emacs.d/clones/www.mlwerke.de/tr/1939/390130f.htm

164 lines
9.5 KiB
HTML
Raw Normal View History

2022-08-25 20:29:11 +02:00
<!DOCTYPE HTML PUBLIC "-//W3C//DTD HTML 3.2//EN">
<HTML>
<!-- #BeginTemplate "/Templates/Trotzki.dwt" -->
<HEAD>
<TITLE>LeoTrotzki: F&uuml;r Grynspan</TITLE>
<META HTTP-EQUIV="Content-Type" CONTENT="text/html; charset=ISO-8859-1">
<link rel=stylesheet type="text/css" href="http://www.mlwerke.de/css/format.css">
</HEAD>
<BODY>
<TABLE width="100%" border="0" align="center" cellspacing=0 cellpadding=0>
<TR>
<TD ALIGN="center" width="49%" height=20 valign=middle><A href="../../index.shtml.html"><SMALL>Gesamt&uuml;bersicht "MLWerke"</SMALL></A></TD>
<TD ALIGN="center">|</TD>
<TD ALIGN="center" width="49%" height=20 valign=middle><A href="../default.htm"><SMALL>&Uuml;bersicht Leo Trotzki</SMALL></A></TD>
</TR>
</TABLE>
<HR size="1">
<H2>Leo Trotzki</H2>
<H1><!-- #BeginEditable "Titel" -->F&uuml;r Grynspan<!-- #EndEditable --></H1>
<H3>Gegen faschistische Pogromgangs und stalinistische Schurken</H3>
<!-- #BeginEditable "Text" -->
<P>30. Januar 1939</P>
<HR size="1">
<H3>Vorbemerkung der Redaktion</H3>
<P>Bei der Diskussion der von den Nazis organisierten Pogrome der
sogenannten &raquo;Reichskristallnacht&laquo; wird meistens die Person vergessen,
deren Tat, deren Mut der Verzweiflung der Vorwand f&uuml;r diese Aktionen
waren:</P>
<P>Herschel Grynspan, ein damals 17-j&auml;hriger polnischer Jude, der am
7. November 1938 in der deutschen Botschaft zu Paris mit einer Pistole auf den Gesandtschaftsrat Ernst Eduard von Rath
scho&szlig;, der dann am Nachmittag des 9. November verstarb.</P>
<P>Der Proze&szlig; gegen Herschel Grynspan wurde so lange verschleppt, bis ihn
die deutschen Truppen nach ihrer Eroberung Frankreichs aus dem Gef&auml;ngnis
in ein deutsches Konzentrationslager &uuml;berf&uuml;hrten konnten. &Uuml;ber sein
weiteres Schicksal ist nichts genaues bekannt, es wird sich jedoch kaum von dem anderer in die Vernichtungslager verschleppten Juden unterschieden haben.</P>
<P>Die deutsche Bourgeoisie gedenkt lieber der Aristokraten, die jahrelang
an der Spitze der deutschen Kriegsmaschinerie mit, neben und unter Hitler
gearbeitet hatten, und die am 20.7.1944 mit einem Attentat die Person an
der Spitze austauschen wollten. Deren Opposition gegen Hitler leitete sich
aus der Bef&uuml;rchtung ab, da&szlig; Hitler den Krieg des deutschen Kapitals in
die Niederlage f&uuml;hren w&uuml;rde.</P>
<P>Zum Gedenken an Herschel Grynspan einen Artikel von Leo Trotzki. Die
deutsche &Uuml;bersetzung ist aus &raquo;Unser Wort&laquo;, der Exilzeitung der deutschen
Bolschewiki-Leninisten, vom Mai 1939, abgeschrieben, wobei einige grobe
&Uuml;bersetzungsfehler anhand der englischen &Uuml;bersetzung in WRITINGS 1938-39
korrigiert wurden. Das russische Original erschien im &raquo;Bjuleten Oppozitsii&laquo; Nr. 74, Februar 1939. Eine englische &Uuml;bersetzung in &raquo;Socialist Appeal&laquo; vom 14.2.1939</P>
<P>L&uuml;ko Willms</P>
<HR size="1">
<P>F&uuml;r jeden mit der politischen Geschichte auch nur wenig vertrauten
Menschen ist es klar, da&szlig; die Politik der faschistischen Gangster direkt
und zuweilen mit Vorbedacht terroristische Akte provoziert. Das
erstaunlichste ist, da&szlig; es nur einen einzigen Grynspan gegeben hat.
Zweifellos wird die Zahl dieser Akte zunehmen.</P>
<P>Wir Marxisten betrachten die Taktik des individuellen Terrors als
ungeeignet zur L&ouml;sung der Aufgaben des Befreiungskampfes des Proletariats
oder der unterdr&uuml;ckten Nationalit&auml;ten. Ein einzelner isolierter Held kann
nicht die Massen ersetzen. Jedoch verstehen wir ebenso klar die
Unvermeidlichkeit dieser krampfhaften Verzweiflungs- und Racheakte. All
unser Mitempfinden, unsere ganze Sympathie geh&ouml;ren den sich aufopfernden
R&auml;chern, auch wenn sie nicht den richtigen Weg gefunden haben. Da Grynspan
kein politischer Militant ist, sondern ein junger unerfahrener Mensch,
fast ein Kind, dem das Gef&uuml;hl der Emp&ouml;rung der alleinige Ratgeber war, ist
unsere Sympathie f&uuml;r ihn um so gr&ouml;&szlig;er.</P>
<P>Grynspan den H&auml;nden der kapitalistischen Justiz zu entrei&szlig;en, die ihm
den Kopf abzuschlagen f&auml;hig ist, um der kapitalistischen Diplomatie besser
zu dienen, ist die elementare Pflicht der internationalen Arbeiterklasse.</P>
<H3>Die stalinistische Kampagne</H3>
<P>Am emp&ouml;rendsten in ihrem polizeihaften Stumpfsinn und ihrer
unaussprechlichen Heftigkeit ist die jetzt auf Befehl des Kreml in der
internationalen stalinistischen Presse gegen Grynspan gef&uuml;hrte Kampagne.
Man versucht, ihn als Nazi- oder als einen mit den Nazis verbundenen
trotzkistischen Agenten hinzustellen. Indem die Stalinisten so den
Provokateur und sein Opfer in den selben Sack stecken, unterschieben sie
Grynspan die Absicht, er habe einen g&uuml;nstigen Vorwand f&uuml;r Hitlers
Pogromtreiben schaffen wollen.</P>
<P>Was soll man von diesen bestechlichen &raquo;Journalisten&laquo; halten, die nicht
mehr die geringste Spur von Scham besitzen? Seit dem Beginn der
sozialistischen Bewegung hat die Bourgeoisie jederzeit alle gewaltm&auml;&szlig;igen
Emp&ouml;rungs&auml;u&szlig;erungen, insbesondere die terroristischen Akte, dem
verderblichen Einflu&szlig; des Marxismus zugeschrieben. In diesen wie in
anderen Punkten haben die Stalinisten die sch&auml;ndlichsten Traditionen der
Reaktion geerbt. Die 4. Internationale darf mit vollem Recht stolz darauf
sein, da&szlig; der reaktion&auml;re Auswurf einschlie&szlig;lich der Stalinisten jede
Aktion oder jeden mutigen Protest, jeden Emp&ouml;rungsausbruch, jeden den
Henkern versetzten Schlag automatisch mit dem Namen der 4. Internationalen
verbindet. Genauso erging es der Internationale zu Marxens Zeit.</P>
<P>Durch eine offene moralische Solidarit&auml;t sind wir nat&uuml;rlich mit Grynspan
verbunden und nicht mit seinen &raquo;demokratischen&laquo; Kerkermeistern oder mit
den stalinistischen Verleumdern, die den Leichnam Grynspans n&ouml;tig haben,
um die Urteilsspr&uuml;che der Moskauer Justiz wenigstens teilweise und
indirekt zu st&uuml;tzen. Die vollst&auml;ndig verkommene Diplomatie des Kreml
versucht zur gleichen Zeit diesen &raquo;gl&uuml;cklichen&laquo; Zwischenfall zu benutzen,
um ihre Intrigen hinsichtlich eines internationalen Abkommens f&uuml;r eine
gegenseitige Auslieferung der Terroristen zwischen den verschiedenen
Regierungen zu erneuern, einbegriffen die Regierungen Hitlers und
Mussolinis. Vorsicht, Meister der F&auml;lschung! Die Anwendung eines solchen
Gesetzes w&uuml;rde die sofortige Auslieferung Stalins an wenigstens ein
Dutzend ausl&auml;ndischer Regierungen n&ouml;tig machen.</P>
<P>Die Stalinisten fl&uuml;stern der Polizei ins Ohr, da&szlig; Grynspan
&raquo;Versammlungen der Trotzkisten&laquo; besuchte. Leider ist das nicht wahr. Denn
h&auml;tte er sich in das Milieu der 4. Internationale bewegt, so w&uuml;rde er
einen anderen und viel wirkungsvolleren Ausweg f&uuml;r seine revolution&auml;re
Energie gefunden haben. Leicht finden sich Leute, die nur gegen
Ungerechtigkeit und Grausamkeit wettern. Aber diejenigen, die wie Grynspan
f&auml;hig sind, zu handeln wie sie denken, zur Aufopferung ihres Lebens
bereit, sind die kostbarste Hefe der Menschheit.</P>
<H3>Findet einen anderen Weg!</H3>
<P>Vom moralischen Standpunkt -- und nicht hinsichtlich seiner
Aktionsmethoden -- kann Grynspan jedem jungen Revolution&auml;r als Vorbild
dienen. Unsere moralische Solidarit&auml;t mit Grynspan gibt uns ein besonderes
Recht, allen noch kommenden Grynspans und all denen, die sich im Kampf
gegen den Despotismus und die Bestialit&auml;t zu opfern f&auml;hig sind, zuzurufen:
findet einen anderen Weg! Nicht der isolierte R&auml;cher, sondern nur eine
gro&szlig;e revolution&auml;re Massenbewegung, die von dem System der
Klassenausbeutung, von nationaler Unterdr&uuml;ckung und Rassenverfolgung
nichts bestehen lassen wird, kann die Unterdr&uuml;ckten befreien.</P>
<P>Die beispiellosen Verbrechen des Faschismus erzeugen einen v&ouml;llig
gerechtfertigten Rachedurst. Doch die Menge dieser Verbrechen ist so
ungeheuerlich, da&szlig; dieser Durst nicht durch den Mord isolierter
faschistischer B&uuml;rokraten gestillt werden kann. Dazu m&uuml;ssen Millionen,
zehn und hunderte Millionen Unterdr&uuml;ckter in der ganzen Welt mobilisiert
und zum Ansturm gegen die Grundlagen der alten Gesellschaft gef&uuml;hrt
werden. Nur der Sturz aller Formen der Versklavung, die v&ouml;llige
Vernichtung des Faschismus, nur die Aus&uuml;bung der schonungslosen Justiz des
Volkes gegen die zeitgen&ouml;ssischen Banditen und Gangster k&ouml;nnen der
Emp&ouml;rung des Volkes eine wirkliche Genugtuung verschaffen. Genau das ist
die Aufgabe, die sich die 4. Internationale gestellt hat. Sie wird die
Arbeiterbewegung von der Plage des Stalinismus s&auml;ubern. Sie wird in ihren
Reihen die heroische Generation der Jugend vereinigen. Sie wird einen Weg
bahnen zu einer edleren und menschlichen Zukunft.</P>
<HR size="1">
<TABLE width="100%" border="0" align="center" cellspacing=0 cellpadding=0>
<TR>
<TD ALIGN="center" width="49%" height=20 valign=middle><A href="../../index.shtml.html"><SMALL>Gesamt&uuml;bersicht "MLWerke"</SMALL></A></TD>
<TD ALIGN="center">|</TD>
<TD ALIGN="center" width="49%" height=20 valign=middle> <A href="../default.htm"><SMALL>Lew Trotzki</SMALL></A></TD>
</TR>
</TABLE>
<SMALL>Verwendung zur Herstellung von Druckwerken oder f&uuml;r andere elektronische Publikationen auf Datentr&auml;gern oder im Netz nur nach R&uuml;cksprache. <A HREF="../../ies/kontakt.htm">Kontakt</A>
</BODY>
<!-- #EndTemplate -->
</HTML>