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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<TITLE>Karl Marx - Seife fuers Volk - Ein guter Bissen fuer die "Times" - Das Koalitionsbudget</TITLE>
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<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 9, S. 75-82<BR>
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1960</P>
</FONT><H2>Karl Marx</H2>
<H1>Seife f&uuml;rs Volk -<BR>
Ein guter Bissen f&uuml;r die "Times" -<BR>
Das Koalitionsbudget</H1>
<FONT SIZE=2><P>Geschrieben etwa am 25. April 1853.<BR>
Aus dem Englischen.</P>
</FONT><P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["The People's Paper" Nr. 52 vom 30. April 1853]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S75">&lt;75&gt;</A></B> Jedermann wei&szlig;, da&szlig; ein Budget nichts anderes ist als ein Voranschlag der voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben des Staates f&uuml;r das laufende Jahr, der auf den Finanzerfahrungen beruht, d.h. auf der Bilanz des verflossenen Jahres.</P>
<P>Das erste also, was Herr Gladstone produzierte, war der Finanzausweis f&uuml;r das Jahr 1852/1853. Herr Disraeli hatte als Schatzkanzler in seinem Bericht die voraussichtlichen Einnahmen f&uuml;r 1852/1853 auf 52.325.000 Pfd.St. und die Ausgaben f&uuml;r die gleiche Periode auf 51.163.000 Pfd.St. gesch&auml;tzt; er hatte also mit einem &Uuml;berschu&szlig; von 1.162.000 Pfd.St. gerechnet. Herr Gladstone, der anhand der B&uuml;cher die wirkliche Bilanz zieht, macht dabei die Entdeckung, da&szlig; die tats&auml;chlichen Einnahmen im vorigen Jahre 53.089.000 Pfd.St. und die tats&auml;chlichen Ausgaben nur 50.782.000 Pfd.St. betrugen, da&szlig; sich also ein &Uuml;berschu&szlig; von 2.307.000 Pfd.St. ergibt oder, wie Gladstone (auf f&uuml;r uns unverst&auml;ndliche Weise) errechnet, von 2.460.000 Pfd.St.</P>
<P>Da es nun einmal zur Gewohnheit geworden ist oder besser gesagt, das Parlament sich daran gew&ouml;hnt hat, im Schatzkanzler den geheimnisvollen Hexenmeister zu sehen, der mit irgendwelchen mysteri&ouml;sen Tricks, die niemand kennt, die ganze Jahreseinnahme des Staates herbeizaubert, so ist es nicht erstaunlich, wenn diese gewichtige Pers&ouml;nlichkeit, wer sie auch sein mag, sich sorgf&auml;ltig bem&uuml;ht, diese schmeichelhafte Illusion nicht zu zerst&ouml;ren. Daraus folgt, da&szlig; man - wenn es der Nation durch Ausdehnung der Produktion gelingen sollte, den Betrag der Steuereink&uuml;nfte &uuml;ber den Voranschlag hinaus zu steigern -, davon &uuml;berzeugt sein kann, da&szlig; der Finanzminister, der durch dieses Verfahren mehr als das Doppelte des von seinem Vorg&auml;nger versprochenen &Uuml;berschusses ausweisen kann, zweifellos das gr&ouml;&szlig;ere Finanzgenie <A NAME="S76"><B>&lt;76&gt;</A></B> ist. Dieser heitere Gedanke Gladstones wurde im Parlament von den Anh&auml;ngern der Koalitionsoligarchie heiter aufgenommen und bejubelt.</P>
<I><P>Zwei Millionen vierhundertsechzigtausend Pfund Sterling &Uuml;berschu&szlig;!</P>
</I><P>Aber nicht einen Heller von diesen zwei Millionen will das Parlament dem Volke zukommen lassen. Und wof&uuml;r sollen sie verwendet werden? Gladstone spricht sich dar&uuml;ber aus:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Wie g&uuml;nstig dieser Bericht auch scheinen mag, so darf das Haus dar&uuml;ber doch nicht vergessen, da&szlig; auf Kosten dieses &Uuml;berschusses schon gro&szlig;e Extrabewilligungen f&uuml;r das laufende Budget gemacht wurden."</P>
</FONT><P>Das Parlament war schon durch Disraeli informiert, da&szlig; auf jeden Fall ein &Uuml;berschu&szlig; von mehr als einer Million Pfund Sterling dasein werde. Es bewilligte also, nachdem es sich als Budgetausschu&szlig; konstituiert hatte, leichten Herzens noch folgende zus&auml;tzliche Summen &uuml;ber den Voranschlag hinaus:</P>
<P ALIGN="CENTER"><CENTER><TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=2 WIDTH=448>
<TR><TD WIDTH="73%" VALIGN="TOP">
<P>F&uuml;r die Flotte, einschlie&szlig;lich Postschiffsdienst</TD>
<TD WIDTH="27%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">617.000 Pfd.St.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="73%" VALIGN="TOP">
<P>F&uuml;r Armee und Kommissariat</TD>
<TD WIDTH="27%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">90.000 Pfd.St.</TD>
</TR>
</TABLE>
</CENTER></P>
<P>Au&szlig;erdem kommen, wie Herr Gladstone ank&uuml;ndigt, zu diesen Summen noch folgende hinzu:</P>
<P ALIGN="CENTER"><CENTER><TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=2 WIDTH=447>
<TR><TD WIDTH="73%" VALIGN="TOP">
<P>F&uuml;r den Krieg gegen die Kaffern (kein Frieden?)</TD>
<TD WIDTH="27%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">270.000 Pfd.St.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="73%" VALIGN="TOP">
<P>Erh&ouml;hung der Ausgaben f&uuml;r das Feldzeugamt</TD>
<TD WIDTH="27%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">616.000 Pfd.St.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="73%" VALIGN="TOP">
<P>Erh&ouml;hung der Ausgaben f&uuml;r Miliz</TD>
<TD WIDTH="27%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">230.000 Pfd.St.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="73%" VALIGN="TOP">
<P>&Ouml;ffentliche (lies private) Schulen</TD>
<TD WIDTH="27%" VALIGN="TOP">
<U><P ALIGN="RIGHT">&nbsp;&nbsp;&nbsp;100.000 Pfd.St.</U></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="73%" VALIGN="TOP">
<P>Insgesamt</TD>
<TD WIDTH="27%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">1.923.000 Pfd.St.</TD>
</TR>
</TABLE>
</CENTER></P>
<P>Auch hier errechnet Gladstone wahrscheinlich, indem er die Ausgaben f&uuml;r den Krieg gegen die Kaffern seiner Ungewi&szlig;heit wegen wegl&auml;&szlig;t, eine Gesamtsumme von nur 1.654.000 Pfd.St. Zieht man diese Summe von dem urspr&uuml;nglichen (nur nominellen) &Uuml;berschu&szlig; von 2.460.000 Pfd.St. ab, so bleibt ein tats&auml;chlicher &Uuml;berschu&szlig; von 806.000 Pfd.St. oder nach Gladstones Rechnung 807.000 Pfd.St. Dem Hohen Haus wird jedoch nahegelegt, sogar von dieser bescheidenen Summe, die aus unsicheren und nicht st&auml;ndig flie&szlig;enden Einnahmequellen stammt, noch 220.000 Pfd.St. abzuziehen. So schrumpfen die urspr&uuml;nglichen, so laut verk&uuml;ndeten zwei Millionen auf 587.000 Pfd.St. zusammen, eine Summe, die keineswegs als sehr breite Basis f&uuml;r eine, wenn auch noch so bescheidene Steuerreform zu betrachten ist. Da man aber dem Lande versichert, es bes&auml;&szlig;e eine Regierung der Reformen, so <A NAME="S77"><B>&lt;77&gt;</A></B> mu&szlig; es Reformen geben; und Herr Gladstone macht sich sofort daran, diese Reformen herauszubringen.</P>
<P>Ein gew&ouml;hnlicher Freih&auml;ndler, wie z.B. Herr Hume, h&auml;tte dem Schatzkanzler vielleicht geraten, seinen &Uuml;berschu&szlig; dazu zu verwenden, die Z&ouml;lle auf jene ausl&auml;ndischen Artikel abzuschaffen, deren H&ouml;he sich gem&auml;&szlig; der Zollstatistik gerade mit diesen 587.000 Pfd.St. deckt. Aber was f&uuml;r eine banale, gew&ouml;hnliche, profane Zumutung w&auml;re das f&uuml;r einen so hochgelehrten Finanzalchimisten wie Herrn Gladstone! W&auml;re es denn denkbar, da&szlig; der Ehrgeiz des Mannes, der nichts Geringeres plant als die Abschaffung der ganzen Staatsschuld, sich mit einem einfachen Steuernachla&szlig; von 500.000 Pfd.St. begn&uuml;gen k&ouml;nnte? Wahrlich, wegen einer solchen Kleinigkeit h&auml;tte Sancho Timber nicht nach dem indischen Barataria geschickt zu werden brauchen, um dem gro&szlig;en Finanz-Don-Quijote der Koalition Platz zu machen.</P>
<P>Gladstones Steuerreform tr&auml;gt wie ein Laden in der Oxford Street das stolze Schild:</P>
<I><P>"Kolossale Herabsetzung!"</P>
</I><P>"Sofortige Ersparnis von f&uuml;nf Millionen und etlichen hunderttausend Pfund!"</P>
<P>Damit lockt man das Volk herbei und bezaubert selbst das bestbeh&uuml;tete alte Weib unter den Parlamentariern &lt;Anspielung auf Palmerston, siehe <A HREF="me09_353.htm#S355">S. 355</A>&gt;.</P>
<P>Treten wir also in den Laden ein: "Herr Gladstone, bitte Ihre Preisliste! Wie stellen Sie sich das wirklich vor, mein Herr? Ersparnis von f&uuml;nf Millionen Pfund?" "Aber gewi&szlig;, verehrter Herr", antwortet Gladstone. "Wollen Sie die einzelnen Posten sehen? Hier sind sie:</P>
<TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=2 WIDTH=556>
<TR><TD WIDTH="76%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>1. V&ouml;llige Abschaffung der Seifentaxe</TD>
<TD WIDTH="24%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">1.126.000 Pfd.St.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="76%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>2. Herabsetzung der Taxe auf Lebensversicherungen von 2 sh. 6 d. auf 6 d.</TD>
<TD WIDTH="24%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">29.000 Pfd.St.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="76%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>3. Herabsetzung der Stempeltaxe f&uuml;r Quittungen auf den Einheitssatz von 1 d.</TD>
<TD WIDTH="24%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">155.000 Pfd.St.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP">
<P>4. Herabsetzung der Geb&uuml;hren f&uuml;r Lehrlingsvertr&auml;ge von 20 sh. auf 2 5h. 6 d.</TD>
<TD WIDTH="7%" VALIGN="MIDDLE" ROWSPAN=2>
<FONT SIZE=7><P>}</FONT></TD>
<TD WIDTH="24%" VALIGN="MIDDLE" ROWSPAN=2>
<P ALIGN="RIGHT">50.000 Pfd.St.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP">
<P>5. Herabsetzung der Geb&uuml;hren f&uuml;r Anwaltszertifikate</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="76%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>6. Herabsetzung der Annoncensteuer von 1 sh. 6 d. auf 6 d.</TD>
<TD WIDTH="24%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">160.000 Pfd.St.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="76%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>7. Herabsetzung der Steuer f&uuml;r Mietdroschken von 1 sh. 5 d. auf 1 sh. pro Tag</TD>
<TD WIDTH="24%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">26.000 Pfd.St.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="76%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>8. Herabsetzung der Steuer f&uuml;r Diener &uuml;ber 18 Jahre auf 1 Pfd. 1 sh. und unter 18 Jahren auf 10 sh. 6 d.</TD>
<TD WIDTH="24%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">87.000 Pfd.St.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="76%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>9. Herabsetzung der Steuer f&uuml;r Privatkutschen</TD>
<TD WIDTH="24%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">95.000 Pfd.St.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="76%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<B><P><A NAME="S78">&lt;78&gt;</A> </B>10. Herabsetzung der Hunde-, Pferde- und Ponysteuer</TD>
<TD WIDTH="24%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">108.000 Pfd.St.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="76%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>11. Herabsetzung der Steuer auf Postpferde, die durch eine Geb&uuml;hr auf Meilengelder ersetzt werden soll</TD>
<TD WIDTH="24%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">54.000 Pfd.St.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="76%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>12. Herabsetzung der Postgeb&uuml;hren f&uuml;r die Kolonien (6 d. pro Brief)</TD>
<TD WIDTH="24%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">40.000 Pfd.St.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="76%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>13. Herabsetzung des Teezolls von 2 sh. 2<FONT SIZE="-1"><SUP>1</FONT></SUP>/<FONT SIZE="-2">4</FONT> d. auf 1 sh. 10 d. bis 5. April 1854; auf 1 sh. 6 d. 1855; auf 1 sh. 3 d. 1856 und danach auf 1 sh.</TD>
<TD WIDTH="24%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">3.000.000 Pfd.St.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="76%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>14. Herabsetzung der Z&ouml;lle auf &Auml;pfel, K&auml;se, Kakao, Eier, Butter und Fr&uuml;chte</TD>
<TD WIDTH="24%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">262.000 Pfd.St.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="76%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>15. Herabsetzung der Z&ouml;lle auf 133 untergeordnete Artikel</TD>
<TD WIDTH="24%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">70.000 Pfd.St.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="76%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>16. Abschaffung der Z&ouml;lle auf 123 untergeordnete Artikel</TD>
<TD WIDTH="24%" VALIGN="BOTTOM">
<U><P ALIGN="RIGHT">&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;53.000 Pfd.St.</U></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="76%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>Insgesamt</TD>
<TD WIDTH="24%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">5.315.000 Pfd.St."</TD>
</TR>
</TABLE>
<P>Nat&uuml;rlich w&auml;re eine Verringerung der Steuern um 5.315.000 Pfd.St. eine sehr sch&ouml;ne Sache. Aber hat denn dieses h&ouml;chst liberale Budget keine Kehrseite? Sicherlich. K&ouml;nnte man es sonst als Reform bezeichnen? Konstitutionelle Reformen haben genau so wie die L&auml;den in der Oxford Street - so sch&ouml;n sie auch beide aussehen m&ouml;gen - stets auch ihre sehr sch&ouml;ne Kehrseite.</P>
<P>Ist eine Sache auch noch so schlau eingef&auml;delt, schlie&szlig;lich kommt man doch hinter ihr Geheimnis. Herr Gladstone, der nur <I>eine halbe Million </I>im S&auml;ckel hat, beschert dem Publikum ein Geschenk von <I>f&uuml;nf und einer halben Million</I>. Woher nimmt er sie? Nat&uuml;rlich von demselben hinters Licht gef&uuml;hrten Publikum, das er mit seiner Gro&szlig;mut verbl&uuml;fft. Er macht ihm ein Geschenk, fordert es aber gleichzeitig auf, sich zu revanchieren. Nat&uuml;rlich tut er das nicht direkt und nicht etwa unversch&auml;mt, er wendet sich auch nicht an die gleichen Leute, die er sich jetzt geneigt machen will. Er will mit den verschiedensten Kunden Gesch&auml;fte machen und der Gaukler Russell hat den Alchimisten Gladstone gelehrt, wie er sich f&uuml;r seine Freigebigkeit von heute morgen schon entsch&auml;digen kann.</P>
<P>Gladstone erm&auml;&szlig;igt alte Steuern in H&ouml;he von 5.315.000 Pfd.St. Gladstone b&uuml;rdet neue im Betrage von 3.139.000 Pfd.St. auf. Das sieht immer noch so aus, als ob Gladstone uns ein Geschenk von 2.176.000 Pfd.St. macht. Aber Gladstone ist bestenfalls f&uuml;r ein Jahr Minister; und die Reduzierung, die er f&uuml;r dieses Jahr plant, betr&auml;gt nur 2.568.000 Pfd.St., die ein Minus von 1.656.000 Pfd.St. an Einnahmen bedeuten, denen 1.344.000 Pfd.St. an Mehreinnahmen aus den neuen Steuern im laufenden Jahr gegen&uuml;berstehen. Es bleibt also ein Manko von 312.000 Pfd.St., die von dem im Budget ausgewiesenen &Uuml;berschu&szlig; von 807.000 Pfd.St. abgezogen, doch noch die g&uuml;nstige Bilanz von 495.000 Pfd.St. ergeben.</P>
<B><P><A NAME="S79">&lt;79&gt;</A></B> Das sind also die Hauptz&uuml;ge des Koalitionsbudgets. Wir wollen nun unsere Leser mit den Punkten bekannt machen, auf die das Ministerium die gr&ouml;&szlig;te Hoffnung setzt, wollen die Einw&auml;nde hervorheben, die wahrscheinlich von den verschiedenen parlamentarischen Oppositionsparteien dagegen erhoben werden, und schlie&szlig;lich unsere eigene Meinung zu dieser Frage sagen.</P>
<P>Bei all seiner Angst vor einer Blamage, bei all seiner Sucht, sich durch Steuernachl&auml;sse sowohl Popularit&auml;t als auch finanziellen Ruhm zu sichern, hat Gladstone doch gef&uuml;hlt, da&szlig; es notwendig ist, einen plausiblen und vern&uuml;nftig scheinenden Vorwand zu finden, seinen Antrag auf Erh&ouml;hung des Budgets um 3.139.000 Pfd.St. einzubringen. Er sah ein, da&szlig; man ihm nicht gestatten w&uuml;rde, nur zu seinem eignen, &uuml;berfl&uuml;ssigen, ungerechtfertigten Vergn&uuml;gen an dem ganzen Steuersystem herumzukritteln, da&szlig; er sich wenigstens den Anschein geben m&uuml;sse, nach den Regeln zu verfahren, die die Parlamentarier und Bourgeois "Prinzip und Gerechtigkeit" nennen. Er beschlo&szlig; daher, die gesetzgebenden <I>Pecksniffs</I> schlau an ihrer ihm bekannten schw&auml;chsten Stelle zu packen und seine geplante Erh&ouml;hung der &ouml;ffentlichen Lasten mit der gutklingenden und akzeptablen Phrase zu verschleiern, "es gelte, eine gerechte Erh&ouml;hung gewisser Steuern herbeizuf&uuml;hren und dabei ihre endg&uuml;ltige und best&auml;ndige Ausgleichung im Auge zu behalten". Daf&uuml;r w&auml;hlte er folgende Steuern aus:</P>
<P>1. Die Erbschaftssteuer.<BR>
2. Die Steuer auf geistige Getr&auml;nke.<BR>
3. Die Einkommensteuer.</P>
<P>Gladstone verlangt, da&szlig; die Erbschaftssteuer gleichm&auml;&szlig;ig allen Arten von Besitz auferlegt werden solle. Da der l&auml;ndliche Grundbesitz bisher davon befreit war, so wird der Vorschlag dem Handel und der Industrie sehr willkommen sein. Die Steuer auf geistige Getr&auml;nke soll auf Schottland und Irland ausgedehnt werden, so da&szlig; sie mit dem Branntwein brennenden England auf gleicher Stufe st&uuml;nden.</P>
<P>Die Einkommensteuer endlich soll auch auf Einkommen zwischen 150 und 100 Pfd.St. erweitert werden, auch f&uuml;r Irland. Der Vorschlag zur Einkommensteuer wird Gladstone sicherlich keinen gro&szlig;en Applaus bringen. Doch dar&uuml;ber sp&auml;ter mehr, wenn wir uns mit den Einw&auml;nden gegen das Budget besch&auml;ftigen.</P>
<P>Neben den Vorschl&auml;gen zur Erbschaftssteuer und zur Steuer auf geistige Getr&auml;nke sind es die freih&auml;ndlerischen Reduzierungen bei vielen Importartikeln, die von den Ministern zweifelsohne als lockendster K&ouml;der betrachtet werden. Ladenbesitzer, Hausfrauen und das Kleinb&uuml;rgertum im allgemeinen werden sie wahrscheinlich laut willkommen hei&szlig;en, ehe sie herausfinden, da&szlig; <A NAME="S80"><B>&lt;80&gt;</A></B> z.B. beim Tee die Konsumenten nur einen ganz geringen Nutzen haben werden, weil der Profit der Kapitalisten und das Monopol der Produzenten die Tendenz haben, den gr&ouml;&szlig;ten Teil des Nachlasses zu verschlingen. Daf&uuml;r aber soll die Seifentaxe ganz abgeschafft werden, eine Ma&szlig;nahme, die, wie Gladstone hofft, es der Nation nicht nur erm&ouml;glichen soll, sich von ihrem schmierigen, schmutzigen, j&auml;mmerlichen Aussehen zu befreien und lauter saubere, zufriedene und gl&uuml;ckliche Gesichter zu schaffen, sondern auch die Sklaverei der Schwarzen vollst&auml;ndig beseitigen und den Leiden ungez&auml;hlter "Onkel Toms" dadurch ein Ende machen soll, da&szlig; sie den Ansto&szlig; gibt "zu gesetzlichem Handel und zur gesetzlich erlaubten Herstellung von afrikanischem Palm&ouml;l". &Uuml;berzeugt davon, da&szlig; dem so sein wird, f&uuml;hlt Gladstone sich zu den sch&ouml;nsten Hoffnungen berechtigt, den geriebensten Hausierer und den bombastischsten Quacksalber zu &uuml;bertrumpfen. Diesen verlockenden Aspekten f&uuml;gt Gladstone noch eine stattliche Anzahl kleiner Bestechungen hinzu, darunter eine von mehreren Millionen an die Irische Brigade, indem er ihr die R&uuml;ckzahlung der anl&auml;&szlig;lich der Hungersnot gew&auml;hrten Anleihe erl&auml;&szlig;t und auch eine an die "Times", diese starke St&uuml;tze des "guten Aberdeen" und seiner Kollegen von der Koalition. Diese Bestechung besteht in der Abschaffung des Stempels f&uuml;r Zeitungsbeilagen, die nur Annoncen enthalten. Denn bekanntlich gibt von allen Zeitungen nur die "Times" derartige Annoncenbeilagen in nennenswertem Umfang heraus.</P>
<P>Nun zu den Einw&auml;nden, welche die Opposition h&ouml;chstwahrscheinlich gegen das Budget machen wird. Da am letzten Montag die Diskussion im Unterhaus nur ein einleitendes Gepl&auml;nkel war, so m&uuml;ssen wir, wenn m&ouml;glich, aus den Tagesbl&auml;ttern die Absichten der Parteien zu erraten suchen. Allerdings gibt es da nur eine sehr magere Ausbeute. "Times", "Chronicle" und "Post" sind in Wirklichkeit Werkzeuge des Koalitionsministeriums, und "Daily News" ist kaum als Organ der Manchesterschule zu betrachten. Au&szlig;erdem schwankt diese Zeitung stark hin und her und l&auml;&szlig;t sich augenscheinlich sehr durch die freih&auml;ndlerischen Vorschl&auml;ge locken. Nur im "Herald", dem konservativen Toryblatt, finden wir schon das Urteil gesprochen, und zwar mit ganz ungewohntem Freimut.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Das ganze Budget des Herrn Gladstone", meint das Blatt, "ist nichts als eine verabscheuungsw&uuml;rdige Mischung von Bestechung und Beg&uuml;nstigung."</P>
</FONT><P>Die Tories werden also sicher gegen Gladstones Pl&auml;ne auftreten; und Disraeli wird nicht verfehlen, die ihm gestohlenen Federn - d.h. die Ausdehnung der Erbschafts- und der Einkommensteuer, die Reduzierung des Zolles auf Tee und andere seiner anerkannten Verdienste wieder f&uuml;r sich zu rekla- <A NAME="S81"><B>&lt;81&gt;</A></B> mieren, mit denen sich Gladstone unversch&auml;mterweise geschm&uuml;ckt hat. Die Grundaristokratie will, wenn sie schon auf einige weitere Privilegien verzichten mu&szlig;, wenigstens auf alle F&auml;lle das Verdienst des freiwilligen Verzichts f&uuml;r sich in Anspruch nehmen. Da sie aber nicht gut die Erbschaftssteuer zur Grundlage ihrer Opposition machen kann, so wird Herr Disraeli sie veranlassen, sich zu dem Prinzip der Unterscheidung zwischen sicherem Einkommen aus Grundeigentum und unsicherem Einkommen zu bekennen. Auf dieser Basis wird er einen erheblichen Teil der Irischen Brigade im Kampf auf seiner Seite haben. Es versteht sich von selbst, da&szlig; die Iren niemals eine Schuld anerkennen k&ouml;nnen und werden, die ihrem Lande von den Engl&auml;ndern nur wegen des vorherigen Ruins seiner Bev&ouml;lkerung aufgezwungen wurde. Auch wird ihnen die Erlassung der Zinsen von 3.000.000 Pfd.St. imagin&auml;ren Kapitals nur als eine sehr unzureichende Entsch&auml;digung f&uuml;r die Auferlegung der Steuer auf geistige Getr&auml;nke und der Einkommensteuer erscheinen. Von der Manchesterschule darf man, obwohl sie sich ihren W&auml;hlern gegen&uuml;ber wenn auch nicht zur Abschaffung, so doch zur Ab&auml;nderung der Einkommensteuer verpflichtete, nichts anderes erwarten, als da&szlig; sie wie ein guter Gesch&auml;ftsmann handelt, d.h. ohne politisches Ehrgef&uuml;hl und nur mit geb&uuml;hrender R&uuml;cksicht auf den Profit. Und dieser Profit aus dem Budget des Herrn Gladstone ist "insgesamt" gesehen f&uuml;r die Manchesterleute durchaus nicht zu verachten.</P>
<P>Was schlie&szlig;lich unsere eigene Meinung zu dieser Frage betrifft, so w&uuml;nschen wir nichts sehnlicher als die Niederlage eines Ministeriums, dessen reaktion&auml;re und verlogene Tricks in der Innenpolitik uns ebenso ver&auml;chtlich erscheinen wie seine feige und unterw&uuml;rfige Au&szlig;enpolitik. Wir glauben um so mehr ein Recht dazu zu haben, weil ein solches Ereignis der Sache des Volkes nur dienen kann. Eines ist klar: solange eine aristokratische Koalition das tut, was die Industrie- und Handelsklasse von ihr verlangt, solange werden diese letzteren weder selbst eine politische Anstrengung machen, noch der Arbeiterklasse gestatten, ihre eigene politische Bewegung zu entfalten. Sollte jedoch die Partei der Grundbesitzer nochmals die Oberhand gewinnen, dann kann sich die Bourgeoisie von ihr nicht befreien, ohne das verrottete oligarchische Parlament neu zu gestalten. Dann aber steht es nicht l&auml;nger in ihrer Macht, f&uuml;r beschr&auml;nkte Reformen zu agitieren, dann m&uuml;ssen sie die Forderungen des Volkes bis zu Ende erf&uuml;llen. Das Volk kann sich nat&uuml;rlich niemals mit der Bourgeoisie verbinden oder auch nur an sie appellieren ohne seine Prinzipien und Interessen aufzugeben; andererseits war es nicht das erste Mal, da&szlig; die Bourgeoisie sich gezwungen s&auml;he, sich auf die Schultern des Volkes zu st&uuml;tzen. Und ein solches Ereignis w&uuml;rde zu einer sehr entschiedenen <A NAME="S82"><B>&lt;82&gt;</A></B> Revolution im jetzigen Finanzsystem f&uuml;hren. Schon heute ist es nicht zu leugnen, da&szlig; sogar die Bourgeoisiegesellschaft unvermeidlich darauf hindr&auml;ngt, die traditionelle fiskalische Olla podrida &lt;Mischmasch&gt; durch eine direkte Eigentumssteuer zu ersetzen. Das Prinzip der direkten Besteuerung ist l&auml;ngst von der Manchesterschule aufgenommen, von Disraeli anerkannt und selbst von der oligarchischen Koalition best&auml;tigt worden. Ist aber die Maschinerie einer direkten Eigentumssteuer erst einmal wirklich errichtet, dann braucht das Volk, einmal im Besitz der politischen Macht, sie nur in Bewegung zu setzen und schafft damit das</P>
<I><P ALIGN="CENTER">Budget der Arbeiterklasse.</P>
</I>
</BODY>
</HTML>