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<!DOCTYPE HTML PUBLIC "-//W3C//DTD HTML 3.2//EN">
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<HEAD>
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<META HTTP-EQUIV="CONTENT-TYPE" CONTENT="text/html; charset=iso-8859-1">
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<TITLE>Leo Trotzki: Rätsel UdSSR (21. Juni 1939)</TITLE>
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<META NAME="GENERATOR" CONTENT="StarOffice/5.2 (Win32)">
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<META NAME="AUTHOR" CONTENT="Leo Trotzki">
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<META NAME="CREATED" CONTENT="19390621;">
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<META NAME="CHANGEDBY" CONTENT="Lüko Willms">
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<META NAME="CHANGED" CONTENT="20001119;23325294">
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<META NAME="DESCRIPTION" LANGUAGE="de" CONTENT="Diskutiert im Juni 1939 die Chancen eines von London angestrebten Bündnisses mit Moskau gegen Berlin und stellt dar, daß Stalin auf jeden Fall ein Bündnis mit Hitler vorziehen würde. ">
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<META NAME="KEYWORDS" LANGUAGE="de" CONTENT="Zweiter Weltkrieg, Imperialismus, Faschismus, Stalinismus, Bündnisse">
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<link rel=stylesheet type="text/css" href="http://www.mlwerke.de/css/artikel.css">
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<STYLE>
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<!--
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P.sdendnote { margin-left: 0.5cm; text-indent: -0.5cm; margin-bottom: 0cm; font-size: 10pt }
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A.sdendnoteanc { font-size: 57% }
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-->
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</STYLE>
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</HEAD>
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<BODY>
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<TABLE width="100%" border="0" align="center" cellspacing=0 cellpadding=0>
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<TR>
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<TD ALIGN="center" width="49%" height=20 valign=middle><A href="../../index.shtml.html"><SMALL>Gesamtübersicht "MLWerke"</SMALL></A></TD>
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<TD ALIGN="center">|</TD>
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<TD ALIGN="center" width="49%" height=20 valign=middle><A href="../default.htm"><SMALL>Übersicht Leo Trotzki</SMALL></A></TD>
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</TR>
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</TABLE>
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<HR size="1">
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<H2>Leo Trotzki</H2>
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<H1>Rätsel UdSSR<A CLASS="sdendnoteanc" NAME="sdendnote1anc" HREF="390621a.htm#sdendnote1sym"><SUP>i</SUP></A></H1>
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<P STYLE="margin-bottom: 0cm">Coyoacán, 21. Juni 1939</P>
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<HR>
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<H3>Redaktionelle Vorbemerkung</H3>
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<blockquote>
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<P>Der hier vorgelegte Artikel wurde geschrieben in der Zeit zwischen
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dem 15. März 1939, als Hitlerdeutschland die bereits durch die
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Abtrennung des Sudentenlandes geschwächte Tschechei besetze und
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dem 23. August 1939, als die Unterzeichnung des Stalin-Hitler-Paktes
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den Weg für den deutschen Eroberungskrieg freimachte. Den
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westlichen Konkurrenten Deutschlands in Paris und London war
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endgültig klargeworden, daß die imperialen Ambitionen des
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deutschen Kapitals nicht mit einigen Zugeständnissen in
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Osteuropa zu befriedigen waren, und daß es Hitler ernst war mit
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einem Krieg um eine Neuaufteilung der Welt. London und Paris bemühten
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|
sich um einen Pakt mit der UdSSR gegen das Deutsche Reich. Trotzki
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erläutert in diesem Artikel vom Juni 1939, daß und warum
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Stalin auf jeden Fall ein Bündnis mit Hitler vorziehen würde,
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das dann ja auch zwei Monate später zustandekam.
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</P>
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<P>Lüko Willms</P>
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</blockquote>
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<HR>
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<P STYLE="text-indent: 0.5cm; margin-bottom: 0.21cm"><FONT SIZE=3>Zwei
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|
Grundzüge charakterisieren gegenwärtig die auswärtige
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|
Politik der Großmächte. Erstens das Fehlen jeglichen
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Systems und jeglicher Konse<wbr>quenz des Handelns. Besonders
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phantastische Schwankungen führte in letzter Zeit das Land vor,
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das historisch das Vorbild verläßlicher Stabilität
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war, nämlich Großbritannien. Zur Zeit des Münchner
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|
Abkommens, im September vergangenen Jahres, proklamierte Chamberlain
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|
»diese neue Welt«, die auf der Zusammenarbeit von vier
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|
europäischen Staaten gegrün<wbr>det ist.<A CLASS="sdendnoteanc" NAME="sdendnote2anc" HREF="390621a.htm#sdendnote2sym"><SUP>ii</SUP></A>
|
||
|
Die inoffizielle Losung der Konservativen war in diesen Tagen,
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||
|
Deutschland den Weg nach Osten zu öffnen. Heute konzentriert die
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|
britische Regierung alle Anstrengungen darauf, zu einer Übereinkunft
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mit Moskau zu kommen — gegen Deutschland. Die Londoner Börse,
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|
die |1210> seinerzeit das Münchner Abkommen mit einer
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Aufwärtstendenz begrüßte, paßt ihren Pulsschlag
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|
jetzt dem Verlauf der anglo-sowjetischen Verhand<wbr>lungen an.
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|
Frankreich folgt dem englischen Zickzack unterwürfig. Es bleibt
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ihm nichts anderes übrig. Das einzig stabile Moment in Hitlers
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Politik ist ihre aggressive Dynamik. Niemand weiß, in welche
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Richtung Deutschland den nächsten Schlag führt. Es ist
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|
möglich, daß selbst Hitler das heute noch nicht weiß.
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|
Das Hin und Her um das Gesetzes über die »Neutralität«<A CLASS="sdendnoteanc" NAME="sdendnote3anc" HREF="390621a.htm#sdendnote3sym"><SUP>iii</SUP></A>
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|
in den Vereinigten Staaten sind Illustrationen des gleichen Themas.</FONT></P>
|
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<P STYLE="text-indent: 0.5cm; margin-bottom: 0.21cm"><FONT SIZE=3>Der
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|
zweite Grundzug der internationalen Politik, der mit dem ersten eng
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|
zusammenhängt, ist der, daß niemand den Worten anderer, ja
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nicht einmal seinen eigenen Glauben schenkt. Jeder Vertrag setzt ein
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Minimum an gegenseitigem Vertrauen voraus, mehr noch ein
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Militärbündnis. Indessen haben die Umstände der
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|
anglo-sowjetischen Verhandlungen allzu offen gezeigt, daß ein
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solches Vertrauen nicht vorhanden ist. Dies ist keineswegs eine Frage
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abstrakter Moral; nur schließt gegenwärtig die objektive
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Lage der Weltmächte, denen es auf dem Globus nebeneinander zu
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eng wird, einfach die Möglichkeit einer konsequenten,
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vorhersehbaren und verläßlichen Politik aus. Jede
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Regierung versucht, sich gegen wenigstens zwei mögliche
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Konstellationen abzusichern. Daher rührt die fürchterliche
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|
Doppeldeutig<wbr>keit der Weltpolitik, die Heuchelei und die
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Verkrampfung. Je unausweichlicher und tragischer die allgemeine
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Prognose erkennbar wird —die Mensch<wbr>heit geht mit
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|
geschlossenen Augen einer neuen Katastrophe entgegen —‚desto
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|
schwieriger werden Teilprognosen: Was tun England oder Deutsch<wbr>land
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|
morgen? Auf wessen Seite wird Polen stehen? Welche Stellung wird
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|
Moskau beziehen? </FONT>
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</P>
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|
<P STYLE="text-indent: 0.5cm; margin-bottom: 0.21cm"><FONT SIZE=3>Zur
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|
Beantwortung der letzten Frage gibt es besonders wenig Daten. Die
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|
sowjetische Presse mischt sich so gut wie nicht in die internationale
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Politik ein. Weshalb gerade Mister Strang<A CLASS="sdendnoteanc" NAME="sdendnote4anc" HREF="390621a.htm#sdendnote4sym"><SUP>iv</SUP></A>
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nach Moskau kam und was er dort treibt, geht den sowjetischen Bürger
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nichts an. Ausländische Telegramme werden gewöhnlich auf
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der letzten Seite gebracht und meist in »neutraler«
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Färbung wiedergegeben. Über den Abschluß des
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deutsch-italienischen Bündnisses<A CLASS="sdendnoteanc" NAME="sdendnote5anc" HREF="390621a.htm#sdendnote5sym"><SUP>v</SUP></A>
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oder über die Befestigung der Älandinseln<A CLASS="sdendnoteanc" NAME="sdendnote6anc" HREF="390621a.htm#sdendnote6sym"><SUP>vi</SUP></A>
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wird so berichtet, als ob sich die Sache auf dem Mars zugetragen
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habe. Dieser Scheinobjekti<wbr>vismus vermeidet es, dem Kreml die
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Hände zu binden. In den vergangenen |1212> Monaten schrieb
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die Weltpresse wiederholt über die »Undurchschaubarkeit«
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sowjetischer Absichten und die »Unvorhersehbarkeit« der
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Kreml-Me<wbr>thoden. Einer Lösung solcher »unauflösbarer«
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Rätsel kommen wir um so näher, je entschiedener wir die
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Erforschung der subjektiven Sympathien und Antipathien Stalins durch
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eine objektive Einschätzung der Interessen der sowjetischen
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|
Oligarchie ersetzen, die Stalin nur personifiziert.</FONT></P>
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|
<H3>Haupttriebfedern der Kreml-Politik</H3>
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<P STYLE="text-indent: 0.5cm; margin-bottom: 0.21cm"><FONT SIZE=3>Niemand
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|
»will« Krieg, und viele »hassen« den Krieg
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obendrein. Das heißt nur, daß jeder seine Ziele mit
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friedlichen Mitteln erreichen möchte. Es heißt aber
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keineswegs, daß es keinen Krieg gibt. Die Ziele aber, ach, sind
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gegensätz<wbr>lich und lassen eine Aussöhnung nicht zu.
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Weniger als sonst jemand will Stalin einen Krieg, denn mehr als sonst
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jemand fürchtet er den Krieg. Dafür hat er genug Gründe.
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|
Die nach Maß und Methode ungeheuerlichen »Säube<wbr>rungen«
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spiegeln die unerträgliche Spannung zwischen der sowjetischen
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Bürokratie und dem Volk wider. Die Blüte der
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bolschewistischen Partei, die Wirtschaftsführer und die
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Spitzendiplomaten sind vernichtet. Die Blüte des Kommandokaders,
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die Helden und Idole von Armee und Flotte sind vernichtet. Von fünf
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Marschällen wurden drei liquidiert. Stalin initiierte diese
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Säuberung nicht aus der sinnentleerten Laune des orientalischen
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Despoten: Er war durch den Kampf um die Machterhaltung dazu
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gezwun<wbr>gen. Das muß man sich ernsthaft klarmachen. Wenn man
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in der sowjeti<wbr>schen Presse Tag für Tag das Leben in der
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UdSSR verfolgt und aufmerksam zwischen den Zeilen liest, wird ganz
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klar, daß die herrschende Schicht sich als Gegenstand des
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allgemeinen Hasses fühlt. Von den Volksmassen geht die Drohung
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aus: »Kommt der Krieg — werden wir es ihnen zeigen.«
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Die Bürokratie zittert um ihre frisch errungenen Positionen.
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Vorsicht ist der Grundzug ihres Führers, besonders in der Arena
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der Weltpolitik. Wagemut ist ihm vollkommen fremd. Zwar macht er
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nicht vor Gewaltanwendung in noch nie dagewesenem Ausmaß halt,
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jedoch wenn vorher Straflosigkeit gewiß ist. Dafür macht
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er leicht Zugeständnisse und tritt den Rückzug an, wenn er
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den Ausgang des Kampfes nicht übersieht. Japan hätte sich
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nie in einen Krieg mit China eingelassen, wenn es nicht im voraus
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gewußt hätte, daß Moskau sich den günstigen
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Vorwand zur Einmischung nicht zunutze machen würde. Auf dem
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Parteitag im März dieses Jahres erklärte Stalin erstmals
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laut, daß die Sowjetunion gegenüber den kapitalistischen
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Ländern ökonomisch noch weit zurück sei<A CLASS="sdendnoteanc" NAME="sdendnote7anc" HREF="390621a.htm#sdendnote7sym"><SUP>vii</SUP></A>.
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|
- Dies mußte er nicht nur eingestehen, um |1213> das
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||
|
niedrige Lebensniveau der Volksmassen zu erklären, sondern auch
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um seine Rückzüge auf außenpolitischem Gebiet zu
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rechtfertigen. Stalin ist bereit, für den Frieden teuer, um
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nicht zu sagen jeden Preis, zu bezahlen. Nicht, weil er den Krieg
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|
»haßt«, sondern weil er seine Folgen fürchtet
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wie den Tod.</FONT></P>
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<P STYLE="text-indent: 0.5cm; margin-bottom: 0.21cm"><FONT SIZE=3>Unter
|
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|
diesem Blickwinkel ist es nicht schwierig, im Vergleich die Vorteile
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|
einzuschätzen, die für den Kreml die Alternative eines
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|
Abkommen mit Deutschland oder eines Bündnisses mit den
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|
»Demokratien« konstituieren. Die Freundschaft mit Hitler
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|
würde sofort die Kriegsgefahr von Westen beseitigen und zugleich
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|
eine starke Abschwächung der vom Fernen Osten ausgehenden
|
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|
Gefahr. Das Bündnis mit den Demokratien eröffnet nur die
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||
|
Möglichkeit, im Falle eines Krieges Hilfe zu bekommen. Wenn
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|
Krieg nicht vermeidbar ist, ist es selbstverständlich besser,
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|
Verbündete zu haben, als isoliert zu sein. Aber die Hauptaufgabe
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||
|
Stalinscher Politik besteht nicht darin, günstigere Bedingungen
|
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|
für den Kriegsfall zu schaffen, sondern darin, den Krieg zu
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|
vermeiden. Das ist der verborgene Sinn der wiederholten Äußerungen
|
||
|
Stalins, Molotows und Woroschilows, daß die UdSSR »keine
|
||
|
Verbündeten braucht«.</FONT></P>
|
||
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<P STYLE="text-indent: 0.5cm; margin-bottom: 0.21cm"><FONT SIZE=3>Die
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||
|
Wiederbelebung der Entente<A CLASS="sdendnoteanc" NAME="sdendnote8anc" HREF="390621a.htm#sdendnote8sym"><SUP>viii</SUP></A>
|
||
|
propagiert man heute zwar als verläßli<wbr>ches Mittel zur
|
||
|
Vermeidung eines Krieges. Niemand erklärt uns jedoch, warum die
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|
Entente dieses Ziel vor 25 Jahren nicht erreicht hat. Die Schaffung
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|
des Völkerbundes wurde vor allem damit motiviert, daß
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|
andern<wbr>falls die Teilung Europas in zwei Lager unvermeidlich zu
|
||
|
einem neuen Krieg führe. Als Ergebnis des Experiments der
|
||
|
»kollektiven Sicherheit«<A CLASS="sdendnoteanc" NAME="sdendnote9anc" HREF="390621a.htm#sdendnote9sym"><SUP>ix</SUP></A>,
|
||
|
kam die Diplomatie jetzt zu dem Schluß, daß die Teilung
|
||
|
Europas in zwei unver<wbr>söhnliche Lager es ermöglicht,
|
||
|
den Krieg abzuwenden. Das glaube, wer will! Der Kreml glaubt das
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||
|
jedenfalls nicht. Eine Übereinkunft mit Hitler würde die
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||
|
Grenzen der UdSSR sichern, allerdings Moskau aus der europäischen
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|
Politik ausschließen. Stalin könnte sich nichts besseres
|
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|
wünschen. Das Bündnis mit den Demokratien sichert die
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||
|
Grenzen der UdSSR nur inso<wbr>weit, wie es alle anderen europäischen
|
||
|
Grenzen sichert, verwandelt die UdSSR in deren Bürgen und
|
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|
schließt so die Möglichkeit der Neutralität aus.</FONT></P>
|
||
|
<P STYLE="text-indent: 0.5cm; margin-bottom: 0.21cm"><FONT SIZE=3>|1214>
|
||
|
Anzunehmen, die Neubildung der Entente sei geeignet, den Status quo
|
||
|
zu verewigen, die Möglichkeit jeglicher Grenzverletzungen
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auszuschließen, hieße, in einer Welt der Schimären
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zu leben. Vielleicht wäre die Kriegsgefahr für die UdSSR
|
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|
zeitweilig nicht so bedrohlich; sie wäre dann aber weitaus
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|
extensiver. Ein Bündnis Moskaus mit London und Paris würde
|
||
|
für Hitler bedeuten, daß er nun alle drei Staaten
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||
|
gleichzeitig gegen sich hätte, gleich<wbr>gültig, welche
|
||
|
Grenze er verletzt. Angesichts dieses Risikos wird er sicher<wbr>lich
|
||
|
den höchsten Einsatz wählen, d.h. den Feldzug gegen die
|
||
|
UdSSR. In diesem Fall kann sich die »Versicherung«
|
||
|
Entente leicht in ihr Gegenteil verkehren.</FONT></P>
|
||
|
<P STYLE="text-indent: 0.5cm; margin-bottom: 0.21cm"><FONT SIZE=3>Auch
|
||
|
in jeder anderen Beziehung wäre das Abkommen mit Deutschland die
|
||
|
beste Lösung für die Moskauer Oligarchie. Die Sowjetunion
|
||
|
könnte Deutschland systematisch fast alle Bodenschätze und
|
||
|
Lebensmittel liefern, die ihm fehlen; Deutschland könnte die
|
||
|
Sowjetunion mit Maschinen, Industriegütern sowie mit den nötigen
|
||
|
technischen Rezepten versehen, sowohl für die zivile als auch
|
||
|
für die Rüstungsindustrie. Im Schraubstock der beiden
|
||
|
Giganten bliebe Polen, Rumänien und den baltischen Staaten
|
||
|
nichts anderes übrig, als jeden Gedanken an eine selbständige
|
||
|
Politik aufzugeben und sich auf die bescheidenen Vorteile von
|
||
|
Zusammenarbeit und Transit zu beschränken. Moskau würde
|
||
|
Berlin in der Außenpolitik gern volle Freiheit in jede Richtung
|
||
|
gewähren, eine ausgenommen: die nach Osten. Wer unter diesen
|
||
|
Bedingungen an die »Verteidigung der Demokra<wbr>tie«
|
||
|
erinnern würde, würde vom Kreml zum Trotzkisten, Agenten
|
||
|
Cham<wbr>berlains und Söldner der Wallstreet erklärt und
|
||
|
unverzüglich erschossen. </FONT>
|
||
|
</P>
|
||
|
<P STYLE="text-indent: 0.5cm; margin-bottom: 0.21cm"><FONT SIZE=3>Vom
|
||
|
ersten Tag des nationalsozialistischen Regimes an zeigte Stalin
|
||
|
systematisch und nachdrücklich seine Bereitschaft zur
|
||
|
Freundschaft mit Hitler. Mitunter geschah dies in Form offener
|
||
|
Erklärungen; häufiger aber in Andeutungen, in tendenziösem
|
||
|
Schweigen oder — umgekehrt — in Form von Betonungen, die
|
||
|
die eigenen Bürger nicht bemerken konnten, ihren Adressaten
|
||
|
hingegen unfehlbar erreichten. Über die Arbeit, die dazu hinter
|
||
|
den Kulissen geleistet wurde, hat kürzlich W. Kriwitzki<A CLASS="sdendnoteanc" NAME="sdendnote10anc" HREF="390621a.htm#sdendnote10sym"><SUP>x</SUP></A>
|
||
|
sehr ausführlich |1215> berichtet, der ehemalige Leiter der
|
||
|
sowjetischen Spionageabwehr in Euro<wbr>pa. Erst als Hitler mehrmals
|
||
|
äußerst feindlich reagierte, setzte in der sowjetischen
|
||
|
Politik ein Umschwung auf die Seite des Völkerbundes, der
|
||
|
kollektiven Sicherheit und der Volksfront ein. Die neue diplomatische
|
||
|
Melodie, untermalt von den Trommeln, Pauken und Saxophonen der
|
||
|
Komintern, wurde im Laufe des letzten Jahres für das Trommelfell
|
||
|
immer gefährlicher. Aber in Momenten der Stille waren darunter
|
||
|
jedesmal leisere, leicht melancholische, intimere Noten zu hören,
|
||
|
die für die Ohren Berchtes<wbr>gadens<A CLASS="sdendnoteanc" NAME="sdendnote11anc" HREF="390621a.htm#sdendnote11sym"><SUP>xi</SUP></A>
|
||
|
bestimmt waren. In dieser scheinbaren Ambivalenz liegt fraglos ihre
|
||
|
innere Einheitlichkeit.</FONT></P>
|
||
|
<P STYLE="text-indent: 0.5cm; margin-bottom: 0.21cm"><FONT SIZE=3>Die
|
||
|
gesamte Weltpresse wandte ihre Aufmerksamkeit der Offenheit zu, mit
|
||
|
der Stalin in seiner Rede auf dem letzten Parteitag im März
|
||
|
dieses Jahres mit Deutschland kokettierte und gleichzeitig Schläge
|
||
|
an England und |1216> Frankreich austeilte, als »Kriegstreiber,
|
||
|
die das Feuer mit fremden Händen schüren.« Völlig
|
||
|
unbemerkt blieb dagegen der ergänzende Vortrag von Manuilski
|
||
|
über die Kominternpolitik; indessen ist auch dieser Vortrag von
|
||
|
Stalin redigiert. Die traditionelle Forderung nach Befreiung aller
|
||
|
Kolonien hatte Manuilski erstmals durch eine neue Losung ersetzt:
|
||
|
»Kampf für die Verwirklichung des Rechtes auf
|
||
|
Selbstbestimmung der Völker, die <I>von den faschistischen
|
||
|
Staaten unterjocht werden</I>... Die Kommunisten fordern die freie
|
||
|
Selbstbestimmung Österreichs, des Sudetengebiets, … Koreas,
|
||
|
Formosas, Abessiniens, ...« Was Indien, Indochina, Algerien und
|
||
|
andere Kolonien Großbritanniens und Frankreichs angeht, so
|
||
|
beschränkt sich Stalins Agent auf den harmlosen Wunsch nach
|
||
|
»Verbesserung der Lage der werktätigen Massen«.
|
||
|
Zugleich fordert er, daß die Kolonialvölker künftig
|
||
|
ihren Befreiungskampf »dem Ziel der Zerschmetterung des
|
||
|
Faschismus, dieses schlimmsten Feindes der Werktätigen«,
|
||
|
unterordnen.«<A CLASS="sdendnoteanc" NAME="sdendnote12anc" HREF="390621a.htm#sdendnote12sym"><SUP>xii</SUP></A>
|
||
|
Mit anderen Worten, die englischen und französischen Kolonien
|
||
|
sind nach der neuen Kominterntheorie verpflichtet, ihre Metropolen
|
||
|
gegen Deutschland, Ita<wbr>lien und Japan zu unterstützen. Der
|
||
|
augenfällige Widerspruch beider Vorträge hat in
|
||
|
Wirklichkeit nur Scheincharakter. Stalin übernahm den
|
||
|
wichtigeren Teil der Aufgabe: den direkten Vorschlag an Hitler zur
|
||
|
Eini<wbr>gung gegen die demokratischen »Kriegsprovokateure«.
|
||
|
Manuilski beauf<wbr>tragte er, Hitler mit der Annäherung der
|
||
|
UdSSR an die demokratischen »Provokateure« zu erschrecken
|
||
|
und so die ihnen entstehenden enormen Vorteile hervorzuheben, die das
|
||
|
Bündnis mit der UdSSR für sie hat: niemand außer dem
|
||
|
Kreml, dem alten Freund der geknechteten Völker, wäre in
|
||
|
der Lage, den Kolonien die Notwendigkeit zu suggerieren, ihren
|
||
|
demokratischen Herren während eines Krieges mit dem Faschismus
|
||
|
die Treue zu bewahren. Das sind die Haupttriebfedern der
|
||
|
Kremlpolitik, einheitlich trotz äußerer Gegensätze.
|
||
|
Von Anfang bis Ende ist sie durch die Interessen der herrschenden
|
||
|
Kaste definiert, die alle Prinzipien über Bord geworfen hat,
|
||
|
außer dem Prinzip der Selbsterhaltung. </FONT>
|
||
|
</P>
|
||
|
<H3>Hitler und die UdSSR</H3>
|
||
|
<P STYLE="text-indent: 0.5cm; margin-bottom: 0.21cm"><FONT SIZE=3>Die
|
||
|
Mechanik lehrt, daß sich Kraft durch Masse und Geschwindigkeit
|
||
|
definiert. Die Dynamik der Außenpolitik Hitlers sichert
|
||
|
Deutschland eine beherrschende Lage in Europa, teilweise auch in der
|
||
|
übrigen Welt. Für wie lange, ist eine andere Frage. Wenn
|
||
|
Hitler sich unterwerfen würde (vorausge<wbr>setzt, er könnte
|
||
|
sich unterwerfen), würde London Moskau erneut den Rücken
|
||
|
kehren. Andererseits hängt die stündlich erwartete Antwort
|
||
|
Mos<wbr>kaus auf die Londoner Vorschläge weitaus mehr von Hitler
|
||
|
als von Stalin ab. Wenn Hitler schließlich auf die
|
||
|
diplomatischen Avancen Moskaus eingeht, erhält Chamberlain eine
|
||
|
Absage. Wenn Hitler schwankt oder tut, als ob er schwanke, wird der
|
||
|
Kreml mit allen Kräften die Verhandlungen hinauszö<wbr>gern.
|
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|
Stalin wird einen Vertrag mit England nur abschließen, wenn er
|
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|
überzeugt ist, daß ein Abkommen mit Hitler für ihn
|
||
|
außer Reichweite ist. </FONT>
|
||
|
</P>
|
||
|
<P STYLE="text-indent: 0.5cm; margin-bottom: 0.21cm"><FONT SIZE=3>Dimitroff,
|
||
|
der Sekretär der Komintern, gab bald nach dem Münchner
|
||
|
Abkommen im Auftrag Stalins einen genauen Kalender zukünftiger
|
||
|
Er<wbr>oberungszüge Hitlers bekannt<A CLASS="sdendnoteanc" NAME="sdendnote13anc" HREF="390621a.htm#sdendnote13sym"><SUP>xiii</SUP></A>
|
||
|
Ungarn wird im Frühjahr 1939 unterwor<wbr>fen; <EM>im Herbst
|
||
|
desselben Jahres wird Polen Ziel der Eroberungspolitik.</EM> Jugoslawien
|
||
|
ist im folgenden Jahr an der Reihe. Im Herbst 1940 wird Hitler in
|
||
|
Rumänien und Bulgarien einfallen. Im Frühjahr 1941 werden
|
||
|
die Schläge gegen Frankreich, Belgien, Holland, Dänemark
|
||
|
und die Schweiz gerichtet sein. <EM>Für den Herbst 1941 schließlich
|
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|
will Deutschland den Angriff auf die Sowjetunion eröffnen.</EM>
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Möglich, daß dies — natürlich weniger
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|
vollständig — Erkenntnisse der sowjetischen Aufklärung
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sind. Vielleicht sind sie aber auch Produkt reiner Spekulation, die
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beweisen soll, daß Deutschland zuerst seine westlichen Nachbarn
|
||
|
niederwirft und erst dann die Waffen gegen die Sowjetunion richtet.
|
||
|
Wieweit wird sich Hitler nach Dimitroffs Kalender richten? Um diese
|
||
|
Frage drehen sich jetzt Vermutungen und Pläne in den
|
||
|
verschiedenen Hauptstädten Europas.</FONT></P>
|
||
|
<P STYLE="text-indent: 0.5cm; margin-bottom: 0.21cm"><FONT SIZE=3>Das
|
||
|
erste Kapitel des Hitler‘schen Weltplans, die Schaffung einer
|
||
|
breiten nationalen Basis, dazu das tschechoslowakische Sprungbrett,
|
||
|
ist abge<wbr>schlossen. Die nächste Etappe der deutschen
|
||
|
Aggression hat zwei mögliche Varianten. Entweder ein sofortiges
|
||
|
Abkommen mit der UdSSR, um die Hände im Südwesten und
|
||
|
Westen freizubekommen; in diesem Fall würden die Vorstellungen
|
||
|
bezüglich der Ukraine, des Kaukasus und des Urals in den
|
||
|
Operationen Hitlers das dritte Kapitel ausmachen. Oder der sofortige
|
||
|
Schlag nach Osten, die Zerstückelung der Sowjetunion, die
|
||
|
Absicherung im Osten. In diesem Fall wäre der Schlag gegen den
|
||
|
Westen das dritte Kapitel.</FONT></P>
|
||
|
<P STYLE="text-indent: 0.5cm; margin-bottom: 0.21cm"><FONT SIZE=3>Ein
|
||
|
dauerhaftes Abkommen mit Moskau, ganz im Geiste Bismarck‘scher
|
||
|
|1218> Tradition<A CLASS="sdendnoteanc" NAME="sdendnote14anc" HREF="390621a.htm#sdendnote14sym"><SUP>xiv</SUP></A>,
|
||
|
würde für Deutschland nicht nur enorme wirtschaftliche
|
||
|
Vorteile bringen, sondern ihm auch erlauben, aktive Weltpolitik zu
|
||
|
betrei<wbr>ben. Jedoch hat Hitler seit dem Tag seines Machtantritts
|
||
|
beharrlich die ausgestreckte Hand Moskaus zurückgewiesen. Da
|
||
|
Hitler die deutschen »Marxisten« vernichtete, durfte er
|
||
|
seine innenpolitische Position in den ersten Jahren nicht durch
|
||
|
Annäherung an das »marxistische« Moskau schwächen.
|
||
|
Wichtiger waren jedoch außenpolitische Überlegungen: Um
|
||
|
England zu veranlassen, die Augen vor der illegalen Wiederbewaffnung
|
||
|
Deutschlands und der Verletzung des Versailler Vertrages zu
|
||
|
schließen, mußte Hitler als Beschützer der
|
||
|
europäischen Kultur vor der bolschewisti<wbr>schen Barbarei
|
||
|
auftreten. Diese beiden Gründe haben jetzt an Wichtigkeit
|
||
|
verloren. In Deutschland sind die sozialdemokratische und die
|
||
|
kommuni<wbr>stische Partei, die sich durch die schmähliche
|
||
|
Kapitulation vor den Nazis selbst entehrt haben, heute eine
|
||
|
bedeutungslose Größe. In Moskau sind vom Marxismus nur
|
||
|
schlechte Marxbüsten übriggeblieben. Die Entste<wbr>hung
|
||
|
einer neuen privilegierten Schicht in der UdSSR und die Absage an
|
||
|
eine internationale Revolutionspolitik, die durch massenhaftes
|
||
|
Ausmerzen von Revolutionären bekräftigt wurde, verminderte
|
||
|
in starkem Maße die Furcht, in die Moskau die kapitalistische
|
||
|
Welt versetzte. Der Vulkan ist erloschen, die Lava erkaltet. Es
|
||
|
versteht sich, daß die kapitalistischen Staaten auch jetzt gern
|
||
|
bei der Wiedererrichtung des Kapitalismus in der UdSSR helfen würden.
|
||
|
Aber sie betrachten dieses Land nicht mehr als Brutstätte der
|
||
|
Revolution. Das Bedürfnis nach einem Feldherrn für den
|
||
|
Kreuzzug gen Osten besteht nicht mehr. Hitler selbst hat früher
|
||
|
als andere die gesellschaftliche Bedeutung der Moskauer Säuberungen
|
||
|
und der Justizspektakel verstanden, weil er in jedem einzelnen Fall
|
||
|
sicher wußte, daß weder Sinowjew noch Kamenjew, Rykow,
|
||
|
Bucharin, Marschall Tucha<wbr>tschewski, noch Hunderte anderer
|
||
|
Revolutionäre, Staatsbeamte, Diplo<wbr>maten und Generäle
|
||
|
seine Agenten waren. Ebenso entfiel für Hitler die
|
||
|
Notwendigkeit, die Downing Street<A CLASS="sdendnoteanc" NAME="sdendnote15anc" HREF="390621a.htm#sdendnote15sym"><SUP>xv</SUP></A>
|
||
|
durch Interessengemeinschaft gegen die UdSSR zu hypnotisieren, weil
|
||
|
er von seiten Englands mehr bekam, als er gehofft hatte — alles,
|
||
|
was man bekommen konnte, ohne zu den Waffen zu greifen. Wenn er
|
||
|
nichtsdestoweniger dem Kreml entgegenkommt, dann offensichtlich
|
||
|
deshalb, weil er die UdSSR fürchtet. Mit ihrer Bevölkerung
|
||
|
von 170 Millionen, der Unerschöpflichkeit der natürlichen
|
||
|
Reichtümer, den unbestrittenen Industrialisierungserfolgen, dem
|
||
|
Ausbau der Verkehrs<wbr>wege, wird die UdSSR — so kombiniert
|
||
|
Hitler — Polen, Rumänien und die Baltenstaaten schnell an
|
||
|
sich reißen und mit all ihrer Masse gerade in dem Moment an die
|
||
|
Grenzen Deutschlands vorrücken, wenn das Dritte Reich in den
|
||
|
Kampf um die Neuverteilung der Welt einbezogen sein wird. Um England
|
||
|
und Frankreich ihrer Kolonien zu berauben, muß man sich
|
||
|
zu<wbr>nächst den eigenen Rücken freihalten, und so spielt
|
||
|
Hitler mit dem Gedanken an einen Präventivkrieg gegen die UdSSR.</FONT></P>
|
||
|
<P STYLE="text-indent: 0.5cm; margin-bottom: 0.21cm"><FONT SIZE=3>Gewiß
|
||
|
kennt der deutsche Stab aufgrund früherer Erfahrung die
|
||
|
Schwie<wbr>rigkeiten einer Besetzung Rußlands oder auch nur der
|
||
|
Ukraine recht gut. Hitler rechnet allerdings mit der Labilität
|
||
|
des Stalinschen Regimes. Einige ernste Niederlagen der Roten Armee,
|
||
|
so spekuliert er, werden für den Sturz der Kremlregierung
|
||
|
ausreichen. Und weil es keinerlei organisierte Kräfte im Lande
|
||
|
gibt, die Weiße Emigration dem Volk völlig fremd ist, wird
|
||
|
nach dem Niedergang Stalins lange Zeit ein Chaos herrschen, das man
|
||
|
einerseits für die unmittelbare wirtschaftliche Plünderung,
|
||
|
Aneignung der Goldreser<wbr>ven, Ausfuhr jeder Art von Bodenschätzen
|
||
|
usw., andererseits für einen Schlag gegen den Westen ausnutzen
|
||
|
kann. Die lebhaften Handelsbeziehun<wbr>gen zwischen Deutschland und
|
||
|
derUdSSR — jetzt ist erneut die Rede von einer Reise von
|
||
|
Industrievertretern aus Berlin nach Moskau — zeugen für
|
||
|
sich genommen noch nicht davon, daß eine lange Periode des
|
||
|
Friedens vor uns liegt. Bestenfalls bedeuten sie, daß der
|
||
|
Zeitpunkt für den Krieg noch nicht feststeht. Kredite in Höhe
|
||
|
von einigen Hundert Millionen Mark können den Krieg nicht eine
|
||
|
Stunde aufhalten, denn im Krieg geht es nicht um Hunderte von
|
||
|
Millionen, sondern um zig Milliarden, um die Eroberung von Ländern
|
||
|
und Kontinenten, um die Neuverteilung der Welt. Verlorene Kredite
|
||
|
werden nötigenfalls den kleinen Ausgaben des großen
|
||
|
Unterneh<wbr>mens zugerechnet. Zugleich ist die Bewilligung neuer
|
||
|
Kredite kurz vor Beginn militärischer Operationen eine passable
|
||
|
Methode zur Desorientie|1220>rung des Gegners. In jedem Fall
|
||
|
entscheidet Hitler gerade jetzt, im kriti<wbr>schen Augenblick der
|
||
|
anglo-sowjetischen Verhandlungen, in welche Rich<wbr>tung er seine
|
||
|
Aggression lenken soll: in den Osten oder den Westen?</FONT></P>
|
||
|
<H3>Die Zukunft der Militärbündnisse</H3>
|
||
|
<P STYLE="text-indent: 0.5cm; margin-bottom: 0.21cm"><FONT SIZE=3>Vielleicht
|
||
|
stellt sich heraus, daß die Unterscheidung zwischen »zweitem«
|
||
|
und »drittem« Kapitel der bevorstehenden deutschen
|
||
|
Expansion eine pedantische Konstruktion ist: Die Wiederherstellung
|
||
|
der Entente würde Hitler der Möglichkeit berauben, seine
|
||
|
Aufgaben der Reihe nach zu lösen und seine Schläge zu
|
||
|
staffeln, weil der Konflikt, gleichgültig, wo er beginnt, sich
|
||
|
unverzüglich auf alle Grenzen Deutschlands ausdehnt. Allerdings
|
||
|
ist diese Überlegung nur bedingt zuverlässig. Deutschland
|
||
|
hat gegenüber seinen zukünftigen Feinden eine zentrale
|
||
|
Stellung inne; es kann manövrie<wbr>ren und seine Reserven auf
|
||
|
inneren Operationslinien jeweils in die wichtig<wbr>ste Richtung
|
||
|
werfen. Solange die Initiative der militärischen Operationen bei
|
||
|
Deutschland liegt — und zu Beginn des Krieges wird sie
|
||
|
zweifelsohne hier liegen — wird Deutschland jeweils einen
|
||
|
Hauptfeind aussuchen und die anderen Fronten als zweitrangig
|
||
|
behandeln. Einheitliches Vorgehen Eng<wbr>lands, Frankreichs und der
|
||
|
UdSSR könnte zwar die Handlungsfreiheit des deutschen
|
||
|
Oberkommandos bedeutend einengen: und eben deshalb wäre ein
|
||
|
Dreierbündnis notwendig. Aber einheitliches Handeln muß
|
||
|
auch tat<wbr>sächlich verwirklicht werden. Allerdings zeigt
|
||
|
schon die angespannte Aus<wbr>einandersetzung um die
|
||
|
Vertragsformulierungen, wie sehr jeder Vertrag<wbr>spartner sich
|
||
|
bemüht, die eigene Handlungsfreiheit auf Kosten seiner künftigen
|
||
|
Bündnispartner zu bewahren. Wenn dieses oder jenes Mitglied der
|
||
|
neuen Entente es für zweckmäßiger hielte, sich in
|
||
|
einem gefährlichen Augenblick zurückzuhalten, würde
|
||
|
ihm Hitler bereitwillig die juristische Grundlage für einen
|
||
|
Vertragsbruch liefern: dazu würde es ausreichen, den
|
||
|
Kriegsbeginn durch solche diplomatischen Manöver zu
|
||
|
verschleiern, die die Bestimmung des »Aggressors«
|
||
|
außerordentlich erschweren — wenigstens vom Standpunkt des
|
||
|
Ententemitglieds, das an der Verschleierung der Frage interessiert
|
||
|
ist. Doch lassen wir den Extremfall des offenen »Verrats«
|
||
|
außer acht, bleibt dennoch die Frage nach dem Grad, in dem der
|
||
|
Vertrag erfüllt wird. Wenn Deutschland gegen den westlichen
|
||
|
Nachbarn losschlägt, wird England Frankreich sofort mit allen
|
||
|
Kräften zu Hilfe kommen, weil dies das Schicksal Großbritanniens
|
||
|
unmittelbar berührt. Die Lage sähe jedoch ganz anders aus,
|
||
|
sollte Deutschland seine Hauptkräfte nach Osten werfen. England
|
||
|
und Frankreich sind natürlich nicht an einem entscheidenden Sieg
|
||
|
Deutschlands über die Sowjetunion interessiert, aber sie haben
|
||
|
nichts gegen |1221> eine wechselseitige Schwächung dieser
|
||
|
beiden Länder. Hitlers Aufgaben im Osten sind angesichts des
|
||
|
wahrscheinlichen Widerstandes Polens und Rumäniens, angesichts
|
||
|
der riesigen Räume und Bevölkerungsmassen so unermeßlich,
|
||
|
daß sie auch bei einem für ihn günstigen Verlauf der
|
||
|
Operatio<wbr>nen große Kräfte und viel Zeit erfordern
|
||
|
würden. England und Frankreich können die gesamte erste
|
||
|
Periode, die je nach den Ereignissen von längerer oder kürzerer
|
||
|
Dauer ist, verhältnismäßig bequem nutzen, und zwar
|
||
|
zur Mobilmachung, zum Übersetzen der englischen Truppen über
|
||
|
den Kanal, zur Konzentrierung der Kräfte, zur Wahl des richtigen
|
||
|
Augenblicks, wobei sie es der Roten Armee überlassen, die ganze
|
||
|
Last des deutschen Angriffs auszuhalten. Wenn die UdSSR dann in eine
|
||
|
schwierige Lage gerät, können die Bündnispartner neue
|
||
|
Bedingungen stellen, die der Kreml nicht einfach wird ablehnen
|
||
|
können. Als Stalin im März auf dem Parteitag sagte, daß
|
||
|
England und Frankreich an einem langwierigen Krieg zwischen
|
||
|
Deutsch<wbr>land und der Sowjetunion interessiert seien, um im
|
||
|
letzten Moment mit frischen Kräften als Schiedsrichter zu
|
||
|
erscheinen<A CLASS="sdendnoteanc" NAME="sdendnote16anc" HREF="390621a.htm#sdendnote16sym"><SUP>xvi</SUP></A>,
|
||
|
hatte er nicht unrecht. </FONT>
|
||
|
</P>
|
||
|
<P STYLE="text-indent: 0.5cm; margin-bottom: 0.21cm"><FONT SIZE=3>|
|
||
|
1222> Ebenso richtig ist aber, daß Moskau, sollte Hitler,
|
||
|
nachdem er die Aufmerksamkeit durch das Spektakel um Danzig<A CLASS="sdendnoteanc" NAME="sdendnote17anc" HREF="390621a.htm#sdendnote17sym"><SUP>xvii</SUP></A>
|
||
|
abgelenkt hat, den Hauptschlag gegen Westen führen,
|
||
|
bereitwilligst die Vorteile seiner Lage ausnutzen wird. Seine
|
||
|
freiwilligen und unfreiwilligen Helfer werden in dieser Beziehung die
|
||
|
Anrainerstaaten sein. Ein direkter Einmarsch Hitlers nach Polen würde
|
||
|
dort verständlicherweise das Mißtrauen gegenüber der
|
||
|
UdSSR vertreiben, und die Warschauer Regierung würde die Rote
|
||
|
Armee selbst zu Hilfe rufen. Wenn im anderen Fall Hitler nach Westen
|
||
|
oder Süden vorgeht, würden sich Polen sowie Rumänien,
|
||
|
in stillschweigendem Einver<wbr>ständnis mit dem Kreml, mit
|
||
|
allen Kräften einem Einmarsch der Roten Armee in ihr Territorium
|
||
|
widersetzen. Das Hauptgewicht des deutschen Schlags lastet in diesem
|
||
|
Fall auf Frankreich. Moskau wird abwarten. Wie exakt auch immer der
|
||
|
neue Pakt auf dem Papier formuliert sein wird, das Dreierabkommen ist
|
||
|
nicht nur ein Militärbündnis, sondern auch ein Drei<wbr>eck
|
||
|
antagonistischer Interessen. Das Mißtrauen Moskaus ist um so
|
||
|
natürli<wbr>cher, als es niemals gelingen wird, Frankreich in
|
||
|
Gegensatz zu England oder England in Gegensatz zu Frankreich zu
|
||
|
bringen; dagegen finden diese Länder immer eine gemeinsame
|
||
|
Sprache für vereinten Druck auf Moskau. Hitler kann diesen
|
||
|
Antagonismus zwischen den Bündnispartnern mit Erfolg ausnutzen.</FONT></P>
|
||
|
<P STYLE="text-indent: 0.5cm; margin-bottom: 0.21cm"><FONT SIZE=3>Aber
|
||
|
nicht für lange. Im totalitären Lager brechen die
|
||
|
Widersprüche vielleicht etwas später auf, aber dann um so
|
||
|
heftiger. Selbst wenn man das ferne Tokio außer acht läßt,
|
||
|
ist die »Achse Berlin — Rom« wohl nur kraft des
|
||
|
gewaltigen Übergewichts Berlins gegenüber Rom und der
|
||
|
direkten Unterwerfung Roms unter Berlin dauerhaft und verläßlich.
|
||
|
Dadurch wird gewiß eine große Gemeinsamkeit und
|
||
|
Schnelligkeit im Handeln erreicht. Doch nur bis zu einer gewissen
|
||
|
Grenze. Alle drei Mitglieder dieses Lagers zeichnen sich durch das
|
||
|
extreme Ausmaß ihrer Ansprüche aus, und ihr Appetit auf
|
||
|
die Welt wird lange vor dem Sättigungsgrad aufeinanderprallen.
|
||
|
Keine »Achse« wird die Last des kommenden Krieges
|
||
|
aushalten. </FONT>
|
||
|
</P>
|
||
|
<P STYLE="text-indent: 0.5cm; margin-bottom: 0.21cm"><FONT SIZE=3>Das
|
||
|
Gesagte bestreitet selbstverständlich internationalen Verträgen
|
||
|
und Bündnissen, die so oder anders die Ausgangslage der Staaten
|
||
|
in einem zukünftigen Krieg bestimmen, nicht jegliche Bedeutung.
|
||
|
Aber diese ist sehr eingeschränkt. Wenn er sich einmal von der
|
||
|
Kette losgerissen hat, wird der Krieg schnell die Grenzen
|
||
|
diplomatischer Abmachungen, wirtschaftlicher und militärischer
|
||
|
Pläne überschreiten. Ein Regenschirm ist bei Londoner
|
||
|
Nieselwetter sehr nützlich. Aber vor einem Zyklon schützt
|
||
|
er nicht. Bevor aber ein erheblicher Teil unseres Planeten in Trümmer
|
||
|
fällt, wird der Wirbelsturm des Krieges nicht wenige
|
||
|
diplomatische Regenschirme zerbre<wbr>chen. Die »Heiligkeit«
|
||
|
von Bündnisverpflichtungen erweist sich als nichti<wbr>ges
|
||
|
Vorurteil, wenn die Völker sich in erstickenden Giftgaswolken
|
||
|
krüm<wbr>men. »Rette sich, wer kann! «, wird zur
|
||
|
Parole der Regierungen, Nationen und Klassen. Verträge sind
|
||
|
nicht dauerhafter als die Regierungen, die sie abgeschlossen haben.
|
||
|
Die Moskauer Oligarchie wird in jedem Fall den Krieg |1223> nicht
|
||
|
überleben, den sie aus gutem Grund fürchtet. Der Sturz
|
||
|
Stalins wird Hitler jedoch nicht retten, der mit der Unfehlbarkeit
|
||
|
eines Schlafwandlers in die größten historischen
|
||
|
Katastrophen tappt. Ob dabei die anderen Teilnehmer des blutigen
|
||
|
Spieles gewinnen, ist eine andere Frage.</FONT></P>
|
||
|
<P STYLE="text-indent: 0.5cm; margin-bottom: 0.21cm; line-height: 0.42cm">
|
||
|
<BR><BR>
|
||
|
</P>
|
||
|
<HR>
|
||
|
<H3>Fußnoten
|
||
|
</H3>
|
||
|
<DIV ID="sdendnote1">
|
||
|
<P CLASS="sdendnote">
|
||
|
<FONT SIZE=3><A CLASS="sdendnotesym" NAME="sdendnote1sym" HREF="390621a.htm#sdendnote1anc">i</A>Harvard
|
||
|
Dokument Nummer T 4586-8 Russisches Original: »Zagadka SSSR«
|
||
|
(21.6.1939). BO 79-80 (August-Oktober 1939). Engl. In: International
|
||
|
Socialist Review, Juni 1971, und Trotsky Writings 1938-39, S.
|
||
|
350-360. Frz. Trotsky Œuvres 21, S. 228-239.</FONT></P>
|
||
|
<P CLASS="sdendnote">Seitenzahlen verweisen auf die Veröffentlichung in »Trotzki Schriften, Band 1.2: Sowjetgesellschaft und stalinistische Diktatur 1936-1940«, Hamburg 1988</P>
|
||
|
</DIV>
|
||
|
<DIV ID="sdendnote2">
|
||
|
<P CLASS="sdendnote">
|
||
|
<FONT SIZE=3><A CLASS="sdendnotesym" NAME="sdendnote2sym" HREF="390621a.htm#sdendnote2anc">ii</A>Durch
|
||
|
das Münchner Abkommen zwischen Deutschland, England, Frankreich
|
||
|
und Italen wurde die Tschechoslowakei gezwungen, das Sudentenland an
|
||
|
Deutschland abzutreten. Der britische Ministerpräsident
|
||
|
Chamberlain und sein französischer Amtskollege Daladier
|
||
|
glaubten, durch diese Befriedi<wbr>gung der deutschen Ansprüche
|
||
|
sei nun der Friede auf lange Zeit gesichert. So erklärte
|
||
|
Neville Chamberlain am 30.9. nach seiner Rückkehr aus München
|
||
|
in London: »Dies ist das zweite Mal in unserer Geschichte, daß
|
||
|
aus Deutschland ein ehrenhafter Friede in die Dow<wbr>ning Street
|
||
|
zurückgekommen ist. Ich glaube, es ist Friede für unsere
|
||
|
Zeit.«</FONT></P>
|
||
|
</DIV>
|
||
|
<DIV ID="sdendnote3">
|
||
|
<P CLASS="sdendnote">
|
||
|
<FONT SIZE=3><A CLASS="sdendnotesym" NAME="sdendnote3sym" HREF="390621a.htm#sdendnote3anc">iii</A>Das
|
||
|
Neutralitätsgesetz wurde im August 1935 vom Kongreß der
|
||
|
USA verab<wbr>schiedet. Siehe hierzu auch den Artikel <A HREF="391001a.htm">»Die USA
|
||
|
werden in den Krieg eintreten«</A>. </FONT>
|
||
|
</P>
|
||
|
</DIV>
|
||
|
<DIV ID="sdendnote4">
|
||
|
<P CLASS="sdendnote">
|
||
|
<A CLASS="sdendnotesym" NAME="sdendnote4sym" HREF="390621a.htm#sdendnote4anc">iv</A><FONT SIZE=3>William
|
||
|
Strang (1893-1978), seit 1919 Beamter des britischen Foreign Office
|
||
|
(Außenministerium) und Anfang der dreißiger Jahre in der
|
||
|
britischen Bot<wbr>schaft in Moskau beschäftigt, kam als
|
||
|
Unterhändler für die britische Regierung im Juni 1939 nach
|
||
|
Moskau. </FONT>
|
||
|
</P>
|
||
|
</DIV>
|
||
|
<DIV ID="sdendnote5">
|
||
|
<P CLASS="sdendnote">
|
||
|
<FONT SIZE=3><A CLASS="sdendnotesym" NAME="sdendnote5sym" HREF="390621a.htm#sdendnote5anc">v</A>Am
|
||
|
22.5.1939 schlossen Deutschland und Italien einen militärischen
|
||
|
Bündnisver<wbr>trag (»Stahlpakt«). </FONT>
|
||
|
</P>
|
||
|
</DIV>
|
||
|
<DIV ID="sdendnote6">
|
||
|
<P CLASS="sdendnote">
|
||
|
<FONT SIZE=3><A CLASS="sdendnotesym" NAME="sdendnote6sym" HREF="390621a.htm#sdendnote6anc">vi</A>Die
|
||
|
Älandsinseln sind eine seit 1918 zu Finnland (vorher zum
|
||
|
russischen Reich) gehörende Inselgruppe am Ausgang des
|
||
|
Bottnischen Meerbusens. Wegen ihrer strategischen Bedeutung
|
||
|
(Kontrolle des Zugangs nach Leningrad) waren die Ålandsinseln
|
||
|
1921 durch ein internationales Abkommen neu<wbr>tralisiert worden.
|
||
|
Finnland versuchte seit 1938 die Inseln militärisch zu
|
||
|
befestigen. </FONT>
|
||
|
</P>
|
||
|
</DIV>
|
||
|
<DIV ID="sdendnote7">
|
||
|
<P CLASS="sdendnote">
|
||
|
<FONT SIZE=3><A CLASS="sdendnotesym" NAME="sdendnote7sym" HREF="390621a.htm#sdendnote7anc">vii</A>
|
||
|
»Es ergibt sich also, daß wir in der Produktionstechnik
|
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und im Wachstumstem<wbr>po unserer Industrie die wichtigsten Länder
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schon eingeholt und überholt haben. Worin aber bleiben wir
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zurück? Wir bleiben immer noch in ökonomi<wbr>scher
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Hinsicht, d.h. in den Ausmaßen unserer Industrieproduktion pro
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Kopf der Bevölkerung zurück.«</FONT></P>
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<P ALIGN=JUSTIFY STYLE="margin-left: 0.48cm; text-indent: 0.5cm; margin-bottom: 0.21cm; line-height: 0.39cm">
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<FONT SIZE=3>(Josef Stalin, »Rechenschaftsbericht über
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die Arbeit des ZK der KPdSU[B1«, in: Rundschau, Nr. 17,
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25.3.1939, S. 453-471, hier S.458.)</FONT></P>
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<DIV ID="sdendnote8">
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<P CLASS="sdendnote">
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<FONT SIZE=3><A CLASS="sdendnotesym" NAME="sdendnote8sym" HREF="390621a.htm#sdendnote8anc">viii</A>Als
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»Entente« (frz. Einvernehmen) wurde das Bünd<wbr>nis
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zwischen Frankreich, Großbritannien und Rußland für
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den Ersten Weltkrieg bezeichnet.</FONT></P>
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<DIV ID="sdendnote9">
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<P CLASS="sdendnote"><A CLASS="sdendnotesym" NAME="sdendnote9sym" HREF="390621a.htm#sdendnote9anc">ix</A>»Kollektive
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Sicherheit« war ein Schlagwort des Völkerbunds. Nach
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Artikel 16 waren die Mitgliedsländer zu Sanktionen gegen
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Angriff von anderen Ländern verpflichtet.
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</P>
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<DIV ID="sdendnote10">
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<P CLASS="sdendnote">
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<FONT SIZE=3><A CLASS="sdendnotesym" NAME="sdendnote10sym" HREF="390621a.htm#sdendnote10anc">x</A>Walter
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Kriwitzki (Samuel Ginsberg) (1899-1941) stammte aus einer jüdischen
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Familie in der Westukraine und schloß sich 1917 der
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kommunistischen Bewegung an. Schon im Bürgerkrieg übernahm
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er Geheimaufträge für die Rote Armee (z. B. Sabotage im
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Hinterland der Weißen) und wurde dann ein wichti<wbr>ger
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Mitarbeiter des sowjetischen Geheimdienstes im Ausland. Trotz seiner
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Bedenken arbeitete er unter Stalin weiter. Nach den Moskauer
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Prozessen und nachdem der sowjetische Geheimdienstler Ignaz Reiss
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(»Ludwig«) sich 1937 öffentlich für Trotzki
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erklärt hatte und deswegen von GPU-Agenten ermordet worden war,
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gab Kriwitzki öffentliche Erklärungen über die
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Hintergründe der ”Säuberungen<‘ in der
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Sowjetunion und den stalinistischen Terror in Spanien ab. Dabei
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berichtete er auch zum ersten Mal von Stalins Versuchen, mit Hitler
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ins Gespräch zu kommen. Kriwitzki traf in Paris Leo Sedow, um
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ihn vor Stalins Mordplänen zu warnen, distanzierte sich aber
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politisch von Trotzki und näher<wbr>te sich der
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Sozialdemokratie. Anfang 1938 ging er in die USA, wo er eine Reihe
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von (gegen seinen Willen sensationell aufgemachten)
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Enthüllungsartikeln schrieb, die dann als Buch erschienen. Er
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bemühte sich, stalinistische Agenten zu entlarven. Von der
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stalinistischen Presse verleumdet und vom sowjetischen Geheimdienst
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verfolgt, wurde er am 10. Februar 1941 in einem Hotel in Washington,
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D. C., tot aufgefunden. Als Todesursache gab die Polizei
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»Selbst<wbr>mord« an.</FONT></P>
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<P CLASS="sdendnote">
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<FONT SIZE=3>(Vgl. ”Is wospominanii sowjetskowo kommunista«
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[»Aus den Erinnerungen eines sowjetischen Kommunisten«],
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in: Sozialistitscheski Wjestnik, Nr. 6, 31.10.1938; Nr. 7,
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|
15.4.1938; Nr. 8, 29.4.1938; seine Aussage vor einem amerika<wbr>nischen
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|
Kongreß-Ausschuß in: US Congress, House Special
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|
Committee on Un-American Activities, Investigations of Un-American
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|
Propaganda Activities in the US, Hearings September 28 - October 14,
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|
1939, Bd. 9, Washington 1939, 5. 5719-5742; Ich war in Stalins
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|
Dienst!, Amsterdam [De Lange] 1940; Paul Wohl, ”Walter G.
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|
Krivitsky>‘, in: The Commonweal, 28.2.1941, 5. 462-468;
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|
Flora Lewis, ”Who Killed Krivitsky«, in: Washington Post,
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||
|
13.2.1966; Jean Monds, »Krivitsky & Stalinism in the
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|
Spanish Civil War”, in: Critique, Nr. 9, 1979, 5. 7-35;
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|
Elisabeth K. Poretski, Les Nôtres, Vie et mort d‘un agent
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|
sovieti<wbr>que, Paris [Denoud] 1969.)</FONT></P>
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</DIV>
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<DIV ID="sdendnote11">
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<P CLASS="sdendnote"><A CLASS="sdendnotesym" NAME="sdendnote11sym" HREF="390621a.htm#sdendnote11anc">xi</A>Auf
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dem Obersalzberg in der Nähe von Berchtesgaden hatte Hitler
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seine Sommerresidenz.
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</P>
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<DIV ID="sdendnote12">
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<P CLASS="sdendnote">
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<FONT SIZE=3><A CLASS="sdendnotesym" NAME="sdendnote12sym" HREF="390621a.htm#sdendnote12anc">xii</A>D.
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|
Manuilski, »Bericht der Delegation der KPdSU(B) im
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|
Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale”, in:
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|
Rundschau, Nr. 20, 31.3.1939, 5. 529-542, hier 5. 536.</FONT></P>
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<DIV ID="sdendnote13">
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<P CLASS="sdendnote">
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<FONT SIZE=3><A CLASS="sdendnotesym" NAME="sdendnote13sym" HREF="390621a.htm#sdendnote13anc">xiii</A>Vgl.
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|
Georgi Dimitroff, »Die Einheitsfront gegen den Faschismus
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|
nach der Münchener Verschwörung«, in: Rundschau, Nr.
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55, 10.11.1938, S. 1861-1866, hier S. 1864.</FONT></P>
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<P ALIGN=JUSTIFY STYLE="margin-left: 0.48cm; text-indent: 0.5cm; margin-bottom: 0.21cm; line-height: 0.39cm">
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<FONT SIZE=3>Die tatsächliche Entwicklung verlief
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folgendermaßen: Ungarn, Rumänien und Bulgarien schlossen
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sich dem deutschen Bündnissystem an. Nach dem Überfall auf
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Polen am 1.9.1939 begann der Westfeldzug gegen die Benelux-Staaten
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und Frankreich am 10.5.1940, nachdem bereits am 9.4.1940 Dänemark
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und Norwe<wbr>gen angegriffen worden waren. Der Krieg auf dem Balkan
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gegen Jugoslawien und Griechenland wurde am 6.4.1941 eröffnet;
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der Angriff auf die UdSSR begann am 22.6.1941.</FONT></P>
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<P CLASS="sdendnote">
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<A CLASS="sdendnotesym" NAME="sdendnote14sym" HREF="390621a.htm#sdendnote14anc">xiv</A>Siehe
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hierzu die Aufsätze von Friedrich Engels <A HREF="../../me/me22/me22_011.htm">»Die
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auswärtige Politik des russischen Zarentums«</A> und <A HREF="../../me/me21/me21_405.htm">»Die
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Rolle der Gewalt in der Geschichte«</A></P>
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<DIV ID="sdendnote15">
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<P CLASS="sdendnote"><A CLASS="sdendnotesym" NAME="sdendnote15sym" HREF="390621a.htm#sdendnote15anc">xv</A>Downing
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Street 10 ist die Adresse des britischen Premierministers.
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</P>
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<DIV ID="sdendnote16">
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<P CLASS="sdendnote">
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<FONT SIZE=3><A CLASS="sdendnotesym" NAME="sdendnote16sym" HREF="390621a.htm#sdendnote16anc">xvi</A>»In
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der Politik... [Frankreichs und Großbritanniens] macht sich
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das Bestreben, der Wunsch geltend, den Aggressoren bei der
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Ausführung ihres dunklen Werks nicht hinderlich zu sein, zum
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Beispiel Japan nicht hinderlich zu sein, sich in einen Krieg gegen
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China, noch besser aber gegen die Sowjetunion einzulassen, zum
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Beispiel Deutschland nicht hinderlich zu sein, sich in den
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europäischen Angelegenheiten zu verstricken, sich in einen
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Krieg gegen die Sowjetunion einzulassen, alle Kriegsteilnehmer tief
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in den Morast des Krieges versinken zu lassen, sie im stillen dazu
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anzuspornen, dazu zu bringen, daß sie einander abschwächen
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und erschöpfen, dann aber, wenn sie genügend geschwächt
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sein werden, mit frischen Kräften auf dem Schauplatz zu
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erscheinen und, natürlich, ‚im Interesse des Friedens‘
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aufzutreten und den geschwächten Kriegsteilneh<wbr>mern die
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Bedingungen zu diktieren.«</FONT></P>
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<P CLASS="sdendnote">
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<FONT SIZE=3>(Stalin, »Rechenschaftsbericht«)</FONT></P>
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<P ALIGN=JUSTIFY STYLE="margin-left: 0.59cm; text-indent: -0.42cm; margin-bottom: 0.21cm; line-height: 0.34cm">
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</P>
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<DIV ID="sdendnote17">
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<P CLASS="sdendnote">
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<A CLASS="sdendnotesym" NAME="sdendnote17sym" HREF="390621a.htm#sdendnote17anc">xvii</A><FONT SIZE=3>Danzig
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wurde nach dem Ersten Weltkrieg von Deutschland abgetrennt und als
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‚Freie Stadt‘ unter die Aufsicht des Völkerbundes
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gestellt während zwischen Ostpreußen und dem übrigen
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Reichsgebiet Polen einen direkten Zugang zur Ostsee erhielt. Seit
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Frühjahr 1939 wurde von der deutschen Regierung in immer
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bedroh<wbr>licherer Form die Angliederung der Stadt an das Reich und
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eine Verbindung zwischen Ostpreußen und dem übrigen
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Reichsgebiet gefordert.</FONT></P>
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<HR size="1">
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<TABLE width="100%" border="0" align="center" cellspacing=0 cellpadding=0>
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<TR>
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<TD ALIGN="center" width="49%" height=20 valign=middle><A href="../../index.shtml.html"><SMALL>Gesamtübersicht "MLWerke"</SMALL></A></TD>
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<TD ALIGN="center">|</TD>
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<TD ALIGN="center" width="49%" height=20 valign=middle> <A href="../default.htm"><SMALL>Lew Trotzki</SMALL></A></TD>
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</TR>
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</TABLE>
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<SMALL>Verwendung zur Herstellung von Druckwerken oder für andere elektronische Publikationen auf Datenträgern oder im Netz nur nach Rücksprache. <A HREF="../../ies/kontakt.htm">Kontakt</A>
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</BODY>
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</HTML>
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