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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<META NAME="Author" CONTENT="Karl Marx">
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<META NAME="Date" CONTENT="1998-01-22">
<TITLE>Karl Marx - Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte - III</TITLE>
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<P><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, Band 8, "Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte", S. 135-148 <BR>
Dietz Verlag, Berlin/DDR, 1960</SMALL></P>
<P ALIGN="CENTER"><A HREF="me08_124.htm"><FONT SIZE=2>II</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="me08_111.htm"><FONT SIZE=2>Inhalt</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="me08_149.htm"><FONT SIZE=2>IV</FONT></A></SMALL></P>
<FONT SIZE=5><STRONG><P ALIGN="CENTER">III</P>
</FONT><P><A NAME="S135">&lt;135&gt;</A> </STRONG>Am 28. Mai 1849 trat die gesetzgebende Nationalversammlung zusammen. Am 2. Dezember 1851 ward sie gesprengt. Diese Periode umfa&szlig;t die Lebensdauer der <EM>konstitutionellen oder parlamentarischen Republik</EM>.</P>
<P>In der ersten franz&ouml;sischen Revolution folgt auf die Herrschaft der <EM>Konstitutionellen</EM> die Herrschaft der <EM>Girondins</EM> und auf die Herrschaft der <EM>Girondins</EM> die Herrschaft der <EM>Jakobiner</EM>. Jede dieser Parteien st&uuml;tzt sich auf die fortgeschrittenere. Sobald sie die Revolution weit genug gef&uuml;hrt hat, um ihr nicht mehr zu folgen, noch weniger ihr vorangehen zu k&ouml;nnen, wird sie von dem k&uuml;hneren Verb&uuml;ndeten, der hinter ihr steht, beiseite geschoben und auf die Guillotine geschickt. Die Revolution bewegt sich so in aufsteigender Linie.</P>
<P>Umgekehrt die Revolution von 1848. Die proletarische Partei erscheint als Anhang der kleinb&uuml;rgerlich-demokratischen. Sie wird von ihr verraten und fallengelassen am 16. April, am 15. Mai und in den Junitagen. Die demokratische Partei ihrerseits lehnt sich auf die Schultern der bourgeois-republikanischen. Die Bourgeois-Republikaner glauben kaum fest zu stehen, als sie den l&auml;stigen Kameraden absch&uuml;tteln und sich selbst auf die Schultern der Ordnungspartei st&uuml;tzen. Die Ordnungspartei zieht ihre Schultern ein, l&auml;&szlig;t die Bourgeois-Republikaner purzeln und wirft sich auf die Schultern der bewaffneten Gewalt. Sie glaubt noch auf ihren Schultern zu sitzen, als sie an einem sch&ouml;nen Morgen bemerkt, da&szlig; sich die Schultern in Bajonette verwandelt haben. Jede Partei schl&auml;gt von hinten aus nach der weiterdr&auml;ngenden und lehnt sich von vorn &uuml;ber auf die zur&uuml;ckdr&auml;ngende. Kein Wunder, da&szlig; sie in dieser l&auml;cherlichen Positur das Gleichgewicht verliert und, nachdem sie die unvermeidlichen Grimassen geschnitten, unter seltsamen Kapriolen zusammenst&uuml;rzt. Die Revolution bewegt sich so in absteigender Linie. Sie befindet sich in dieser r&uuml;ckg&auml;ngigen Bewegung, ehe die letzte Februarbarrikade wegger&auml;umt und die erste Revolutionsbeh&ouml;rde konstituiert ist.</P>
<P>Die Periode, die wir vor uns haben, umfa&szlig;t das bunteste Gemisch <A NAME="S136"><STRONG>&lt;136&gt;</A></STRONG> schreiender Widerspr&uuml;che: Konstitutionelle, die offen gegen die Konstitution konspirieren, Revolution&auml;re, die eingestandenerma&szlig;en konstitutionell sind, eine Nationalversammlung, die allm&auml;chtig sein will und stets parlamentarisch bleibt; eine Montagne, die im Dulden ihren Beruf findet und durch die Prophezeiung k&uuml;nftiger Siege ihre gegenw&auml;rtige Niederlagen pariert; Royalisten, die die patres conscripti &lt;erw&auml;hlten V&auml;ter (Ehrenname der altr&ouml;mischen Senatoren)&gt; der Republik bilden und durch die Situation gezwungen werden, die feindlichen K&ouml;nigsh&auml;user, denen sie anh&auml;ngen, im Auslande, und die Republik, die sie hassen, in Frankreich zu halten; eine Exekutivgewalt, die in ihrer Schw&auml;che selbst ihre Kraft und in der Verachtung, die sie einfl&ouml;&szlig;t, ihre Respektabilit&auml;t findet, eine Republik; die nichts anderes ist als die zusammengesetzte Infamie zweier Monarchien, der Restauration und der Julimonarchie, mit einer imperialistischen Etikette <20> Verbindungen, deren erste Klausel die Trennung, K&auml;mpfe, deren erstes Gesetz die Entscheidungslosigkeit ist, im Namen der Ruhe w&uuml;ste, inhaltslose Agitation, im Namen der Revolution feierlichstes Predigen der Ruhe, Leidenschaften ohne Wahrheit, Wahrheiten ohne Leidenschaft, Helden ohne Heldentaten, Geschichte ohne Ereignisse; Entwickelung, deren einzige Triebkraft der Kalender scheint, durch best&auml;ndige Wiederholung derselben Spannungen und Abspannung erm&uuml;dend; Gegens&auml;tze, die sich selbst periodisch nur auf die H&ouml;he zu treiben scheinen, um sich abzustumpfen und zusammenzufallen, ohne sich aufl&ouml;sen zu k&ouml;nnen; pr&auml;tenti&ouml;s zur Schau getragene Anstrengungen und b&uuml;rgerliche Schrecken vor der Gefahr des Weltunterganges, und von den Weltrettern gleichzeitig die kleinlichsten Intrigen und Hofkom&ouml;dien gespielt, die in ihrem laisser-aller &lt;ihrer Unbek&uuml;mmertheit&gt; weniger an den J&uuml;ngsten Tag als an die Zeiten der Fronde erinnern <20> das offizielle Gesamtgenie Frankreichs von der pfiffigen Dummheit eines einzelnen Individuums zuschanden gemacht; der Gesamtwille der Nation, sooft er im allgemeinen Wahlrecht spricht, in den verj&auml;hrten Feinden der Masseninteressen seinen entsprechenden Ausdruck suchend, bis er ihn endlich in dem Eigenwillen eines Flibustiers findet. Wenn irgendein Geschichtsausschnitt grau in grau gemalt ist, so ist es dieser. Menschen und Ereignisse erscheinen als umgekehrte Schlemihle, als Schatten, denen die K&ouml;rper abhanden gekommen ist. Die Revolution selbst paralysiert ihre eigenen Tr&auml;ger und stattet nur ihre Gegner mit leidenschaftlicher Gewaltsamkeit aus. Wenn das "rote Gespenst", von den Kontrerevolution&auml;ren best&auml;ndig heraufbeschworen und gebannt, endlich erscheint, so erscheint es nicht mit anarchischer Phrygierm&uuml;tze auf dem Kopfe, sondern in der Uniform der Ordnung, in <EM>roten Plumphosen</EM>.</P>
<STRONG><P><A NAME="S137">&lt;137&gt;</A></STRONG> Wir haben gesehen: Das Ministerium, das Bonaparte am 20. Dezember 1848, am Tage seiner Himmelfahrt &lt;Einzug in das Elys&eacute;e, den Wohnsitz des Pr&auml;sidenten&gt; installierte, war ein Ministerium der Ordnungspartei, der legitimistischen und orleanistischen Koalition. Dies Ministerium Barrot-Falloux hatte die republikanische Konstituante, deren Lebensdauer es mehr oder minder gewaltsam abk&uuml;rzte, &uuml;berwintert und befand sich noch am Ruder. Changarnier, der General der verb&uuml;ndeten Royalisten, vereinigte fortw&auml;hrend in seiner Person das Generalkommando der ersten Milit&auml;rdivison und der Pariser Nationalgarde. Die allgemeinen Wahlen endlich hatten der Ordnungspartei die gro&szlig;e Majorit&auml;t in der Nationalversammlung gesichert. Hier begegneten die Deputierten und Pairs Louis-Philippes einer heiligen Schar von Legitimisten, f&uuml;r welche zahlreiche Wahlzettel der Nation sich in Eintrittskarten auf die politische B&uuml;hne verwandelt hatten. Die bonapartistischen Volksrepr&auml;sentanten waren zu d&uuml;nn ges&auml;t, um eine selbst&auml;ndige parlamentarische Partei bilden zu k&ouml;nnen. Sie erschienen nur als mauvaise queue &lt;&uuml;bles Anh&auml;ngsel&gt; der Ordnungspartei. So war die Ordnungspartei im Besitz der Regierungsgewalt, der Armee und des gesetzgebenden K&ouml;rpers, kurz der Gesamtmacht des Staats, moralisch gekr&auml;ftigt durch die allgemeinen Wahlen, die ihre Herrschaft als den Willen des Volkes erscheinen lie&szlig;en, und durch den gleichzeitigen Sieg der Kontrerevolution auf dem gesamten Kontinent.</P>
<P>Nie er&ouml;ffnete eine Partei mit gr&ouml;&szlig;ern Mittel und unter g&uuml;nstigern Auspizien ihren Feldzug.</P>
<P>Die schiffbr&uuml;chigen <EM>reinen Republikaner</EM> fanden sich in der gesetzgebenden Nationalversammlung auf eine Clique von ungef&auml;hr 50 Mann zusammengeschmolzen, an ihrer Spitze die afrikanischen Generale Cavaignac, Lamorici&egrave;re, Bedeau. Die gro&szlig;e Oppositionspartei aber wurde gebildet durch die <EM>Montagne</EM>. Diesen parlamentarischen Taufnamen hatte sich die <EM>sozial-demokratische</EM> Partei gegeben. Sie verf&uuml;gte &uuml;ber mehr als 200 von 750 Stimmen der Nationalversammlung und war daher wenigstens ebenso m&auml;chtig als irgendeine der drei Fraktionen der Ordnungspartei f&uuml;r sich genommen. Ihre relative Minorit&auml;t gegen die gesamte royalistische Koalition schien durch besondere Umst&auml;nde aufgewogen. Nicht nur zeigten die Departementswahlen, da&szlig; sie einen bedeutenden Anhang unter der Landbev&ouml;lkerung gewonnen hatte. Sie z&auml;hlte beinah alle Deputierten von Paris unter sich, die Armee hatte durch die Wahl von drei Unteroffizieren ein demokratisches Glaubensbekenntnis abgelegt, und der Chef der Montagne, Ledru-Rollin, war im Unterschied von allen Repr&auml;sentanten der Ordnungs- <A NAME="S138"><STRONG>&lt;138&gt;</A></STRONG> partei in den parlamentarischen Adelstand erhoben worden durch f&uuml;nft Departements, die ihre Stimmen auf ihn vereinigt. Die Montagne schien also am 28. Mai 1849, bei den unvermeidlichen Kollisionen der Royalisten unter sich und der gesamten Ordnungspartei mit Bonaparte, alle Elemente des Erfolgs vor sich zu haben. Vierzehn Tage sp&auml;ter hatte sie alles verloren, die Ehre eingerechnet.</P>
<P>Ehe wir der parlamentarischen Geschichte weiter folgen, sind einige Bemerkungen n&ouml;tig, um die gew&ouml;hnliche T&auml;uschungen &uuml;ber den ganzen Charakter der Epoche, die uns vorliegt, zu vermeiden. In der demokratischen Manier zu sehn, handelt es sich w&auml;hrend der Periode der gesetzgebenden Nationalversammlung, um was es sich in der Periode der konstituierenden handelte, um den einfachen Kampf zwischen Republikanern und Royalisten. Die Bewegung selbst aber fassen sie in <EM>ein</EM> Stichwort zusammen: <EM>"Reaktion"</EM>, Nacht, worin alle Katzen grau sind, und die ihnen erlaubt, ihre nachtw&auml;chterlichen Gemeinpl&auml;tze abzuleiern. Und allerdings, auf den ersten Blick zeigt die Ordnungspartei einen Kn&auml;uel von verschiedenen royalistischen Fraktionen, die nicht nur gegeneinander intrigieren, um jede ihren eigenen Pr&auml;tendenten auf den Thron zu erheben und den Pr&auml;tendenten der Gegenpartei auszuschlie&szlig;en, sondern auch sich alle vereinigen in gemeinschaftlichem Ha&szlig; und gemeinschaftlichen Angriffen gegen die "Republik". Die Montagne ihrerseits erscheint im Gegensatze zu dieser royalistischen Konspiration als Vertreterin der "Republik". Die Ordnungspartei erscheint best&auml;ndig besch&auml;ftigt mit einer "Reaktion", die sich nicht mehr nicht minder als in Preu&szlig;en gegen Presse, Assoziation u. dgl. richtet und in brutalen Polizeieinmischungen der B&uuml;rokratie, der Gendarmerie und der Parkette &lt;Gerichtsh&ouml;fe&gt; sich vollstreckt wie in Preu&szlig;en. Die "Montagne" ihrerseits wieder ist ebenso fortw&auml;hrend besch&auml;ftigt, diese Angriffe abzuwehren und so die "ewigen Menschenrechte" zu verteidigen, wie jede sogenannte Volkspartei mehr oder minder seit anderthalb Jahrhunderten getan hat. Vor einer n&auml;hern Betrachtung der Situation und der Parteien verschwindet indes dieser oberfl&auml;chliche Schein, der den <EM>Klassenkampf</EM> und die eigent&uuml;mliche Physiognomie dieser Periode verschleiert.</P>
<P>Legitimisten und Orleanisten bildeten, wie gesagt, die zwei gro&szlig;en Fraktionen der Ordnungspartei. Was diese Fraktionen an ihren Pr&auml;tendenten festhielt und sie wechselseitig auseinanderhielt, war es nichts andres als Lilie und Trikolore, Haus Bourbon und Haus Orl&eacute;ans, verschiedene Schattierungen des Royalismus, war es &uuml;berhaupt das Glaubensbekenntnis des Royalismus? Unter den Bourbonen hatte das <EM>gro&szlig;e Grundeigentum</EM> regiert <A NAME="S139"><STRONG>&lt;139&gt;</A> </STRONG>mit seinen Pfaffen und Lakaien, unter den Orl&eacute;ans die hohe Finanz, die gro&szlig;e Industrie, der gro&szlig;e Handel, d.h. <EM>das Kapital</EM> mit seinem Gefolge von Advokaten, Professoren und Sch&ouml;nrednern. Das legitime K&ouml;nigtum war blo&szlig; der politische Ausdruck f&uuml;r die angestammte Herrschaft der Herren von Grund und Boden, wie die Julimonarchie nur der politische Ausdruck f&uuml;r die usurpierte Herrschaft des b&uuml;rgerlichen Parven&uuml;s. Was also diese Fraktionen auseinanderhielt, es waren keine sogenannten Prinzipien, es waren ihre materiellen Existenzbedingungen, zwei verschiedene Arten des Eigentums, es war der alte Gegensatz von Stadt und Land, die Rivalit&auml;t zwischen Kapital und Grundeigentum. Da&szlig; gleichzeitig alte Erinnerungen, pers&ouml;nliche Feindschaften, Bef&uuml;rchtungen und Hoffnungen, Vorurteile und Illusionen, Sympathien und Antipathien, &Uuml;berzeugungen, Glaubensartikel und Prinzipien sie an das eine oder das andere K&ouml;nigshaus banden, wer leugnet es? Auf den verschiedenen Formen des Eigentums, auf den sozialen Existenzbedingungen erhebt sich ein ganzer &Uuml;berbau verschiedener und eigent&uuml;mlich gestalteter Empfindungen, Illusionen, Denkweisen und Lebensanschauungen. Die ganze Klasse schafft und gestaltet sie aus ihren materiellen Grundlagen heraus und aus den entsprechenden gesellschaftlichen Verh&auml;ltnissen. Das einzelne Individuum, dem sie durch Tradition und Erziehung zuflie&szlig;en, kann sich einbilden, da&szlig; sie die eigentlichen Bestimmungsgr&uuml;nde und den Ausgangspunkt seines Handelns bilden. Wenn Orleanisten, Legitimisten, jede Fraktion sich selbst und der anderen vorzureden suchte, da&szlig; die Anh&auml;nglichkeit an ihre zwei K&ouml;nigsh&auml;user sie trenne, bewies sp&auml;ter die Tatsache, da&szlig; vielmehr ihr gespaltenes Interesse die Vereinigung der zwei K&ouml;nigsh&auml;user verbot. Und wie man im Privatleben unterscheidet zwischen dem, was ein Mensch von sich meint und sagt, und dem was er wirklich ist und tut, so mu&szlig; man noch mehr in geschichtlichen K&auml;mpfen die Phrasen und Einbildungen der Parteien von ihrem wirklichen Organismus und ihren wirklichen Interessen, ihre Vorstellungen von ihrer Realit&auml;t unterscheiden. Orleanisten und Legitimisten fanden sich in der Republik nebeneinander mit gleichen Anspr&uuml;chen. Wenn jede Seite gegen die andre die <EM>Restauration</EM> ihres <EM>eignen</EM> K&ouml;nigshauses durchsetzen wollte, so hie&szlig; das nichts andres, als da&szlig; die <EM>zwei gro&szlig;en Interessen</EM>, worin die <EM>Bourgeoisie</EM> sich spaltete <20> Grundeigentum und Kapital -, jedes seine eigene Suprematie und die Unterordnung des andern zu restaurieren suchte. Wir sprechen von zwei Interessen der Bourgeoisie, denn das gro&szlig;e Grundeigentum, trotz seiner feudalen Koketterie und seines Racenstolzes, war durch die Entwicklung der modernen Gesellschaft vollst&auml;ndig verb&uuml;rgerlicht. So haben die Tories in England sich lange eingebildet, da&szlig; sie f&uuml;r das K&ouml;nigtum, die Kirche und die Sch&ouml;nheiten der <A NAME="S140"><STRONG>&lt;140&gt;</A></STRONG> altenglischen Verfassung schw&auml;rmten, bis der Tag der Gefahr ihnen das Gest&auml;ndnis entri&szlig;, da&szlig; sie nur f&uuml;r die <EM>Grundrente</EM> schw&auml;rmen. &lt;Siehe MEW, Bd. 8, S. 336-341&gt;</P>
<P>Die koalisierten Royalisten spielten ihre Intrige gegeneinander in der Presse, in Ems, in Claremont, au&szlig;erhalb des Parlaments. Hinter den Kulissen zogen sie ihre alten orleanistischen und legitimistischen Livreen wieder an und f&uuml;hrten ihre alten Turniere wieder auf. Aber auf der &ouml;ffentlichen B&uuml;hne, in ihren Haupt- und Staatsaktionen, als gro&szlig;e parlamentarische Partei, fertigten sie ihre respektiven K&ouml;nigsh&auml;user mit blo&szlig;en Reverenzen ab und vertagten die Restauration der Monarchie ad infinitum &lt;ins Unendliche&gt;. Sie verrichteten ihr wirkliches Gesch&auml;ft als <EM>Partei der Ordnung</EM>, d.h. unter einem <EM>gesellschaftlichen</EM>, nicht unter einem <EM>politischen</EM> Titel, als Vertreter der b&uuml;rgerlichen Weltordnung, nicht als Ritter fahrender Prinzessinnen, als Bourgeoisklasse gegen alle andern Klassen, nicht als Royalisten gegen&uuml;ber den Republikanern. Und als Partei der Ordnung haben sie eine unumschr&auml;nktere und h&auml;rtere Herrschaft &uuml;ber die andern Klassen der Gesellschaft ausge&uuml;bt als je zuvor unter der Restauration oder unter der Julimonarchie, wie sie &uuml;berhaupt nur unter der Form der parlamentarischen Republik m&ouml;glich war, denn nur unter dieser Form konnten die zwei gro&szlig;en Abteilungen der franz&ouml;sischen Bourgeoisie sich vereinigen, also die Herrschaft ihrer Klasse statt des Regimes einer privilegierten Fraktion derselben auf die Tagesordnung setzen. Wenn sie trotzdem auch als Partei der Ordnung die Republik insultieren und ihren Widerwillen gegen sie aussprechen, so geschah das nicht nur aus royalistischer Erinnerung. Es lehrte sie der Instinkt, da&szlig; die Republik zwar ihre politische Herrschaft vollendet, aber zugleich deren gesellschaftliche Grundlage unterw&uuml;hlt, indem sie nun ohne Vermittlung, ohne den Versteck der Krone, ohne das nationale Interesse durch ihre untergeordneten K&auml;mpfe untereinander und mit dem K&ouml;nigtum ableiten zu k&ouml;nnen, den unterjochten Klassen gegen&uuml;berstehn und mit ihnen ringen zu m&uuml;ssen. Es war Gef&uuml;hl der Schw&auml;che, das sie vor den reinen Bedingungen ihrer eignen Klassenherrschaft zur&uuml;ckbeben und sich nach den unvollst&auml;ndigern, unterentwickelteren und eben darum gefahrloseren Formen derselben zur&uuml;cksehnen lie&szlig;. Sooft die koalisierten Royalisten dagegen in Konflikt mit dem Pr&auml;tendenten geraten, der ihnen gegen&uuml;bersteht, mit Bonaparte, sooft sie ihre parlamentarische Allmacht von der Exekutivgewalt gef&auml;hrdet glauben, sooft sie also den politischen Titel ihrer Herrschaft herauskehren m&uuml;ssen, treten sie als <EM>Republikaner</EM> auf und nicht als <EM>Royalisten</EM>, von dem Orleanisten Thiers, der die Nationalversammlung warnt, da&szlig; die Republik sie am wenigsten trenne, bis auf den Legitimisten Berryer, <A NAME="S141"><STRONG>&lt;141&gt;</A></STRONG> der am 2. Dezember 1851, die dreifarbige Sch&auml;rpe umgewunden, das vor dem Mairiegeb&auml;ude des zehnten Arrondissements versammelte Volk als Tribun im Namen der Republik harrangiert. Allerdings ruft ihm das Echo spottend zur&uuml;ck: Henri V! Henri V!</P>
<P>Der koalisierten Bourgeoisie gegen&uuml;ber hatte sich eine Koalition zwischen Kleinb&uuml;rgern und Arbeitern gebildet, die sogenannte <EM>sozial-demokratische</EM> Partei. Die Kleinb&uuml;rger sahen sich nach den Junitagen 1848 schlecht belohnt, ihre materiellen Interessen gef&auml;hrdet und die demokratischen Garantien, die ihnen die Geltendmachung dieser Interessen sichern sollten, von der Kontrerevolution in Frage gestellt. Sie n&auml;herten sich daher den Arbeitern. Ihre parlamentarische Repr&auml;sentation andererseits, die <EM>Montagne</EM>, w&auml;hrend der Diktatur der Bourgeois-Republikaner beiseite geschoben, hatte in der letzten Lebensh&auml;lfte der Konstituante durch den Kampf mit Bonaparte und den royalistischen Ministern ihre verlorene Popularit&auml;t wieder erobert. Sie hatte mit den sozialistischen F&uuml;hrern eine Allianz geschlossen. Februar 1849 wurden Vers&ouml;hnungsbankette gefeiert. Ein gemeinschaftliches Programm wurde entworfen, gemeinschaftliche Wahlkomitees wurden gestiftet und gemeinschaftliche Kandidaten aufgestellt. Den sozialen Forderungen des Proletariats ward die revolution&auml;re Pointe abgebrochen und eine demokratische Wendung gegeben, den demokratischen Anspr&uuml;chen des Kleinb&uuml;rgertums die blo&szlig; politische Form abgestreift und ihre sozialistische Pointe herausgekehrt. So entstand die <EM>Sozial-Demokratie</EM>. Die neue<EM> Montagne</EM>, das Ergebnis dieser Kombination, enthielt, einige Figuranten aus der Arbeiterklasse und einige sozialistische Sektierer abgerechnet, dieselben Elemente wie die alte Montagne, nur numerisch st&auml;rker. Aber im Laufe der Entwicklung hatte sie sich ver&auml;ndert mit der Klasse, die sie vertrat. Der eigent&uuml;mliche Charakter der Sozial-Demokratie fa&szlig;te sich dahin zusammen, da&szlig; demokratisch-republikanische Institutionen als Mittel verlangt werden, nicht um zwei Extreme, Kapital und Lohnarbeit, beide aufzuheben, sondern um ihren Gegensatz abzuschw&auml;chen und in Harmonie zu verwandeln. Wie verschiedene Ma&szlig;regeln zur Erreichung dieses Zweckes vorgeschlagen werden m&ouml;gen, wie sehr er mit mehr oder minder revolution&auml;ren Vorstellungen sich verbr&auml;men mag, der Inhalt bleibt derselbe. Dieser Inhalt ist die Um&auml;nderung der Gesellschaft auf demokratischem Wege, aber eine Um&auml;nderung innerhalb der Grenzen des Kleinb&uuml;rgertums. Man mu&szlig; sich nur nicht die bornierte Vorstellung machen, als wenn das Kleinb&uuml;rgertum prinzipiell ein egoistisches Klasseninteresse durchsetzen wolle. Es glaubt vielmehr, da&szlig; die <EM>besondern </EM>Bedingungen seiner Befreiung die <EM>allgemeinen</EM> Bedingungen sind, innerhalb deren allein die moderne Gesellschaft gerettet und der Klassenkampf ver- <A NAME="S142"><STRONG>&lt;142&gt;</A></STRONG> mieden werden kann. Man mu&szlig; sich ebensowenig vorstellen, da&szlig; die demokratischen Repr&auml;sentanten nun alle shopkeepers &lt;Kr&auml;mer&gt; sind oder f&uuml;r dieselben schw&auml;rmen. Sie k&ouml;nnen ihre Bildung und ihrer individuellen Lage nach himmelweit von ihnen getrennt sein. Was sie zu Vertretern des Kleinb&uuml;rgers macht, ist, da&szlig; sie im Kopfe nicht &uuml;ber die Schranken hinauskommen, wor&uuml;ber jener nicht im Leben hinauskommt, da&szlig; sie daher zu denselben Aufgaben und L&ouml;sungen theoretisch getrieben werden, wohin jenen das materielle Interesse und die gesellschaftliche Lage praktisch treiben. Dies ist &uuml;berhaupt das Verh&auml;ltnis der <EM>politischen</EM> und <EM>literarischen Vertreter</EM> einer Klasse zu der Klasse, die sie vertreten.</P>
<P>Nach der gegebenen Auseinandersetzung versteht sich von selbst, da&szlig;, wenn die Montagne mit der Ordnungspartei fortw&auml;hrend um die Republik und die sogenannten Menschenrechte ringt, weder die Republik noch die Menschenrechte ihr letzter Zweck sind, sowenig eine Armee, die man der Waffen berauben will und die sich zur Wehr setzt, auf den Kampfplatz getreten ist, um im Besitz ihrer eigenen Waffen zu bleiben.</P>
<P>Die Partei der Ordnung provozierte gleich beim Zusammentritt der Nationalversammlung die Montagne. Die Bourgeoisie f&uuml;hlte jetzt die Notwendigkeit, mit den demokratischen Kleinb&uuml;rgern fertig zu werden, wie sie ein Jahr vorher die Notwendigkeit begriffen hatten, mit dem revolution&auml;ren Proletariat zu enden. Nur war die Situation des Gegners eine verschiedene. Die St&auml;rke der proletarischen Partei war auf der Stra&szlig;e, die der Kleinb&uuml;rger in der Nationalversammlung selbst. Es galt also, sie aus der Nationalversammlung auf die Stra&szlig;e zu locken und sie selbst ihre parlamentarische Macht zerbrechen zu lassen, ehe Zeit und Gelegenheit sie konsolidieren konnten. Die Montagne sprengte mit verh&auml;ngtem Z&uuml;gel in die Falle.</P>
<P>Das Bombardement Roms durch die franz&ouml;sischen Truppen war der K&ouml;der, der ihr hingeworfen wurde. Es verletzte Artikel V der Konstitution, der der Franz&ouml;sischen Republik untersagt, ihre Streitkr&auml;fte gegen die Freiheiten eines anderen Volks zu verwenden. Zudem verbot auch Artikel 54 jede Kriegserkl&auml;rung von seiten der Exekutivgewalt ohne Zustimmung der Nationalversammlung, und die Konstituante hatte durch ihren Beschlu&szlig; vom 8. Mai die r&ouml;mische Expedition mi&szlig;billigt. Auf diese Gr&uuml;nde hin deponierte Ledru-Rollin am 11. Juni 1849 einen Anklageakt gegen Bonaparte und seine Minister. Durch die Wespenstiche von Thiers aufgereizt, lie&szlig; er sich sogar zu der Drohung fortrei&szlig;en, die Konstitution mit allen Mitteln verteidigen zu wollen, selbst mit den Waffen in der Hand. Die Montagne erhob sich wie <EM>ein</EM> Mann <A NAME="S143"><STRONG>&lt;143&gt;</A></STRONG> und wiederholte diesen Waffenruf. Am 12. Juni verwarf die Nationalversammlung den Anklageakt, und die Montagne verlie&szlig; das Parlament. Die Ereignisse des 13. Juni sind bekannt: die Proklamation eines Teils der Montagne, wodurch Bonaparte und seine Minister "au&szlig;erhalb der Konstitution" erkl&auml;rt wurden; die Stra&szlig;enprozession der demokratischen Nationalgarden, die waffenlos, wie sie waren, bei dem Zusammentreffen mit den Truppen Changarniers auseinanderstoben usw. usw. Ein Teil der Montagne fl&uuml;chtete ins Ausland, ein anderer wurde dem Hochgericht in Bourges &uuml;berwiesen, und ein parlamentarisches Reglement unterwarf den Rest der schulmeisterlichen Aufsicht des Pr&auml;sidenten der Nationalversammlung. Paris wurde wieder in Belagerungszustand versetzt und der demokratische Teil seiner Nationalgarde aufgel&ouml;st. So war der Einflu&szlig; der Montagne im Parlament und die Macht der Kleinb&uuml;rger in Paris gebrochen.</P>
<P>Lyon, wo der 13. Juni das Signal zu einem blutigen Arbeiteraufstand gegeben hatte, wurde mit den f&uuml;nf umliegenden Departements ebenfalls in Belagerungszustand erkl&auml;rt, ein Zustand, der bis auf diesen Augenblick fortdauert.</P>
<P>Das Gros der Montagne hatte seine Avantgarde im Stiche gelassen, indem es ihrer Proklamation die Unterschriften verweigerte. Die Presse war desertiert, indem nur zwei Journale das Pronunziamento zu ver&ouml;ffentlichen wagten. Die Kleinb&uuml;rger verrieten ihre Repr&auml;sentanten, indem die Nationalgarden ausblieben oder, wo sie erschienen, den Barrikadenbau verhinderten. Die Repr&auml;sentanten hatten die Kleinb&uuml;rger d&uuml;piert, indem die angeblichen Affiliierten von der Armee nirgends zu erblicken waren. Endlich, statt von ihm Kraftzuschu&szlig; zu gewinnen, hatte die demokratische Partei das Proletariat mit ihrer eignen Schw&auml;che angesteckt, und, wie gew&ouml;hnlich bei demokratischen Hochtaten, hatten die F&uuml;hrer die Genugtuung, ihr "Volk" der Desertion, und das Volk die Genugtuung, seine F&uuml;hrer der Prellerei beschuldigen zu k&ouml;nnen.</P>
<P>Selten war eine Aktion mit gr&ouml;&szlig;erem Ger&auml;usch verk&uuml;ndet worden als der bevorstehende Feldzug der Montagne, selten ein Ereignis mit mehr Sicherheit und l&auml;nger vorher austrompetet als der unvermeidliche Sieg der Demokratie. Ganz gewi&szlig;: Die Demokraten glauben an die Posaunen, vor deren St&ouml;&szlig;en die Mauern Jerichos einst&uuml;rzten. Und sooft sie den W&auml;llen des Despotismus gegen&uuml;berstehen, suchen sie das Wunder nachzumachen. Wenn die Montagne im Parlamente siegen wollte, durfte sie nicht zu den Waffen rufen. Wenn sie im Parlamente zu den Waffen rief, durfte sie sich auf der Stra&szlig;e nicht parlamentarisch verhalten. Wenn die friedliche Demonstration ernst gemeint war, so war es albern, nicht vorherzusehen, da&szlig; sie kriegerisch empfan- <A NAME="S144"><STRONG>&lt;144&gt;</A></STRONG> gen werden w&uuml;rde. Wenn es auf den wirklichen Kampf abgesehn war, so war es originell, die Waffen abzulegen, mit denen er gef&uuml;hrt werden mu&szlig;te. Aber die revolution&auml;ren Drohungen der Kleinb&uuml;rger und ihrer demokratischen Vertreter sind blo&szlig;e Einsch&uuml;chterungsversuche des Gegners. Und wenn sie sich in eine Sackgasse verrannt, wenn sie sich hinl&auml;nglich kompromittiert haben, um zur Ausf&uuml;hrung ihrer Drohungen gezwungen zu sein, so geschieht es in einer zweideutigen Weise, die nichts mehr vermeidet als die Mittel zum Zwecke und nach Vorw&auml;nden zum Unterliegen hascht. Die schmetternde Ouvert&uuml;re, die den Kampf verk&uuml;ndete, verliert sich in ein kleinlautes Knurren, sobald er beginnen soll, die Schauspieler h&ouml;ren auf, sich au s&eacute;rieux &lt;ernst&gt; zu nehmen, und die Handlung f&auml;llt platt zusammen wie ein luftgef&uuml;llter Ballon, den man mit der Nadel pickt.</P>
<P>Keine Partei &uuml;bertreibt sich mehr ihre Mittel als die demokratische, keine t&auml;uscht sich leichtsinniger &uuml;ber die Situation. Wenn ein Teil der Armee f&uuml;r sie gestimmt hatte, war die Montagne nun auch &uuml;berzeugt, da&szlig; die Armee f&uuml;r sie revoltieren werde. Und bei welchem Anlasse? Bei einem Anlasse, der vom Standpunkt der Truppen keinen anderen Sinn hatte, als da&szlig; die Revolution&auml;re f&uuml;r die r&ouml;mischen gegen die franz&ouml;sischen Soldaten Partei ergriffen. Andererseits waren die Erinnerungen an den Juni 1848 noch zu frisch, als da&szlig; nicht eine tiefe Abneigung des Proletariats gegen die Nationalgarde und ein durchgreifendes Mi&szlig;trauen der Chefs der geheimen Gesellschaften gegen die demokratischen Chefs existieren mu&szlig;ten. Um diese Differenzen auszugleichen, dazu bedurfte es gro&szlig;er gemeinschaftlicher Interessen, die auf dem Spiele standen. Die Verletzung eines abstrakten Verfassungsparagraphen konnte das Interesse nicht bieten. War die Verfassung nicht schon wiederholt verletzt worden nach der Versicherung der Demokraten selbst? Hatten die popul&auml;rsten Journale sie nicht als ein kontrerevolution&auml;res Machwerk gebrandmarkt? Aber der Demokrat, weil er das Kleinb&uuml;rgertum vertritt, also eine <EM>&Uuml;bergangsklasse</EM>, worin die Interessen zweier Klassen sich zugleich abstumpfen, d&uuml;nkt sich &uuml;ber den Klassengegensatz &uuml;berhaupt erhaben. Die Demokraten geben zu, da&szlig; eine privilegierte Klasse ihnen gegen&uuml;bersteht, aber sie mit der ganzen &uuml;brigen Umgebung der Nation bilden das <EM>Volk</EM>. Was sie vertreten ist das <EM>Volksrecht</EM>; was sie interessiert ist das <EM>Volksinteresse</EM>. Sie brauchen daher bei einem bevorstehenden Kampfe die Interessen und Stellungen der verschiedenen Klassen nicht zu pr&uuml;fen. Sie brauchen ihre eigenen Mittel nicht allzu bedenklich abzuw&auml;gen. Sie haben eben nur das Signal zu geben, damit das <EM>Volk</EM> mit allen <A NAME="S145"><STRONG>&lt;145&gt;</A></STRONG> seinen unersch&ouml;pflichen Ressourcen &uuml;ber die <EM>Dr&auml;nger</EM> herfalle. Stellen sich nun in der Ausf&uuml;hrung ihre Interessen als uninteressant und ihre Macht als Ohnmacht heraus, so liegt das entweder an verderblichen Sophisten, die das <EM>unteilbare Volk</EM> in verschiedene feindliche Lager spalten, oder die Armee war zu vertiert und zu verblendet, um die reinen Zwecke der Demokratie als ihr eignes Beste zu begreifen, oder an einem Detail der Ausf&uuml;hrung ist das Ganze gescheitert, oder aber ein unvorhergesehener Zufall hat f&uuml;r diesmal die Partie vereitelt. Jedenfalls geht der Demokrat ebenso makellos aus der schm&auml;hlichsten Niederlage heraus, wie er unschuldig in sie hineingegangen ist, mit der neugewonnenen &Uuml;berzeugung, da&szlig; er siegen mu&szlig;, nicht da&szlig; er selbst und seine Partei den alten Standpunkt aufzugeben, sondern umgekehrt, da&szlig; die Verh&auml;ltnisse ihm entgegenzureifen haben.</P>
<P>Man mu&szlig; sich daher die dezimierte, gebrochene und durch das neue parlamentarische Reglement gedem&uuml;tigte Montagne nicht gar zu ungl&uuml;cklich vorstellen. Wenn der 13. Juni ihre Chefs beseitigt hatte, so macht er andererseits untergeordneteren Kapazit&auml;ten Platz, denen diese neue Stellung schmeichelt. Wenn ihre Machtlosigkeit im Parlamente nicht mehr bezweifelt werden konnte, so waren sie nun auch berechtigt, ihre Tat auf Ausbr&uuml;che sittlicher Entr&uuml;stung und polternde Deklamationen zu beschr&auml;nken. Wenn die Ordnungspartei in ihnen als den letzten offiziellen Repr&auml;sentanten der Revolution alle Schrecken der Anarchie verk&ouml;rpert zu sehen vorgab, so konnten sie in der Wirklichkeit desto platter und bescheidener sein. &Uuml;ber den 13. Juni aber vertr&ouml;steten sie sich mit der tiefen Wendung: Aber wenn man das allgemeine Wahlrecht anzugreifen wagt, aber dann! Dann werden wir zeigen, wer wir sind. Nous verrons &lt;Wir werden sehen&gt;.</P>
<P>Was die ins Ausland gefl&uuml;chteten Montagnards betrifft, so gen&uuml;gt es hier zu bemerken, da&szlig; Ledru-Rollin, weil es ihm gelungen war, in kaum zwei Wochen die m&auml;chtige Partei, an deren Spitze er stand, rettungslos zu ruinieren, sich nun berufen fand, eine franz&ouml;sische Regierung in partibus zu bilden; da&szlig; seine Figur, in der Ferne, vom Boden der Aktion weggehoben, im Ma&szlig;stab als das Niveau der Revolution sank und die offiziellen Gr&ouml;&szlig;en des offiziellen Frankreich zwerghafter wurden, an Gr&ouml;&szlig;e zu wachsen schien; da&szlig; er als republikanischer Pr&auml;tendent f&uuml;r 1852 fungieren konnte, da&szlig; er periodische Rundschreiben an die Walachen und andere V&ouml;lker erlie&szlig;, worin den Despoten des Kontinents mit seinen und seiner Verb&uuml;ndeten Taten gedroht wird. Hatte Proudhon ganz unrecht, wenn er diesen Herren zurief: "Vous n<>&ecirc;tes que des blagueurs" &lt;"Ihr seid nichts als Aufschneider"&gt; ?</P>
<STRONG><P><A NAME="S146">&lt;146&gt;</A></STRONG> Die Ordnungspartei hatte am 13. Juni nicht nur die Montagne gebrochen, sie hatte die <EM>Unterordnung der Konstitution unter die Majorit&auml;tsbeschl&uuml;sse der Nationalversammlung</EM> durchgesetzt. Und so verstand sie die Republik: da&szlig; die Bourgeoisie hier in parlamentarischen Formen herrsche, ohne wie in der Monarchie an dem Veto der Exekutivgewalt oder an der Aufl&ouml;sbarkeit des Parlaments eine Schranke zu finden. Das war die <EM>parlamentarische Republik</EM>, wie Thiers sie nannte. Aber wenn die Bourgeoisie am 13. Juni ihre Allmacht innerhalb des Parlamentsgeb&auml;udes sicherte, schlug sie nicht das Parlament selbst, der Exekutivgewalt und dem Volke gegen&uuml;ber, mit unheilbarer Schw&auml;che, indem sie den popul&auml;rsten Teil desselben ausstie&szlig;? Indem sie zahlreiche Deputierte ohne weitere Zeremonien der Requisition der Parkette preisgab, hob sie ihre eigne parlamentarische Unverletzlichkeit auf. Das dem&uuml;tigende Reglement, dem sie die Montagne unterwarf, erh&ouml;ht in demselben Ma&szlig;e den Pr&auml;sidenten der Republik, als es den einzelnen Repr&auml;sentanten des Volks herabdr&uuml;ckt. Indem sie die Insurrektion zum Schutz der konstitutionellen Verfassung als anarchische, auf den Umsturz der Gesellschaft abzweckende Tat brandmarkt, verbot sie sich selbst den Appell an die Insurrektion, sobald die Exekutivgewalt ihr gegen&uuml;ber die Verfassung verletzen w&uuml;rde. Und die Ironie der Geschichte will, da&szlig; der General, der im Auftrage Bonapartes Rom bombardiert und so den unmittelbaren Anla&szlig; zu der konstitutionellen Emeute vom 13. Juni gegeben hat, da&szlig; <EM>Oudinot</EM> am 2. Dezember 1851 dem Volke von der Ordnungspartei flehentlich und vergeblich als der General der Konstitution gegen Bonaparte angeboten werden mu&szlig;. Ein andrer Held des 13. Juni, <EM>Vieyra</EM>, der von der Trib&uuml;ne der Nationalversammlung Lob einerntet f&uuml;r die Brutalit&auml;ten, die er in demokratischen Zeitungslokalen an der Spitze einer der hohen Finanz angeh&ouml;rigen Rotte von Nationalgarden ver&uuml;bt hatte, dieser selbe Vieyra war in die Verschw&ouml;rung Bonapartes eingeweiht und trug wesentlich dazu bei, in ihrer Todesstunde der Nationalversammlung jeden Schutz von seiten der Nationalgarde abzuschneiden.</P>
<P>Der 13. Juni hatte noch einen anderen Sinn. Die Montagne hatte Bonapartes Versetzung in Anklagezustand ertrotzen wollen. Ihre Niederlage war also ein direkter Sieg Bonapartes, sein pers&ouml;nlicher Triumph &uuml;ber seine demokratischen Feinde. Die Partei der Ordnung erfocht den Sieg, Bonaparte hatte ihn nur einzukassieren. Er tat es. Am 14. Juni war eine Proklamation an den Mauern von Paris zu lesen, worin der Pr&auml;sident, gleichsam ohne sein Zutun, widerstrebend, durch die blo&szlig;e Macht der Ereignisse gezwungen, aus seiner kl&ouml;sterlichen Abgeschiedenheit hervortritt, als verkannte Tugend &uuml;ber die Verleumdungen seiner Widersacher klagt, und w&auml;hrend er seine Person mit <A NAME="S147"><STRONG>&lt;147&gt;</A></STRONG> der Sache der Ordnung zu identifizieren scheint, vielmehr die Sache der Ordnung mit seiner Person identifiziert. Zudem hatte die Nationalversammlung die Expedition gegen Rom zwar nachtr&auml;glich gebilligt, aber Bonaparte hatte die Initiative dazu ergriffen. Nachdem er den Hohepriester Samuel in den Vatikan wieder eingef&uuml;hrt, konnte er hoffen, als K&ouml;nig David die Tuilerien zu beziehen. Er hatte die Pfaffen gewonnen.</P>
<P>Die Emeute vom 13. Juni beschr&auml;nkte sich, wie wir gesehn, auf eine friedliche Stra&szlig;enprozession. Es waren also keine kriegerischen Lorbeeren gegen sie zu gewinnen. Nichtsdestoweniger, in dieser helden- und ereignisarmen Zeit verwandelte die Ordnungspartei diese Schlacht ohne Blutvergie&szlig;en in ein zweites Austerlitz. Trib&uuml;ne und Presse priesen die Armee als die Macht der Ordnung gegen&uuml;ber den Volksmassen als der Ohnmacht der Anarchie und den Changarnier als das "Bollwerk der Gesellschaft". Mystifikation, an die er schlie&szlig;lich selbst glaubte. Unterderhand aber wurden die Korps, die zweideutig schienen, aus Paris verlegt, aus Frankreich nach Algier verbannt, die unruhigen K&ouml;pfe unter den Truppen in Strafabteilungen verwiesen, endlich die Absperrung der Presse von der Kaserne und der Kaserne von der b&uuml;rgerlichen Gesellschaft systematisch durchgef&uuml;hrt.</P>
<P>Wir sind hier bei dem entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der franz&ouml;sischen Nationalgarde angelangt. 1830 hatte sie den Sturz der Restauration entschieden. Unter Louis-Philippe mi&szlig;gl&uuml;ckte jede Emeute, worin die Nationalgarde auf Seiten der Truppen stand. Als sie in den Februartagen 1848 sich passiv gegen den Aufstand und zweideutig gegen Louis-Philippe zeigte, gab er sich verloren und war er verloren. So schlug die &Uuml;berzeugung Wurzel, da&szlig; die Revolution nicht <EM>ohne</EM> und die Armee nicht <EM>gegen</EM> die Nationalgarde siegen k&ouml;nne. Es war dies der Aberglaube der Armee an die b&uuml;rgerliche Allmacht. Die Junitage 1848, wo die gesamte Nationalgarde mit den Linientruppen die Insurrektion niederwarf, hatten den Aberglauben befestigt. Nach Bonapartes Regierungsantritt sank die Stellung der Nationalgarde einigerma&szlig;en durch die konstitutionswidrige Vereinigung ihres Kommandos mit dem Kommando der ersten Milit&auml;rdivison in der Person Changarniers.</P>
<P>Wie das Kommando &uuml;ber die Nationalgarde hier als ein Attribut des milit&auml;rischen Oberbefehlshabers erschien, so sie selbst nur nach als Anhang der Linientruppen. Am 13. Juni endlich wurde sie gebrochen: nicht nur durch ihre teilweise Aufl&ouml;sung, die sich seit dieser Zeit periodisch an allen Punkten Frankreichs wiederholte und nur Tr&uuml;mmer von ihr zur&uuml;cklie&szlig;. Die Demonstration des 13. Juni war vor allem eine Demonstration der demokratischen Nationalgarden. Sie hatten zwar nicht ihre Waffen, wohl aber ihre Uniformen <A NAME="S148">&lt;<STRONG>148&gt;</A></STRONG> der Armee gegen&uuml;bergef&uuml;hrt, aber gerade in dieser Uniform sa&szlig; der Talisman. Die Armee &uuml;berzeugte sich, da&szlig; diese Uniform ein wollener Lappen wie ein andrer war. Der Zauber ging verloren. In den Junitagen 1848 waren Bourgeoisie und Kleinb&uuml;rgertum als Nationalgarde mit der Armee gegen das Proletariat vereinigt, am 13. Juni 1849 lie&szlig; die Bourgeoisie die kleinb&uuml;rgerliche Nationalgarde durch die Armee auseinandersprengen, am 2. Dezember 1851 war die Nationalgarde der Bourgeoisie selbst verschwunden, und Bonaparte konstatierte nur dies Faktum, als er nachtr&auml;glich ihr Aufl&ouml;sungsdekret unterschrieb. So hatte die Bourgeoisie selbst ihre letzte Waffe gegen die Armee zerbrochen, aber sie mu&szlig;te sie zerbrechen von dem Augenblicke, wo das Kleinb&uuml;rgertum nicht mehr als Vasall hinter, sondern als Rebell vor ihr stand, wie sie &uuml;berhaupt alle ihre Verteidigungsmittel gegen den Absolutismus mit eigner Hand zerst&ouml;ren mu&szlig;te, sobald sie selbst absolut geworden war.</P>
<P>Die Ordnungspartei feierte unterdes die Wiedereroberung einer Macht, die 1848 nur verloren schien, um 1849 von ihren Schranken befreit wiedergefunden zu werden, durch Invektiven gegen die Republik und die Konstitution, durch die Verfluchung aller zuk&uuml;nftigen, gegenw&auml;rtigen und vergangenen Revolutionen, die eingerechnet, welche ihre eigenen F&uuml;hrer gemacht hatten, und in Gesetzen, wodurch die Presse geknebelt, die Assoziation vernichtet und der Belagerungszustand als organisches Institut reguliert wurde. Die Nationalversammlung vertagte sich dann von Mitte August bis Mitte Oktober, nachdem sie eine Permanenzkommission f&uuml;r die Zeit ihrer Abwesenheit ernannt hatte. W&auml;hrend dieser Ferien intrigierten die Legitimisten mit Ems, die Orleanisten mit Claremont, Bonaparte durch prinzliche Rundreisen und die Departementalr&auml;te in Beratungen &uuml;ber die Revision der Verfassung <20> Vorf&auml;lle, die in den periodischen Ferien der Nationalversammlung regelm&auml;&szlig;ig wiederkehren und auf die ich erst eingehen will, sobald sie zu Ereignissen werden. Hier sei nur noch bemerkt, da&szlig; die Nationalversammlung unpolitisch handelte, als sie f&uuml;r l&auml;ngere Intervalle von der B&uuml;hne verschwand und auf der Spitze der Republik nur noch <EM>eine</EM>, wenn auch kl&auml;gliche Gestalt erblicken lie&szlig;, die Louis Bonapartes, w&auml;hrend die Partei der Ordnung zum Skandale des Publikums in ihre royalistischen Bestandteile auseinander- und ihren sich widerstreitenden Restaurationsgel&uuml;sten nachging. Sooft w&auml;hrend dieser Ferien der verwirrende L&auml;rm des <EM>Parlaments</EM> verstummte und sei K&ouml;rper sich in die Nation aufl&ouml;ste, zeigte sich unverkennbar, da&szlig; nur noch <EM>eins</EM> fehle, um die wahre Gestalt dieser Republik zu vollenden: <EM>seine</EM> Ferien permanent machen und <EM>ihre</EM> Aufschrift: libert&eacute;, &eacute;galit&eacute;, fraternit&eacute;, ersetzen durch die unzweideutigen Worte: Infanterie, Kavallerie, Artillerie!</P></BODY>
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