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<!DOCTYPE HTML PUBLIC "-//W3C//DTD HTML 3.2//EN">
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<meta name="generator" content="HTML Tidy for Windows (vers 25 March 2009), see www.w3.org">
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<title>Friedrich Engels - Der deutsche Bauernkrieg - III</title>
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<body bgcolor="#FFFFFC">
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<p><small>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 7,S. 359-371<br>
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Dietz Verlag, Berlin/DDR 1960</small></p>
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<p align="center"><a href="me07_342.htm"><font size="2">II - [Die großen oppositionellen
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Gruppierungen und ihre Ideologien - Luther und Münzer]</font></a> <font size="2">|</font>
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<a href="me07_327.htm"><font size="2">Inhalt</font></a> <font size="2">|</font> <a href=
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"me07_372.htm"><font size="2">IV - [Der Adelsaufstand]</font></a></p>
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<p align="center"><font size="5">III</font></p>
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<p align="center"><font size="5">[Vorläufer des großen Bauernkriegs<br>
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zwischen 1476 und 1517]</font></p>
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<p><b><a name="S359"><359></a></b> Ungefähr fünfzig Jahre nach der
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Unterdrückung der hussitischen Bewegung zeigten sich die ersten Symptome des aufkeimenden
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revolutionären Geistes unter den deutschen Bauern. <a name="Z1"></a><a href=
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"me07_359.htm#M1">(1)</a></p>
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<p>Im Bistum Würzburg, einem durch die Hussitenkriege, "durch schlechte Regierung, durch
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vielfältige Steuern, Abgaben, Fehde, Feindschaft, Krieg, Brand, Mord, Gefängnis und
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dergleichen" schon früher verarmten und fortwährend von Bischöfen, Pfaffen und
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Adel schamlos ausgeplünderten Lande entstand 1476 die erste Bauernverschwörung. Ein
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junger Hirte und Musikant, <i>Hans Böheim von Niklashausen</i>, auch Pauker und
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<i>Pfeiferhänslein</i> genannt, trat plötzlich im Taubergrund als Prophet auf. Er
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erzählte, die Jungfrau Maria sei ihm erschienen; sie habe ihm geboten, seine Pauke zu
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verbrennen, dem Tanz und den sündigen Wollüsten nicht ferner zu dienen, sondern das
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Volk zur Buße zu ermahnen. So solle denn jeder von seinen Sünden und von der eitlen
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Lust dieser Welt ablassen, allen Schmuck und Zierat ablegen und zur Mutter Gottes von
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Niklashausen wallfahrten, um die Vergebung seiner Sünden zu erlangen.</p>
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<p>Wir finden schon hier, bei dem ersten Vorläufer der Bewegung, jenen Asketismus, den wir
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bei allen mittelalterlichen Aufständen mit religiöser Färbung und in der neueren
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Zeit im Anfang jeder proletarischen Bewegung antreffen. Diese asketische Sittenstrenge, diese
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Forderung der Lossagung von allen Lebensgenüssen und Vergnügungen stellt einerseits
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gegenüber den herrschenden Klassen das Prinzip der spartanischen Gleichheit auf und ist
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andrerseits eine notwendige Durchgangsstufe, ohne die die unterste Schicht der Gesellschaft sich
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nie in Bewegung setzen kann. Um ihre revolutionäre Energie zu <a name=
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"S360"><b><360></b></a> entwickeln, um über ihre feindselige Stellung gegenüber
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allen andern Elementen der Gesellschaft sich selbst klarzuwerden, um sich als Klasse zu
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konzentrieren, muß sie damit anfangen, alles das von sich abzustreifen, was sie noch mit
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der bestehenden Gesellschaftsordnung versöhnen könnte, muß sie den wenigen
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Genüssen entsagen, die ihr die unterdrückte Existenz noch momentan erträglich
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machen und die selbst der härteste Druck ihr nicht entreißen kann. Dieser
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<i>plebejische und proletarische Asketismus</i> unterscheidet sich sowohl seiner wild-fanatischen
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Form wie seinem Inhalt nach durchaus von dem bürgerlichen Asketismus, wie ihn die
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bürgerliche, lutherische Moral und die englischen Puritaner (im Unterschied von den
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Independenten und weitergehenden Sekten) predigten, und dessen ganzes Geheimnis die
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<i>bürgerliche Sparsamkeit</i> ist. Es versteht sich übrigens, daß dieser
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plebejisch-proletarische Asketismus in demselben Maße seinen revolutionären Charakter
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verliert, in welchem einerseits die Entwicklung der modernen Produktivkräfte das Material
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des Genießens ins Unendliche vermehrt und damit die spartanische Gleichheit
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überflüssig macht und andrerseits die Lebensstellung des Proletariats und damit das
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Proletariat selbst immer revolutionärer wird. Er verschwindet dann allmählich aus der
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Masse und verläuft sich bei den Sektierern, die sich auf ihn steifen, entweder direkt in die
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bürgerliche Knickerei oder in ein hochtrabendes Tugendrittertum, das in der Praxis ebenfalls
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auf eine spießbürgerliche oder zunfthandwerkermäßige Knauserwirtschaft
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hinauskommt. Der Masse des Proletariats braucht die Entsagung um so weniger gepredigt zu werden,
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als sie fast nichts mehr hat, dem sie noch entsagen könnte.</p>
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<p>Die Bußpredigt Pfeiferhänsleins fand großen Anklang; alle Aufstandspropheten
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begannen mit ihr, und in der Tat konnte nur eine gewaltsame Anstrengung, eine plötzliche
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Lossagung von der ganzen gewohnten Daseinsweise dies zersplitterte, dünngesäete, in
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blinder Unterwerfung herangewachsene Bauerngeschlecht in Bewegung setzen. Die Wallfahrten nach
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Niklashausen begannen und nahmen rasch überhand; und je massenhafter das Volk
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hinströmte, desto offener sprach der junge Rebell seine Pläne aus. Die Mutter Gottes
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von Niklashausen habe ihm verkündet, predigte er, daß fortan kein Kaiser noch
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Fürst, noch Papst, noch andere geistliche oder weltliche Obrigkeit mehr sein sollte; ein
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jeder solle des andern Bruder sein, sein Brot mit seiner Hände Arbeit gewinnen und keiner
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mehr haben als der andere. Alle Zinsen, Gülten, Fronden, Zoll, Steuer und andre Abgaben und
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Leistungen sollten für ewig ab, und Wald, Wasser und Weide überall frei sein.</p>
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<p>Das Volk nahm dies neue Evangelium mit Freuden auf. Rasch breitete sich der Ruhm des
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Propheten, "unsrer Frauen Botschaft", in die Ferne aus; vom Odenwald, vom Main, Kocher und Jagst,
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ja von Bayern, Schwaben und <a name="S361"><b><361></b></a> vom Rhein zogen ihm Haufen von
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Pilgern zu. Man erzählte sich Wunder, die er getan haben sollte; man fiel auf die Knie vor
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ihm und betete ihn an wie einen Heiligen; man riß sich um die Zotteln von seiner Kappe, als
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ob es Reliquien und Amulette wären. Vergeblich traten die Pfaffen gegen ihn auf, schilderten
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seine Gesichte als Blendwerk des Teufels, seine Wunder als höllische Betrügereien. Die
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Masse der Gläubigen nahm reißend zu, die revolutionäre Sekte fing an sich zu
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bilden, die sonntäglichen Predigten des rebellischen Hirten riefen Versammlungen von 40.000
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und mehr Menschen nach Niklashausen zusammen.</p>
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<p>Mehrere Monate predigte Pfeiferhänslein vor den Massen. Aber er hatte nicht die Absicht,
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bei der Predigt zu bleiben. Er stand in geheimem Verkehr mit dem Pfarrer von Niklashausen und mit
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zwei Rittern, Kunz von Thunfeld und seinem Sohn, die zur neuen Lehre hielten und die
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militärischen Führer des beabsichtigten Aufstandes werden sollten. Endlich am Sonntag
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vor St. Kilian, als seine Macht groß genug zu sein schien, gab er das Signal.</p>
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<p><font size="2">"Und nun", schloß er seine Predigt, "gehet heim und erwäget, was
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euch die allerheiligste Mutter Gottes verkündet hat; und lasset am nächsten Samstag
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Weiber und Kinder und Greise daheim bleiben, aber ihr, ihr Männer, kommet wieder her nach
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Niklashausen auf St. Margarethentag, das ist nächsten Samstag; und bringt mit eure
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Brüder und Freunde soviel ihrer sein mögen. Kommt aber nicht mit dem Pilgerstab,
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sondern angetan mit Wehr und Waffen, in der einen Hand die Wallkerze, in der andern Schwert und
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Spieß oder Hellebarde; und die heilige Jungfrau wird euch alsdann verkünden, was ihr
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Wille ist, das ihr tun sollt."</font></p>
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<p>Aber ehe die Bauern in Massen ankamen, hatten die Reiter des Bischofs <Rudolf II von
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Scherenberg> den Aufruhrpropheten nächtlicherweile abgeholt und auf das Würzburger
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Schloß gebracht. Am bestimmten Tage kamen an 34.000 bewaffnete Bauern, aber diese Nachricht
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wirkte niederschlagend auf sie. Der größte Teil verlief sich; die Eingeweihteren
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hielten gegen 16.000 zusammen und zogen mit ihnen vor das Schloß, unter der Führung
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Kunzens von Thunfeld und Michaels, seines Sohnes. Der Bischof brachte sie durch Versprechungen
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wieder zum Abzug; aber kaum hatten sie angefangen sich zu zerstreuen, so wurden sie von des
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Bischofs Reitern überfallen und mehrere zu Gefangenen gemacht. Zwei wurden enthauptet,
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Pfeiferhänslein selbst aber wurde verbrannt. Kunz von Thunfeld wurde flüchtig und erst
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gegen Abtretung aller seiner Güter an das Stift wieder angenommen. Die Wallfahrten nach
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Niklashausen dauerten noch einige Zeit fort, wurden aber schließlich auch
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unterdrückt.</p>
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<p><b><a name="S362"><362></a></b> Nach diesem ersten Versuch blieb Deutschland wieder
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längere Zeit ruhig. Erst mit Ende der neunziger Jahre begannen neue Aufstände und
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Verschwörungen der Bauern.</p>
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<p>Wir übergehen den holländischen Bauernaufstand von 1491 und 92, der erst durch
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Herzog Albrecht von Sachsen in der Schlacht bei Heemskerk unterdrückt wurde, den
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gleichzeitigen Aufstand der Bauern der Abtei Kempten in Oberschwaben und den friesischen Aufstand
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unter Syaard Aylva um 1497, der ebenfalls durch Albrecht von Sachsen unterdrückt wurde.
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Diese Aufstände liegen teils zu weit vom Schauplatze des eigentlichen Bauernkriegs entfernt,
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teils sind sie Kämpfe bisher freier Bauern gegen den Versuch, ihnen den Feudalismus
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aufzudrängen. Wir gehen gleich über zu den beiden großen Verschwörungen, die
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den Bauernkrieg vorbereiteten: dem <i>Bundschuh</i> und dem <i>Armen Konrad</i>.</p>
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<p>Dieselbe Teurung, die in den Niederlanden den Aufstand der Bauern hervorgerufen hatte, brachte
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1493 im Elsaß einen geheimen Bund von Bauern und Plebejern zustande, bei dem sich auch
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Leute von der bloß bürgerlichen Opposition beteiligten und mit dem sogar ein Teil des
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niederen Adels mehr oder weniger sympathisierte. Der Sitz des Bundes war die Gegend von
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Schlettstadt, Sulz, Dambach, Rosheim, Scherweiler etc. etc. Die Verschwornen verlangten
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Plünderung und Ausrottung der Juden, deren Wucher damals schon, so gut wie jetzt, die
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Elsässer Bauern aussog, Einführung eines Jubeljahres, mit dem alle Schulden
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verjähren sollten, Aufhebung des Zolls, Umgelds und anderer Lasten, Abschaffung des
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geistlichen und rottweilschen (Reichs-)Gerichts, Steuerbewilligungsrecht, Beschränkung der
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Pfaffen auf je eine Pfründe von 50-60 Gulden, Abschaffung der Ohrenbeichte und eigene,
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selbstgewählte Gerichte für jede Gemeinde. Der Plan der Verschwornen war, sobald man
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stark genug sei, das feste Schlettstadt zu überrumpeln, die Klöster- und Stadtkassen
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mit Beschlag zu belegen und von hier aus das ganze Elsaß zu insurgieren. Die Bundesfahne,
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die im Moment der Erhebung entfaltet werden sollte, enthielt einen Bauernschuh mit langen
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Bindriemen, den sogenannten <i>Bundschuh</i>, der von nun an den Bauernverschwörungen der
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nächsten 20 Jahre Symbol und Namen gab.</p>
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<p>Die Verschwornen pflegten ihre Zusammenkünfte des Nachts auf dem einsamen Hungerberg zu
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halten. Die Aufnahme in den Bund war mit den geheimnisvollsten Zeremonien und den härtesten
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Strafandrohungen gegen die Verräter verknüpft. Aber trotzdem kam die Sache aus, gerade
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als der Schlag gegen Schlettstadt geführt werden sollte, um die Karwoche 1493. Die
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Behörden schritten schleunig ein; viele der Verschwornen wurden verhaftet und gefoltert, und
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teils gevierteilt oder enthauptet, teils an Händen und Fingern <a name=
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"S363"><b><363></b></a> verstümmelt und des Landes verwiesen. Eine große Zahl
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floh nach der Schweiz.</p>
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<p>Aber mit dieser ersten Sprengung war der Bundschuh keineswegs vernichtet. Im Gegenteil, er
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bestand im geheimen fort, und die vielen über die Schweiz und Süddeutschland
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zerstreuten Flüchtlinge wurden ebenso viele Emissäre, die, überall mit dem
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gleichen Druck die gleiche Neigung zum Aufstand vorfindend, den Bundschuh über das ganze
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jetzige Baden verbreiteten. Die Zähigkeit und Ausdauer, mit der die oberdeutschen Bauern von
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1493 an dreißig Jahre lang konspirierten, mit der sie alle aus ihrer
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ländlich-zerstreuten Lebensweise hervorgehenden Hindernisse einer größeren,
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zentralisierten Verbindung überwanden und nach unzähligen Sprengungen, Niederlagen,
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Hinrichtungen der Führer immer von neuem wieder konspirierten, bis endlich die Gelegenheit
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zum Aufstand in Masse kam - diese Hartnäckigkeit ist wirklich bewundernswert.</p>
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<p>1502 zeigten sich im Bistum Speyer, das damals auch die Gegend von Bruchsal umfaßte,
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Zeichen einer geheimen Bewegung unter den Bauern. Der Bundschuh hatte sich hier wirklich mit
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bedeutendem Erfolg reorganisiert. An 7.000 Männer waren in der Verbindung, deren Zentrum zu
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Untergrombach, zwischen Bruchsal und Weingarten, war und deren Verzweigungen sich den Rhein hinab
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bis an den Main, hinauf bis über die Markgrafschaft Baden erstreckten. Ihre Artikel
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enthielten: Es solle kein Zins noch Zehnt, Steuer oder Zoll mehr an Fürsten, Adel und
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Pfaffen gezahlt werden; die Leibeigenschaft soll abgetan sein, die Klöster und sonstigen
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<i>geistlichen Güter eingezogen und unter das Volk verteilt und kein anderer Herr mehr
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anerkannt werden als der Kaiser</i>.</p>
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<p>Wir finden hier zum erstenmal bei den Bauern die beiden Forderungen der Säkularisation
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der geistlichen Güter zum Besten des Volks und der einigen und unteilbaren deutschen
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Monarchie ausgesprochen; zwei Forderungen, die von nun an bei der entwickelteren Fraktion der
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Bauern und Plebejer regelmäßig wieder erscheinen, bis Thomas Münzer die
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<i>Teilung</i> der geistlichen Güter in ihre <i>Konfiskation</i> zum Besten der
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<i>Gütergemeinschaft</i> und das einige deutsche <i>Kaisertum</i> in die einige und
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unteilbare <i>Republik</i> verwandelt.</p>
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<p>Der erneuerte Bundschuh hatte, wie der alte, seinen geheimen Versammlungsort, seinen Eid der
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Verschwiegenheit, seine Aufnahmezeremonien und seine Bundschuhfahne mit der Inschrift: "Nichts
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denn die Gerechtigkeit Gottes!" Der Plan der Handlung war dem der Elsässer ähnlich;
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Bruchsal, wo die Majorität der Einwohner im Bunde war, sollte überrumpelt, dort ein
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Bundesheer organisiert und als wandelndes Sammlungszentrum in die umliegenden
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Fürstentümer geschickt werden.</p>
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<p><b><a name="S364"><364></a></b> Der Plan wurde verraten durch einen Geistlichen, dem
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einer der Verschwornen ihn gebeichtet hatte. Sogleich ergriffen die Regierungen
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Gegenmaßregeln. Wie weit der Bund verzweigt war, zeigt sich aus dem Schrecken, der die
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verschiedenen Elsässer Reichsstände und den Schwäbischen Bund ergriff. Man zog
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Truppen zusammen und ließ massenhafte Verhaftungen bewerkstelligen. Kaiser Maximilian, der
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"letzte Ritter", erließ die blutdürstigsten Strafverordnungen gegen das unerhörte
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Unternehmen der Bauern. Hier und dort kam es zu Zusammenrottungen und bewaffnetem Widerstand;
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doch hielten sich die vereinzelten Bauernhaufen nicht lange. Einige der Verschwornen wurden
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hingerichtet, manche flohen; doch wurde das Geheimnis so gut bewahrt, daß die meisten,
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selbst der Führer, entweder in ihren eigenen Ortschaften oder doch in benachbarter Herren
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Ländern ganz ungestört bleiben konnten.</p>
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<p>Nach dieser neuen Niederlage trat wieder eine längere scheinbare Stille in den
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Klassenkämpfen ein. Aber unterderhand wurde fortgearbeitet. In Schwaben bildete sich,
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offenbar in Verbindung mit den zersprengten Mitgliedern des Bundschuhs, schon in den ersten
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Jahren des sechzehnten Jahrhunderts der <i>Arme Konrad</i>; im Schwarzwald bestand der Bundschuh
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in einzelnen kleineren Kreisen fort, bis es nach zehn Jahren einem energischen Bauernchef gelang,
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die einzelnen Fäden wieder zu einer großen Verschwörung zusammenzuknüpfen.
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Beide Verschwörungen traten kurz nacheinander in die Öffentlichkeit und fallen in die
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bewegten Jahre 1513-15, in denen gleichzeitig die Schweizer, ungarischen und slowenischen Bauern
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eine Reihe von bedeutenden Insurrektionen machen.</p>
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<p>Der Wiederhersteller des oberrheinischen Bundschuhs war <i>Joß Fritz</i> aus
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Untergrombach, Flüchtling von der Verschwörung von 1502, ein ehemaliger Soldat und ein
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in jeder Beziehung hervorragender Charakter. Er hatte sich seit seiner Flucht zwischen Bodensee
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und Schwarzwald an verschiedenen Orten aufgehalten und sich schließlich in Lehen bei
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Freiburg im Breisgau niedergelassen, wo er sogar Bannwart geworden war. Wie er von hier aus die
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|
Verbindung reorganisierte, wie geschickt er die verschiedenartigsten Leute hineinzubringen
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wußte, darüber enthalten die Untersuchungsakten die interessantesten Details. Es
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gelang dem diplomatischen Talent und der unermüdlichen Ausdauer dieses Musterkonspirateurs,
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eine ungemeine Anzahl von Leuten der verschiedensten Klassen in den Bund zu verwickeln: Ritter,
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Pfaffen, Bürger, Plebejer und Bauern; und es scheint ziemlich sicher, daß er sogar
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mehrere, mehr oder minder scharf geschiedne Grade der Verschwörung organisierte. Alle
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brauchbaren Elemente wurden mit der größten Umsicht und Geschicklichkeit benutzt.
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Außer den eingeweihteren Emissären, die in den <a name="S365"><b><365></b></a>
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verschiedensten Verkleidungen das Land durchstreiften, wurden die Landstreicher und Bettler zu
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den untergeordneteren Missionen verwandt. Mit den Bettlerkönigen stand Joß in direktem
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|
Verkehr und hielt durch sie die ganze zahlreiche Vagabundenbevölkerung unter der Hand. Diese
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|
Bettlerkönige spielen in seiner Verschwörung eine bedeutende Rolle. Es waren
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|
höchst originelle Figuren: Einer zog mit einem Mädchen umher, auf dessen angeblich
|
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|
wunde Füße er bettelte; er trug mehr als acht Zeichen am Hut, die vierzehn Nothelfer,
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|
St. Ottilien, unsere Frauen u.a., dazu einen langen roten Bart und einen großen Knotenstock
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|
mit Dolch und Stachel; ein anderer, der um St. Veltens willen heischte, hatte Gewürz und
|
||
|
Wurmsamen feil, trug einen eisenfarbnen langen Rock, ein rotes Barett und das Kindlein von Trient
|
||
|
daran, einen Degen an der Seite und viele Messer nebst einem Dolch im Gürtel; andre hatten
|
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|
künstlich offengehaltene Wunden, dazu ähnliche abenteuerliche Kostüme. Es waren
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||
|
ihrer mindestens zehn; sie sollten, gegen 2.000 Gulden Belohnung, zu gleicher Zeit im
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|
Elsaß, in der Markgrafschaft Baden und im Breisgau Feuer anlegen und sich mit wenigstens
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|
2.000 Mann der Ihrigen auf den Tag der Zaberner Kirchweih in Rosen unter das Kommando Georg
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|
Schneiders, eines ehemaligen Landsknechthauptmanns stellen, um die Stadt einzunehmen. Unter den
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||
|
eigentlichen Bundesmitgliedern wurde von Station zu Station ein Stafettendienst eingerichtet, und
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||
|
Joß Fritz und sein Hauptemissär, Stoffel von Freiburg, ritten fortwährend von Ort
|
||
|
zu Ort und nahmen nächtliche Heerschau ab über die Neuangeworbenen. Über die
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||
|
Verbreitung des Bundes am Oberrhein und im Schwarzwald legen die Untersuchungsakten hinreichend
|
||
|
Zeugnis ab; sie enthalten unzählige Namen von Mitgliedern, nebst den Signalements, aus den
|
||
|
verschiedensten Orten jener Gegend. Die meisten sind Handwerksgesellen, dann Bauern und Wirte,
|
||
|
einige Adelige, Pfaffen (so der von Lehen selbst) und brotlose Landsknechte. Man sieht schon aus
|
||
|
dieser Zusammensetzung den viel entwickelteren Charakter, den der Bundschuh unter Joß Fritz
|
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|
angenommen hatte; das plebejische Element der Städte fing an sich mehr und mehr geltend zu
|
||
|
machen. Die Verzweigungen der Verschwörung gingen über den ganzen Elsaß, das
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||
|
jetzige Baden, bis nach Württemberg und an den Main. Zuweilen wurden auf abgelegenen Bergen,
|
||
|
auf dem Kniebis etc. etc. größere Versammlungen gehalten und die Bundesangelegenheiten
|
||
|
beraten. Die Zusammenkünfte der Chefs, denen die Mitglieder der Lokalität sowie
|
||
|
Delegierte der entfernteren Ortschaften häufig beiwohnten, fanden auf der Hartmatte bei
|
||
|
Lehen statt, und hier wurden auch die vierzehn Bundesartikel angenommen. Kein Herr mehr als der
|
||
|
Kaiser und (nach einigen) der Papst; Abschaffung des rottweilschen, Beschränkung des
|
||
|
geistlichen Gerichts auf geistliche Sachen; Abschaffung <a name="S366"><b><366></b></a>
|
||
|
aller Zinsen, die so lange gezahlt seien, bis sie dem Kapital gleichkämen; fünf Prozent
|
||
|
Zinsen als höchster erlaubter Satz, Freiheit der Jagd, Fischerei, Weide und Holzung;
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||
|
Beschränkung der Pfaffen auf je eine Pfründe; Konfiskation der geistlichen Güter
|
||
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und Klosterkleinodien für die Bundeskriegskasse; Abschaffung aller unbilligen Steuern und
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Zölle; ewiger Friede in der gesamten Christenheit; energisches Einschreiten gegen alle
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||
|
Gegner des Bundes; Bundessteuer; Einnahme einer festen Stadt - Freiburgs -, um dem Bunde zum
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|
Zentrum zu dienen; Eröffnung von Unterhandlungen mit dem Kaiser, sobald die Bundeshaufen
|
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|
versammelt seien, und mit der Schweiz, im Fall der Kaiser abschlage - das sind die Punkte,
|
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über die man übereinkam. Man sieht aus ihnen, wie einerseits die Forderungen der Bauern
|
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|
und Plebejer eine immer bestimmtere und festere Gestalt annahmen, anderseits den
|
||
|
Gemäßigten und Zaghaften in demselben Maße Konzessionen gemacht werden
|
||
|
mußten.</p>
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|
<p>Gegen Herbst 1513 sollte losgeschlagen werden. Es fehlte nur noch an der Bundesfahne, und
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diese malen zu lassen, ging Joß Fritz nach Heilbronn. Sie enthielt neben allerlei Emblemen
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und Bildern den Bundschuh und die Inschrift: Herr, steh deiner göttlichen Gerechtigkeit bei.
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Aber während er fort war, wurde ein übereilter Versuch zur Überrumpelung von
|
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Freiburg gemacht und vor der Zeit entdeckt; einige Indiskretionen bei der Propaganda halfen dem
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Freiburger Rat und dem badischen Markgrafen auf die richtige Spur, und der Verrat zweier
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Verschwornen vollendete die Reihe der Enthüllungen. Sofort sandten der Markgraf, der
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Freiburger Rat und die kaiserliche Regierung zu Ensisheim ihre Häscher und Soldaten aus;
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eine Anzahl Bundschuher wurde verhaftet, gefoltert und hingerichtet; doch auch diesmal entkamen
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die meisten, namentlich Joß Fritz. Die Schweizer Regierungen verfolgten die
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Flüchtlinge diesmal mit großer Heftigkeit und richteten selbst mehrere hin; aber sie
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konnten ebensowenig wie ihre Nachbarn verhindern daß der größte Teil der
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Flüchtigen fortwährend in der Nähe seiner bisherigen Wohnorte blieb und nach und
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nach sogar zurückkehrte. Am meisten wütete die Elsässer Regierung in Ensisheim;
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auf ihren Befehl wurden sehr viele geköpft, gerädert und gevierteilt. Joß Fritz
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selbst hielt sich meist auf dem schweizerischen Rheinufer auf, ging aber häufig nach dem
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Schwarzwald herüber, ohne daß man seiner je habhaft werden konnte.</p>
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<p>Warum die Schweizer diesmal sich mit den Nachbarregierungen gegen die Bundschuher verbanden,
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das zeigt der Bauernaufstand, der im nächsten Jahre, 1514, in Bern, Solothurn und Luzern zum
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Ausbruch kam und eine Epuration der aristokratischen Regierungen und des Patriziats
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überhaupt zur Folge hatte. Die Bauern setzten außerdem manche Vorrechte für sich
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durch. Wenn diese schweizerischen Lokalaufstände gelangen, so lag dies einfach dar- <a name=
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"S367"><b><367></b></a> an, daß in der Schweiz noch weit weniger Zentralisation
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bestand als in Deutschland. Mit ihren Lokalherren wurden die Bauern auch 1525 überall
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fertig, aber den organisierten Heeresmassen der Fürsten erlagen sie, und gerade diese
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existierten nicht in der Schweiz.</p>
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<p>Gleichzeitig mit dem Bundschuh in Baden und offenbar in direkter Verbindung mit ihm hatte sich
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in Württemberg eine zweite Verschwörung gebildet. Sie bestand urkundlich schon seit
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1503, und da der Name Bundschuh seit der Sprengung der Untergrombacher zu gefährlich wurde,
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nahm sie den des Armen Konrad an. Ihr Hauptsitz war das Remstal unterhalb des Hohenstaufenbergs.
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Ihre Existenz war wenigstens unter dem Volk schon lange kein Geheimnis mehr. Der schamlose Druck
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der Regierung Ulrichs und eine Reihe von Hungerjahren, die zum Ausbruch der Bewegungen von 1513
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und 14 mächtig beitrugen, hatten die Zahl der Verbündeten verstärkt; die
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neuaufgelegten Steuern auf Wein, Fleisch und Brot sowie eine Kapitalsteuer von einem Pfennig
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jährlich für jeden Gulden provozierten den Ausbruch. Die Stadt Schorndorf, wo die
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Häupter des Komplotts in des Messerschmieds Kaspar Pregizers Haus zusammenkamen, sollte
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zuerst genommen werden. Im Frühjahr 1514 brach der Aufstand los. 3.000, nach andern 5.000
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Bauern zogen vor die Stadt, wurden aber durch gütliche Versprechungen der herzoglichen
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Beamten wieder zum Abzug bewogen: Herzog Ulrich eilte herbei mit achtzig Reitern, nachdem er die
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Aufhebung der neuen Steuern zugesagt hatte, und fand infolge dieses Versprechens alles ruhig. Er
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versprach einen Landtag zu berufen, um dort alle Beschwerden untersuchen zu lassen. Aber die
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Chefs der Verbindung wußten sehr gut, daß Ulrich weiter nichts beabsichtige, als das
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Volk so lange ruhig zu halten, bis er hinreichende Truppen angeworben und zusammengezogen habe,
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um sein Wort brechen und die Steuern mit Gewalt eintreiben zu können. Sie ließen daher
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von Kaspar Pregizers Haus, "des Armen Konrads Kanzlei", Aufforderungen zu einem
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Bundeskongreß ausgehen, den Emissäre nach allen Richtungen hin unterstützten. Der
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Erfolg der ersten Erhebung im Remstal hatte die Bewegung unter dem Volk überall gehoben; die
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Schreiben und Emissäre fanden überall ein günstiges Terrain vor, und so wurde der
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am 28. Mai in Untertürkheim abgehaltene Kongreß zahlreich von allen Teilen
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Württembergs beschickt. Es wurde beschlossen, schleunig fortzuagitieren und bei der ersten
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Gelegenheit im Remstal loszuschlagen, um von hier aus den Aufstand weiterzuverbreiten.
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Während Bantelhans von Dettingen, ein ehemaliger Soldat, und Singerhans von Würtingen,
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ein angesehener Bauer, die Schwäbische Alb in den Bund brachten, brach schon von allen
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Seiten der Aufstand los. Singerhans wurde zwar überfallen und gefangen, aber die Städte
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Backnang, Winnenden, Markgröningen <a name="S368"><b><368></b></a> fielen in die
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Hände der mit den Plebejern verbündeten Bauern, und das ganze Land von Weinsberg bis
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Blaubeuren und von dort bis an die badische Grenze war in offener Insurrektion; Ulrich
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mußte nachgeben. Während er aber den Landtag auf den 25. Juni einberief, schrieb er zu
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gleicher Zeit an die umliegenden Fürsten und freien Städte um Hülfe gegen den
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Aufstand, der alle Fürsten, Obrigkeit und Ehrbarkeit im Reich gefährde und "ein seltsam
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bundschühlich Ansehn habe".</p>
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<p>Inzwischen kam der Landtag, d.h. die Abgeordneten der Städte und viele Delegierte der
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Bauern, die ebenfalls Sitz auf dem Landtag verlangten, schon am 18. Juni in Stuttgart zusammen.
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Die Prälaten waren noch nicht da, die Ritter waren gar nicht eingeladen. Die Stuttgarter
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städtische Opposition sowie zwei nahe, drohende Bauernhaufen, zu Leonberg und im Remstal,
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unterstützten die Forderungen der Bauern. Ihre Delegierten wurden zugelassen, und man
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beschloß, die drei verhaßten Räte des Herzogs, Lamparter, Thumb und Lorcher,
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abzusetzen und zu bestrafen, einen Rat von vier Rittern, vier Bürgern und vier Bauern dem
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Herzog beizugeben, ihm eine fixe Zivilliste zu bewilligen und die Klöster und Stifter zum
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Besten des Staatsschatzes zu konfiszieren.</p>
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<p>Herzog Ulrich setzte diesen revolutionären Beschlüssen einen Staatsstreich entgegen.
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Er ritt am 21 Juni mit seinen Rittern und Räten nach Tübingen, wohin ihm die
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Prälaten folgten, befahl der Bürgerschaft ebenfalls dorthin zu kommen, was auch
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geschah, und setzte hier den Landtag ohne die Bauern fort. Hier verrieten die Bürger, unter
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den militärischen Terrorismus gestellt, ihre Bundesgenossen, die Bauern. Am 8. Juli kam der
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Tübinger Vertrag zustande, der dem Lande beinahe eine Million herzoglicher Schulden, dem
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Herzog einige Beschränkungen auflegte, die er nie einhielt, und die Bauern mit einigen
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dünnen allgemeinen Redensarten und einem sehr positiven Strafgesetz gegen Aufruhr und
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Verbindungen abspeiste. Von Vertretung der Bauern auf dem Landtag war natürlich keine Rede
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mehr. Das Landvolk schrie über Verrat; aber da der Herzog, seit der Übernahme seiner
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Schulden durch die Stände, wieder Kredit hatte, so brachte er bald Truppen zusammen, und
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auch seine Nachbarn, besonders der Kurfürst von der Pfalz, schickten Hülfstruppen. So
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wurde bis Ende Juli der Tübinger Vertrag vom ganzen Lande angenommen und die neue Huldigung
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geleistet. Nur im Remstal leistete der Arme Konrad Widerstand; der Herzog, der wieder selbst
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hinritt, wurde fast ermordet und ein Bauernlager auf dem Kappelberg gebildet. Aber als die Sache
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sich in die Länge zog, verliefen sich die meisten Insurgenten wieder aus Mangel an
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Lebensmitteln, und der Rest ging infolge eines zweideutigen Vertrags mit einigen
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Landtagsabgeordneten ebenfalls heim. Ulrich, dessen Heer in- <a name=
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"S369"><b><369></b></a> zwischen noch durch die bereitwillig gestellten Fähnlein der
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Städte verstärkt wurde, die sich jetzt nach Erlangung ihrer Forderungen fanatisch gegen
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die Bauern kehrten, Ulrich überfiel jetzt trotz des Vertrags das Remstal, dessen Städte
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und Dörfer geplündert wurden. 1.600 Bauern wurden verhaftet, davon 16 sofort
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enthauptet, die übrigen meist zu schweren Geldstrafen zum Besten von Ulrichs Kasse
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verurteilt. Viele blieben lange im Gefängnis. Gegen die Erneuerung der Verbindung, gegen
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alle Versammlungen der Bauern wurden strenge Strafgesetze erlassen, und der schwäbische Adel
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schloß einen speziellen Bund zur Unterdrückung aller Aufstandsversuche. - Die
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Hauptführer des Armen Konrad waren indes glücklich nach der Schweiz entkommen und kamen
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von dort nach einigen Jahren meist einzeln wieder nach Hause.</p>
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<p>Gleichzeitig mit der württembergischen Bewegung zeigten sich Symptome neuer
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Bundschuhumtriebe im Breisgau und in der Markgrafschaft Baden. Bei Bühl wurde im Juni ein
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Versuch zum Aufstand gemacht, aber vom Markgrafen Philipp gleich gesprengt und der Führer
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Gugel-Bastian in Freiburg verhaftet und enthauptet.</p>
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<p>In demselben Jahre 1514, ebenfalls im Frühjahr, kam in <i>Ungarn</i> ein allgemeiner
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Bauernkrieg zum Ausbruch. Es wurde ein Kreuzzug wider die Türken gepredigt und wie
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gewöhnlich den Leibeignen und Hörigen, die sich anschlössen, die Freiheit
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zugesagt. Gegen 60.000 kamen zusammen und wurden unter das Kommando Georg Dózsas, eines
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Szeklers, gestellt, der sich schon in früheren Türkenkriegen ausgezeichnet und den Adel
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erworben hatte. Aber die ungarischen Ritter und Magnaten sahen nur ungern diesen Kreuzzug, der
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ihnen ihr Eigentum, ihre Knechte, zu entziehen drohte. Sie eilten den einzelnen Bauernhaufen nach
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und holten ihre Leibeignen mit Gewalt und unter Mißhandlungen zurück. Als dies im
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Kreuzheer bekannt wurde, brach die Wut der unterdrückten Bauern los. Zwei der eifrigsten
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Kreuzprediger, Laurentius und Barnabas, stachelten den Haß gegen den Adel im Heer durch
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ihre revolutionären Reden noch heftiger an. Dózsa selbst teilte den Zorn seiner
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Truppen gegen den verräterischen Adel; das Kreuzheer wurde eine Revolutionsarmee, und er
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stellte sich an die Spitze dieser neuen Bewegung.</p>
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<p>Er lagerte mit seinen Bauern auf dem Rákosfelde bei Pest. Die Feindseligkeiten wurden
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eröffnet durch Streitigkeiten mit den Leuten der Adelspartei in den umliegenden Dörfern
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und den Pester Vorstädten; bald kam es zu Scharmützeln, endlich zu einer Sizilianischen
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Vesper für alle Adligen, die den Bauern in die Hände fielen; und zur Niederbrennung
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aller umliegenden Schlösser. Der Hof drohte, aber umsonst. Als die erste Volksjustiz unter
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den Mauern der Hauptstadt am Adel vollstreckt war, schritt Dózsa zu weiteren Operationen.
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Er teilte sein Heer in fünf Kolonnen. Zwei wurden nach dem <a name=
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"S370"><b><370></b></a> oberungarischen Gebirge geschickt, um hier alles zu insurgieren und
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den Adel auszurotten. Die dritte, unter Ambros Száleresi, einem Pester Bürger, blieb
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zur Beobachtung der Hauptstadt auf dem Rákos; die vierte und fünfte führten
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Dózsa und sein Bruder Gregor gegen Szegedin.</p>
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<p>Inzwischen sammelte sich der Adel in Pest und rief den Woiwoden von Siebenbürgen, Johann
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Zápolya, zu Hülfe. Der Adel, in Gemeinschaft mit den Bürgern von Budapest,
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schlug und vernichtete das auf dem Rákos lagernde Korps, nachdem Szaleresi mit den
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bürgerlichen Elementen des Bauernheers zum Feinde übergegangen war. Eine Menge
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Gefangener wurden auf die grausamste Weise hingerichtet, der Rest mit abgeschnittenen Nasen und
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Ohren nach Hause geschickt.</p>
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<p>Dózsa scheiterte vor Szegedin und zog gegen Csanád, das er eroberte, nachdem er
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ein Adelsheer unter Bátori István und dem Bischof Csáky geschlagen und an
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den Gefangenen, worunter auch der Bischof und der königliche Schatzmeister Teleki, blutige
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Repressalien für die Grausamkeiten auf dem Rákos genommen hatte. In Csanád
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proklamierte er die Republik, die Abschaffung des Adels, die allgemeine Gleichheit und die
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Souveränetät des Volks und zog dann gegen Temesvár, wohinein sich Bátori
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geworfen hatte. Aber während er diese Festung zwei Monate lang belagerte und durch ein neues
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Heer unter Anton Hosszu verstärkt wurde, erlagen die beiden oberungarischen Heerhaufen in
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mehreren Schlachten vor dem Adel und rückte Johann Zápolya mit der
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siebenbürgischen Armee gegen ihn an. Die Bauern wurden von Zápolya überfallen
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und zersprengt, Dózsa selbst gefangen, auf einem glühenden Thron gebraten und von
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seinen eigenen Leuten, die nur unter dieser Bedingung das Leben geschenkt erhielten, lebendig
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gegessen. Die versprengten Bauern, von Laurentius und Hosszu wieder gesammelt, wurden nochmals
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geschlagen und alles, was den Feinden in die Hände fiel, gepfählt oder gehängt. Zu
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Tausenden hingen die Bauernleichen die Straßen entlang oder an den Eingängen
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verbrannter Dörfer. An 60.000 sollen teils gefallen, teils massakriert sein. Der Adel aber
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trug Sorge, auf dem nächsten Landtag die Knechtschaft der Bauern abermals als Gesetz des
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Landes zur Anerkennung zu bringen.</p>
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<p>Der Bauernaufstand in der "windischen Mark", d.h. in Kärnten, Kram und Steiermark, der um
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dieselbe Zeit losbrach, beruhte auf einer bundschuhartigen Verschwörung, die sich in dieser
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von Adel und kaiserlichen Beamten ausgesognen, von Türkeneinfällen verheerten und von
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Hungersnot geplagten Gegend schon 1503 gebildet und einen Aufstand hervorgerufen hatte. Die
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slowenischen Bauern dieser Gegend sowohl wie die deutschen erhoben schon 1513 wieder die
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Kriegsfahne der stara prawa (der alten Rechte), und wenn sie auch in die- <a name=
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"S371"><b><371></b></a> sem Jahr sich nochmals beschwichtigen ließen, wenn sie 1514,
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wo sie sich noch massenhafter zusammenrotteten, durch Kaiser Maximilians ausdrückliche
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Zusage, die alten Rechte wiederherzustellen, zum Auseinandergehen bewogen wurden, so brach 1515
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im Frühjahr der Rachekrieg des stets getäuschten Volks um so heftiger los. Wie in
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Ungarn, wurden Schlösser und Klöster überall zerstört und die gefangenen
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Adligen von Bauerngeschworenen gerichtet und enthauptet. In Steiermark und Kärnten gelang es
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dem kaiserlichen Hauptmann Dietrichstein, den Aufstand bald zu dämpfen; in Krain wurde er
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erst durch den Überfall von Rain (Herbst 1516) und durch die darauffolgenden, den Infamien
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des ungarischen Adels sich würdig anschließenden, zahllosen östreichischen
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Grausamkeiten unterdrückt.</p>
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<p>Man begreift, daß nach einer Reihe so entscheidender Niederlagen und nach diesen
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massenhaften Grausamkeiten des Adels die Bauern in Deutschland eine längere Zeit ruhig
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waren. Und doch hörten weder die Verschwörungen noch die Lokalaufstände ganz auf.
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Schon 1516 kamen die meisten Flüchtlinge vom Bundschuh und Armen Konrad nach Schwaben und
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dem Oberrhein zurück, und 1517 war der Bundschuh im Schwarzwald wieder in vollem Gange.
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Joß Fritz selbst, der noch immer die alte Bundschuhfahne von 1513 auf der Brust versteckt
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mit sich führte, durchstreifte den Schwarzwald wieder und entwickelte große
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Tätigkeit. Die Verschwörung organisierte sich aufs neue. Wie vor vier Jahren wurden
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wieder Versammlungen auf dem Kniebis angesagt. Aber das Geheimnis wurde nicht gehalten, die
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Regierungen erfuhren die Sache und schritten ein. Mehrere wurden gefangen und hingerichtet; die
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tätigsten und intelligentesten Mitglieder mußten fliehen, unter ihnen Joß Fritz,
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dessen man auch diesmal nicht habhaft wurde, der aber bald darauf in der Schweiz gestorben zu
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sein scheint, da er von jetzt an nirgends mehr genannt wird.</p>
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<hr>
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<p>Fußnoten</p>
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<p><a name="M1">(1)</a> Wir folgen in den chronologischen Daten den Angaben Zimmermanns. auf die
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wir bei dem Mangel ausreichender Quellen im Ausland angewiesen sind und die für den Zweck
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dieses Artikels vollständig genügen. [<i>Fußnote 1850</i>] <a href=
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"me07_359.htm#Z1"><=</a></p>
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</body>
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</html>
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