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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<TITLE>Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals, 1. Kapitel</TITLE>
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<P ALIGN="CENTER"><A HREF="lu05_007.htm"><FONT SIZE=2>Vorwort</FONT></A><FONT SIZE=1> | </FONT><A HREF="lu05_005.htm"><FONT SIZE=2>Inhalt</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="lu05_024.htm"><FONT SIZE=2>2. Kapitel</FONT></A></P>
<FONT SIZE=2><P>Rosa Luxemburg - Gesammelte Werke. Herausgegeben vom Institut f&uuml;r Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Band 5. Berlin/DDR. 1975. "Die Akkumulation des Kapitals", S. 9-24</P>
<P>1. Korrektur<BR>
Erstellt am 20.10.1998</P>
<HR>
</FONT><H1 ALIGN="CENTER">Erster Abschnitt</H1>
<H1 ALIGN="CENTER">Das Problem der Reproduktion</H1>
<FONT SIZE=5><P ALIGN="CENTER">Erstes Kapitel</P>
<I><P ALIGN="CENTER">Gegenstand der Untersuchung</P>
</I></FONT><B><P><A NAME="S9">&lt;9&gt;</A></B> Zu den unverg&auml;nglichen Verdiensten Marxens um die theoretische National&ouml;konomie geh&ouml;rt seine Stellung des Problems der Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitals. Bezeichnenderweise begegnen wir in der Geschichte der National&ouml;konomie nur zwei Versuchen einer exakten Darstellung des Problems: an ihrer Schwelle, bei dem Vater der Physiokratenschule, Quesnay, und an ihrem Ausgang, bei Karl Marx. In der Zwischenzeit h&ouml;rt das Problem nicht auf, die b&uuml;rgerliche National&ouml;konomie zu qu&auml;len, doch hat sie es nie bewu&szlig;t und nie in seiner reinen Form, losgel&ouml;st von verwandten und durchkreuzenden Nebenproblemen, auch nur zu stellen, geschweige zu l&ouml;sen gewu&szlig;t. Bei der fundamentalen Bedeutung dieses Problems jedoch kann man bis zu einem gewissen Grad an der Hand dieser Versuche die Schicksale der wissenschaftlichen &Ouml;konomie &uuml;berhaupt verfolgen.</P>
<P>Worin besteht das Problem der Reproduktion des Gesamtkapitals?</P>
<P>Reproduktion ist w&ouml;rtlich genommen einfach Wiederproduktion, Wiederholung, Erneuerung des Produktionsprozesses, und es mag auf den ersten Blick nicht abzusehen sein, worin sich der Begriff der Reproduktion von dem allgemeinverst&auml;ndlichen der Produktion eigentlich unterscheiden und wozu hierf&uuml;r ein neuer, befremdender Ausdruck n&ouml;tig sein soll. Allein gerade in der Wiederholung, in der st&auml;ndigen Wiederkehr des Produk- <A NAME="S10"><B>&lt;10&gt;</A></B> tionsprozesses liegt ein wichtiges Moment f&uuml;r sich. Zun&auml;chst ist die regelm&auml;&szlig;ige Wiederholung der Produktion die allgemeine Voraussetzung und Grundlage der regelm&auml;&szlig;igen Konsumtion und damit die Vorbedingung der Kulturexistenz der menschlichen Gesellschaft unter allen ihren geschichtlichen Formen. In diesem Sinne enth&auml;lt der Begriff der Reproduktion ein kulturgeschichtliches Moment. Die Produktion kann nicht wiederaufgenommen werden, die Reproduktion kann nicht stattfinden, wenn nicht bestimmte Vorbedingungen: Werkzeuge, Rohstoffe, Arbeitskr&auml;fte, als Ergebnis der vorhergegangenen Produktionsperiode gegeben sind. Auf den primitivsten Stufen der Kulturentwicklung aber, bei den Anf&auml;ngen in der Beherrschung der &auml;u&szlig;eren Natur, ist diese M&ouml;glichkeit der Wiederaufnahme der Produktion jedesmal noch mehr oder weniger vom Zufall abh&auml;ngig. Solange haupts&auml;chlich Jagd oder Fischfang die Grundlage der Existenz der Gesellschaft bilden, ist die Regelm&auml;&szlig;igkeit in der Wiederholung der Produktion h&auml;ufig unterbrochen durch Perioden des allgemeinen Hungerns. Bei manchen primitiven V&ouml;lkern haben die Erfordernisse der Reproduktion als eines regelm&auml;&szlig;ig wiederkehrenden Prozesses schon sehr fr&uuml;h einen traditionellen und gesellschaftlich bindenden Ausdruck in bestimmten Zeremonien religi&ouml;sen Charakters gefunden. So ist nach den gr&uuml;ndlichen Forschungen von Spencer und Gillen der Totemkult der Australneger im Grunde genommen nichts anderes als die zur religi&ouml;sen Zeremonie erstarrte &Uuml;berlieferung gewisser seit undenklichen Zeiten regelm&auml;&szlig;ig wiederholter Ma&szlig;nahmen der gesellschaftlichen Gruppen zur Beschaffung und Erhaltung ihrer tierischen und pflanzlichen Nahrung. Doch erst der Hackbau, die Z&auml;hmung der Haustiere und die Viehzucht zu Ern&auml;hrungszwecken erm&ouml;glichten den regelm&auml;&szlig;igen Kreislauf von Konsumtion und Produktion, der das Merkmal der Reproduktion bildet. Insofern erscheint also der Begriff der Reproduktion selbst als etwas mehr denn blo&szlig;e Wiederholung: Er umschlie&szlig;t bereits eine gewisse H&ouml;he in der Beherrschung der &auml;u&szlig;eren Natur durch die Gesellschaft oder, &ouml;konomisch ausgedr&uuml;ckt, eine gewisse H&ouml;he der Produktivit&auml;t der Arbeit.</P>
<P>Andererseits ist der Produktionsproze&szlig; selbst auf allen gesellschaftlichen Entwicklungsstufen eine Einheit von zwei verschiedenen, wenn auch eng miteinander verkn&uuml;pften Momenten: der technischen und der gesellschaftlichen Bedingungen, d.h. der bestimmten Gestaltung des Verh&auml;ltnisses der Menschen zur Natur und der Verh&auml;ltnisse der Menschen untereinander. Die Reproduktion h&auml;ngt gleicherma&szlig;en von beiden ab. Inwiefern sie an die Bedingungen der menschlichen Arbeitstechnik gebunden und selbst erst das Ergebnis einer gewissen H&ouml;he in der Produktivit&auml;t der <B>&lt;11&gt;</B> Arbeit ist, haben wir soeben angedeutet. Aber nicht minder bestimmend sind die jeweiligen gesellschaftlichen Formen der Produktion. In einer primitiven kommunistischen Agrargemeinde wird die Reproduktion, wie der ganze Plan des Wirtschaftslebens, von der Gesamtheit der Arbeitenden und ihren demokratischen Organen bestimmt: Der Entschlu&szlig; zur Wiederaufnahme der Arbeit, ihre Organisation, die Sorge f&uuml;r n&ouml;tige Vorbedingungen - Rohstoffe, Werkzeuge, Arbeitskr&auml;fte -, endlich die Bestimmung des Umfangs und der Einteilung der Reproduktion sind das Ergebnis des planm&auml;&szlig;igen Zusammenwirkens der Gesamtheit in den Grenzen der Gemeinde. In einer Sklavenwirtschaft oder auf einem Fronhof wird die Reproduktion auf Grund pers&ouml;nlicher Herrschaftsverh&auml;ltnisse erzwungen und in allen Details geregelt, wobei die Schranke f&uuml;r ihren Umfang jeweilig das Verf&uuml;gungsrecht des herrschenden Zentrums &uuml;ber einen gr&ouml;&szlig;eren oder geringeren Kreis fremder Arbeitskr&auml;fte bildet. In der kapitalistisch produzierenden Gesellschaft gestaltet sich die Reproduktion ganz eigent&uuml;mlich, was schon der Augenschein in gewissen auff&auml;lligen Momenten lehrt. In jeder anderen geschichtlich bekannten Gesellschaft wird die Reproduktion regelm&auml;&szlig;ig aufgenommen, sofern nur die Vorbedingungen: vorhandene Produktionsmittel und Arbeitskr&auml;fte, dies erm&ouml;glichen. Nur &auml;u&szlig;ere Einwirkungen: ein verheerender Krieg oder eine gro&szlig;e Pest, die eine Entv&ouml;lkerung und damit massenhafte Vernichtung der Arbeitskr&auml;fte und der vorr&auml;tigen Produktionsmittel herbeif&uuml;hren, pflegen zu verursachen, da&szlig; auf ganzen gro&szlig;en Strecken fr&uuml;heren Kulturlebens die Reproduktion f&uuml;r l&auml;ngere oder k&uuml;rzere Perioden nicht aufgenommen oder nur zum geringen Teil aufgenommen wird. &Auml;hnliche Erscheinungen k&ouml;nnen teilweise bei despotischer Bestimmung &uuml;ber den Plan der Produktion hervorgerufen werden. Wenn der Wille eines Pharao im alten &Auml;gypten Tausende von Fellachen f&uuml;r Jahrzehnte an den Bau von Pyramiden fesselte oder wenn im neuen &Auml;gypten Ismael Pascha 20.000 Fellachen f&uuml;r den Bau des Suezkanals als Fronknechte abkommandierte oder wenn der Kaiser Shih-huang-ti, der Begr&uuml;nder der Dynastie Ch'in, 200 Jahre vor der christlichen &Auml;ra 400.000 Menschen vor Hunger und Ersch&ouml;pfung umkommen lie&szlig; und eine ganze Generation aufrieb, um die Gro&szlig;e Mauer an der Nordgrenze Chinas auszubauen - so war in allen solchen F&auml;llen die Folge, da&szlig; gewaltige Strecken Bauernlandes unbestellt blieben, das regelm&auml;&szlig;ige Wirtschaftsleben hier f&uuml;r lange Perioden unterbrochen wurde. Aber diese Unterbrechungen der Reproduktion hatten in jedem solchen Falle ganz sichtbare, klare Ursachen in der einseitigen Bestimmung &uuml;ber den Reproduktionsplan im ganzen durch das Herrschaftsverh&auml;ltnis. In den kapitalistisch pro- <A NAME="S12"><A NAME="S11"><B>&lt;12&gt;</A></A></B> duzierenden Gesellschaften sehen wir anderes. In gewissen Perioden sehen wir, da&szlig; sowohl alle erforderlichen materiellen Produktionsmittel wie Arbeitskr&auml;fte zur Aufnahme der Reproduktion vorhanden sind, da&szlig; andererseits die Konsumtionsbed&uuml;rfnisse der Gesellschaft unbefriedigt bleiben und da&szlig; trotzdem die Reproduktion teils ganz unterbrochen ist, teil nur in verk&uuml;mmertem Umfange vonstatten geht. H
<P>Infolge solcher rein historisch-gesellschaftlichen Momente also gestaltet sich der Reproduktionsproze&szlig; der kapitalistischen Gesellschaft im ganzen zu einem eigenartigen, sehr verwickelten Problem. Schon das &auml;u&szlig;ere Charakteristikum des kapitalistischen Reproduktionsprozesses zeigt seine spezifische geschichtliche Eigent&uuml;mlichkeit: Er umfa&szlig;t nicht nur die Produktion, sondern auch die Zirkulation (Austauschproze&szlig;), er ist die Einheit beider.</P>
<P>Vor allem ist die kapitalistische Produktion eine solche zahlloser Privatproduzenten ohne jede planm&auml;&szlig;ige Regelung und der Austausch der einzige gesellschaftliche Zusammenhang zwischen ihnen. Die Reproduktion findet hier als Anhaltspunkt f&uuml;r die Bestimmung der gesellschaftlichen Bed&uuml;rfnisse immer nur die Erfahrungen der vorhergehenden Arbeitsperiode vor. Allein diese Erfahrungen sind Privaterfahrungen einzelner Produzenten, die nicht einen zusammenfassenden gesellchaftlichen Ausdruck finden. Ferner sind es immer nicht positive und direkte Erfahrungen &uuml;ber die Bed&uuml;rfnisse der Gesellschaft, sondern indirekte und negative, die aus der jeweiligen Bewegung der Preise einen R&uuml;ckschlu&szlig; &uuml;ber das Zuviel oder <A NAME="S13"><B>&lt;13&gt;</A></B> Zuwenig der hergestellten Produktenmasse im Verh&auml;ltnis zur zahlungsf&auml;higen Nachfrage erlauben. Die Reproduktion wird aber immer wieder unter Benutzung dieser Erfahrungen &uuml;ber die vergangene Produktionsperiode von einzelnen Privatproduzenten in Angriff genommen. Daraus kann sich in der folgenden Periode ebenfalls nur wiederum ein Zuviel oder Zuwenig ergeben, wobei einzelne Produktionszweige ihre eigenen Wege gehen und in dem einen sich ein Zuviel herausstellen kann, dagegen in einem anderen ein Zuwenig. Bei der gegenseitigen technischen Abh&auml;ngigkeit jedoch fast aller einzelnen Produktionszweige zieht ein Zuviel oder Zuwenig einiger gr&ouml;&szlig;erer f&uuml;hrender Produktionszweige auch die gleiche Erscheinung in den meisten &uuml;brigen Produktionszweigen nach sich. So ergibt sich von Zeit zu Zeit abwechselnd ein allgemeiner &Uuml;berflu&szlig; oder ein allgemeiner Mangel an Produkten im Verh&auml;ltnis zur Nachfrage der Gesellschaft. Daraus folgt schon, da&szlig; die Reproduktion in der kapitalistischen Gesellschaft eine eigent&uuml;mliche, von allen anderen geschichtlichen Produktionsformen verschiedene Gestalt annimmt. Erstens macht jeder Produktionszweig eine in gewissen Grenzen unabh&auml;ngige Bewegung durch, die von Zeit zu Zeit zu k&uuml;rzeren oder l&auml;ngeren Unterbrechungen in der Reproduktion f&uuml;hrt. Zweitens summieren sich die Abweichungen der Reproduktion in den einzelnen Zweigen von dem gesellschaftlichen Bed&uuml;rfnis periodisch zu einer allgemeinen Inkongruenz, worauf eine allgemeine Unterbrechung der Reproduktion folgt. Die kapitalistische Reproduktion bietet somit eine ganz eigent&uuml;mliche Figur. W&auml;hrend die Reproduktion unter jeder anderen Wirtschaftsform - abgesehen von &auml;u&szlig;eren, gewaltsamen Eingriffen - als ein ununterbrochener gleichm&auml;&szlig;iger Kreislaut verl&auml;uft, kann die kapitalistische Reproduktion - um einen bekannten Ausdruck Sismondis anzuwenden - nur als eine fortlaufende Reihe einzelner Spiralen dargestellt werden, deren Windungen anf&auml;nglich klein, dann immer gr&ouml;&szlig;er, zum Schlu&szlig; ganz gro&szlig; sind, worauf ein Zusammenschrumpfen folgt und die n&auml;chste Spirale wieder mit kleinen Windungen beginnt, um dieselbe Figur bis zur Unterbrechung durchzumachen.</P>
<P>Der periodische Wechsel der gr&ouml;&szlig;ten Ausdehnung der Reproduktion und ihres Zusammenschrumpfens bis zur teilweisen Unterbrechung, d.h. das, was man als den periodischen Zyklus der matten Konjunktur, Hochkonjunktur und Krise bezeichnet, ist die auff&auml;lligste Eigent&uuml;mlichkeit der kapitalistischen Reproduktion.</P>
<P>Es ist jedoch sehr wichtig von vornherein festzustellen, da&szlig; der periodische Wechsel der Konjunkturen und die Krise zwar wesentliche Momente der Reproduktion, aber nicht das Problem der kapitalistischen Re- <A NAME="S14"><B>&lt;14&gt;</A></B> produktion an sich, nicht das eigentliche Problem darstellen. Periodischer Konjunkturwechsel und Krise sind die spezifische <I>Form </I>der Bewegung bei der kapitalistischen Wirtschaftsweise, sie sind aber nicht die Bewegung selbst. Um das Problem der kapitalistischen Reproduktion in reiner Gestalt darzustellen, m&uuml;ssen wir vielmehr gerade von jenem periodischen Konjunkturwechsel und von Krisen absehen. So befremdend dies erscheinen mag, so ist es eine ganz rationelle Methode, ja die einzige wissenschaftlich gangbare Methode der Untersuchung. Um das Problem des Wertes rein darzustellen und zu l&ouml;sen, m&uuml;ssen wir von den Schwankungen der Preise absehen. Die vulg&auml;r&ouml;konomische Auffassung sucht stets das Wertproblem durch Hinweise auf die Schwankungen der Nachfrage und des Angebots zu l&ouml;sen. Die klassische &Ouml;konomie von Smith bis Marx hat die Sache umgekehrt angefa&szlig;t, indem sie erkl&auml;rte: Schwankungen im gegenseitigen Verh&auml;ltnis der Nachfrage und des Angebots k&ouml;nnen nur Abweichungen des Preises vom Wert, nicht aber den Wert selbst erkl&auml;ren. Um herauszufinden, was der Wert der Waren ist, m&uuml;ssen wir das Problem unter der Voraussetzung packen, da&szlig; sich Nachfrage und Angebot die Waage halten, d.h. der Preis und der Wert der Waren [sich] decken. Das wissenschaftliche Wertproblem beginnt also gerade dort, wo die Wirkung der Nachfrage und des Angebots aufh&ouml;rt. Genau dasselbe gilt f&uuml;r das Problem der Reproduktion des kapitalistischen Gesamtkapitals. Der periodische Wechsel der Konjunkturen und die Krisen bewirken, da&szlig; die kapitalistische Reproduktion als Regel um die zahlungsf&auml;higen Gesamtbed&uuml;rfnisse der Gesellschaft schwankt, sich bald von ihnen nach oben entfernt, bald unter sie bis zur nahezu v&ouml;lligen Unterbrechung sinkt. Nimmt man jedoch eine l&auml;ngere Periode, einen ganzen Zyklus mit wechselnden Konjunkturen, so wiegen sich Hochkonjunktur und Krise, d.h. die h&ouml;chste &Uuml;berspannung der Reproduktion mit ihrem Tiefstand und ihrer Unterbrechung, auf, und im Durchschnitt des ganzen Zyklus bekommen wir eine gewisse mittlere Gr&ouml;&szlig;e der Reproduktion. Dieser Durchschnitt ist nicht blo&szlig; ein theoretisches Gedankenbild, sondern auch ein realer, objektiver Tatbestand. Denn trotz des scharfen Auf und Ab der Konjunkturen, trotz Krisen werden die Bed&uuml;rfnisse der Gesellschaft schlecht oder recht befriedigt, die Reproduktion geht weiter ihren verschlungenen Gang, und die Produktivkr&auml;fte entwickeln sich immer mehr. Wie kommt dies nun zustande, wenn wir von Krise und Konjunkturwechsel absehen? - Hier beginnt die eigentliche Frage und der Versuch, das Reproduktionsproblem durch den Hinweis auf die Periodizit&auml;t der Krisen zu l&ouml;sen, ist im Grunde genommen ebenso vulg&auml;r&ouml;konomisch wie der Versuch, das Wertproblem <A NAME="S15"><B>&lt;15&gt;</A></B> durch Schwankungen von Nachfrage und Angebot zu l&ouml;sen. Trotzdem worden wir weiter sehen, da&szlig; die National&ouml;konomie best&auml;ndig diese Neigung verriet, das Problem der Reproduktion, kaum da&szlig; sie es halbwegs bewu&szlig;t aufgestellt oder wenigstens geahnt hatte, unversehens in das Krisenproblem zu verwandeln und sich so die L&ouml;sung selbst zu versperren. Wenn wir im folgenden von kapitalistischer Reproduktion sprechen, so ist darunter stets jener Durchschnitt zu verstehen, der sich als die mittlere Resultante des Konjunkturwechsels innerhalb eines Zyklus ergibt.</P>
<P>Die kapitalistische Gesamtproduktion wird durch eine schrankenlose. und best&auml;ndig schwankende Anzahl von Privatproduzenten bewerkstelligt, die unabh&auml;ngig voneinander, ohne jede gesellschaftliche Kontrolle au&szlig;er der Beobachtung der Preisschwankungen und ohne jeden gesellschaftlichen Zusammenhang au&szlig;er dem Warenaustausch produzieren. Wie kommt aus diesen zahllosen. unzusammenh&auml;ngenden Bewegungen die tats&auml;chliche Gesamtproduktion heraus? Wird die Frage so gestellt - und dies ist die erste allgemeine Form, unter der sich das Problem unmittelbar bietet, so wird dabei &uuml;bersehen, da&szlig; die Privatproduzenten in diesem Fall keine einfachen Warenproduzenten, sondern <I>kapitalistische</I> Produzenten sind und da&szlig; auch die Gesamtproduktion der Gesellschaft keine Produktion zur Befriedigung der Konsumbed&uuml;rfnisse schlechthin, auch keine einfache Warenproduktion, sondern <I>kapitalistische</I> Produktion ist. Sehen wir zu, welche Ver&auml;nderungen im Problem dies mit sich bringt.</P>
<P>Der Produzent, der nicht blo&szlig; Waren, sondern Kapital produziert, mu&szlig; vor allem Mehrwert erzeugen. Mehrwert ist das Endziel und das bewegende Motiv des kapitalistischen Produzenten. Die hergestellten Waren m&uuml;ssen ihm, nachdem sie realisiert werden, nicht nur alle seine Auslagen, sondern dar&uuml;ber hinaus eine Wertgr&ouml;&szlig;e eintragen, der keine Auslage auf seiner Seite entspricht, die reiner &Uuml;berschu&szlig; ist. Vom Standpunkte dieser Mehrwerterzeugung zerf&auml;llt das vom Kapitalisten vorgeschossene Kapital. ohne da&szlig; er es wei&szlig; und entgegen den Flausen, die er sich und der Welt &uuml;ber stehendes und umlaufendes Kapital vormacht, in einen Teil, der seine Auslagen f&uuml;r Produktionsmittel: Arbeitsr&auml;ume, Roh- und Hilfsstoffe, Instrumente, darstellt, und einen anderen Teil, der in Arbeitsl&ouml;hnen verausgabt wird. Den ersteren, der seine Wertgr&ouml;&szlig;e durch Gebrauch im Arbeitsproze&szlig; unver&auml;ndert auf das Produkt &uuml;bertr&auml;gt, nennt Marx den konstanten, den letzteren, der durch Aneignung unbezahlter Lohnarbeit zum Wertzuwachs, zur Erzeugung von Mehrwert f&uuml;hrt, den variablen Kapitalteil. Von diesem Standpunkt entspricht die Wertzusammensetzung jeder kapitalistisch hergestellten Ware normalerweise der Formel c + v + m, wo- <A NAME="S16"><B>&lt;16&gt;</A></B> bei c den ausgelegten konstanten Kapitalwert, d.h. den auf die Ware &uuml;bertragenen Wertteil der gebrauchten toten Produktionsmittel darstellt, v den ausgelegten variablen, d.h. in L&ouml;hnen verausgabten Kapitalteil bedeutet, endlich m den Mehrwert, d.h. den aus dem unbezahlten Teil der Lohnarbeit herr&uuml;hrenden Wertzuwachs repr&auml;sentiert. Alle drei Wertteile stecken zusammen in der konkreten Gestalt der hergestellten Ware - jedes einzelnen Exemplars wie der gesamten Warenmasse als Einheit betrachtet, ob es sich um Baumwollgewebe oder Ballettdarbietungen, gu&szlig;eiserne R&ouml;hren oder liberale Zeitungen handelt. Die Herstellung der Waren ist nicht Zweck f&uuml;r den kapitalistischen Produzenten, sondern blo&szlig; Mittel zur Aneignung des Mehrwerts. Solange aber der Mehrwert in der Warengestalt steckt, ist er f&uuml;r den Kapitalisten unbrauchbar. Er mu&szlig;, nachdem er hergestellt, realisiert, in seine reine Wertgestalt, d.h. in Geld, verwandelt werden. Damit dies geschieht und der Mehrwert in Geldgestalt vom Kapitalisten angeeignet wird, m&uuml;ssen auch seine gesamten Kapitalauslagen die Warenform abstreifen und in Geldform zu ihm zur&uuml;ckkehren. Erst wenn dies gelungen. wenn die gesamte Warenmasse also nach ihrem Wert gegen Geld ver&auml;u&szlig;ert ist, ist der Zweck der Produktion erreicht. Die Formel c + v + m bezieht sich dann genau so, wie fr&uuml;her auf die Wertzusammensetzung der Waren, jetzt auf die quantitative Zusammensetzung des aus dem Warenverkauf gel&ouml;sten Geldes: Ein Teil davon (c) erstattet dem Kapitalisten seine Auslagen an verbrauchten Produktionsmitteln, ein anderer (v) seine Auslagen an Arbeitsl&ouml;hnen. der letzte (m) bildet den erwarteten &Uuml;berschu&szlig;, den "Reingewinn" des Kapitalisten in bar.<A NAME="ZF2"><A HREF="lu05_009.htm#F2">(2)</A></A> Diese Verwandlung des Kapitals aus urspr&uuml;nglicher Gestalt, die den Ausgangspunkt jeder kapitalistischen Produktion darstellt, in tote und lebendige Produktionsmittel (d.h. Rohstoffe, Instrumente und Arbeitskraft), aus diesen durch lebendigen Arbeitsproze&szlig; in Waren und endlich aus Waren durch den Austauschproze&szlig; wieder in Geld, und zwar in mehr Geld als im Anfangsstadium, dieser Umschlag des Kapitals ist jedoch nicht nur zur Produktion und Aneignung von Mehrwert n&ouml;tig. Zweck und treibendes Motiv der kapitalistischen Produktion ist nicht Mehrwert schlechthin, in beliebiger Menge, in einmaliger Aneignung, sondern Mehrwert schrankenlos, in unaufh&ouml;rlichem Wachstum. in einer immer gr&ouml;&szlig;eren Menge. Dies kann aber immer wieder nur durch dasselbe Zaubermittel: durch kapitalistische Produktion, d.h. durch Aneignung unbezahlter Lohnarbeit im Proze&szlig; der <A NAM
<P>Jetzt gelangen wir zu einem zweiten wichtigen Umstand. Die Bestimmung des Umfangs der Reproduktion liegt - bei der privaten Wirtschaftsweise - im Belieben und Gutd&uuml;nken des Einzelkapitalisten. Sein treibendes Motiv ist aber Mehrwertaneignung, und zwar m&ouml;glichst rasch progressierende Mehrwertaneignung. Eine Beschleunigung in der Mehrwertaneignung ist jedoch nur m&ouml;glich durch Erweiterung der kapitalistischen Produktion, die den Mehrwert schafft. Der Gro&szlig;betrieb hat bei der Mehrwerterzeugung in jeder Hinsicht Vorteile gegen&uuml;ber dem Kleinbetrieb. Die kapitalistische Produktionsweise erzeugt also nicht blo&szlig; ein st&auml;ndiges <A NAME="S18"><B>&lt;18&gt;</A></B> Motiv zur Reproduktion &uuml;berhaupt, sondern auch ein Motiv zur st&auml;ndigen <I>Erweiterung </I>der Reproduktion, zur Wiederaufnahme der Produktion in gr&ouml;&szlig;erem Umfang als bisher.</P>
<P>Nicht genug. Die kapitalistische Produktionsweise schafft nicht blo&szlig; im Mehrwerthunger des Kapitalisten die treibende Kraft zur rastlosen Erweiterung der Reproduktion, sondern sie verwandelt diese Erweiterung geradezu in ein Zwangsgesetz, in eine wirtschaftliche Existenzbedingung f&uuml;r den Einzelkapitalisten. Unter der Herrschaft der Konkurrenz besteht die wichtigste Waffe des Einzelkapitalisten im Kampf um den Platz auf dem Absatzmarkt in der Billigkeit der Waren. Alle dauernden Methoden zur Herabsetzung der Herstellungskosten der Waren - die nicht durch Herabdr&uuml;ckung der L&ouml;hne oder Verl&auml;ngerung der Arbeitszeit eine Extrasteigerung des Mehrwerts erzielen und selbst auf mancherlei Hindernisse sto&szlig;en k&ouml;nnen - laufen aber auf eine Erweiterung der Produktion hinaus. Ob es sich um Ersparnisse an Baulichkeiten und Werkzeugen handelt oder um Anwendung leistungsf&auml;higerer Produktionsmittel oder um weitgehende Ersetzung der Handarbeit durch Maschinen oder um rapide Ausnutzung einer g&uuml;nstigen Marktkonjunktur zur Anschaffung billiger Rohstoffe - in allen F&auml;llen hat der Gro&szlig;betrieb Vorteile vor dem Klein- und Mittelbetrieb.</P>
<P>Diese Vorteile wachsen in sehr weiten Grenzen zusammen mit der Ausdehnung des Betriebes. Die Konkurrenz selbst zwingt deshalb jede Vergr&ouml;&szlig;erung eines Teils der kapitalistischen Betriebe den anderen als Existenzbedingung auf. So ergibt sich eine unaufh&ouml;rliche Tendenz zur Ausdehnung der Reproduktion, die sich unaufh&ouml;rlich mechanisch, wellenartig &uuml;ber die ganze Oberfl&auml;che der Privatproduktion verbreitet.</P>
<P>F&uuml;r den Einzelkapitalisten &auml;u&szlig;ert sich die Erweiterung der Reproduktion darin, da&szlig; er einen Teil des angeeigneten Mehrwerts zum Kapital schl&auml;gt, <I>akkumuliert</I>. Akkumulation, Verwandlung des Mehrwerts in t&auml;tiges Kapital, ist der kapitalistische Ausdruck der erweiterten Reproduktion.</P>
<P>Die erweiterte Reproduktion ist keine Erfindung des Kapitals. Sie bildet vielmehr seit jeher die Regel in jeder historischen Gesellschaftsform, die wirtschaftlichen und kulturellen Fortschritt aufweist. Die einfache Reproduktion - die blo&szlig;e st&auml;ndige Wiederholung des Produktionsprozesses im fr&uuml;heren Umfang - ist zwar m&ouml;glich und kann auf langen Zeitstrecken der gesellschaftlichen Entwicklung beobachtet werden. So z.B. in den uraltert&uuml;mlichen agrarkommunistischen Dorfgemeinden, in denen der Zuwachs der Bev&ouml;lkerung nicht durch eine allm&auml;hliche Erweiterung der Produktion, sondern durch periodische Ausscheidung des Nachwuchses und <A NAME="S19"><B>&lt;19&gt;</A></B> Gr&uuml;ndung von ebenso winzigen, sich selbst gen&uuml;genden Filialgemeinden ber&uuml;cksichtigt wird. Ebenso bieten die alten kleinen Handwerksbetriebe in Indien oder China das Beispiel einer von Generation auf Generation vererbten traditionellen Wiederholung der Produktion in denselben Formen und demselben Umfang. Doch ist in allen solchen F&auml;llen die einfache Reproduktion Grundlage und sicheres Zeichen des allgemeinen wirtschaftlichen und kulturellen Stillstands. Alle entscheidenden Produktionsfortschritte und Kulturdenkm&auml;ler, wie die gro&szlig;en Wasserwerke des Orients, die &auml;gyptischen Pyramiden, die r&ouml;mischen Heerstra&szlig;en, die griechischen K&uuml;nste und Wissenschaften, die Entwicklung des Handwerks und der St&auml;dte im Mittelalter, w&auml;ren unm&ouml;glich ohne erweiterte Reproduktion, denn nur eine stufenweise Ausdehnung der Produktion &uuml;ber die unmittelbaren Bed&uuml;rfnisse hinaus und das st&auml;ndige Wachstum der Bev&ouml;lkerung wie ihrer Bed&uuml;rfnisse bilden zugleich die wirtschaftliche Grundlage und den sozialen Antrieb zu entscheidenden Kulturfortschritten. Namentlich der Austausch und mit ihm die Entstehung der Klassengesellschaft und ihre historischen Fortschritte bis zur kapitalistischen Wirtschaftsform w&auml;ren undenkbar ohne erweiterte Reproduktion. In der kapitalistischen Gesellschaft jedoch kommen der erweiterten Reproduktion einige neue Charaktere zu. Zun&auml;chst wird sie hier, wie bereits angef&uuml;hrt, zum Zwangsgesetz f&uuml;r den Einzelkapitalisten. Einfache Reproduktion, selbst R&uuml;ckgang in der Reproduktion sind zwar auch bei der kapitalistischen Produktionsweise nicht ausgeschlossen, sie bilden vielmehr periodische Erscheinungen der Krisen nach der ebenso periodischen &Uuml;berspannung der erweiterten Reproduktion in der Hochkonjunktur. Doch geht die allgemeine Bewegung der Reproduktion - &uuml;ber die periodischen Schwankungen des zyklischen Konjunkturwechsels hinweg - in der Richtung einer unaufh&ouml;rlichen Erweiterung. F&uuml;r den Einzelkapitalisten bedeutet die Unm&ouml;glichkeit, mit dieser allgemeinen Bewegung Schritt zu halten, das Ausscheiden aus dem Konkurrenzkampf, den wirtschaftlichen Tod.</P>
<P>Ferner kommt noch anderes hinzu. Bei jeder rein oder vorwiegend naturalwirtschaftlichen Produktionsweise - in einer agrarkommunistischen Dorfgemeinde Indiens oder in einer r&ouml;mischen Villa mit Sklavenarbeit oder im feudalen Fronhof des Mittelalters - bezieht sich Begriff und Zweck der erweiterten Reproduktion nur auf die Produktenmenge, auf die Masse der hergestellten Konsumgegenst&auml;nde. Die Konsumtion als Zweck beherrscht den Umfang und Charakter sowohl des Arbeitsprozesses im einzelnen wie der Reproduktion im allgemeinen. Anders unter der kapitalistischen Wirtschaftsweise. Die kapitalistische Produktion ist nicht <A NAME="S20"><B>&lt;20&gt;</A></B> eine solche zu Konsumtionszwecken, sondern eine Wertproduktion. Die Wertverh&auml;ltnisse beherrschen den gesamten Produktions- wie Reproduktionsproze&szlig;. Kapitalistische Produktion ist nicht Produktion von Konsumgegenst&auml;nden, auch nicht von Waren schlechthin, sondern von Mehrwert. Erweiterte Reproduktion bedeutet also kapitalistisch: Ausdehnung der Mehrwertproduktion. Die Mehrwertproduktion geht zwar in der Form der Warenproduktion, in letzter Linie also Produktion von Konsumgegenst&auml;nden, vor sich. Allein in der Reproduktion werden diese zwei Gesichtspunkte durch Verschiebungen in der Produktivit&auml;t der Arbeit immer wieder getrennt. Dieselbe Kapitalgr&ouml;&szlig;e und Mehrwertgr&ouml;&szlig;e wird sich durch Steigerung der Produktivit&auml;t fortschreitend in einer gr&ouml;&szlig;eren Menge Konsumgegenst&auml;nde darstellen. Die Produktionserweiterung im Sinne der Herstellung einer gr&ouml;&szlig;eren Masse von Gebrauchswerten braucht also an sich noch nicht erweiterte Reproduktion im kapitalistischen Sinne zu sein. Umgekehrt kann das Kapital ohne &Auml;nderung in der Produktivit&auml;t der Arbeit in gewissen Schranken durch Steigerung der Ausbeutungsstufe - zum Beispiel durch Herabdr&uuml;ckung der L&ouml;hne - einen gr&ouml;&szlig;eren Mehrwert herausschlagen. ohne eine gr&ouml;&szlig;ere Produktenmenge herzustellen. Aber in diesem wie in jenem Fall werden gleicherma&szlig;en die Elemente der erweiterten Reproduktion im kapitalistischen Sinne hergestellt. Denn diese Elemente sind: Mehrwert sowohl als Wertgr&ouml;&szlig;e wie als Summe von sachlichen Produktionsmitteln. Die Erweiterung der Mehrwertproduktion wird, als Regel betrachtet, durch Vergr&ouml;&szlig;erung des Kapitals bewirkt, diese aber durch Hinzuschlagen eines Teils des angeeigneten Mehrwerts zum Kapital. Dabei ist es gleichg&uuml;ltig, ob der kapitalistische Mehrwert zur Erweiterung der alten Unternehmung oder als selbst&auml;ndiger Ableger zu Neugr&uuml;ndungen verwendet wird. Die erweiterte Reproduktion im kapitalistischen Sinne bekommt also den spezifischen Ausdruck des Kapitalwachstums durch progressive Kapitalisierung des Mehrwerts oder, wie Marx dies rennt, <I>Kapitalakkumulation</I>. Die allgemeine Formel der erweiterten Reproduktion unter der Herrschaft des Kapitals stellt sich also folgenderma&szlig;en dar: </P>
<P ALIGN="CENTER">(c + v) + <FONT SIZE="-1"><SUP>m</SUP></FONT>/<FONT size="-2">x</FONT> + m'</P>
<P>wobei <FONT SIZE="-1"><SUP>m</SUP></FONT>/<FONT size="-2">x</FONT> den kapitalisierten Teil des in der fr&uuml;heren Produktionsperiode angeeigneten Mehrwerts darstellt, m' den neuen, aus dem gewachsenen Kapital erzeugten Mehrwert. Dieser neue Mehrwert wird zu einem Teil wieder kapitalisiert. Der st&auml;ndige Flu&szlig; dieser abwechselnden Mehrwertaneignung und Mehrwertkapitalisierung, die sich wechselseitig bedingen, bildet den Proze&szlig; der erweiterten Reproduktion im kapitalistischen Sinne.</P>
<B><P><A NAME="S21">&lt;21&gt;</A></B> Allein hier sind wir erst bei der allgemeinen, abstrakten Formel der Reproduktion. Betrachten wir n&auml;her die konkreten Bedingungen, die zur Verwirklichung dieser Formel erforderlich sind.</P>
<P>Der angeeignete Mehrwert stellt sich, nachdem er auf dem Markt gl&uuml;cklich die Warenform abgestreift hat, als eine bestimmte Geldsumme dar. In dieser Form hat er die absolute Wertgestalt, in der er seine Laufbahn als Kapital beginnen kann. Aber in dieser Gestalt steht er zugleich erst an der Schwelle seiner Laufbahn. Mit Geld kann man keinen Mehrwert schaffen</P>
<P>Damit der zur Akkumulation bestimmte Teil des Mehrwerts auch wirklich kapitalisiert wird, mu&szlig; er die konkrete Gestalt annehmen, die ihn erst bef&auml;higt, als produktives, d.h. neuen Mehrwert heckendes Kapital zu wirken. Dazu ist es notwendig, da&szlig; er, genau wie das Originalkapital, in zwei Teile zerf&auml;llt, in einen konstanten, in toten Produktionsmitteln und einen variablen, in Arbeitsl&ouml;hnen dargestellten Teil. Erst dann wird er, nach dem Vorbild des alten Kapitals, in die Formel c + v + m gebracht werden k&ouml;nnen.</P>
<P>Dazu gen&uuml;gt aber nicht der gute Wille des Kapitalisten zu akkumulieren, auch nicht seine "Sparsamkeit" und "Enthaltsamkeit", womit er den gr&ouml;&szlig;eren Teil seines Mehrwerts zur Produktion verwendet, statt ihn in pers&ouml;nlichem Luxus ganz zu verjubeln. Dazu ist vielmehr erforderlich, da&szlig; er auf dem Warenmarkt die konkreten Gestalten vorfindet, die er seinem neuen Kapitalzuwachs zu geben gedenkt, also erstens gerade die sachlichen Produktionsmittel - Rohstoffe, Maschinen usw. -, deren er zu der von ihm geplanten und gew&auml;hlten Produktionsart bedarf, um dem konstanten Kapitalteil die produktive Form zu geben. Zweitens aber mu&szlig; auch die als variabler Teil bestimmte Kapitalportion die Verwandlung vornehmen k&ouml;nnen, und hierf&uuml;r ist zweierlei notwendig: vor allem, da&szlig; sich auf dem Arbeitsmarkt die zusch&uuml;ssigen Arbeitskr&auml;fte in gen&uuml;gender Anzahl vorfinden. deren es gerade bedarf, um den neuen Kapitalzuwachs in Bewegung zu setzen, und ferner, da&szlig; - da die Arbeiter nicht von Geld leben k&ouml;nnen - auf dem Warenmarkt auch die zusch&uuml;ssigen Lebensmittel sich vorfinden, gegen die die neu zu besch&auml;ftigenden Arbeiter den vom Kapitalisten erhaltenen variablen Kapitalteil auszutauschen in der Lage sind.</P>
<P>Sind alle diese Vorbedingungen vorhanden, dann kann der Kapitalist seinen kapitalisierten Mehrwert in Bewegung setzen, ihn als prozessierendes Kapital neuen Mehrwert erzeugen lassen. Damit ist die Aufgabe noch nicht endg&uuml;ltig gel&ouml;st. Das neue Kapital mitsamt dem erzeugten Mehrwert <A NAME="S22"><B>&lt;22&gt;</A></B> steckt vorerst noch in Gestalt einer neuen zusch&uuml;ssigen Warenmasse irgendeiner Gattung. In dieser Gestalt ist das neue Kapital nur noch erst vorgeschossen und der von ihm erzeugte Mehrwert erst in seiner f&uuml;r den Kapitalisten unbrauchbaren Form. Damit das neue Kapital seinen Lebenszweck erf&uuml;llt, mu&szlig; es seine Warengestalt abstreifen und mitsamt dem von ihm erzeugten Mehrwert in reiner Wertform, als Geld, in die Hand des Kapitalisten zur&uuml;ckkehren. Gelingt das nicht, dann sind neues Kapital und Mehrwert ganz oder teilweise verloren, die Kapitalisierung des Mehrwerts ist fehlgeschlagen, die Akkumulation hat nicht stattgefunden. Damit die Akkumulation tats&auml;chlich vollzogen wird, ist also unbedingt erforderlich, da&szlig; die von dem neuen Kapital erzeugte zusch&uuml;ssige Warenmenge auf dem Markt einen Platz f&uuml;r sich erobert, um realisiert werden zu k&ouml;nnen.</P>
<P>So sehen wir, da&szlig; die erweiterte Reproduktion unter kapitalistischen Bedingungen, d.h. als Kapitalakkumulation, an eine ganze Reihe eigent&uuml;mlicher Bedingungen gekn&uuml;pft ist. Fassen wir sie genau ins Auge. Erste Bedingung: Die Produktion mu&szlig; Mehrwert erzeugen, denn der Mehrwert ist die elementare Form, unter der der Produktionszuwachs kapitalistisch allein m&ouml;glich ist. Diese Bedingung mu&szlig; im Produktionsproze&szlig; selbst, im Verh&auml;ltnis zwischen Kapitalist und Arbeiter, in der Warenproduktion eingehalten werden. Zweite Bedingung: Damit der Mehrwert, der zur Erweiterung der Reproduktion bestimmt ist, angeeignet wird, mu&szlig; er, nachdem die erste Bedingung eingehalten, erst realisiert, in Geldform gebracht werden. Diese Bedingung f&uuml;hrt uns auf den Warenmarkt, wo die Chancen des Austausches &uuml;ber die weiteren Schicksale des Mehrwerts, also auch der k&uuml;nftigen Reproduktion, entscheiden. Dritte Bedingung: Vorausgesetzt, da&szlig; die Realisierung des Mehrwerts gelungen und ein Teil des realisierten Mehrwerts zum Kapital zwecks Akkumulation geschlagen worden ist, mu&szlig; das neue Kapital erst die produktive Gestalt, d.h. die Gestalt von toten Produktionsmitteln und Arbeitskr&auml;ften annehmen, ferner mu&szlig; der gegen Arbeitskr&auml;fte ausgetauschte Kapitalteil die Gestalt von Lebensmitteln f&uuml;r die Arbeiter annehmen. Diese Bedingung f&uuml;hrt uns wieder auf den Warenmarkt und auf den Arbeitsmarkt. Ist hier das N&ouml;tige gefunden, hat erweiterte Reproduktion der Waren stattgefunden, dann tritt die vierte Bedingung hinzu: Die zusch&uuml;ssige Warenmenge, die das neue Kapital samt neuem Mehrwert darstellt, mu&szlig; realisiert, in Geld umgewandelt werden. Erst wenn dies gelungen, hat die erweiterte Reproduktion im kapitalistischen Sinne stattgefunden. Diese letzte Bedingung f&uuml;hrt uns wieder auf den Warenmarkt.</P>
<B><P><A NAME="S23">&lt;23&gt;</A></B> So spielt die kapitalistische Reproduktion wie die Produktion fortw&auml;hrend zwischen der Produktionsst&auml;tte und dem Warenmarkt, zwischen dem Privatkontor und Fabrikraum, zu denen "Unbefugten der Zutritt streng verboten" und wo des Einzelkapitalisten souver&auml;ner Wille h&ouml;chstes Gesetz ist, und dem Warenmarkt, dem niemand Gesetze vorschreibt und wo kein Wille und keine Vernunft sich geltend machen. Aber gerade in der Willk&uuml;r und Anarchie, die auf dem Warenmarkt herrschen, macht sich dem Einzelkapitalisten seine Abh&auml;ngigkeit von der Gesellschaft, von der Gesamtheit der produzierenden und konsumierenden Einzelglieder f&uuml;hlbar. Zur Erweiterung seiner Reproduktion braucht er zusch&uuml;ssige Produktionsmittel und Arbeitskr&auml;fte nebst Lebensmitteln f&uuml;r diese, aber das Vorhandensein solcher h&auml;ngt von Momenten, Umst&auml;nden, Vorg&auml;ngen ab, die hinter seinem R&uuml;cken, ganz unabh&auml;ngig von ihm sich vollziehen. Um seine vergr&ouml;&szlig;erte Produktenmasse realisieren zu k&ouml;nnen, braucht er einen erweiterten Absatzmarkt, aber die tats&auml;chliche Erweiterung der Nachfrage im allgemeinen wie insbesondere nach seiner Warengattung ist eine Sache, der gegen&uuml;ber er v&ouml;llig machtlos ist.</P>
<P>Die aufgez&auml;hlten Bedingungen, die alle den immanenten Widerspruch zwischen privater Produktion und Konsumtion und gesellschaftlichem Zusammenhang beider zum Ausdruck bringen, sind keine neuen Momente, die erst bei der Reproduktion auftreten. Es sind die allgemeinen Widerspr&uuml;che der kapitalistischen Produktion. Sie bieten sich jedoch als besondere Schwierigkeiten des Reproduktionsprozesses dar, und zwar aus folgenden Gr&uuml;nden: Unter dem Gesichtswinkel der Reproduktion, namentlich der erweiterten Reproduktion, erscheint die kapitalistische Produktionsweise nicht blo&szlig; in ihren allgemeinen Grundcharakteren, sondern auch in einem bestimmten Bewegungsrhythmus als ein Proze&szlig; in seinem Fortgang, wobei das spezifische Ineinandergreifen der einzelnen Zahnr&auml;der seiner Produktionsperioden zum Vorschein kommt. Unter diesem Gesichtswinkel lautet also die Frage nicht in ihrer Allgemeinheit: Wie vermag jeder Einzelkapitalist die Produktionsmittel und Arbeitskr&auml;fte vorzufinden, die er braucht, und die Waren auf dem Markt abzusetzen, die er hat produzieren lassen, obwohl es gar keine gesellschaftliche Kontrolle und Planm&auml;&szlig;igkeit gibt, die Produktion und Nachfrage miteinander in Einklang bringen w&uuml;rde. Die Antwort auf diese Frage lautet: Einerseits sorgen der Drang der Einzelkapitale nach Mehrwert und die Konkurrenz unter ihnen wie auch die automatischen Wirkungen der kapitalistischen Ausbeutung und der kapitalistischen Konkurrenz daf&uuml;r, da&szlig; sowohl jegliche Waren, also auch Produktionsmittel hergestellt werden <A NAME="S24"><B>&lt;24&gt;</A></B> wie da&szlig; eine wachsende Klasse proletarisierter Arbeiter im allgemeinen zur Verf&uuml;gung des Kapitals stehen. Andererseits &auml;u&szlig;ert sich die Planlosigkeit dieser Zusammenh&auml;nge darin, da&szlig; das Klappen von Nachfrage und Angebot auf allen Gebieten nur durch st&auml;ndige Abweichungen von ihrer &Uuml;bereinstimmung, durch Preisschwankungen st&uuml;ndlich und durch Konjunkturschwankungen und Krisen periodisch, durchgesetzt wird.</P>
<P>Unter dem Gesichtswinkel der Reproduktion lautet die Frage anders: Wie ist es m&ouml;glich, da&szlig; die planlos vor sich gehende Versorgung des Marktes mit Produktionsmitteln und Arbeitskr&auml;ften wie die planlos und unberechenbar sich ver&auml;ndernden Absatzbedingungen dem Einzelkapitalisten die jeweilig seinen Akkumulationsbed&uuml;rfnissen entsprechenden, also in einem bestimmten Quantit&auml;tsverh&auml;ltnis wachsenden Mengen und Gattungen Produktionsmittel, Arbeitskr&auml;fte und Absatzm&ouml;glichkeiten sichern? Fassen wir die Sache pr&auml;ziser. Der Kapitalist produziere nach der uns bekannten Formel in folgendem Verh&auml;ltnis: 40 c + 10 v + 10 m, wobei das konstante Kapital viermal so gro&szlig; wie das variable, die Ausbeutungsrate 100 Prozent sei. Die Warenmasse wird alsdann einen Wert von 60 darstellen. Nehmen wir an, der Kapitalist sei in der Lage, die H&auml;lfte seines Mehrwertes zu kapitalisieren, und schlage sie zum alten Kapital nach derselben Zusammensetzung des Kapitals. Die n&auml;chste Produktionsperiode w&uuml;rde dann in der Formel zum Ausdruck kommen 44 c + 11 v + 11 m = 66. Nehmen wir an, da&szlig; der Kapitalist auch weiter in der Lage ist, die H&auml;lfte seines Mehrwertes zu kapitalisieren und so jedes Jahr. Damit er dies bewerkstelligen kann, ist erforderlich, da&szlig; er nicht blo&szlig; &uuml;berhaupt, sondern in der bestimmten Progression Produktionsmittel, Arbeitskr&auml;fte und Absatzgebiet vorfindet, die seinem Akkumulationsfortschritt entsprechen.</P>
<P><HR></P>
<P>Fu&szlig;noten von Rosa Luxemburg</P>
<P><A NAME="F1">(1)</A> K. Marx. Das Kapital. Bd. I, 4. Auf., 1890, S. 529. [Karl Marx: Das Kapital, Erster Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, <A HREF="../../me/me23/me23_589.htm#S591">Bd. 23, S. 591</A>. <A HREF="lu05_009.htm#ZF1">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F2">(2)</A> In dieser Darstellung nehmen wir Mehrwert als identisch mit Profit an, was ja f&uuml;r die Gesamtproduktion, auf die es weiter allein ankommt, zutrifft. Auch sehen wir von der Spaltung des Mehrwerts in seine Einzelteile: Unternehmensgewinn, Kapitalzins, Rente, ab, da sie f&uuml;r das Problem der Reproduktion zun&auml;chst belanglos ist. <A HREF="lu05_009.htm#ZF2">&lt;=</A> </P></BODY>
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