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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<HEAD>
<TITLE>John Reed: 10 Tage die die Welt ersch&uuml;tterten</TITLE>
</HEAD>
<BODY bgcolor="#FFFFFF">
<H3>
III. AM VORABEND
</H3>
<P>
<P>
Wo immer ein revolution&auml;res Volk einer schwachen Regierung
gegen&uuml;bersteht, kommt unausbleiblich fr&uuml;her oder sp&auml;ter der
Moment, da jede Handlung der Regierung die Massen erbittert und jede Unterlassung
ihre Verachtung weckt. Der Plan, Petrograd preiszugeben, beschwor einen Sturm
herauf; Kerenskis &ouml;ffentliche Erkl&auml;rung, da&szlig; die Regierung
eine derartige Absicht nie gehabt h&auml;tte, wurde mit einem Hohngel&auml;chter
beantwortet. &AElig;Durch den Vorsto&szlig; der Revolution an die Wand
gedr&uuml;ckt", so rief die Zeitung &AElig;Rabotschi Put" aus, &AElig;versucht
sich die Regierung der b&uuml;rgerlichen Favoriten mit L&uuml;gen und
Ausfl&uuml;chten aus der Aff&auml;re zu ziehen. Nie habe sie daran gedacht,
aus Petrograd zu fl&uuml;chten; niemals sei es ihr in den Sinn gekommen,
die Hauptstadt preiszugeben." In Charkow akzeptierte eine Versammlung von
drei&szlig;igtausend organisierten Bergarbeitern den Grundsatz der IWW
(Industriearbeiter der Welt. Anm. d. Tippse).
<P>
&AElig;Die arbeitenden und die besitzenden Klassen haben nichts miteinander
gemein." Kosaken jagten die Bergarbeiter auseinander; einige wurden von den
Bergwerksbesitzern ausgesperrt, der Rest rief den Generalstreik aus. Der
Minister f&uuml;r Handel und Industrie, Konowalow, gab seinem Vertreter Orlow
unbeschr&auml;nkte Vollmacht, der Schwierigkeiten mit allen ihm
gutd&uuml;nkenden Mitteln Herr zu werden. Die Bergarbeiter ha&szlig;ten Orlow.
Aber das Zentralexekutivkomitee der Sowjets best&auml;tigte nicht nur seine
Ernennung, sonder lehnte auch die Forderung ab, die Kosaken aus dem Donezbecken
zur&uuml;ckzurufen. Dazu kam die Sprengung des Sowjets in Kaluga. Die Bolschewiki
hatten dort die Mehrheit erlangt und einige politische Gefangene freigesetzt.
Die Stadtduma rief mit Zustimmung des Regierungskomissars Truppen aus Minsk
herbei, die das Geb&auml;ude des Sowjets mit Artillerie beschossen. Die
Bolschewiki kapitulierten. W&auml;hrend sie das Geb&auml;ude verlie&szlig;en,
wurden sie pl&ouml;tzlich von Kosaken mit dem Ruf &uuml;berfallen: &AElig;So
werden wir es mit allen bolschewistischen Sowjets machen, die von Petrograd
und Moskau nicht ausgenommen!" Der Zwischenfall hatte eine durch ganz
Ru&szlig;land wogende zornige Erregung zur Folge. In Petrograd ging gerade
ein Bezirkssowjetkongre&szlig; f&uuml;r Nordru&szlig;land zu Ende, dem der
Bolschewik Krylenko pr&auml;sidierte. Der Kongre&szlig; sprach sich mit
&uuml;berw&auml;ltigender Mehrheit f&uuml;r die &Uuml;bernahme der Macht
durch den Gesamtrussischen Sowjetkongre&szlig; aus. Er gr&uuml;&szlig;te
die in den Kerkern schmachtenden Bolschewiki, ihnen Mut zurufend, da die
Stunde der Befreiung nahe sei. Zur selben Zeit erkl&auml;rte sich der Erste
Gesamtrussische Kongre&szlig; der Fabrik- und Werkst&auml;ttenkomitees mit
Entschiedenheit f&uuml;r die Sowjets. Ein Beschlu&szlig; dieses Kongresses
erkl&auml;rte: &AElig;..Nachdem die Selbstherrschaft auf politischen Gebiet
gest&uuml;rzt worden ist, strebt die Arbeiterklasse danach, auch auf dem
Gebiet ihrer Produktionst&auml;tigkeit der demokratischen Ordnung zum Siege
zu verhelfen. Ausdruck dieses Bestrebens ist die Idee der Arbeiterkontrolle,
die in der bestehenden Situation der wirtschaftlichen Zerr&uuml;ttung durch
die verbrecherische Politik der herrschenden Klasse heraufbeschworen wurde..."
Der Verband der Eisenbahner forderte den R&uuml;cktritt Liwerowskis, des
Verkehrsministers..... Im Namen des Zentralexekutivkomitees bestand Skobelew
darauf, da&szlig; der &AElig;Nakas" der Konferenz der Alliierten vorgelegt
werden m&uuml;sse, und protestierte formell gegen die Entsendung Tereschtschenkos
nach Paris. Tereschtschenko bot seinen R&uuml;cktritt an..... General Werchowski,
au&szlig;erstande, seine Reorganisation der Armee durchzuf&uuml;hren, kam
nur in langen Zwischenr&auml;umen in die Kabinettssitzungen.... Am 3. November
kam Burzews &AElig;Obschtscheje Delo" mit gro&szlig;en Schlagzeilen heraus:
<P>
&AElig;B &uuml; r g e r ! R e t t e t d a s V a t e r l a n d !
<P>
Ich erfahre eben, da&szlig; gestern in einer Sitzung der Komission f&uuml;r
Verteidigung im Rat der Russischen Republik der Kriegsminister, General
Werchowski, einer der Hauptschuldigen f&uuml;r den Sturz Kornilows, den Vorschlag
der Unterzeichnung eines Sonderfriedens, unabh&auml;ngig von den Alliierten
gemacht hat. Das ist der Verrat Ru&szlig;lands! Tereschtschenko erkl&auml;rte,
da&szlig; die Provisorische Regierung es abgelehnt habe, den Vorschlag
Werchowskis auch nur zu pr&uuml;fen. ,Man k&ouml;nnte meinen', erkl&auml;rte
Tereschtschenko, ,wir w&auml;ren in einem Irrenhause.' Die Mitglieder der
Komission waren &uuml;ber die Worte des Generals erstaunt. General Alexejew
weinte. Nein! Das ist nicht Wahnsinn! Das ist Schlimmeres. Das ist der direkte
Verrat Ru&szlig;lands! Kerenski, Tereschtschenko und Nekrassow m&uuml;ssen
unverz&uuml;glich auf die Worte Werchowskis antworten. B&uuml;rger, wacht
auf. Ru&szlig;land soll verkauft werden! Rettet es!"
<P>
In Wirklichkeit hatte Werchowski darauf hingewiesen, da&szlig; man die Alliierten
zwingen m&uuml;sse, einen Friedensvorschlag zu machen, weil die russische
Armee nicht l&auml;nger k&auml;mpfen k&ouml;nne ....Sowohl in Ru&szlig;land
wie im Auslande war die Sensation ungeheuer. Werchowski erhielt
&AElig;unbeschr&auml;nkten Krankenurlaub" und trat aus der Regierung aus.
&AElig;Obschtscheje Delo" wurde verboten. Zum Sonntag, dem 4. November, war
eine riesige Veranstaltung geplant, ein sogenannter Tag des Petrograder Sowjets,
mit Massenversammlungen in der ganzen Stadt, nach au&szlig;en hin zum Zwecke
der Sammlung von Geld f&uuml;r die Organisation und die Presse, in Wahrheit
eine Demonstration, bestimmt, die Macht der revolution&auml;ren Massen zu
zeigen. Pl&ouml;tzlich wurde bekannt, da&szlig; am gleichen Tag auch die
Kosaken einen &AElig;Krestni Chod" (Kreuzprozession) zu veranstalten
beabsichtigten, zu Ehren des Heiligen von 1912, dessen wunderbares Eingreifen
die Vertreibung Napoleons aus Moskau erm&ouml;glicht haben soll. Eine ungeheure
Spannung lag in der Luft. Ein Funke konnte den B&uuml;rgerkrieg entfachen.
Der Petrograder Sowjet ver&ouml;ffentlichte ein Manifest, betitelt:
<P>
A n u n s e r e B r &uuml; d e r , d i e K o s a k e n !
<P>
&AElig;Man will euch, Kosaken, gegen uns Arbeiter und Soldaten aufhetzen.
Diese Kainsarbeit stammt von unseren gemeinsamen Feinden: von den
Gewaltt&auml;tern - den Adligen, Bankiers, Gutsbesitzern, alten Beamten und
ehemaligen Lakaien des Zaren ... Sie hassen uns bitter, die Spekulanten,
Kapitalisten, F&uuml;rsten, der Adel, die Generale, mit Einschlu&szlig; eurer
Kosakengenerale. Sie sind jeden Moment bereit, den Petrograder Sowjet
auseinanderzujagen und die Revolution niederzuschlagen. Irgend jemand hat
zum 4. November eine Kirchenprozession f&uuml;r die Kosaken organisiert.
Es ist eine pers&ouml;nliche Angelegenheit jedes einzelnen, ob er dorthin
gehen will oder nicht. Wir werden uns da nicht einmischen oder jemanden hindern.
Wir warnen euch aber, Kosaken! Seid achtsam, da&szlig; unter dem Vorwand
einer Kreuzesprozession eure Kaledins euch nicht gegen die Arbeiter und Soldaten
hetzen!"
<P>
Die Prozession wurde eiligst abgesagt. In den Fabriken, in den Arbeitervierteln
propagierten die Bolschewiki ihre Parole: &AElig;Alle Macht den Sowjets",
w&auml;hrend die Agenten der Schwarzhunderter unaufh&ouml;rlich zur Abschlachtung
der Juden, Gesch&auml;ftsinhaber und der sozialistische F&uuml;hrer hetzten.
Auf der einen Seite die monarchistische Presse, blutige
Unterdr&uuml;ckungsma&szlig;regeln fordernd, auf der anderen Lenins
m&auml;chtige Stimme: &AElig;Aufstand!....Man darf nicht l&auml;nger warten!"
Auch der b&uuml;rgerlichen Presse war nicht wohl. Die &AElig;Birshewyje
Wedomosti" (B&ouml;rsennachrichten) nannten die bolschewistische Propaganda
einen Angriff auf die elementarsten Grundlagen der Gesellschaft: die
pers&ouml;nliche Sicherheit und die Achtung vor dem Privateigentum. Am
w&uuml;tendsten geb&auml;rdeten sich jedoch die &AElig;gem&auml;&szlig;igten"
sozialistischen Bl&auml;tter. &AElig;Die Bolschewiki sind die
gef&auml;hrlichsten Feinde der Revolution", schimpften &AElig;Delo Naroda"
und der menschewistische &AElig;Den", &AElig;die Regierung mu&szlig; sich
und uns sch&uuml;tzen." Das Blatt Plechanows, &AElig;Jedinstwo",wies die
Regierung auf die Tatsache hin, da&szlig; die Petrograder Arbeiter bewaffnet
wurden, und forderte die allerstrengsten Ma&szlig;nahmen gegen die Bolschewiki.
Die Regierung wurde von Tag zu Tag hilfloser. Selbst die Stadtverwaltung
h&ouml;rte auf zu funktionieren. Die Spalten der Morgenzeitungen waren voll
von Nachrichten &uuml;ber verwegene Raub&uuml;berf&auml;lle und Morde. Den
Banditen geschah absolut nichts. Andrerseits begannen die Arbeiter einen
Sicherheitsdienst zu organisieren. Bewaffnete Patrouillen durchstreiften
die Stadt, die den Kampf mit dem Verbrechertum aufnahmen und Waffen
beschlagnahmten, wo sie welche fanden. Am 1. November erlie&szlig; der General
Polkownikow, der Petrograder Stadtkommandant, folgenden Befehl:
<P>
&AElig;Ungeachtet der f&uuml;r das Vaterland angebrochenen schweren Tage
h&ouml;ren die unverantwortlichen Aufrufe zu bewaffneten Demonstrationen
nicht auf, in Petrograd zu zirkulieren, und R&auml;uberei und Anarchie nehmen
t&auml;glich zu. Dieser Zustand der Dinge desorganisiert das Leben der
B&uuml;rger und hindert die Arbeit der Regierung und der Stadtverwaltung.
Im vollen Bewu&szlig;tsein meiner Verantwortung und Pflicht gegen&uuml;ber
dem Vaterlande befehle ich:
<P>
1. Jede milit&auml;rische Einheit hat, ihren besonderen Instruktionen
gem&auml;&szlig;, in ihrem Gebiet die Stadtverwaltung, die Kommissare und
die Miliz kr&auml;ftig zu unterst&uuml;tzen und die Regierungsinstitutionen
zu verteidigen.
<P>
2. Zusammen mit den Bezirkskommandanten und Vertretern der Stadtmiliz sind
Patrouillen zu organisieren und Ma&szlig;nahmen zur Verhaftung der Verbrecher
und Deserteure zu treffen.<I></I>
<P>
<I></I>3. Alle Personen, die in den Kasernen zu bewaffneten Demonstrationen
und Metzeleien aufrufen, sind zu verhaften und an das Hauptquartier des Zweiten
Stadtkommandanten auszuliefern.<I></I>
<P>
<I></I>4. Stra&szlig;endemonstrationen, Versammlungen und Prozessionen sind
nicht zugelassen.<I></I>
<P>
<I></I>5. Bewaffnete Demonstrationen und Pogrome sind mit allen zur
Verf&uuml;gung stehenden bewaffneten Kr&auml;ften sofort im Keime zu
ersticken.<I></I>
<P>
<I></I>6. Den Kommissaren ist jede erdenkliche Hilfe zum Zwecke der Verhinderung
unbefugter Haussuchungen und Verhaftungen zu leisten.<I></I>
<P>
<I></I>7. Dem Stab des Milit&auml;rbezirks ist &uuml;ber alle sich im Bezirk
abspielenden Vorkommnisse Bericht zu erstatten.<I></I>
<P>
<I></I>An alle Armeekomitees und Organisationen richte ich die Aufforderung,
die Kommandeure bei der Ausf&uuml;hrung der ihnen aufgetragenen Aufgaben
zu unterst&uuml;tzen."
<P>
Im Rat der Russischen Republik gab Kerenski die Erkl&auml;rung ab, da&szlig;
die Regierung die bolschewistischen Vorbereitungen mit Aufmerksamkeit verfolge,
da&szlig; sie aber stark genug sei, um keinerlei Demonstrationen f&uuml;rchten
zu m&uuml;ssen. Er klagte &AElig;Nowaja Rus" und &AElig;Rabotschi Put" an,
die gleiche W&uuml;hlarbeit zu leisten. &AElig;Sie sind", sagte er, &AElig;nur
die zwei Seiten derselben Propaganda, deren Endzweck die von den
reaktion&auml;ren M&auml;chten so hei&szlig; ersehnte Konterrevolution ist.
Aber", f&uuml;gte er hinzu, &AElig;die Regierung ist durch die bestehende
Freiheit der Presse gehindert, gegen die gedruckten L&uuml;gen ihrer Feinde
vorzugehen."
<P>
Am 2. November waren erst f&uuml;nfzehn Kongre&szlig;delegierte angekommen.
Am n&auml;chsten Tag waren es hundert und am &uuml;bern&auml;chsten
hundertf&uuml;nfundsiebzig, davon hundertdrei Bolschewiki. Vierhundert Delegierte
mu&szlig;ten mindestens zusammenkommen, und bis zum Er&ouml;ffnungstermin
waren es nur noch drei Tage. Ich habe einen gro&szlig;en Teil dieser Zeit
im Smolny zugebracht. Dort hineinzugelangen war nicht mehr leicht. Die Tore
waren von doppelten Postenketten bewacht, und auch, wenn man das Hauptportal
hinter sich hatte, war man noch nicht drinnen, sondern mu&szlig;te sich einer
langen Reihe schon wartender Leute anschlie&szlig;en, die, nachdem sie einem
peinlich genauen Verh&ouml;r &uuml;ber ihre Identit&auml;t und ihre
Gesch&auml;fte unterzogen worden waren, immer vier auf einmal, eingelassen
wurden. Ausweise wurden ausgestellt und das Ausweissystem alle paar Stunden
ge&auml;ndert, um den zahllosen Spionen das Durchschl&uuml;pfen unm&ouml;glich
zu machen. Eines Tages kam ich gerade dazu, als Trotzki und seine Frau von
einem Soldaten angehalten wurden. Trotzki suchte in allen seinen Taschen,
fand aber seinen Ausweis nicht. &AElig;Macht nichts", sagte er endlich,
&AElig;Sie kennen mich ja. Mein Name ist Trotzki." &AElig;Wenn Sie keinen
Ausweis haben, kommen Sie nicht hinein", versetzte hartn&auml;ckig der Soldat.
&AElig;Namen bedeuten mir gar nichts." &AElig;Aber ich bin der Vorsitzende
des Petrograder Sowjets." &AElig;Wenn Sie eine so wichtige Pers&ouml;nlichkeit
sind, dann m&uuml;ssen Sie doch auch irgendein Papier bei sich haben." Trotzki
verlor die Ruhe nicht. &AElig;Lassen Sie mich den Kommandanten sehen", sagte
er. Der Soldat z&ouml;gerte und brummte, er k&ouml;nne nicht wegen jedes
x-beliebigen den Kommandanten behelligen. Schlie&szlig;lich rief er den
Wachhabenden herbei. Dem setzte Trotzki seinen Fall auseinander und wiederholte,
da&szlig; er Trotzki sei. &AElig;Trotzki?" Der Soldat kratzte sich am Kopf.
&AElig;Den Namen habe ich schon einmal geh&ouml;rt", meinte er endlich.
&AElig;Ich denke, es wird seine Richtigkeit haben, Sie k&ouml;nnen hineingehen,
Genosse."
<P>
Im Korridor traf ich Karachan vom bolschewistischen Zentralkomitee, der mir
erkl&auml;rte, was die neue Regierung sein wird: &AElig;Eine lockere
Organisation, die in vollem Einklang mit dem Willen des Volkes handelt, wie
er in den Sowjets seinen Ausdruck findet, und den lokalen Kr&auml;ften volle
Aktionsfreiheit l&auml;&szlig;t. Zur Zeit sind die lokalen Kr&auml;fte in
der Bet&auml;tigung ihres demokratischen Willens durch die Provisorische
Regierung genauso behindert wie fr&uuml;her durch die Zarenregierung. Die
Initiative der neuen Gesellschaft mu&szlig; von unten kommen. Die Form der
Regierung wird dem Statut der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Ru&szlig;lands
entsprechen. Das neue Zentralexekutivkomitee der Sowjets wird das Parlament
sein und den h&auml;ufig zusammentretenden Gesamtrussischen Sowjetkongressen
Rechenschaft abzulegen haben, An der Spitze der verschiedenen Ministerien
werden nicht, wie bisher, einzelne Minister, sondern Kollegien stehen. Die
Ministerien sollen den Sowjets direkt verantwortlich sein." Am 30. Oktober
hatte ich eine Unterredung mit Trotzki. Ich traf ihn in einem im
Dachgescho&szlig; des Smolny gelegenen kleinen, v&ouml;llig kahlen Zimmer,
in dem sich nur ein einfacher Tisch und ein paar St&uuml;hle befanden. Ich
stellte einige wenige Fragen, und Trotzki sprach schnell und ununterbrochen
l&auml;nger als eine Stunde. Den wesentlichen Inhalt dessen, was er sagte,
f&uuml;hre ich hier mit seinen eigenen Worten an: &AElig;Die Provisorische
Regierung ist absolut machtlos. Es herrscht die Bourgeoisie; nur wird diese
Herrschaft von einer Scheinkoalition mit den Sozialpatrioten verdeckt. Jetzt,
w&auml;hrend der Revolution, h&auml;ufen sich die Aufst&auml;nde der Bauern,
die es m&uuml;de sind, auf das ihnen versprochene Land zu warten, und auch
bei den &uuml;brigen werkt&auml;tigen Klassen des ganzen Landes zeigt sich
die gleiche tiefe Unzufriedenheit. Die Bourgeoisie kann ihre Herrschaft nur
mittels des B&uuml;rgerkrieges aufrechterhalten. Die Kornilowmethode ist
die einzige, deren sie sich bedienen kann. Aber ihr geht die Kraft aus. Die
Armee ist mit uns. Die Kompromi&szlig;ler und Pazifisten,
Sozialrevolution&auml;re und Menschewiki, haben allen Kredit bei den Volksmassen
verloren; denn der Kampf zwischen Bauern und Gutsbesitzern, Arbeitern und
Kapitalisten, Soldaten und Offizieren ist heute sch&auml;rfer und
unvers&ouml;hnlicher denn je. Nur die vereinte Aktion der Volksmassen, der
Sieg der proletarischen Diktatur, kann die Revolution vollenden und das Volk
retten. Die Sowjets sind die denkbar vollkommenste Vertretung des Volkes,
vollkommen in ihrer revolution&auml;ren Erfahrung wie in ihren Ideen und
Zielen. Direkt basierend auf der Armee in den Sch&uuml;tzengr&auml;ben, den
Arbeitern in den Fabriken, den Bauern auf ihren Feldern , sind sie das
R&uuml;ckgrat der Revolution. Das Resultat des Versuchs, eine Macht im Lande
ohne die Sowjets zu schaffen, war nur die absolute Machtlosigkeit. In den
Korridoren des Rates der Russischen Republik werden zur Zeit alle m&ouml;glichen
konterrevolution&auml;ren Pl&auml;ne ausgeheckt. Der Vork&auml;mpfer der
Konterrevolution ist die Kadettenpartei, w&auml;hrend die Sache des Volkes
von den Sowjets vertreten wird. Zwischen diesen beiden Gruppen gibt es
ernstzunehmende politische Gruppen nicht. Es ist der Endkampf. Die
b&uuml;rgerliche Konterrevolution sammelt alle ihre Kr&auml;fte und wartet
auf den Moment, um gegen uns loszuschlagen. Unsere Antwort wird entscheidend
sein. Wir werden das im M&auml;rz begonnene und w&auml;hrend der Kornilow
-Aff&auml;re fortgesetzte Werk vollenden." &Uuml;ber die ausw&auml;rtige
Politik der neuen Regierung sagte er: &AElig;Unsere erste Handlung wird ein
Aufruf zum sofortigen Abschlu&szlig; eines Waffenstillstandes an allen Fronten
sein. Wir werden sofort eine V&ouml;lkerkonferenz vorschlagen, deren Aufgabe
es sein wird, &uuml;ber einen Friedensschlu&szlig; auf demokratische Grundlage
zu diskutieren. Wie demokratisch dieser Friedensschlu&szlig; sein wird,
h&auml;ngt von der St&auml;rke des revolution&auml;ren Widerhalls in Europa
ab. Die Errichtung einer Sowjetregierung hier in Ru&szlig;land wird ein
m&auml;chtiger Faktor f&uuml;r die Beschleunigung des Friedensschlusses in
Europa sein; denn diese Regierung wird sich mit ihrem Waffenstillstandsvorschlag
an die V&ouml;lker unmittelbar und direkt, &uuml;ber die K&ouml;pfe ihrer
Regierungen hinweg, wenden. Im Moment des Friedensschlusses wird der Druck
der russischen Revolution sich gegen Annexionen und Kriegsentsch&auml;digungen,
f&uuml;r die Selbstbestimmung der V&ouml;lker und f&uuml;r die Errichtung
einer f&ouml;derativen Republik von Europa auswirken. Ich sehe Europa am
Ende dieses Krieges neugeschaffen, nicht von Diplomaten, sondern vom Proletariat.
Eine f&ouml;derative Republik von Europa, die Vereinigten Staaten von Europa
- das ist es, was es werden mu&szlig;. Nationale Autonomie gen&uuml;gt nicht
mehr. Die wirtschaftliche Entwicklung erheischt die Beseitigung der nationalen
Grenzen. Bleibt Europa auch weiterhin in nationale Gruppen zersplittert,
dann beginnt der Imperialismus sein Werk von neuem. Nur eine f&ouml;derative
Republik von Europa kann der Welt den Frieden geben. Im Augenblick jedoch,
ohne das aktive Eingreifen der Massen in Europa, sind diese Ziele nicht zu
verwirklichen."
<P>
W&auml;hrend alle Welt erwartete, die Bolschewiki eines Morgens auf der
Stra&szlig;e erscheinen zu sehen, um jeden niederzuschie&szlig;en, der einen
wei&szlig;en Kragen umhatte, ging der Aufstand in Wirklichkeit ganz anders,
sehr nat&uuml;rlich und in aller &Ouml;ffentlichkeit vor sich. Die Provisorische
Regierung plante die Entsendung der Petrograder Garnison an die Front. Derselben
Petrograder Garnison von zirka sechzigtausend Mann, die einen so gro&szlig;en
Anteil an dem Siege der Revolution gehabt hatte. Die Petrograder Truppen
waren es gewesen, die die K&auml;mpfe der M&auml;rztage entschieden, die
die Sowjets der Soldatendeputierten geschaffen und Kornilow von den Toren
der Stadt verjagt hatten. Jetzt waren sie zum gro&szlig;en Teil Bolschewiki.
Als die Provisorische Regierung sich mit dem Gedanken trug, Petrograd
preiszugeben, war es die Petrograder Garnison, die erkl&auml;rte: &AElig;Wenn
ihr unf&auml;hig seid, die Hauptstadt zu verteidigen, so schlie&szlig;t Frieden.
K&ouml;nnt ihr den Frieden nicht schlie&szlig;en, dann tretet zur&uuml;ck
und macht einer Volksregierung Platz, die beides vermag." Es lag auf der
Hand, da&szlig; das Schicksal jedes Aufstandsversuchs von der Haltung der
Petrograder Truppen abhing. Der Plan der Regierung war, die bisherigen
Garnisonregimenter durch ihr ergebene Truppen, Kosaken, Todesbataillone usw.,
zu ersetzen. Die Armeekomitees, die &AElig;gem&auml;&szlig;igten" Sozialisten,
das Zentralexekutivkomitee der Sowjets unterst&uuml;tzten dieses Vorhaben
der Regierung. Eine ausgedehnte Agitation wurde an der Front und in Petrograd
in Szene gesetzt, die vor allem mit der Behauptung arbeitete, da&szlig; die
Petrograder Truppen seit nun schon acht Monaten in den Kasernen der Hauptstadt
ein gem&auml;chliches Leben f&uuml;hrten, w&auml;hrend ihre Kameraden in
den Sch&uuml;tzengr&auml;ben starben und hungerten. Bis zu einem gewissen
Grade traf es sicher zu, da&szlig; die Garnisonregimenter nur geringe Lust
versp&uuml;rten, ihr verh&auml;ltnism&auml;&szlig;ig angenehmes Leben gegen
die M&uuml;hsalen eines Winterfeldzuges zu vertauschen. Aber es waren andere
Gef&uuml;hle, weshalb sie sich weigerten zu gehen. Der Petrograder Sowjet
mi&szlig;traute der Regierung, und von der Front kamen hunderte Delegierte
der breiten Soldatenmassen, die erkl&auml;rten: &AElig;Es ist wahr, wir brauchen
Verst&auml;rkung; wichtiger aber ist uns, Petrograd und die Revolution in
guten H&auml;nden zu wissen. H&uuml;tet ihr die Heimat, Genossen! Wir werden
die Front halten."
<P>
Am 25. Oktober diskutierte das Exekutivkomitee des Petrograder Sowjets in
geschlossener Sitzung die Errichtung eines besonderen Milit&auml;rkomitees,
um die ganze Frage zur Entscheidung zu bringen. Am n&auml;chsten tag nahm
die Soldatensektion des Petrograder Sowjets die Wahl des Komitees vor, das
sofort den Boykott der Bourgeoisiezeitungen aussprach und das
Zentralexekutivkomitee der Sowjets aufs sch&auml;rfste verurteilte, weil
es sich dem Sowjetkongre&szlig; widersetzte. Am 29. Schlug in &ouml;ffentlicher
Sitzung des Petrograder Sowjets Trotzki die formelle Anerkennung des
Revolution&auml;ren Milit&auml;rkomitees durch den Sowjet vor. &AElig;Wir
m&uuml;ssen",sagte er, &AElig;unsere besondere Organisation schaffen, um
weiterzuk&auml;mpfen und, wenn notwendig, zu sterben." Es wurde ein
Beschlu&szlig; gefa&szlig;t, zwei Delegationen an die Front zu entsenden,
und zwar eine vom Sowjet und eine von der Garnison, die mit den Soldatenkomitees
und dem Generalstab unterhandeln sollten. In Psowk wurde die Sowjetdelegation
von dem Kommandeur der Nordfront, General Tscheremissow, empfangen, der kurz
und b&uuml;ndig erkl&auml;rte, da&szlig; er die Petrograder Garnison an die
Front kommandiert und dem nichts hinzuzuf&uuml;gen habe. Das Garnisonkomitee
durfte Petrograd nicht verlassen. Eine Delegation der Soldatensektion des
Petrograder Sowjets forderte die Zulassung eines Vertreters der Sektion in
den Petrograder Bezirksstab. Das wurde abgelehnt. Das gleiche Schicksal hatte
ein antrag des Petrograder Sowjets, der verlangte, da&szlig; alle herausgehenden
Befehle die Gegenzeichnung der Soldatensektion zu tragen h&auml;tten. Man
erkl&auml;rte den Delegierten schroff: &AElig;F&uuml;r uns existiert nur
das Zentralexekutivkomitee der Sowjets. Euch erkennen wir nicht an. Wir werden
euch einsperren, sobald ihr euch gegen die Gesetze vergeht." Am 30.
Beschlo&szlig; eine Delegiertenversammlung s&auml;mtlicher Petrograder Regimenter
folgende Resolution: &AElig;Die Petrograder Garnison erkennt die Provisorische
Regierung nicht mehr an. Unsere Regierung ist der Petrograder Sowjet. Wir
folgen nur den Befehlen des im Auftrage des Petrograder Sowjets handelnden
Revolution&auml;ren Milit&auml;rkomitees."
<P>
Den lokalen Truppeneinheiten wurde befohlen, auf Instruktionen der
Soldatensektion des Petrograder Sowjets zu warten. Am n&auml;chsten Tag berief
das Zentralexekutivkomitee eine eigene Versammlung ein, die haupts&auml;chlich
von Offizieren besucht war. Ein Komitee wurde gew&auml;hlt, zur Zusammenarbeit
mit dem Stab, und f&uuml;r s&auml;mtliche Quartiere der Stadt wurden besondere
Kommissare ernannt. Ein am 3. Im Smolny abgehaltenes gro&szlig;es Soldatenmeeting
erkl&auml;rte: &AElig;Die Petrograder Garnison begr&uuml;&szlig;t die Errichtung
des Revolution&auml;ren Milit&auml;rkomitees und ist gewillt, dasselbe in
allen seinen Aktionen r&uuml;ckhaltlos zu unterst&uuml;tzen und nichts zu
unterlassen, um Front und Heimat im Interesse der Revolution aufs engste
zusammenzuschlie&szlig;en. Die Garnison erkl&auml;rt weiter, da&szlig; sie
zusammen mit dem Petrograder Proletariat die revolution&auml;re Ordnung in
Petrograd aufrechterhalten wird. Jeder Versuch einer Provokation seitens
der Kornilowleute oder der Bourgeoisie wird erbarmungslos niedergeschlagen
werden." Seiner Macht bewu&szlig;t, richtete jetzt das Revolution&auml;re
Milit&auml;rkomitee an den Petrograder Stab die schroffe Aufforderung, sich
seinem Befehl zu unterstellen. S&auml;mtlichen Druckereien wurde verboten,
Aufrufe und Proklamationen irgendwelcher Art zu drucken, die nicht die
Autorisation des Komitees h&auml;tten. Bewaffnete Kommissare beschlagnahmten
im Kronberg - Arsenal gro&szlig;e Mengen Waffen und Munition und hielten
einen Schiffstransport von zehntausend Bajonetten an, die f&uuml;r
Nowotscherkassk, das Hauptquartier Kaledins, bestimmt waren. Die Regierung,
ihre gef&auml;hrliche Lage endlich erkennend, versprach Straflosigkeit, wenn
das Komitee sich aufl&ouml;sen w&uuml;rde. Es war zu sp&auml;t. Am 5. November
erschien Malewski, von Kerenski selbst geschickt, um dem Petrograder Sowjet
eine Vertretung im Stab anzubieten. Das Revolution&auml;re Milit&auml;rkomitee
nahm an. Eine Stunde sp&auml;ter wurde das Angebot von dem amtierenden
Kriegsminister, General Manikowski, widerrufen. Am Dienstagmorgen wurde die
Stadt durch das Erscheinen eines Plakates in Aufregung versetzt, das die
Unterschrift trug: &AElig;Revolution&auml;res Milit&auml;rkomitee beim
Petrograder Sowjet der Arbeiter- und Soldatendeputierten."
<P>
&AElig; A n d i e B e v &ouml; l k e r u n g P e t r o g r a d s !
<P>
B&uuml;rger! Die Konterrevolution hat ihr verbrecherisches Haupt erhoben.
Die Kornilowleute mobilisieren ihre Kr&auml;fte, um den Gesamtrussischen
Sowjetkongre&szlig; zu sprengen und die Konstituierende Versammlung zum Scheitern
zu bringen. Es ist nicht ausgeschlossen, da&szlig; die Pogromhelden gleichzeitig
versuchen werden, in den Stra&szlig;en Petrograds Wirren und ein Gemetzel
hervorzurufen. Der Petrograder Sowjet der Arbeiter- und Soldatendeputierten
&uuml;bernimmt den Schutz der revolution&auml;ren Ordnung gegen
konterrevolution&auml;re Anschl&auml;ge und Pogrome. Die Garnison Petrograds
wird keine Gewalttaten und Ausschreitungen dulden. Die Bev&ouml;lkerung wird
dazu aufgerufen, die Gewaltt&auml;ter und die Agitatoren der Schwarzhunderter
festzunehmen und sie den Kommissaren des Sowjets bei der n&auml;chsten
Heereseinheit vorzuf&uuml;hren. Beim ersten Versuch dunkler Elemente, auf
den Stra&szlig;en Petrograds Unruhen, Pl&uuml;nderungen, Messerstechereien
und Schie&szlig;ereien hervorzurufen, werden die Verbrecher vom Antlitz der
Erde getilgt. B&uuml;rger! Wir rufen euch auf, v&ouml;llige Ruhe und
Selbstbeherrschung zu wahren. Die Sache der Ordnung und der Revolution ist
in festen H&auml;nden."
<P>
Das Plakat enthielt au&szlig;erdem eine Liste der Regimenter, bei denen sich
Kommissare des Revolution&auml;ren Milit&auml;rkomitees befanden. Am 3. Fand,
ebenfalls hinter verschlossenen T&uuml;ren, eine weitere, historisch
bedeutungsvolle Sitzung der bolschewistischen F&uuml;hrer statt. Von Salkind
in Kenntnis gesetzt, wartete ich im Korridor an der T&uuml;r, und als Wolodarski
kam, h&ouml;rte ich von ihm, was vorging. Lenin sprach: &AElig;Der 6. November
ist zu zeitig. Wir ben&ouml;tigen f&uuml;r die Erhebung eine Gesamtrussische
Basis, und am 6. November werden noch nicht alle Delegierten auf dem
Kongre&szlig; erschienen sein. Der 8. November w&auml;re dagegen zu sp&auml;t.
Bis dahin wird sich der Kongre&szlig; konstituiert haben, und f&uuml;r eine
umfangreich K&ouml;rperschaft ist es schwer, schnell und entscheidend zu
handeln. Wir m&uuml;ssen am 7. In Aktion treten, wenn der Kongre&szlig;
zusammentritt, damit wir sagen k&ouml;nnen: ,Hier ist die Macht. Was denkt
ihr damit zu tun?`" W&auml;hrenddem sa&szlig; in einem der oberen Zimmer
ein Mensch mit langem Haar und hagerem Gesicht, ein ehemaliger Zarenoffizier
und sp&auml;terer Revolution&auml;r, der lange in der Verbannung gelebt hatte:
ein gewisser Owsejenko, allgemein Antonow gerufen, Mathematiker und
Schachk&uuml;nstler, damit besch&auml;ftigt, sorgf&auml;ltig ausgearbeitete
Pl&auml;ne f&uuml;r die Einnahme der Hauptstadt zu entwerfen. Aber auch die
Regierung traf ihre Vorbereitungen. In aller Stille beorderte sie aus den
allerverschiedensten Divisionen die ihr am meisten ergebenen Regimenter nach
Petrograd. Der Winterpalast wurde von der Artillerie der Offizierssch&uuml;ler
besetzt, und in den Stra&szlig;en Petrograds zeigten sich - zum ersten Male
seit den Julitagen - Kosakenpatrouillen. Polkownikow erlie&szlig; einen Befehl
nach dem anderen, die unbarmherzigste Ahndung jeder Widersetzlichkeit androhend.
Der Minister f&uuml;r Volksbildung Kischkin, das meistgeha&szlig;te Mitglied
der Regierung, wurde zum Au&szlig;erordentlichen Kommissar ernannt, um in
Petrograd die Ordnung aufrechtzuerhalten; er nahm sich zwei nicht weniger
unbeliebte M&auml;nner, Rutenberg und Paltschinski, zu Hilfe. &Uuml;ber
Petrograd, Kronstadt und Finnland wurde der Belagerungszustand verh&auml;ngt.
Die b&uuml;rgerliche Zeitung &AElig;Nowoje Wremja" (Neue Zeit) bemerkte dazu
ironisch: &AElig;warum Belagerungszustand? Die Regierung hat aufgeh&ouml;rt,
eine Macht zu sein. Sie hat weder moralische Autorit&auml;t noch den
erforderlichen Apparat, um Gewalt anzuwenden..Im besten Fall kann sie verhandeln,
wenn sich jemand findet, der mit ihr verhandeln will. Eine andere Macht hat
sie nicht...."Am Montagmorgen - es war der 5. November - ging ich zum
Marienpalast, um zu sehen, was im Rat der Russischen Republik vor sich gehe.
Hitzige Debatten &uuml;ber Tereschtschenkos Au&szlig;enpolitik. Diskussionen
&uuml;ber die Aff&auml;re Burzew - Werchowski. S&auml;mtliche Diplomaten
waren anwesend mit Ausnahme des italienischen Gesandten, der, wie allgemein
gesagt wurde, durch die Katastrophe im Karst v&ouml;llig niedergeschlagen
war. Als ich eintrat, verlas gerade der linke Sozialrevolution&auml;r Karelin
einen Leitartikel aus der Londoner &AElig;Times", in dem es hie&szlig;, da&szlig;
es gegen den Bolschewismus nur ein Mittel gebe: die Kugel. Zu den Kadetten
gewandt, rief er: &AElig;Genauso denken auch Sie." &AElig;Sehr richtig, sehr
richtig!" schallte es ihm von rechts entgegen. &AElig;Ich kenne ihre Meinung",
replizierte Karelin hitzig, &AElig;nur fehlt ihnen der Mut, es zu versuchen."
Dann sprach Skobelew, der mit seinem gepflegten Bart und dem welligen blonden
Haar wie der Liebhaber in einem B&uuml;hnenst&uuml;ck aussah, und verteidigte
den Sowjet -&AElig;Nakas" mit halbem Herzen. Ihm folgte Tereschtschenko,
von der Linken mit dem heftigen Ruf &AElig;Abdanken, abdanken!" empfangen.
Er meinte, da&szlig; die Delegierten der Regierung und des
Zentralexekutivkomitees der Sowjets in Paris einen gemeinsamen Standpunkt
vertreten m&uuml;&szlig;ten - der nat&uuml;rlich sein eigener sein sollte.
Zum Schlu&szlig; einige wenige Worte &uuml;ber die Wiederherstellung der
Disziplin in der Armee, &uuml;ber die Weiterf&uuml;hrung des Krieges bis
zum Siege..Allgemeiner Tumult...und dann, gegen den Widerspruch der
l&auml;rmenden Linken, &Uuml;bergang zur Tagesordnung. Leer g&auml;hnten
die B&auml;nke der Bolschewiki, die mit ihrem Austritt aus dem Rat der Russischen
Republik soviel Leben mit sich genommen hatten. Und w&auml;hrend ich die
Stufen des Palastes hinunterschritt, konnte ich mich trotz des
mitangeh&ouml;rten hitzigen Streitens des Eindrucks nicht erwehren, da&szlig;
keine wirkliche Stimme aus der Au&szlig;enwelt diese hohen und kalten Mauern
zu durchdringen vermochte, da&szlig; die Provisorische Regierung an derselben
Klippe &AElig;Krieg oder Friede" zu scheitern verurteilt war, die schon dem
Kabinett Miljukow den Untergang gebracht hatte. W&auml;hrend mir der
Pf&ouml;rtner meinen Mantel umhing, brummte er vor sich hin: &AElig;Ich
m&ouml;chte wissen, was aus dem armen Ru&szlig;land noch werden soll -
Menschewiki, Bolschewiki, Trudowiki, Ukraine, Finnland, deutsche Imperialisten,
englische Imperialisten! In meinem ganzen f&uuml;nfundvierzigj&auml;hrigen
Leben habe ich nicht soviel Worte geh&ouml;rt wie hier an diesem Ort." Im
Korridor traf ich Professor Schazki, einen Menschen mit ratten&auml;hnlichem
Gesicht, in elegantem &Uuml;berrock, sehr einflu&szlig;reich in den Beratungen
der Kadettenpartei. Ich befragte ihn um seine Meinung &uuml;ber die
vielbesprochenen Demonstrationen der Bolschewiki. Geringsch&auml;tzig
l&auml;chelnd zuckte er die Achseln: &AElig;Das ist ja Rindvieh - Kanaille.
Sie werden es nicht wagen, und - wenn sie es sollten, werden wir sie schnell
heimschicken. Von unserem Standpunkt aus w&auml;re dies gar nicht
ung&uuml;nstig; denn sie w&uuml;rden sich dabei zugrunde richten und in der
Konstituierenden Versammlung machtlos sein. Wenn es Sie &uuml;brigens
interessiert, will ich ihnen den Plan einer Regierungsform schildern, den
wir in der Konstituierenden Versammlung vorzulegen gedenken. Ich bin, wie
Sie ja wissen, der Vorsitzende eine Kommission, die, in Gemeinschaft mit
der Provisorischen Regierung, ein Verfassungsprojekt ausarbeiten soll. Wir
werden, wie Sie in den Vereinigten Staaten, eine aus zwei Kammern bestehende
gesetzgebende Versammlung haben. Die untere Kammer wird nach dem Grundsatz
der Territorialvertretung zusammengesetzt sein, w&auml;hrend sich das Oberhaus
aus den Vertretern der freien Berufe, der Semstwos, der Genossenschaften
und Gewerkschaften zusammensetzen wird." Drau&szlig;en war es kalt, ein feuchter
Westwind wehte, und der kalte Stra&szlig;enschmutz durchn&auml;&szlig;te
meine Schuhe. Langbem&auml;ntelt und steif zogen zwei Kompanien
Offizierssch&uuml;ler vor&uuml;ber und schwenkten in die Morskaja ein, in
rauhem Chor eines der alten Soldatenlieder singend, wie sie unter dem Zaren
&uuml;blich waren. An der n&auml;chsten Stra&szlig;enkreuzung fiel mir auf,
da&szlig; die Leute der Stadtmiliz beritten waren. Um sie herum standen Gruppen
von Passanten, sie stumm anstarrend. An der Ecke des Newski kaufte ich eine
Flugschrift von Lenin: &AElig;Werden die Bolschewiki die Staatsmacht behaupten?"
und zahlte mit einer der Briefmarken, deren man sich zu der Zeit zum Wechseln
bediente. Schwerf&auml;llig krochen die gewohnten Stra&szlig;enbahnwagen
vorbei, brechend voll, sogar an den Au&szlig;enseiten an den unm&ouml;glichsten
Stellen klammerten sich B&uuml;rger und Soldaten fest. L&auml;ngs des
B&uuml;rgersteiges verkauften uniformierte Deserteure Zigaretten und
Sonnenblumenkerne. Auf dem Newski rauften sich die Menschen in dem tr&uuml;ben
Zwielicht um die neuesten Zeitungen, und ganze Menschenkn&auml;uel waren
bem&uuml;ht, die zahllosen Aufrufe und Proklamationen zu entziffern, mit
denen jedes irgendwie geeignete Pl&auml;tzchen beklebt war: vom
Zentralexekutivkomitee der Sowjets, vom Bauernsowjet, von den
&AElig;gem&auml;&szlig;igten" sozialistischen Parteien, den Armeekomitees
- alle baten, drohten, und beschworen die Arbeiter und Bauern, zu Hause zu
bleiben und die Regierung zu unterst&uuml;tzen. Ein Panzerauto fuhr langsam
auf und nieder, unaufh&ouml;rlich hupend. An jeder Stra&szlig;enecke, auf
jedem Platz waren undurchdringliche Menschenmassen versammelt, diskutierende
Soldaten und Studenten. Die Dunkelheit senkte sich mit gro&szlig;er Schnelligkeit
herab, in weiten Zwischenr&auml;umen flammten Stra&szlig;enlaternen auf,
und immer noch fluteten in endlosen Wogen die Menschenmassen. So ist es immer
in Petrograd, wenn etwas in der Luft liegt. Die Stadt war in h&ouml;chster
nerv&ouml;ser Spannung. Jeder scharfe Laut lie&szlig; sie auffahren. Aber
noch immer kein Zeichen von den Bolschewiki; die Soldaten blieben in ihren
Kasernen, die Arbeiter in ihren Fabriken. Wir gingen in ein Kino in der
N&auml;he der Kasaner Kathedrale, wo ein blutr&uuml;nstiger italienischer
Film von Leidenschaft und Intrige gezeigt wurde. In den vorderen Reihen
sa&szlig;en einige Soldaten und Matrosen, die in kindlicher Verwunderung
auf die Leinwand starrten, unf&auml;hig, den Sinn und die Notwendigkeit von
soviel Aufregung und Blutvergie&szlig;en zu begreifen. Von hier aus eilte
ich zum Smolny. Im Zimmer Nr. 10 tagte in Permanenz das Revolution&auml;re
Milit&auml;rkomitee, unter dem Vorsitz eines achtzehnj&auml;hrigen jungen
Menschen, Lasimir mit Namen. Er dr&uuml;ckte mir im Vorbeigehen, fast
sch&uuml;chtern, die Hand. &AElig;Eben ist die Besatzung der Peter- Pauls-
Festung zu uns &uuml;bergegangen", erz&auml;hlte er mit einem vergn&uuml;gten
Grinsen, &AElig;und vor kaum einer Minute erhielten wir von einem Regiment,
das von der Regierung nach Petrograd beordert war, die Nachricht, da&szlig;
es zu uns stehe. Die Soldaten hatten Verdacht gesch&ouml;pft. Sie hielten
ihren Zug in Gattschina an und Sandten eine Delegation aus, um zu h&ouml;ren,
was los sei. ,Was habt ihr uns zu sagen`, fragten sie, ,wir haben soeben
eine Resolution beschlossen, die sich f&uuml;r die &Uuml;bergabe der ganzen
Macht an die Sowjets erkl&auml;rt. Die Antwort des Revolution&auml;ren
Milit&auml;rkomitees lautete: ,Br&uuml;der! Wir gr&uuml;&szlig;en euch im
Namen der Revolution. Bleibt, wo ihr seid, bis ihr weitere Instruktionen
erhaltet!'". S&auml;mtliche Telefonleitungen waren, wie er mir sagte,
zerschnitten. Aber mit den Kasernen und Fabriken war vermittels Feldtelefonen
eine provisorische Verbindung hergestellt worden. Ununterbrochen kamen und
gingen Kuriere und Kommissare. Vor der T&uuml;r warteten wohl ein Dutzend
Freiwillige, bereit, die Anordnungen des Komitees sofort in die entferntesten
Stadtviertel zu tragen. Einer von ihnen, in der Uniform eines Leutnants,
sagte zu mir auf franz&ouml;sisch: &AElig;Alles ist bereit. Ein Druck auf
den Knopf und wir marschieren." Ich sah Podwoiski, einen mageren, b&auml;rtigen
Zivilisten, den Strategen des Aufstandes, dann Antonow, unrasiert, mit
schmierigem Kragen und wie betrunken von allzulangem Wachen, den untersetzten
Soldaten Krylenko mit seinem stets l&auml;chelnden, breiten Gesicht, heftig
gestikulierend und ununterbrochen redend, und endlich die Riesengestalt des
Matrosen Dybenko, b&auml;rtig und gelassen. Das waren die M&auml;nner jener
Stunden und der, die noch in der Zukunft lagen. Unten, in dem B&uuml;ro der
Fabrikkomitees, unterzeichnete Seratow unerm&uuml;dlich Anweisungen f&uuml;r
das Staatsarsenal auf Lieferung von Waffen an die Arbeiter - je Fabrik
hundertf&uuml;nfzig Gewehre. In einer Reihe warteten etwa vierzig Delegierte,
um die Anweisungen sofort in Empfang zu nehmen. Im Saal stie&szlig; ich auf
einige der unteren F&uuml;hrer der Bolschewiki. Einer wies auf seinen Revolver.
&AElig;das Spiel beginnt", sagte er bleichen Antlitzes, &AElig;ob wir wollen
oder nicht. Die andere Seite wei&szlig;, da&szlig; sie mit uns Schlu&szlig;
machen mu&szlig; oder selber unterzugehen hat." Der Petrograder Sowjet tagte
ununterbrochen Tag und Nacht. Als ich in den gro&szlig;en Saal eintrat,
h&ouml;rte ich noch den Schlu&szlig; einer Rede Trotzkis. &AElig;Man stellt
uns die Frage", sagte er, &AElig;ob wir eine Demonstration beabsichtigen.
Ich kann auf diese Frage eine klare Antwort geben.
<P>
Der Petrograder Sowjet f&uuml;hlt, da&szlig; die Stunde gekommen ist, wo
die Macht in die H&auml;nde der Sowjets &uuml;berzugehen hat. Die &Uuml;bergabe
der Regierungsgewalt wird der Gesamtrussische Sowjetkongre&szlig; besorgen.
Ob eine bewaffnete Demonstration notwendig sein wird, h&auml;ngt ....von
denen ab, die sich dem Willen des Gesamtrussischen Kongresses widersetzen
wollen. Wir wissen, da&szlig; unsere den Leuten des Provisorischen Kabinetts
anvertraute Regierung eine erb&auml;rmliche und hilflose Regierung ist, die
es so schnell wie m&ouml;glich hinwegzufegen gilt, um Platz zu machen f&uuml;r
eine wirkliche Volksregierung. Aber wir sind bem&uuml;ht - auch jetzt noch,
heute noch, Gewalt zu vermeiden. Wir hoffen, da&szlig; der Gesamtrussische
Sowjetkongre&szlig; die Macht und Autorit&auml;t, die auf der organisierten
Freiheit des Volkes beruht, in seine H&auml;nde nehmen wird, Sollte indes
die Regierung die kurze Zeit - die vierundzwanzig, achtundvierzig oder
zweiundsiebzig Stunden - , die sie noch zu leben hat, zu einem Angriff gegen
uns verwenden, dann werden wir mit dem Gegenangriff antworten, und dann gilt
f&uuml;r uns: Hieb f&uuml;r Hieb und Stahl f&uuml;r Eisen." Unter lebhaftem
Beifall teilte er dann mit, da&szlig; sich die linken Sozialrevolution&auml;re
beriet erkl&auml;rt h&auml;tte, eine Vertretung in das Revolution&auml;re
Milit&auml;rkomitee zu entsenden. Als ich um drei Uhr morgens den Smolny
verlie&szlig;, bemerkte ich, da&szlig; das Haupttor von zwei
Schnellfeuergesch&uuml;tzen flankiert war. Die Eing&auml;nge und die
n&auml;chsten Stra&szlig;enecken wurden von starken Soldatenpatrouillen bewacht.
Bill Schatow kam die Stufen heraufgest&uuml;rmt: &AElig;Es geht los. Kerenski
hat Offizierssch&uuml;ler geschickt, um unsere Zeitungen ,Soldat' und ,Rabotschi
Put' zu schlie&szlig;en. Aber unsere Truppen sind bereits hinunter, um die
Regierungssiegel abzurei&szlig;en, und jetzt sind wir dabei, Abteilungen
loszuschicken, die die B&uuml;ros der b&uuml;rgerlichen Zeitungen besetzen
sollen." Er klopfte mir vergn&uuml;gt auf die Schulter und rannte ins Haus.
<P>
Am 6. Morgens hatte ich mit dem Zensor zu tun, der sein B&uuml;ro im Ministerium
des Ausw&auml;rtigen hatte. &Uuml;berall, an allen W&auml;nden, hysterische
Aufrufe an das Volk, &AElig;ruhig" zu bleiben. Polkownikow erlie&szlig; Befehl
um Befehl: &AElig;Ich befehle allen Einheiten und Mannschaften, bis zum Erhalt
eines Befehls des Bezirksstabes in ihren Kasernen zu bleiben ... Alle Offiziere,
die dem Befehl ihres Vorgesetzten zuwiderhandeln, werden wegen bewaffneten
Aufruhrs vor Gericht gestellt. Kategorisch verbiete ich, da&szlig; Truppen
irgendwelchen ,Befehlen`, die von verschiedenen Organisationen ausgehen,
Folge leisten ...." Am Morgen berichteten die Bl&auml;tter, da&szlig; die
Regierung die Zeitungen &AElig;Nowaja Rus", &AElig;Shiwoje Slowo",
&AElig;Rabotschi Put" und &AElig;Soldat" verboten und die Verhaftung der
F&uuml;hrer des Petrograder Sowjets und des Revolution&auml;ren
Milit&auml;rkomitees angeordnet habe.
<P>
Als ich den Schlo&szlig;platz &uuml;berquerte, kamen in scharfem Trab mehrere
Batterien der Offizierssch&uuml;ler durch das Rote Tor gezogen und nahmen
vor dem Palast Aufstellung. Das m&auml;chtige rote Geb&auml;ude des Generalstabs
war ungew&ouml;hnlich belebt. Vor dem Tor hielten Panzerautos, und Automobile
mit Offizieren fuhren an und ab. Der Zensor war aufgeregt wie ein kleiner
Junge in einer Zirkusvorstellung. Wie er mir sagte, war Kerenski zum Rat
der Russischen Republik gegangen, um seinen R&uuml;cktritt anzubieten. Ich
st&uuml;rmte nach dem Marienpalast und kam noch gerade zurecht, um den
Schlu&szlig; der leidenschaftlichen und ziemlich konfusen Rede Kerenskis
zu h&ouml;ren, mit der er seine eigene Politik zu verteidigen suchte und
die heftigsten Anklagen gegen seine Gegner schleuderte: &AElig;Ich zitiere
hier die charakteristischsten Stellen aus einer ganzen Reihe von Artikeln,
die im &AElig;Rabotschi Put" Uljanow - Lenin ver&ouml;ffentlicht hat, ein
Hochverr&auml;ter, der sich gegenw&auml;rtig verborgen h&auml;lt und den
aufzufinden wir uns bem&uuml;hen ... Dieser Hochverr&auml;ter h&ouml;rt nicht
auf, das Proletariat und die Petrograder Garnison zur Wiederholung der Versuche
vom 16. Bis 18. Juli aufzuhetzen, und ist der hartn&auml;ckigste
Bef&uuml;rworter eines sofortigen bewaffneten Aufstandes ... Neben ihm haben
andere bolschewistische F&uuml;hrer in zahlreichen Versammlungen zur sofortigen
bewaffneten Erhebung aufgefordert. Insbesondere ist der T&auml;tigkeit des
derzeitigen Vorsitzenden des Petrograder Sowjets, Bronstein - Trotzki, Beachtung
zu schenken. Ich mu&szlig; feststellen...., da&szlig; die Schreibweise einer
ganzen Reihe von Artikeln im &AElig;Rabotschi Put" und &AElig;Soldat sich
absolut nicht unterscheidet von der der &AElig;Nowaja Rus" ... Wir haben
es hier nicht mit der Bewegung einer politischen Partei zu tun, sondern mit
der Ausbeutung der politischen Unwissenheit und verbrecherischen Instinkte
eines Teiles der Bev&ouml;lkerung, mit einer Organisation, deren Ziel es
ist, in Ru&szlig;land um jeden Preis Zerst&ouml;rung und Pl&uuml;nderung
zu provozieren; denn angesichts des gegebenen geistigen Zustandes der Massen
wird jede Aktion in Petrograd die schrecklichsten Metzeleien ausl&ouml;sen,
die den Namen des freien Ru&szlig;lands mit ewiger Schande bedecken werden...
...Nach dem Eingest&auml;ndnis Uljanow - Lenins selbst befindet sich der
extrem-linke Fl&uuml;gel der Sozialdemokraten in Ru&szlig;land in einer sehr
g&uuml;nstigen Lage." (Kerenski zitiert hier den folgenden Auszug aus einem
Leninschen Artikel): &AElig;,Man bedenke nur: die Deutschen haben ... mit
<I>nur einem</I> Liebknecht ... ohne Presse, ohne Versammlungsfreiheit, ohne
Sowjets, trotz der ungeheuren Feindseligkeit<I> aller</I>
Bev&ouml;lkerungsklassen ...einen Aufstand ... begonnen. Wir aber, die wir
Dutzende von Zeitungen, die wir Versammlungsfreiheit haben, &uuml;ber die
Mehrheit in den Sowjets verf&uuml;gen, wir, die bestgestellten proletarischen
Internationalisten in der ganzen Welt, wir sollen darauf verzichten, die
deutschen Revolution&auml;re durch unseren Aufstand zu unterst&uuml;tzen.'".
Kerenski fuhr fort: &AElig;Die Organisatoren des Aufstandes erkennen also
ausdr&uuml;cklich an, da&szlig; wir jetzt die vollkommensten Bedingungen
f&uuml;r die Freiheit des Handelns f&uuml;r jede politische Partei haben,
in diesem Ru&szlig;land, das von einer Provisorischen Regierung regiert wird,
an deren Spitze nach der Meinung dieser Partei ,ein Usurpator steht, ein
Mann der sich an die Bourgeoisie verkauft hat', mit einem Wort - der
Ministerpr&auml;sident Kerenski ... ...Die Organisatoren des Aufstandes kommen
nicht dem deutschen Proletariat zu Hilfe, sondern den deutschen herrschenden
Klassen, und sie &ouml;ffnen die russische Front den Eisenf&auml;usten Wilhelms
und seiner Freunde ... F&uuml;r die Provisorische Regierung ist es
gleichg&uuml;ltig, was f&uuml;r Motive diese Leute leiten, ob sie bewu&szlig;t
handeln oder unbewu&szlig;t. In vollem Bewu&szlig;tsein nenne ich dieses
Vorgehen einer russischen politischen Partei den Verrat an Ru&szlig;land!
Ich stelle mich entschieden auf den Rechtsstandpunkt und fordere die sofortige
Einleitung einer Untersuchung und die Vornahme der notwendigen Verhaftungen"
(St&uuml;rmische Unterbrechungen auf der Linken.) &AElig;H&ouml;ren Sie mir
zu" - rief er mit m&auml;chtiger Stimme - &AElig;in dem Moment, da bewu&szlig;ter
oder unbewu&szlig;ter Verrat die Sicherheit des Staates gef&auml;hrdet, sind
die Mitglieder der Provisorischen Regierung -und ich mit ihnen - entschlossen,
eher zu sterben, als das Leben, die Ehre und Unabh&auml;ngigkeit Ru&szlig;lands
zu verraten."
<P>
In diesem Augenblick wurde Kerenski ein Flugblatt gereicht. &AElig;soeben
erhalte ich den Befehl, den sie an die Regimenter verteilen. H&ouml;ren Sie
den Inhalt." Er liest: &AElig;,Der Petrograder Sowjet ist bedroht. Wir befehlen
die sofortige kriegsm&auml;&szlig;ige Mobilisierung der Regimenter. Sie haben
sich bereit zu halten und neue Befehle abzuwarten. Jede Verz&ouml;gerung
oder Verweigerung dieses Befehls wird als Verrat an der russischen Revolution
gewertet. Das Revolution&auml;re Milit&auml;rkomitee. F&uuml;r den Vorsitzenden,
Podwoiski. Der Sekret&auml;r, Antonow.'
<P>
Das ist wahrlich ein Versuch, den P&ouml;bel gegen die bestehende Ordnung
aufzuwiegeln, die Konstituierende Versammlung zu vereiteln und den mit der
eisernen Faust Wilhelms zusammengeschwei&szlig;ten Regimentern die russische
Front zu &ouml;ffnen. Ich sage absichtlich ,P&ouml;bel', weil die bewu&szlig;te
Demokratie und ihr Zentralexekutivkomitee der Sowjets, weil alle
Armeeorganisationen, alles, worauf das freie Ru&szlig;land stolz ist und
stolz sein darf, die Vernunft, die Ehre und das Gewissen der gro&szlig;en
russischen Demokratie, gegen dergleichen protestieren. Ich bin nicht
hierhergekommen, um zu bitten, sondern um meiner festen &Uuml;berzeugung
Ausdruck zu geben, da&szlig; die unsere junge Freiheit verteidigende
Provisorische Regierung - da&szlig; der neue, einer herrlichen Zukunft
entgegengehende russische Staat die einm&uuml;tige Unterst&uuml;tzung aller
finden wird, mit Ausnahme h&ouml;chstens jener, die nie gewagt haben, der
Wahrheit ins Antlitz zu schauen ...
<P>
...Die Provisorische Regierung hat niemals die Freiheit der Staatsb&uuml;rger,
von ihren politischen Rechten Gebrauch zu machen, angetastet ... Jetzt aber,
in dieser Stunde, erkl&auml;rt die Provisorische Regierung: Jene Gruppen
und Parteien, die es gewagt haben, ihre Hand gegen den freien Willen des
russischen Volkes zu erheben, und die damit drohen, die Front den Deutschen
zu &ouml;ffnen, m&uuml;ssen mit Entschlossenheit liquidiert werden. M&ouml;ge
Petrograds Bev&ouml;lkerung wissen, da&szlig; sie eine feste Gewalt finden
wird. Vielleicht werden noch in letzter Stunde Vernunft, Bewu&szlig;tsein
und Ehre in dem Herzen derer den Sieg davontragen, die sie noch nicht
v&ouml;llig verloren haben...."
<P>
W&auml;hrend dieser ganzen Rede herrschte in dem Saal ohrenbet&auml;ubender
L&auml;rm. Nachdem der Ministerpr&auml;sident geendet und blassen Gesichts
und von Schwei&szlig; durchn&auml;&szlig;t mit seinem Offiziersgefolge den
Saal verlassen hatte, traten die Redner der Linken und des Zentrums auf,
einer nach dem andern heftige Angriffe gegen die vor Wut sch&auml;umende
Rechte schleudernd. Sogar die Sozialrevolution&auml;re, durch den Mund von
Goz: &AElig;Die Politik der Bolschewiki ist gewi&szlig; demagogisch und
verbrecherisch, sie beutet die Unzufriedenheit der Volksmassen aus. Aber
es gibt eine ganze Reihe Forderungen der Volksmassen, die bis heute noch
nicht erf&uuml;llt sind ... die Frage des Friedens, die Landfrage und die
Frage der Demokratisierung der Armee sollten in einer Wiese gestellt werden,
da&szlig; kein Soldat, Bauer oder Arbeiter den geringsten Zweifel h&auml;tte,
da&szlig; die Regierung fest und unersch&uuml;tterlich daran arbeitet, alle
diese Fragen zu l&ouml;sen ... Wir und die Menschewiki denken nicht daran,
eine Regierungskrise herbeizuf&uuml;hren, und wir sind bereit, die Provisorische
Regierung mit unserer ganzen Energie zu verteidigen, bis zu unserm letzten
Blutstropfen - wenn nur die Provisorische Regierung auf alle diese brennenden
Fragen die klaren und pr&auml;zisen Worte finden wird, die das Volk mit Ungeduld
erwartet..."
<P>
Dann Martow, emp&ouml;rt: &AElig;Die Worte des Ministerpr&auml;sidenten,
der sich erlaubte, vom P&ouml;bel zu sprechen gegen&uuml;ber einer Bewegung
von, wenn auch irregeleiteten Teilen des Proletariats und der Armee, sind
eine einzige Aufforderung zum B&uuml;rgerkrieg."Die Abstimmung ergab die
Annahme der von der Linken vorgeschlagenen Tagesordnung. Das bedeutete praktisch
ein Mi&szlig;trauensvotum.
<P>
&AElig;1. Die seit einigen Tagen vorbereitete bewaffnete Demonstration hat
den Staatsstreich zum Ziel, sie droht den B&uuml;rgerkrieg zu provozieren,
sie schafft Bedingungen, die Pogrome und die Konterrevolution sowie die
Mobilisierung konterrevolution&auml;rer Kr&auml;fte, wie der Schwarzhunderter,
beg&uuml;nstigen; sie wird die Einberufung der Konstituierenden Versammlung
unm&ouml;glich machen, wird eine milit&auml;rische Katastrophe, den Untergang
der Revolution herbeif&uuml;hren, sie wird das &ouml;konomische Leben des
Landes l&auml;hmen und Ru&szlig;land zugrunde richten.
<P>
2. Die Bedingungen, die diese Agitation beg&uuml;nstigen, wurden durch die
Verz&ouml;gerung dringender Ma&szlig;nahmen wie durch objektive Bedingungen
geschaffen, die der Krieg und die allgemeine Unordnung verursachten. Es ist
daher vor allem notwendig, sofort ein Dekret zu erlassen, das das Land den
b&auml;uerlichen Bodenkomitees &uuml;bergibt; in den Fragen der
Au&szlig;enpolitik ist ein energisches Vorgehen vonn&ouml;ten, indem den
Alliierten der Vorschlag gemacht wird, ihre Friedensbedingungen bekanntzugeben
und Friedensverhandlungen zu beginnen.
<P>
3. Zum Kampf gegen die anarchistischen Manifestationen und Pogrome ist es
unerl&auml;&szlig;lich, sofort Ma&szlig;nahmen zu ergreifen, um diese
Bestrebungen zu unterdr&uuml;cken, und zu diesem Zwecke in Petrograd ein
Komitee f&uuml;r &ouml;ffentliche Sicherheit zu schaffen, das aus Vertretern
der Stadtverwaltung und den Organen der revolution&auml;ren Demokratie
zusammengesetzt ist und im Einvernehmen mit der Provisorischen Regierung
handelt..."<I></I>
<P>
<I></I>Die Menschewiki und Sozialrevolution&auml;re stimmten dieser Resolution
zu. Kerenski lie&szlig; Awxentjew zum Winterpalast kommen, um von ihm zu
h&ouml;ren, wie die Abstimmung gemeint war. F&uuml;r den Fall, da&szlig;
es ein Mi&szlig;trauensvotum sein sollte, bat er Awxentjew, die Bildung eines
neuen Kabinetts in die Hand zu nehmen. Dan, Goz und Awxentjew spielten hier
ihre Kompromi&szlig;lerrolle zum letzten Male. Sie erkl&auml;rten Kerenski,
da&szlig; die Abstimmung nicht als eine Kritik der Regierung gedacht war.
<P>
An der Ecke der Morskaja und des Newski hielten Trupps von Soldaten mit
aufgepflanztem Bajonett s&auml;mtliche passierenden Privatautomobile an,
setzten die Insassen auf die Stra&szlig;e und dirigierten die Wagen nach
dem Winterpalast. Eine gro&szlig;e Menschenmenge hatte sich angesammelt und
sah dabei zu. Niemand wu&szlig;te, zu wem die Soldaten geh&ouml;rten, ob
es Regierungstruppen waren oder Truppen des Revolution&auml;ren
Milit&auml;rkomitees. Die gleichen Vorg&auml;nge spielten sich vor der Kasaner
Kathedrale ab. Hier wurden die Wagen den Newski hinaufdirigiert. F&uuml;nf
oder sechs Matrosen kamen daher, mit Gewehren bewaffnet, &Uuml;berm&uuml;tig
lachend, und begannen eine Unterhaltung mit zwei von den Soldaten. An den
M&uuml;tzen hatten sie B&auml;nder mit den Namen der Zwei f&uuml;hrenden
bolschewistischen Kreuzer &AElig;Aurora" und &AElig;Sarja Swobody"
(Morgenr&ouml;te der Freiheit.) Ich h&ouml;rte, wie einer von ihnen sagte:
&AElig;Die Kronst&auml;dter kommen." Das war dasselbe, als wenn 1792 in den
Stra&szlig;en von Paris jemand gesagt h&auml;tte: &AElig;Die Marseiller kommen."
In Kronstadt befanden sich f&uuml;nfundzwanzigtausend Matrosen, alles
&uuml;berzeugte Bolschewiki, die den Tod nicht scheuten. &AElig;Rabotschi
i Soldat" war eben heraus, die ganze Vorderseite f&uuml;llte eine Proklamation:
<P>
&AElig; S o l d a t e n ! A r b e i t e r ! B &uuml; r g e r !
<P>
Die Volksfeinde sind in der Acht zum Angriff &uuml;bergegangen. Die zum Stab
geh&ouml;renden Kornilowanh&auml;nger versuchen, aus der Umgebung
Offizierssch&uuml;ler und Sto&szlig;bataillone zusammenzuziehen. Die
Offizierssch&uuml;ler von Oranienbaum und die Angeh&ouml;rigen des
Sto&szlig;bataillons in Zarskoje Selo haben sich geweigert auszur&uuml;cken.
Man plant einen verr&auml;terischen Anschlag gegen den Petrograder Sowjet
der Arbeiter- und Soldatendeputierten ...Das Vorgehen der
konterrevolution&auml;ren Verschw&ouml;rer richtet sich <I>gegen den
Gesamtrussischen Sowjetkongre&szlig; </I>am Vorabend seiner Er&ouml;ffnung,<I>
gegen die Konstituierende Versammlung, gegen das Volk</I>. Der Petrograder
Sowjet der Arbeiter- und Soldatendeputierten steht f&uuml;r die Revolution
auf der Wacht. Das Revolution&auml;re Milit&auml;rkomitee leitet den Widerstand
gegen den Ansturm der Verschw&ouml;rer. Die gesamte Garnison und das gesamte
Proletariat von Petrograd sind bereit, Den Volksfeinden einen vernichtenden
Schlag zu versetzen. Das Revolution&auml;re Milit&auml;rkomitee ordnet an:
<P>
1. Alle Regiments-, Kompanie- und Mannschaftskomitees mit den Kommissaren
des Sowjets und alle revolution&auml;ren Organisationen m&uuml;ssen <I>in
Permanenz tagen</I> und alle Nachrichten &uuml;ber die Pl&auml;ne und Aktionen
der Verschw&ouml;rer in ihren H&auml;nden konzentrieren.
<P>
2. Kein Soldat darf ohne Genehmigung des Komitees seine Einheit
verlassen.<I></I>
<P>
<I></I>3. Es sind unverz&uuml;glich zwei Vertreter Einheit und je f&uuml;nf
Vertreter aller Bezirkssowjets in das Smolny - Institut zu entsenden.<I></I>
<P>
<I></I>4. Alle Aktionen der Verschw&ouml;rer sind unverz&uuml;glich dem Smolny
- Institut zu melden.<I></I>
<P>
<I></I>5. Alle Mitglieder des Petrograder Sowjets und alle Delegierten des
Gesamtrussischen Sowjetkongresses werden aufgefordert, sofort zu einer
au&szlig;erordentlichen Sitzung im Smolny zu erscheinen.<I></I>
<P>
<I></I>Die Konterrevolution hat ihr verbrecherisches Haupt erhoben. Allen
Errungenschaften und Hoffnungen der Soldaten, Arbeiter und Bauern droht
gro&szlig;e Gefahr. Aber die Kr&auml;fte der Revolution sind den Kr&auml;ften
ihrer Gegner unerme&szlig;lich &uuml;berlegen. Die Sache des Volkes ist in
festen H&auml;nden Die Verschw&ouml;rer werden vernichtet. Keine Schwankungen,
keine Zweifel! Festigkeit, Standhaftigkeit, Ausdauer und Entschlossenheit
sind vonn&ouml;ten. Es lebe die Revolution! <I> </I>
<H4>
<I>Das Revolution&auml;re Milit&auml;rkomitee</I>
</H4>
<P>
<I></I>
<P>
<I> </I>Im Smolny tagte ununterbrochen der Petrograder Sowjet. Die Delegierten
waren zum Umfallen m&uuml;de, sie schliefen w&auml;hrend der Tagung ein,
um sich dann pl&ouml;tzlich wieder aufzuraffen und erneut an der Debatte
teilzunehmen. Trotzki, Kamenew, Wolodarski sprachen sechs, acht und zw&ouml;lf
Stunden am Tag. In dem im ersten Stock gelegenen Zimmer Nr. 18 hielten die
bolschewistischen Delegierten ihre Besprechungen. Eine rauhe Stimme - den
Redner selbst konnte ich in der Menge nicht sehen - sagte: &AElig;Die
Kompromi&szlig;ler meinen, wir seien isoliert. La&szlig;t euch nichts einreden.
Wenn es losgehen wird, werden wir sie mit uns mitrei&szlig;en, und wenn sie
nicht wollen, dann werden sie selber ihre Anh&auml;nger verlieren und isoliert
dastehen." Ein Blatt Papier in die H&ouml;he haltend, rief er: &AElig;Da
seht, sie kommen schon. Soeben ist ein schreiben der Menschewiki und
Sozialrevolution&auml;re eingelaufen, in dem diese erkl&auml;ren, da&szlig;
sie unsere Aktion zwar verurteilen, da&szlig; sie sich aber der Sache des
Proletariats nicht widersetzen wollen, falls die Regierung uns angreift."
(Jubelnder Beifall.)
<P>
Als der Abend kam, f&uuml;llte sich der gro&szlig;e Saal mit Soldaten und
Arbeitern. Das Zentralexekutivkomitee der Sowjets hatte sich endlich
entschlossen, die Delegierten des neuen Sowjetkongresses offiziell zu empfangen,
obwohl dieser Kongre&szlig; seinen Sturz und m&ouml;glicherweise den
Zusammenbruch der von ihm errichteten Ordnung bedeutete. Indessen hatten
in dieser Versammlung nur die Mitglieder des Zentralexekutivkomitees Stimmrecht.
Es war schon Mitternacht, als Goz die Versammlung er&ouml;ffnete und Dan
unter allgemeiner Spannung und bedrohlicher Stille das Wort ergriff:
&AElig;Tragische Stunden sind es, die wir durchleben. Vor den Toren Petrograds
steht der Feind, und w&auml;hrend die demokratischen M&auml;chte bem&uuml;ht
sind, die Verteidigung zu organisieren, erwarten uns blutige K&auml;mpfe
in den Stra&szlig;en Petrograds selbst, droht der Hunger nicht nur unsere
einheitliche Regierung, sondern die Revolution zu vernichten. Die Massen
sind krank und ersch&ouml;pft. Die Revolution interessiert sie nicht. Schlagen
die Bolschewiki los, so wird dies das Ende der Revolution sein....(Zurufe:
&AElig;Das ist eine L&uuml;ge.") &AElig;die Konterrevolution wartet nur darauf,
um gleichzeitig mit den Bolschewiki den Aufruhr ins Land zu tragen und ein
gro&szlig;es Blutbad anzurichten. Kommt es zu bewaffneten Demonstrationen,
dann ade, Konstituierende Versammlung!" (Zurufe: &AElig;L&uuml;gner!
Sch&auml;men Sie sich!")
<P>
&AElig;Es ist unertr&auml;glich, da&szlig; die Petrograder Garnison sich
den Befehlen des Stabes nicht unterordnet ... Ihr m&uuml;&szlig;t den Befehlen
des Stabes und des von euch gew&auml;hlten Zentralexekutivkomitees gehorchen.
Alle Macht den Sowjets - das w&uuml;rde den Tod bedeuten! R&auml;uber und
Diebe warten nur auf den Augenblick, wo sie ungehindert pl&uuml;ndern und
mordbrennen k&ouml;nnen ... Die Parole ,Hinein in die H&auml;user, nehmt
euch die Stiefel und Kleider der Bourgeoisie' ..." (Tumult. Rufe: &AElig;Niemals
wurde eine solche Parole ausgegeben. L&uuml;ge! L&uuml;ge!) &AElig;Nun, es
mag in anderer Weise beginnen, das Ende w&uuml;rde aber bestimmt so sein!
Das Zentralexekutivkomitee hat absolute Vollmacht, zu handeln ... Wir
f&uuml;rchtenden Kampf nicht ... Das Zentralexekutivkomitee wird die Revolution
bis zum letzten Blutstropfen verteidigen..." (Rufe: &AElig;Es ist ja selbst
schon lange tot!") Wilder, anhaltender Tumult, den Dan, mit der Faust aufs
Pult schlagend, mit aller Kraft zu &uuml;berschreien versucht: &AElig;Die
dazu auffordern, begehen ein Verbrechen!" Eine Stimme: &AElig;Das Verbrechen
begingt ihr, als ihr die Macht nahmt und sie an die Bourgeoisie ausliefertet!"
Goz, heftig die Pr&auml;sidentenglocke schwingend: &AElig;Ruhe, oder ich
lasse Sie hinaussetzen!" Die Stimme: &AElig;Das versuchen Sie nur!" (Beifall
und Zischen.)
<P>
&AElig;Nun zu unserer Politik in der Frage des Friedens." (Gel&auml;chter.)
&AElig;Leider kann Ru&szlig;land die Fortsetzung des Krieges nicht
unterst&uuml;tzen. Der Friede wird geschlossen werden, aber nicht ein dauernder
Friede - nicht ein demokratischer Friede ... Wir haben heute im Rate der
Russischen Republik, um Blutvergie&szlig;en zu vermeiden, eine Tagesordnung
angenommen, die die &Uuml;bergabe des Bodens an die Bodenkomitees und sofortige
Friedensverhandlungen fordert...." (Gel&auml;chter und Rufe: &AElig;Zu
sp&auml;t!")
<P>
Dann bestieg, von minutenlangem tosendem Beifallssturm begr&uuml;&szlig;t,
f&uuml;r die Bolschewiki Trotzki die Trib&uuml;ne. Mit boshafter Ironie:
&AElig;Dans Taktik zeigt in der Tat, da&szlig; die Massen - die gro&szlig;en,
stumpfen, indifferenten Massen - mit ihm sind." (Gro&szlig;e Heiterkeit.)
Zum Pr&auml;sidenten gewendet, dramatisch: &AElig;Als wir erkl&auml;rten,
da&szlig; das Land den Bauern gegeben werden m&uuml;sse, da waren Sie dagegen.
Wir sagten den Bauern: ,Wenn sie euch das Land nicht geben wollen, nehmt
es euch selbst.' Die Bauern sind unserm Rat gefolgt, und jetzt wollen Sie
sich einsetzen f&uuml;r Dinge, die wir vor sechs Monaten schon taten. Kerenskis
neuer Befehl &uuml;ber die Aufhebung der Todesstrafe in der Armee ist ihm
nicht von seinen eigenen Idealen diktiert worden. Es war die Petrograder
Garnison, die ihn &uuml;berzeugte, indem sie sich weigerte, ihm weiter zu
gehorchen. Heute beschuldigt man Dan, er habe im Rat der Russischen Republik
eine Rede gehalten, die ihn als heimlichen Bolschewiken entlarvt ...
<P>
Es wird de Tag kommen, wo Dan selbst sagen wird, da&szlig; am Aufstand vom
16. bis 18. Juli die Elite der Revolution teilgenommen habe ... In Dans heutiger
Resolution im Rat der Russischen Republik war nicht mehr die Rede davon,
da&szlig; die Disziplin in der Armee erh&ouml;ht werden mu&szlig;, obwohl
die Propaganda seiner Partei dies mit Nachdruck fordert. Die Geschichte der
letzten sieben Monate zeigt, da&szlig; die Massen den Menschewiki nicht mehr
folgen. Die Menschewiki und die Sozialrevolution&auml;re besiegten die Kadetten;
aber als sie die Macht erobert hatten, haben sie sie an die Kadetten
ausgeliefert. Dan meint, ihr h&auml;ttet kein Recht, einen Aufstand zu machen.
Nun, ich sage euch: Die Revolte ist das Recht aller Revolution&auml;re. Wenn
sich die niedergedr&uuml;ckten Massen erheben, so ist das ihr Recht."
<P>
Auf Trotzki folgte Liber, mit Ach-Rufen und ironischem Lachen empfangen:
&AElig;Marx und Engels haben gesagt, da&szlig; das Proletariat kein Recht
habe, die Macht zu ergreifen, solange es nicht reif ist. In einer
b&uuml;rgerlichen Revolution, wie die jetzige eine ist, bedeutet die
Machtergreifung durch das Proletariat das tragische Ende der Revolution.
Trotzki mu&szlig; als sozialdemokratischer Theoretiker selbst bek&auml;mpfen,
was er hier verteidigt."
<P>
(Rufe: &AElig;Schlu&szlig;! Herunter mit ihm!") Der n&auml;chste war Martow,
durch fortgesetzte Zwischenrufe unterbrochen: &AElig;Die Internationalisten
sind nicht gegen die &Uuml;bergabe der Macht an die Demokratie; aber sie
verwerfen die Methoden der Bolschewiki. Der jetzige Moment ist f&uuml;r die
Machtergreifung nicht geeignet."
<P>
Wieder ergriff Dan das Wort, heftig protestierend gegen das Vorgehen des
Revolution&auml;ren Milit&auml;rkomitees, das einen Kommissar in die Redaktion
der &AElig;Iswestija" entsandt hatte, der die Zeitung zensieren sollte.
Allgemeine wilde Erregung, in der Martow vergebens versuchte, sich Geh&ouml;r
zu verschaffen. Im ganzen Saal hatten sich die Delegierten der Armee und
der Baltischen Flotte von ihren Sitzen erhoben und schrien, da&szlig; ihre
Regierung der Sowjet sei. Inmitten dieser Konfusion wurde von Erlich (
Sozialrevolution&auml;r) <I>[Hier irrte John Reed: Erlich war ein F&uuml;hrer
der Menschewiki. Anm.d. Schreibkraft]</I> eine Resolution eingebracht, die
1. Die Arbeiter und Soldaten beschwor, die Ruhe zu bewahren und den
Aufforderungen zu Demonstrationen keine Folge zu leisten, 2. Die sofortige
Bildung eines Sicherheitsausschusses f&uuml;r notwendig erkl&auml;rte und
3. Die sofortige Einbringung eines Gesetzes f&uuml;r die &Uuml;bergabe des
Landes an die Bauern und die unverz&uuml;gliche Einleitung von
Friedensverhandlungen verlangte. Da aber sprang Wolodarski von seinem Platz
auf und erkl&auml;rte schroff, da&szlig; am Vorabend des Sowjetkongresses
das Zentralexekutivkomitee nicht befugt sei, sich die Funktionen dieses
Kongresses anzuma&szlig;en. Das Komitee sei in Wirklichkeit erledigt und
die Resolution nur ein Trick, ihm die entglittene Macht wieder in die H&auml;nde
zu spielen. &AElig;Wir werden", sagte er, &AElig;uns an dieser Abstimmung
nicht beteiligen." Die Bolschewiki verlie&szlig;en hierauf den Saal, und
die Resolution wurde angenommen. Gegen vier Uhr fr&uuml;h traf ich in der
Vorhalle Sorin mit einem Gewehr. &AElig;Wir marschieren", sagte er ernst,
aber augenscheinlich befriedigt. &AElig;Wir haben den Vizejustizminister
und den Kulturminister festgesetzt; sie sind unten im Keller. Ein Regiment
ist weg, um die Telefonzentrale zu besetzen, ein anderes ist zur
Telegrafenagentur und ein drittes zur Staatsbank. Auch die Rote Garde ist
unterwegs." Als wir auf die Treppe hinaustraten, sahen wir die Rote Garde
vorbeiziehen: junge Burschen in Arbeitskleidung, mit Gewehren und aufgepflanzten
Bajonetten, aufgeregt miteinander sprechend. Pl&ouml;tzlich, die Stille
unterbrechend, ert&ouml;nte westw&auml;rts fernes Gewehrfeuer. Das waren
die Offizierssch&uuml;ler, die die Zugbr&uuml;cken der Newa zu &ouml;ffnen
versuchten, um den Arbeitern und Soldaten des Wiborgviertels die Vereinigung
mit den Sowjetkr&auml;ften im Zentrum der Stadt unm&ouml;glich zu machen.
Die Kronst&auml;dter Matrosen waren jetzt dabei, sie wieder zu schlie&szlig;en.
Hinter uns lag der Smolny, hell erleuchtet und summend wie ein riesiger
Bienenkorb.
</BODY></HTML>