligung
an dem Kornilowabenteuer seines Postens enthoben, weigerte sich zu gehen,
und von drei riesigen Armeen umgeben, lagerte er intrigierend und drohend
bei Nowotscherkassk. So gro&szlig; war seine Macht, da&szlig; die Regierung
seiner Gehorsamsverweigerung gegen&uuml;ber die Augen verschlie&szlig;en
mu&szlig;te. Ja, mehr als das, sie sah sich gezwungen, den Rat des Verbandes
der Kosakenarmee anzuerkennen und die neugebildeten Kosakensektionen der
Sowjets f&uuml;r ungesetzlich zu erkl&auml;ren. In der ersten Oktoberh&auml;lfte
erschien eine Kosakendelegation bei Kerenski, die in arrogantem Ton die
Niederschlagung der gegen Kaledin gerichteten Anklagen forderte und dem
Ministerpr&auml;sidenten den Vorwurf machte, zu nachgiebig gegen&uuml;ber
den Sowjets gewesen zu sein. Kerenski erkl&auml;rte sich bereit, Kaledin
ungeschoren zu lassen. Au&szlig;erdem soll er sich wie folgt ge&auml;u&szlig;ert
haben : &AElig;In den Augen der Sowjetf&uuml;hrer bin ich ein Despot und
Tyrann....Die Provisorische Regierung h&auml;ngt nicht nur nicht von den
Sowjets ab, sie bedauert im Gegenteil, da&szlig; diese &uuml;berhaupt
existieren." Gleichzeitig erschien eine andere Kosakenabordnung bei dem
englischen Gesandten und hatte die K&uuml;hnheit, mit ihm als Vertreter des
&AElig;freien Kosakenvolkes" zu verhandeln. Im Dongebiet war eine Art
Kosakenrepublik gebildet worden. Das Kubangebiet proklamierte sich als
unabh&auml;ngiger Kosakenstaat. Die Sowjets von Rostow am Don und Jekaterinenburg
waren von bewaffneten Kosaken auseinandergejagt und der Hauptsitz des
Bergarbeiterverbandes in Charkow &uuml;berfallen worden. In allen diesen
Manifestationen zeigte die Kosakenbewegung ihren antisozialistischen und
militaristischen Charakter. Ihre F&uuml;hrer waren Adlige und gro&szlig;e
Grundbesitzer von der Art Kaledins, Kornilows, des Generals Dutow, Karaulows
und Bardishis, sie hatten die Unterst&uuml;tzung der m&auml;chtigen Kaufleute
und Bankiers Moskaus....
<P>
Das alte Ru&szlig;land begann mit gro&szlig;er Schnelligkeit auseinanderzufallen.
In Finnland, in Polen, in der Ukraine und Wei&szlig;ru&szlig;land wuchsen
die nationalistischen Bewegungen und wurden k&uuml;hner. Die unter dem
Einflu&szlig; der besitzenden Klassen stehenden lokalen Regierungen forderten
Autonomie und weigerten sich, den Anordnungen Petrograds Folge zu leisten.
In Helsingfors lehnte das finnische Parlament es ab, der Provisorischen Regierung
Geld zu leihen, proklamierte die Selbstst&auml;ndigkeit Finnlands und verlangte
die Zur&uuml;ckziehung der russischen Truppen. Die b&uuml;rgerliche Rada
in Kiew zog die Grenzen der Ukraine so weit, da&szlig; sie die reichsten
Agrargebiete S&uuml;dru&szlig;lands, &ouml;stlich bis zum Ural hin,
umfa&szlig;ten, und begann mit der Aufstellung einer eigenen Armee. Ihr
Ministerpr&auml;sident Winnitschenko arbeitete auf einen Sonderfrieden Mit
Deutschland hin, und die Provisorische Regierung war hilflos. Sibirien und
der Kaukasus forderten ihre besonderen konstituierenden Versammlungen, und
in allen diesen L&auml;ndern begann ein verzweifelter Kampf zwischen den
Regierungen und den Lokalen Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten.
Die Verwirrung wurde mit jedem Tag gr&ouml;&szlig;er. Die Soldaten desertierten
zu Hunderttausenden und begannen in ungeheuren Wellen plan- und ziellos
&uuml;ber das Land zu fluten. Die Bauern der Gouvernements Tambow und Twer,
des langen Wartens auf das ihnen versprochene Land m&uuml;de und durch die
Gewaltma&szlig;regeln der Regierung in Verzweiflung gebracht, brannten die
Gutsh&auml;user nieder und massakrierten die Gutsbesitzer. In Moskau, Odessa
und in den Kohlebergwerken des Donezbeckens m&auml;chtige Streiks und
Aussperrungen. Der Transport war lahmgelegt, die Armee hungerte, und in den
gro&szlig;en St&auml;dten gab es kein Brot. Die Regierung, hin- und hergerissen
zwischen den reaktion&auml;ren und demokratischen Parteien, konnte nichts
tun, und wo sie gezwungenerma&szlig;en eingriff, geschah es stets im Interesse
der besitzenden Klassen. Sie bot die Kosaken auf, um die Bauern zur R&auml;son
zu bringen und die Streiks niederzuschlagen. In Taschkent unterdr&uuml;ckten
die Beh&ouml;rden den Sowjet. In Petrograd hatte sich der Wirtschaftsrat,
dessen Aufgabe es sein sollte, das Wirtschaftsleben des Landes
wiederherzustellen, zwischen den feindlichen Kr&auml;ften von Kapital und
Arbeit festgefahren und wurde von Kerenski aufgel&ouml;st. Die Milit&auml;rs
des alten Regimes, die von den Kadetten gest&uuml;rzt wurden, forderten strenge
Ma&szlig;nahmen, um die Disziplin in Armee und Flotte wiederherzustellen.
Umsonst wiesen der Marineminister, Admiral Werderewski, und der Kriegsminister,
General Werchowski, darauf hin, da&szlig; nur neue, freiwillige, auf der
Zusammenarbeit mit den Soldaten- und Matrosenkomitees basierende demokratische
Disziplin die Armee und die Flotte retten k&ouml;nnte. Ihre Vorschl&auml;ge
wurden nicht beachtet. Die Reaktion war offenbar darauf aus, die Volksmassen
zu provozieren. Der Kornilow - Proze&szlig; r&uuml;ckte n&auml;her und
n&auml;her; immer unverh&uuml;llter nahm die b&uuml;rgerliche Presse f&uuml;r
den General Partei. Sie sprach von ihm als von dem &AElig;gro&szlig;en russischen
Patrioten". Burzews Zeitung &AElig;Obschtscheje Delo" (Die gemeinsame Sache)
erhob offen den Ruf nach einer Diktatur &AElig;Kornilow - Kaledin - Kerenski".Mit
Burzew, einem kleinen, geb&uuml;ckt gehenden Mann mit einem Gesicht voller
Runzeln und kurzsichtigen Augen hinter dicken Brillengl&auml;sern, struppigem
Haar und ergrautem Bart, hatte ich eines Tages eine Unterredung in der
Pressegalerie des Rates der Republik. &AElig;H&ouml;ren Sie mir zu, junger
Mann! Was Ru&szlig;land braucht ist ein starker Mann. Wir sollten unser Denken
endlich von der Revolution frei machen und auf die Deutschen konzentrieren.
Politische Pfuscher haben Kornilow gest&uuml;rzt; aber hinter diesen Pfuschern
stehen deutsche Agenten. Ah! Kornilow h&auml;tte gewinnen sollen....."
<P>
Auf der &Auml;u&szlig;ersten Rechten traten die Organe der kaum verh&uuml;llten
Monarchisten, Purischkewitschs &AElig;Narodny Tribun" (Der Volkstribun) ,
&AElig;Nowaja Rus" (Das neue Ru&szlig;land), &AElig;Shiwoje Slowo" (Lebendiges
Wort), offen f&uuml;r die Ausrottung der revolution&auml;ren Demokratie ein.
Am 23. Oktober fand im Golf von Riga eine Seeschlacht mit einem deutschen
Geschwader statt. Unter dem Vorwand, da&szlig; Petrograd in Gefahr sei, bereitete
die Regierung die R&auml;umung Petrograds vor. Zuerst sollten die gro&szlig;en
Munitionswerke verlegt und &uuml;ber das ganze Ru&szlig;land verteilt werden;
dann wollte die Regierung selbst nach Moskau gehen. Die Bolschewiki wiesen
sofort darauf hin, da&szlig; die Regierung die rote Hauptstadt nur preisgebe,
um die Revolution zu schw&auml;chen. Man hatte Riga an die Deutschen verkauft;
jetzt sollte Petrograd verraten werden! Die b&uuml;rgerliche Presse jubelte.
&AElig;In Moskau", so erkl&auml;rte das Kadettenblatt &AElig;Retsch" (Die
Rede), &AElig;wird die Regierung in einer ruhigeren Atmosph&auml;re arbeiten
k&ouml;nnen, ohne fortw&auml;hrend von Anarchisten gest&ouml;rt zu werden."
Rodsjanko, der F&uuml;hrer des rechten Fl&uuml;gels der Kadetten, erkl&auml;rte
in &AElig;Utro Rossii" (Ru&szlig;lands Morgen), da&szlig; die Einnahme Petrograds
durch die Deutschen ein Segen W&auml;re, da diese die Sowjets zerst&ouml;ren
und die revolution&auml;re Baltische Flotte erledigen w&uuml;rden.
&AElig;Petrograd ist in Gefahr", schrieb er. &AElig;Ich sage mir,
&#180;&uuml;berlassen wir Petrograd unserem Herrgott`. Sie f&uuml;rchten,
wenn Petrograd verloren ist, dann werden auch die zentralen revolution&auml;ren
Organisationen vernichtet werden. Dazu sage ich, da&szlig; ich
&uuml;bergl&uuml;cklich sein werde, wenn all diese Organisationen vernichtet
sind; denn sie werden nichts als Ungl&uuml;ck &uuml;ber Ru&szlig;land
bringen....Mit dem Fall Petrograds wird auch die Baltische Flotte vernichtet
werden......Aber das braucht uns nicht leid zu tun; die meisten Kriegsschiffe
sind ohnehin v&ouml;llig demoralisiert...."
<P>
Angesichts des Protestes der Volksmassen mu&szlig;te die Regierung ihren
Plan, Petrograd zu verlassen, jedoch aufgeben. W&auml;hrenddem hing, einer
von Blitzen durchzuckten Gewitterwolke gleich, drohend &uuml;ber Ru&szlig;land
der Kongre&szlig; der Sowjets, bek&auml;mpft nicht nur von der Regierung,
sondern auch von allen &AElig;gem&auml;&szlig;igten" Sozialisten. Die zentralen
Armee- und Flottenkomitees, die Zentralkomitees einiger Gewerkschaften, die
Bauernsowjets, vor allem aber das Zentralexekutivkomitee der Sowjets selbst
sparten keine M&uuml;he, um das Zustandekommen des Kongresses zu verhindern.
Die Zeitungen &AElig;Iswestija" und &AElig;Golos Soldata" ( Die Stimme des
Soldaten), urspr&uuml;nglich von dem Petrograder Sowjet gegr&uuml;ndet, aber
jetzt im Besitz des Zentralexekutivkomitees der Sowjets, griffen ihn heftig
an; die gesamte sozialrevolution&auml;re Presse, &AElig;Delo Naroda" (Die
Sache des Volkes) und &AElig;Wolja Naroda" (Volkswille, entfesselten ein
wahres Trommelfeuer gegen ihn. Der Telegraf arbeitete, Delegierte wurden
im Land umhergeschickt, mit Anweisungen f&uuml;r die Komitees der lokalen
Sowjets, f&uuml;r die Armeekomitees, die Wahlen f&uuml;r den Kongre&szlig;
einzustellen oder zu verz&ouml;gern. Feierliche &ouml;ffentliche Resolutionen
gegen den Kongre&szlig; wurden gefa&szlig;t, Erkl&auml;rungen, da&szlig;
die demokratischen Elemente sich der Abhaltung des Kongresses so unmittelbar
vor dem Zusammentritt der Konstituierenden Versammlung widersetzten; Vertreter
der Frontsoldaten, der Semstwoverb&auml;nde, der Bauern, des Verbandes der
Kosakenarmeen, des Offiziersbundes, der &AElig;Ritter des heiligen Georg",
der &AElig;Todesbataillone" - alle waren sie vereinigt in einem einzigen
gro&szlig;en Protest.......Im Rat der Russischen Republik gab es nicht eine
Stimme, die sich f&uuml;r den Kongre&szlig; einsetzte. Der ganze, von der
russischen M&auml;rzrevolution geschaffene Apparat funktionierte, um die
Abhaltung des Sowjetkongresses zu verhindern. Demgegen&uuml;ber stand der
vorl&auml;ufig noch formlose Wille des Proletariats - der Arbeiter, einfachen
Soldaten und armen Bauern. Viele der lokalen Sowjets waren bereits
bolschewistisch; daneben bestanden die Organisationen der Industriearbeiter,
die Fabrikkomitees, und die revolution&auml;ren Organisationen der Armee
und Flotte. In einigen Orten hielten die Massen, an der regul&auml;ren Wahl
ihrer Sowjetdelegierten verhindert, Rumpfversammlungen ab, in denen sie aus
ihrer Mitte heraus einen bestimmten, der nach Petrograd zu gehen hatte. In
anderen jagten sie die alten, Obstruktion treibenden Komitees auseinander
und bildeten neue. Die Kruste, die sich an der Oberfl&auml;che der seit Monaten
schlummernden revolution&auml;ren Glut gebildet hatte, kam in Bewegung und
begann bedenklich zu krachen. Nur eine solche spontane Massenbewegung konnte
den Gesamtrussischen Sowjetkongre&szlig; bringen. Und die bolschewistischen
Redner schleuderten Tag f&uuml;r Tag in allen Kasernen und Fabriken die
heftigsten anklagen gegen die &AElig;Regierung des B&uuml;rgerkrieges". Eines
Sonntags fuhren wir auf einem &uuml;ber Ozeane von Schmutz rumpelnden
ungef&uuml;gen Stra&szlig;enbahnwagen, an steif dastehenden Fabriken und
riesigen Kirchen vorbei, zum Obuchow - Werk, einer staatlichen Munitionsfabrik
jenseits des Schl&uuml;sselburg - Prospekts. Die Versammlung fand zwischen
den ungeputzten Mauern eines m&auml;chtigen, im Bau unterbrochenen Hauses
statt. Wohl an die Zehntausend dunkelgekleidete M&auml;nner und Frauen
dr&auml;ngten sich um eine rotdrapierte Trib&uuml;ne, sa&szlig;en auf Balken
oder Steinhaufen oder thronten auf hohen Ger&uuml;sten, voll grimmiger
Entschlossenheit und ihren Willen mit Donnerstimme hinausschreiend. Durch
den tr&uuml;ben, wolkenschweren Himmel brach dann und wann die Sonne und
go&szlig; durch die leeren Fenster&ouml;ffnungen einen r&ouml;tlichen Schimmer
&uuml;ber die zu uns aufgekehrten einfachen Gesichter. Lunatscharski, eine
schm&auml;chtige, studentenhafte Erscheinung mit einem sensitiven
K&uuml;nstlerantlitz, setzte auseinander, warum die Sowjets unter allen
Umst&auml;nden die Macht &uuml;bernehmen m&uuml;&szlig;ten. Niemand anders
k&ouml;nnte die Revolution gegen ihre Feinden sch&uuml;tzen, die mit Vorbedacht
das Land und die Armee zugrunde richteten und einem neuen Kornilow das Feld
bereiteten. Ein Soldat sprach, von der rum&auml;nischen Front, abgemagert,
voll bebender Leidenschaft: &AElig;Genossen, wir hungern an der Front, wir
frieren, wir sterben und wissen nicht wof&uuml;r. Ich bitte die amerikanischen
Genossen, es in Amerika zu sagen, da&szlig; wir Russen unsere Revolution
bis zum Tode verteidigen werden. Wir werden alles daran halten, unsere Feste
zu halten, bis die Massen der ganzen Welt sich erheben werden, um uns zu
Hilfe zu eilen. Sagt den amerikanischen Arbeitern, da&szlig; sie aufstehen
m&ouml;gen zum Kampf f&uuml;r die soziale Revolution!"
<P>
Petrowski redete, hart, unerbittlich:
<P>
&AElig;Jetzt ist keine Zeit f&uuml;r Worte, jetzt mu&szlig; gehandelt werden.
Die &ouml;konomische Situation ist schlecht, aber wir m&uuml;ssen uns daran
gew&ouml;hnen. Sie versuchen uns auszuhungern, im Frost umkommen zu lassen.
Sie wollen uns provozieren. Aber sie sollen wissen, da&szlig; sie darin zu
weit gehen k&ouml;nnen - da&szlig;, wenn sie es wagen sollte, an die
Organisationen des Proletariats zu r&uuml;hren, wir sie vom Antlitz der Erde
wegfegen werden!"
<P>
Die bolschewistische Presse wuchs pl&ouml;tzlich an. Neben den zwei
Parteizeitungen &AElig;Rabotschi Put" und &AElig;Soldat" erschien eine neue
Zeitung f&uuml;r die Bauern, &AElig;Derewenskaja Bednota" (Die Dorfarmut),
die in eine Auflage von einer halben Million herauskam, und am 17. Oktober
&AElig;Rabotschi i Soldat". Dessen Leitartikel fa&szlig;te den bolschewistischen
Standpunkt wie folgt zusammen:
<P>
&AElig;Ein viertes Kriegsjahr wird die Vernichtung der Armee und des Landes
bedeuten.....Petrograd ist bedroht......Die Konterrevolution freut sich
&uuml;ber das Ungl&uuml;ck des Volkes.....Die zur Verzweiflung gebrachten
Bauern gehen zum offenen Aufstand &uuml;ber; die Gro&szlig;grundbesitzer
und die Regierungsbeh&ouml;rden schicken blutige Strafexpeditionen gegen
sie aus; Betriebe werden geschlossen, den Arbeiter droht der Hungertod.....Die
Bourgeoisie und ihre Generale wollen eine blinde Disziplin in der Armee
wiederherstellen.....Von der Bourgeoisie unterst&uuml;tzt, bereiten sich
die Kornilowleute offen darauf vor, den Zusammentritt der Konstituierenden
Versammlung zu verhindern.....Die Kerenskiregierung ist gegen das Volk. Sie
wird das Land zugrunde richten......Wir stehen auf seiten des Volkes und
bei dem Volk - bei den besitzlosen Klassen, den Arbeitern, Soldaten und Bauern.
Das Volk kann nur durch die Vollendung der Revolution gerettet werden....Und
zu diesem Zweck mu&szlig; die gesamte Macht in die H&auml;nde der Sowjets
&uuml;bergehen.....Wir treten f&uuml;r folgende Forderungen ein:
<P>
Alle Macht den Sowjets, in der Hauptstadt sowohl wie in der Provinz.
<P>
Sofortiger Waffenstillstand an allen Fronten. Ein ehrlicher Friede zwischen
den V&ouml;lkern.
<P>
Die gro&szlig;en G&uuml;ter - ohne Entsch&auml;digung - in die H&auml;nde
der Bauern.
<P>
Kontrolle der Arbeiter &uuml;ber die industrielle Produktion.
<P>
Eine auf ehrliche Weise gew&auml;hlte Konstituierende Versammlung.
<P>
Hier noch eine interessante Stelle aus demselben Organ der Bolschewiki, die
in der ganzen Welt als deutsche Agenten bezeichnet wurden:
<P>
"Der deutsche Kaiser, an dessen H&auml;nden das Blut von Millionen Gefallener
klebt, will seine Armee gegen Petrograd schicken. Man mu&szlig; an die deutschen
Arbeiter appellieren, an die Soldaten und Bauern, die den Frieden nicht weniger
w&uuml;nschen als wir, da&szlig; sie aufstehen m&ouml;gen gegen diesen verdammten
Krieg! Das kann jedoch nur eine revolution&auml;re Regierung tun, die wirklich
im Namen der Arbeiter, Soldaten und Bauern Ru&szlig;lands spricht, die &uuml;ber
die K&ouml;pfe der Diplomaten hinweg sich direkt an die deutschen Truppen
wendet, die die deutschen Sch&uuml;tzengr&auml;ben mit Proklamationen in
deutscher Sprache &uuml;berschwemmen w&uuml;rde....Unsere Flieger w&uuml;rden
diese Proklamationen in ganz Deutschland abwerfen...."
<P>
Im Rat der Russischen Republik vertiefte sich der Ri&szlig; mit jedem Tage
mehr. &AElig;Die besitzenden Klassen", erkl&auml;rte Karelin f&uuml;r die
linken Sozialrevolution&auml;re, &AElig;sind bestrebt , den revolution&auml;ren
Staatsapparat auszun&uuml;tzen, um Ru&szlig;land an den Kriegswagen der
Alliierten zu binden. Die revolution&auml;ren Parteien sind entschiedene
Gegner dieser Politik...." Der alte Nikolai Tschaikowski, der Vertreter der
Volkssozialisten, sprach gegen die &Uuml;bergabe des Landes an die Bauern
und stellte sich auf die Seite der Kadetten:
<P>
&AElig;In der Armee mu&szlig; sofort die straffeste Disziplin hergestellt
werden......Ich habe seit dem Beginn des Krieges nicht aufgeh&ouml;rt zu
erkl&auml;ren, da&szlig; ich es als ein Verbrechen betrachte, soziale und
wirtschaftliche Reformen durchzuf&uuml;hren, solange der Krieg w&auml;hrt.
Wir begehen jetzt dieses Verbrechen. Trotzdem bin ich kein Gegner dieser
Reformen; denn ich bin Sozialist."
<P>
Von links antworten ihm heftige Zurufe: &AElig;Wir glauben Ihnen nicht."
Rechts findet er m&auml;chtigen Beifall. F&uuml;r die Kadetten erkl&auml;rte
Adshemow, da&szlig; es nicht notwendig sei, den Soldaten zu sagen, wof&uuml;r
sie k&auml;mpften, da jeder Soldat wissen m&uuml;sse, da&szlig; es vor allem
darauf ankomme, die Feinde Ru&szlig;lands aus dem Land zu jagen. Kerenski
selber erschien zweimal, um einen leidenschaftlichen Appell f&uuml;r die
nationale Einheit an die Kammer zu richten, einmal sogar am Schlusse seiner
Rede in Tr&auml;nen ausbrechend. Er wurde mit Eisesk&auml;lte angeh&ouml;rt
und oft durch ironische Zwischenrufe unterbrochen.
<P>
Das Smolny - Institut, der Hauptsitz des Zentralexekutivkomitees der Sowjets
und des Petrograder Sowjets, lag einige Kilometer au&szlig;erhalb der Stadt,
am Ufer der m&auml;chtigen Newa. Ich fuhr dorthin in einer Art Omnibus, der
in schneckengleichem Tempo und knarrend &uuml;ber das miserable und schmutzige
Pflaster der kolossal belebten Stra&szlig;e holperte. Am Ende des Weges erhob
sich in wunderbarer Grazie die rauchblaue, mit mattem Gold verzierte Kuppel
des Smolny - Klosters; daneben die an eine Kaserne erinnernde Fassade des
Smolny - Instituts, sechshundert Fu&szlig; lang und drei m&auml;chtige Stockwerk
hoch, &uuml;ber dem Eingang immer noch riesengro&szlig; das in Stein gehauene
kaiserliche Wappen. Unter dem alten Regime eine ber&uuml;hmte Klosterschule
f&uuml;r die T&ouml;chter des russischen Adels und unter dem Patronat der
Zarin selber stehend, wurde das Institut nach der Umw&auml;lzung von den
revolution&auml;ren Organisationen der Arbeiter und Soldaten &uuml;bernommen.
In seinem Innern befinden sich &uuml;ber hundert gro&szlig;e Zimmer, wei&szlig;
und schmucklos. Kleine wei&szlig;e Emailleschildchen weisen den
Vor&uuml;bergehenden darauf hin, welcher Bestimmung einst die einzelnen Zimmer
dienten. &AElig;Damenklassenzimmer Nr. 4", lese ich, oder &AElig;B&uuml;ro
f&uuml;r das Lehrpersonal" usw. Dar&uuml;ber aber h&auml;ngen mit ungeschickten
Schriftzeichen Tafeln, die Merkmale der neuen Ordnung: &AElig;Exekutivkomitee
des Petrograder Sowjets", &AElig;Zentralexekutivkomitee der Sowjets" und
&AElig;B&uuml;ro des Ausw&auml;rtigen", &AElig;Verband sozialistischer Soldaten",
&AElig;Zentralrat der Gesamtrussischen Gewerkschaften", &AElig;Fabrikkomitees",
&AElig;Zentrales Armeekomitee" und das Zentralb&uuml;ro und Fraktionszimmer
der politischen Parteien. In den langen, gew&ouml;lbten, von wenigen elektrischen
Birnen erhellten Korridoren gesch&auml;ftig hin- und hereilende Soldaten
und Arbeiter, einige tief gebeugt unter der Last riesiger B&uuml;ndel Zeitungen,
Proklamationen, Propagandaschriften aller Art; mit dem Aufklappen ihrer schweren
Stiefel verursachten sie ein tiefes, unaufh&ouml;rliches Get&ouml;se auf
dem h&ouml;lzernen Fu&szlig;boden. &Uuml;berall waren Plakate: &AElig;Genossen!
Im Interesse eurer Gesundheit, achtet auf Reinlichkeit!" In jeder Etage,
auf allen Treppenabs&auml;tzen standen lange Tische, bedeckt mit Flugschriften
und Literatur der verschiedenen politischen Parteien, die zum Verkauf auslagen.
Der im Erdgescho&szlig; gelegene, sehr ger&auml;umige, aber niedrige Speisesaal
des einstigen Klosters diente auch jetzt seinem alten Zweck. F&uuml;r zwei
Rubel kaufte ich einen Bon, der mir Anrecht auf ein Mittagessen gab, und
schlo&szlig; mich einer wohl tausend Personen langen Reihe an, um Schritt
f&uuml;r Schritt den gro&szlig;en Serviertischen n&auml;her zu kommen, wo
zwanzig M&auml;nner und Frauen aus m&auml;chtigen Kesseln Kohlsuppe, Fleisch,
ganze Berge Kascha (Brei) und St&uuml;cke schwarzen Brotes verteilten. F&uuml;r
f&uuml;nf Kopeken gab es einen Zinnbecher Tee. Einem zur Hand stehenden Korb
entnahm man einen fettigen Holzl&ouml;ffel.... An den h&ouml;lzernen Tischen
dr&auml;ngten sich auf den B&auml;nken hungrige Proletarier, die ihr Brot
verzehrten, diskutierten und den weiten Raum mit ihren derben Sp&auml;&szlig;en
erf&uuml;llten. In der oberen Etage war ein weiterer E&szlig;raum f&uuml;r
das Zentralexekutivkomitee der Sowjets reserviert, wenngleich hinging, wer
wollte. Hier gab es dick mit Butter belegtes Brot und Tee in unbeschr&auml;nkten
Mengen. Im S&uuml;dfl&uuml;gel befand sich in der zweiten Etage der gro&szlig;e
Sitzungssaal, der ehemalige Ballsaal des Instituts. Ein pr&auml;chtiger,
ganz in wei&szlig; gehaltener Raum, von wei&szlig;glasierten Leuchtern mit
Hunderten elektrischer Lampen erhellt und durch zwei Reihen massiver S&auml;ulen
geteilt; an dem einen Ende eine Balustrade, von zwei hohen, vielverzweigten
Leuchtern flankiert, dahinter ein goldener Rahmen, aus dem man das Portr&auml;t
des Zaren herausgeschnitten hatte. Hier hatten bei festliche Anl&auml;ssen
in f&uuml;rstlicher Umgebung die Galauniformen und geistliche Gew&auml;nder
geprangt. Auf der anderen Seite des Saals befand sich das B&uuml;ro der
Mandatspr&uuml;fungskomission f&uuml;r den Sowjetkongre&szlig;. Hier stand
ich und musterte die neuangekommenen Delegierten: b&auml;rtige Soldaten,
Arbeiter in schwarzen Blusen, einige wenige langhaarige Bauern. Das den Dienst
versehende M&auml;dchen, ein Mitglied der Plechanowgrupee, l&auml;chelte
ver&auml;chtlich. &AElig;Wie verschieden sind diese Leute von den Delegierten
des ersten Kongresses", bemerkte sie. &AElig;Sehen Sie nur, wie roh und unwissend
sie aussehen. Das sind die dunkelsten Schichten des russischen Volkes........"
Sie hatte recht. Ru&szlig;land war bis zum Grunde aufgew&uuml;hlt, und das
unterste war zuoberst gekehrt. Die Mandatspr&uuml;fungskomission, noch von
dem alten Zentralexekutivkomitee der Sowjets eingesetzt, wies einen nach
dem anderen die Delegierten als nicht ordnungsgem&auml;&szlig; gew&auml;hlt
zur&uuml;ck. Aber Karachin vom Zentralkomitee der Bolschewiki l&auml;chelte
nur: &AElig;Unbesorgt, wenn die Zeit herankommt, werden wir schon sehen,
da&szlig; ihr eure Sitze bekommt."
<P>
&AElig;Rabotschi i Soldat" schrieb: &AElig;Die Aufmerksamkeit der Delegierten
zum Gesamtrussischen Kongre&szlig; sei auf die Versuche gewisser Mitglieder
des Organisationskomitees gelenkt, das Stattfinden des Kongresses zu
hintertreiben, indem sie behaupten, da&szlig; er nicht stattfinden werde
und da&szlig; die Delegierten gut daran tun w&uuml;rden, Petrograd zu
verlassen.....Schenkt diesen L&uuml;gen keinen Glauben.....Gro&szlig;e Tage
nahen heran..."
<P>
Da es mittlerweile zweifellos war, da&szlig; der Kongre&szlig; bis zum 2.
November nicht vollst&auml;ndig beisammen sein w&uuml;rde, vertagte man seine
Er&ouml;ffnung auf den 7. November. Das ganze Land war jetzt aber in Bewegung,
und die Menschewiki und Sozialrevolution&auml;re, als sie ihre Niederlage
erkannten, &auml;nderten pl&ouml;tzlich ihre Taktik und gaben ihren
Provinzialorganisationen telegrafische Anweisungen, soviel gem&auml;&szlig;igte
sozialistische Delegierte zum Kongre&szlig; zu w&auml;hlen, wie ihnen noch
m&ouml;glich w&auml;re. Gleichzeitig berief das Exekutivkomitee der Bauernsowjets
einen au&szlig;erordentlichen Bauernkongre&szlig; f&uuml;r den 13. Dezember
ein, der alle eventuellen Aktionen der Arbeiter und Soldaten wieder abbiegen
sollte. Die Frage war: Was werden die Bolschewiki tun? Ger&uuml;chte liefen
um, da&szlig; sie eine bewaffnete Demonstration der Arbeiter und Soldaten
planten. Die b&uuml;rgerliche und reaktion&auml;re Presse sagte einen Aufstand
voraus und forderte von der Regierung die Verhaftung des Petrograder Sowjets
oder zum mindesten die Verhinderung des Kongre&szlig;zusammentritts.
Bl&auml;tter wie &AElig;Nowaja Rus" gingen bis zur Aufforderung zu einem
Bolschewistengemetzel. Gorkis Blatt &AElig;Nowaja Shisn" war ebenso wie die
Bolschewiki der Meinung, da&szlig; die Reaktion&auml;re die Revolution zunichte
machen wollten und da&szlig; man ihnen, falls notwendig, bewaffneten Widerstand
entgegensetzen m&uuml;sse; alle revolution&auml;ren demokratische Parteien
M&uuml;&szlig;ten jedoch als eine geeinte Front auftreten. &AElig;Solange
die Demokratie ihre Hauptkr&auml;fte noch nicht mobilisiert hat, solange
der Widerstand gegen ihren Einflu&szlig; noch stark ist, sollte man nicht
zum Angriff &uuml;bergehen. Wenn aber die gegnerischen Kr&auml;fte zur Gewalt
greifen, dann sollte die revolution&auml;re Demokratie den Kampf um die Macht
aufnehmen, dann wird sie von den breitesten Schichten des Volkes
unterst&uuml;tzt werden." Gorki stellte fest, da&szlig; sowohl die
reaktion&auml;re als auch die Regierungspresse die Bolschewiki zur Gewalt
provozierten. Indessen konnte seiner Meinung nach der Aufstand nur einem
neuen Kornilow n&uuml;tzlich sein, und er forderte die Bolschewiki auf, die
umlaufenden Ger&uuml;chte zu dementieren. Im menschwistischen &AElig;Den"
(Der Tag) ver&ouml;ffentlichte Potressow einen sensationell aufgemachten
Bericht mit einer Karte, der angeblich den geheimen bolschewistischen Kriegsplan
enth&uuml;llen sollte. Wie durch Zauberei waren alle Stra&szlig;enz&uuml;ge
mit Warnungen, Proklamationen, Aufrufen der Zentralkomitees der
&AElig;gem&auml;&szlig;igten" und konservativen Parteien und des
Zentralexekutivkomitees der Sowjets bedeckt, die die Demonstration verurteilten
und die Arbeiter und Soldaten dringend aufforderten, den Hetzern keine Folge
zu leisten. Hier ein solcher Aufruf der Milit&auml;rabteilung der
Sozialrevolution&auml;ren Partei:
<P>
&AElig;Wieder gehen in der Stadt Ger&uuml;chte um &uuml;ber eine beabsichtigte
bewaffnete Demonstration. Wo ist die Quelle dieser Ger&uuml;chte? Welche
Organisation erm&auml;chtigt diese Agitatoren, den Aufstand zu predigen?
Die Bolschewiki leugneten auf eine im Zentralexekutivkomitee an sie gerichtete
Frage, da&szlig; sie irgend etwas damit zu tun h&auml;tten....Doch diese
Ger&uuml;chte bergen eine gro&szlig;e Gefahr in sich. Es kann leicht geschehen,
da&szlig; einzelne unverantwortliche Hitzk&ouml;pfe, die keine rechte Vorstellung
von der geistigen Verfassung der Mehrheit der Arbeiter, Soldaten und Bauern
haben, die Arbeiter und Soldaten auf die Stra&szlig;e rufen und sie zu einer
Erhebung aufhetzen.....In dieser f&uuml;rchterlichen Zeit, die das
revolution&auml;re Ru&szlig;land durchlebt, kann jede Erhebung leicht zum
B&uuml;rgerkrieg f&uuml;hren und das Ergebnis die Zerst&ouml;rung aller mit
so viel Arbeit aufgebauten Organisationen des Proletariats sein......Die
konterrevolution&auml;ren Verschw&ouml;rer wollen die Erhebung ausnutzen,
um die Revolution zu zerst&ouml;ren, im Interesse Wilhelms die Front zu
&ouml;ffnen und die Konstituierende Versammlung zu verhindern.....Bleibt
auf euren Posten! Geht nicht auf die Stra&szlig;e!"
<P>
Am 28. Oktober sprach ich in dem Korridor des Smolny Kamenew, einen kleinen
Mann mit r&ouml;tlichem Spitzbart und gallischer Beweglichkeit. Er war noch
keineswegs sicher, ob genug Delegierte zum Kongre&szlig; erscheinen w&uuml;rden:
&AElig;Sollte der Kongre&szlig; zustande kommen, dann wird er auch die
&uuml;berw&auml;ltigende Mehrheit des Volkes repr&auml;sentieren. Und ist
die Mehrheit eine bolschewistische, wie ich &uuml;berzeugt bin, da&szlig;
sie es sein wird, dann werden wir die &Uuml;bernahme der Macht durch die
Sowjets fordern, und die Provisorische Regierung wird zur&uuml;cktreten
m&uuml;ssen." Wolodarski, ein hochgewachsener blasser J&uuml;ngling mit einer
Brille und ungesunder Gesichtsfarbe, war in seinen &Auml;u&szlig;erungen
bestimmter: &AElig;Liber, Dan und die anderen Kompromi&szlig;ler sabotieren
den Kongre&szlig;. Sollte es ihnen gelingen, sein Zusammentreten zu verhindern,
nun - dann werden wir real genug sein, nicht von ihm abzuh&auml;ngen."
<P>
In meinen Papieren finde ich unter dem 24. Oktober folgende, den Zeitungen
vom gleichen Tage entnommene Notizen: &AElig;Mogiljow (Generalstabsquartier).
Konzentrierung treuer Garderegimenter, der ,Wilden Division', der Kosaken
und der Todesbataillone. Die Offizierssch&uuml;ler von Pawlowsk, Zarskoje
Selo und Peterhof von der Regierung nach Petrograd beordert. Ankunft der
Sch&uuml;ler von Oranienbaum in der Stadt. Teilweise Stationierung der
Panzerwagendivision der Petrograder Garnison im Winterpalast. Auf Befehl
Trotzkis Auslieferung einiger Tausend Gewehre an die Delegierten der Petrograder
Arbeiter durch die staatliche Waffenfabrik in Sestrorezk. Annahme einer
Resolution in einer Versammlung der Stadtmiliz des unteren Litejnyviertels,
die die &Uuml;bergabe der gesamten Macht an die Sowjets fordert."
<P>
Das sind nur einige Proben von den verwirrenden Ereignissen jener fiebrigen
Tage, da jeder ahnte, da&szlig; sich etwas vorbereitete, aber niemand
wu&szlig;te, was. In einer Sitzung des Petrograder Sowjets im Smolny, in
der Nacht des 30. Oktober, brandmarkte Trotzki die Behauptungen der
b&uuml;rgerlichen Presse, da&szlig; der Sowjet den bewaffneten Aufstand plane,
als &AElig;einen Versuch der Reaktion, den Sowjetkongre&szlig; zu diskreditieren
und zu verhindern.......Der Petrograder Sowjet", erkl&auml;rte er, &AElig;hat
keine Aktion angeordnet. Sollte dies notwendig werden, werden wir es tun,
und wir werden die Unterst&uuml;tzung der Petrograder Garnison haben.....Sie
(die Regierung) bereitet die Konterrevolution vor; wir werden darauf mit
einer Offensive antworten, die erbarmungslos und entscheidend sein wird."
Es ist richtig, da&szlig; der Petrograder Sowjet keine bewaffnete Demonstration
angeordnet hatte, aber das Zentralkomitee der bolschewistischen Partei
diskutierte die Frage des Aufstandes. Am 23. Oktober tagte das Zentralkomitee
die ganze Nacht. Anwesend waren alle Intellektuellen der Partei, die
F&uuml;hrer, und die Delegierten der Petrograder Arbeiter und der Garnison.
Von den Intellektuellen waren nur Lenin und Trotzki f&uuml;r den Aufstand.
Selbst die Milit&auml;rfachleute lehnten ihn ab. Es wurde eine Abstimmung
vorgenommen und der Aufstand verworfen. Da aber erhob sich mit wutverzerrten
Z&uuml;gen ein Arbeiter: &AElig;Ich spreche f&uuml;r das Petrograder
Proletariat", stie&szlig; er rauh hervor. &AElig;Wir sind f&uuml;r den Aufstand,
macht, was ihr wollt. Aber das eine sage ich euch, wenn ihr gestattet, da&szlig;
die Sowjets auseinandergejagt werden, <I>dann sind wir mit euch fertig."</I>
Einige Soldaten schlossen sich dieser Erkl&auml;rung an.....Eine zweite
Abstimmung wurde vorgenommen und - der Aufstand beschlossen. Der rechte
Fl&uuml;gel der Bolschewiki unter Rjasanow, Kamenew und Sinowjew fuhr trotzdem
fort, gegen die bewaffnete Erhebung zu polemisieren. Am Morgen des 31. Oktober
erschien im &AElig;Rabotschi Put" der erste Teil von Lenins &AElig;Brief
an die Genossen", eine der k&uuml;hnsten politischen Propagandaschriften,
die die Welt je gesehen. Als Text die Einwendungen Kamenews und Rjasanows
nehmend, trug Lenin hier alle Argumente zusammen, die zugunsten des Aufstandes
sprachen. &AElig;Entweder", schrieb er, &AElig;<I>offener</I> Verzicht auf
die Losung ,Alle Macht den Sowjets' oder Aufstand. Einen Mittelweg gibt es
nicht." Am selben Nachmittag hielt in dem Rat der Russischen Republik der
Kadettenf&uuml;hrer Miljukow eine scharfe Rede, in der er den &AElig;Nakas"
Skobelews als &AElig;prodeutsch" bezeichnete und erkl&auml;rte, da&szlig;
die &AElig;revolution&auml;re Demokratie" im Begriff sei, Ru&szlig;land zugrunde
zu richten. Er machte sich &uuml;ber Tereschtschenko lustig und sprach es
offen aus, da&szlig; er die deutsche Diplomatie der russischen vorziehe.
W&auml;hrend seiner ganzen Rede herrschte auf den linken B&auml;nken wilder
Tumult. Die Regierung ihrerseits konnte sich der Bedeutung des Erfolges der
bolschewistischen Propaganda nicht verschlie&szlig;en. Am 29. Entwarf eine
gemeinsame Komission der Regierung und des Rates der Russischen Republik
in aller Hast zwei neue Gesetze, deren eines die vor&uuml;bergehende
&Uuml;bergabe des Landes an die Bauern bestimmte, w&auml;hrend das andere
die Einleitung einer energischen ausw&auml;rtigen Friedenspolitik bedeuten
sollte. Einen Tag darauf beseitigte Kerenski die Todesstrafe in der Armee.
Am selben Nachmittag erfolgte die feierliche Er&ouml;ffnung der ersten Sitzung
der &AElig;Komission zur Festigung des republikanischen Regimes und
Bek&auml;mpfung der Anarchie und Konterrevolution", die allerdings in der
ferneren Entwicklung nicht die geringsten Spuren hinterlassen hat.... Am
folgenden Morgen interviewte ich, zusammen mit zwei anderen Journalisten,
Kerenski - das letztemal, da&szlig; dieser Journalisten empfing. &AElig;Das
russische Volk", meinte er bitter, &AElig;leidet unter seiner &ouml;konomische
Ermattung und den Entt&auml;uschungen, die die Alliierten ihm bereiteten!
Die Welt gibt sich dem Wahn hin, da&szlig; die russische Revolution zu Ende
sei. Irre man sich nicht. Die russische Revolution steht erst an ihrem Beginn."
Worte, prophetischer, als er es selbst geahnt haben mochte. Am 30. Oktober
fand eine die ganze Nacht w&auml;hrende ungemein st&uuml;rmische Sitzung
des Petrograder Sowjets statt, auf der ich zugegen war. Die
&AElig;gem&auml;&szlig;igten" sozialistischen Intellektuellen, Offiziere,
Armeekomitees, das Zentralexekutivkomitee der Sowjets waren zahlreich erschienen.
Gegen sie erhoben sich, leidenschaftlich und einfach, Arbeiter, Bauern und
niedere Soldaten. Ein Bauer berichtete von den Unruhen in Twer, die, wie
er sagte, durch die Verhaftung des Bodenkomitees verursacht waren. &AElig;Dieser
Kerenski", rief er, &AElig;ist nichts anderes als ein Schild f&uuml;r die
Grundbesitzer, die wissen, da&szlig; auf der Konstituierenden Versammlung
wir uns das Land irgendwie nehmen werden, und die diese darum unm&ouml;glich
machen wollen." Ein Maschinist aus den Putilow - Werken schilderte, wie die
Direktion die Abteilungen, eine nach der anderen, schlie&szlig;e, unter dem
Vorwande, da&szlig; man weder Feuerung noch Rohmaterialien habe,
w&auml;hrenddessen die Fabrikkomitees riesige Mengen an Materialien entdeckt
h&auml;tten, die versteckt worden waren. &AElig;Das ist Provokation", sagte
er, &AElig;Man will uns aushungern oder zur Gewalt treiben!" Ein Soldat begann
mit den Worten: &AElig;Genossen! Ich &uuml;berbringe euch Gr&uuml;&szlig;e
von dorther, wo M&auml;nner ihre eigenen Gr&auml;ber schaufeln und diese
Sch&uuml;tzengr&auml;ben nennen." Dann erhob sich, von m&auml;chtigem
Beifallssturm begr&uuml;&szlig;t, ein langer, hagerer, noch junger Soldat.
Es war Tschudnowski, als in den Julik&auml;mpfen gefallen gemeldet und jetzt
mit einem Male von den Toten auferstanden: &AElig;Die Soldatenmassen trauen
ihren Offizieren nicht mehr. Sogar die Armeekomitees, die es ablehnten, unsern
Sowjet einzuberufen, haben uns verraten. Die Massen der Soldaten bestehen
auf dem Zusammentritt der Konstituierenden Versammlung genau an dem Tag,
f&uuml;r den sie einberufen war. Die es wagen sollten, sie hinauszuschieben,
werden ihre Strafe finden, und nicht nur platonisch - die Armee hat auch
Kanonen." Er berichtete von der im Augenblick in der F&uuml;nften Armee
gef&uuml;hrten Wahlkampagne f&uuml;r die Konstituierende Versammlung. &AElig;Die
Offiziere, und besonders die Menschewiki und Sozialrevolution&auml;re, tun
alles, um die Wahlt&auml;tigkeit der Bolschewiki unm&ouml;glich zu machen.
Man verbietet die Verbreitung unserer Zeitungen in den Sch&uuml;tzengr&auml;ben
und verhaftet unsere Redner."
<P>
&AElig;Warum sprichst du nicht davon, da&szlig; wir kein Brot haben?" rief
ein anderer Soldat dazwischen. &AElig;Der Mensch lebt nicht vom Brot allein",
antwortete Tschudnowski streng. Ihm folgte ein Offizier und menschewistische
Sozialpatriot des Witebsker Sowjets. &AElig;Es handelt sich nicht darum,
in wessen H&auml;nden die Macht liegt. Nicht die Regierung ist das Problem,
sondern der Krieg......, und der mu&szlig; gewonnen werden, bevor an irgendeine
&Auml;nderung zu denken ist." (L&auml;rm und ironische Beifall.) &AElig;Die
bolschewistischen Agitatoren sind Demagogen." (Allgemeines Gel&auml;chter.)
&AElig;La&szlig;t uns nur einen Augenblick den Klassenkampf vergessen." Weiter
kam er jedoch nicht. Laut rief eine Stimme: &AElig;Das k&ouml;nnte dir wohl
so passen!" Petrograd bot in jenen Tagen ein eigenartiges Schauspiel, die
Komiteer&auml;ume in den Fabriken starrten vor Waffen, Kuriere kamen und
gingen, die Roten Garden exerzierten.... In den Kasernen Abend f&uuml;r Abend
Versammlungen und tags&uuml;ber hei&szlig;e Diskussionen. In den Stra&szlig;en
dr&auml;ngten sich gegen Abend riesige Menschenmassen, den Newski auf- und
niederflutend und sich um die herauskommenden Zeitungen rei&szlig;end.....
Raub&uuml;berf&auml;lle mehrten sich in einem Ma&szlig;e, da&szlig; es
gef&auml;hrlich war, sich in die Nebenstra&szlig;en zu wagen. Auf der Sadowaja
sah ich eines Nachmittags, wie eine Volksmenge von einigen hundert Menschen
einen beim stehlen erwischten Soldaten niederschlug und zu Tode trampelte.
Geheimnisvolle Individuen strichen um die in der K&auml;lte stundenlang nach
Brot und Milch anstehenden, vor Frost zitternden Frauen herum, tuschelnd,
da&szlig; die Juden die Lebensmittel auf die Seite br&auml;chten und da&szlig;,
w&auml;hrend das Volk hungere, die Sowjetmitglieder im Luxus schwelgten.
Der Smolny wurde aufs sch&auml;rfst bewacht. Niemand kam hinein und heraus,
der keinen Passierschein hatte. In allen Komiteer&auml;umen herrschte
gesch&auml;ftiges Leben den ganzen Tag hindurch, und auch des Nachts waren
dort Hunderte von Arbeitern und Soldaten, die auf dem nackten Boden schliefen,
wo immer sich ein Pl&auml;tzchen bot. Oben, in dem gro&szlig;en Saal,
str&ouml;mten die Menschen zu den l&auml;rmerf&uuml;llten Sitzungen des
Petrograder Sowjets. In der Stadt taten sich zahllose Spielklubs auf, die
bis zum Morgengrauen in Betrieb waren, wo der Champagner in Str&ouml;men
flo&szlig; und Eins&auml;tze von zwanzigtausend Rubeln keine Seltenheit waren.
Im Zentrum der Stadt promenierten Dirnen, juwelen- und pelzgeschm&uuml;ckt,
und dr&auml;ngten sich in die Cafes. Monarchistenverschw&ouml;rungen, Schmuggler,
deutsche Spione, die ihre Unternehmungen vorbereiteten. Und in dem kalten
Regen, unter einem unfreundlichen grauen Himmel, die gro&szlig;e pulsierende
Stadt, die rascher und rascher dahinst&uuml;rmt - wohin?
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