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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<TITLE>Franz Mehring: Karl Marx - Friedrich Engels</TITLE>
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<TR>
<TD ALIGN="center" width="19%" height=20 valign=middle><A HREF="../../index.shtml.html"><SMALL>MLWerke</SMALL></A></TD>
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<TD ALIGN="center" width="19%" height=20 valign=middle><!-- #BeginEditable "link1a" --><A HREF="fm03_064.htm"><SMALL>3.
Kapitel</SMALL></A><!-- #EndEditable --></TD>
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<TD ALIGN="center" width="19%" height=20 valign=middle><A HREF="../default.htm"><SMALL>Franz
Mehring</SMALL></A></TD>
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</TABLE>
<HR size="1">
<P><SMALL>Seitenzahlen nach: Franz Mehring - Gesammelte Schriften, Band 3. Berlin/DDR,
1960, S. <!-- #BeginEditable "Seitenzahlen" -->95-115<!-- #EndEditable -->.<BR>
1. Korrektur<BR>
Erstellt am 30.10.1999</SMALL></P>
<H2>Franz Mehring: Karl Marx - Geschichte seines Lebens</H2>
<H1><!-- #BeginEditable "Titel" -->Viertes Kapitel: Friedrich Engels<!-- #EndEditable --></H1>
<hr size="1">
<!-- #BeginEditable "Text" -->
<H3 ALIGN="CENTER">1. Kontor und Kaserne<A name="Kap_1"></A></H3>
<P><B>|95|</B> Friedrichs Engels wurde am 28. November 1820 in Barmen geboren.
Sowenig wie Marx brachte er revolution&auml;re Anschauungen aus seinem Elternhause
mit, und ebensowenig wie bei Marx war es pers&ouml;nliche Not, sondern hohe Intelligenz,
die ihn auf die revolution&auml;re Bahn trieb. Sein Vater war ein wohlhabender
Fabrikant von konservativer und auch orthodoxer Gesinnung; in religi&ouml;ser
Beziehung hat Engels mehr zu &uuml;berwinden gehabt als Marx.</P>
<P>Er widmete sich dem kaufm&auml;nnischen Berufe, nachdem er das Gymnasium in
Elberfeld bis ein Jahr vor dem Abiturientenexamen besucht hatte. &Auml;hnlich
wie Freiligrath, ist er ein sehr t&uuml;chtiger Kaufmann geworden, ohne da&szlig;
je sein Herz bei dem &raquo;verfluchten Kommerz&laquo; gewesen w&auml;re. Von Angesicht zu
Angesicht sieht man ihn zuerst in den Briefen, die der achtzehnj&auml;hrige Lehrling
aus dem Kontor des Konsuls Leupold in Bremen an die Br&uuml;der Graeber richtete,
zwei Schulfreunde und nunmehrige Studenten der Theologie. In ihnen wird vom Handel
und von Handelsgesch&auml;ften wenig gesprochen, es sei denn, da&szlig; es einmal
hei&szlig;t: &raquo;Gegeben auf unsrem Kontorbock, zur Zeit da wir nicht den Katzenjammer
hatten.&laquo; Ein fr&ouml;hlicher Zecher ist schon der junge Engels gewesen wie noch
der alte; wenn er im Bremer Ratskeller auch nicht wie Hauff getr&auml;umt und
wie Heine gesungen hat, so wei&szlig; er doch mit derbem Humor von der &raquo;gro&szlig;en
Kn&uuml;llit&auml;t&laquo; zu erz&auml;hlen, die er sich wohl einmal in diesen geweihten
R&auml;umen geholt hat.</P>
<P>Wie Marx versuchte er sich zun&auml;chst als Dichter, aber nicht minder schnell
als Marx erkannte er, da&szlig; in diesem Garten keine Lorbeeren f&uuml;r ihn
gewachsen waren. In einem Briefe, der vom 17. September 1838 datiert, also vor
Vollendung seines achtzehnten Lebensjahres geschrieben ist, erkl&auml;rte er durch
Goethes Ratschl&auml;ge &raquo;f&uuml;r junge Dichter&laquo;, vom Glauben an seinen Poetenberuf
bekehrt zu sein. Es sind die beiden kleinen Aufs&auml;tze Goethes gemeint, worin
der Altmeister auseinandersetzt, die deutsche Sprache sei auf einen so hohen Grad
der <A NAME="S96"></A><B>|96|</B> Ausbildung gelangt, da&szlig; es jedem gegeben
sei, sich in Rhythmen und Reimen gef&auml;llig auszudr&uuml;cken, worauf sich
also niemand etwas Besonderes einbilden d&uuml;rfe; Goethe schlie&szlig;t seine
Ratschl&auml;ge mit dem &raquo;Reimwort&laquo;:</P>
<DL>
<DD>J&uuml;ngling, merke dir in Zeiten,<BR>
Wo sich Geist und Sinn erh&ouml;ht, <BR>
Da&szlig; die Muse zu begleiten<BR>
Doch zu leiten nicht versteht.</DD>
</DL>
<P>In diesen Ratschl&auml;gen fand der junge Engels sich so trefflich gezeichnet,
wie es nur m&ouml;glich sei; aus ihnen sei ihm klar geworden, da&szlig; durch
seine Reimereien nichts f&uuml;r die Kunst getan sei. Nur als &raquo;angenehme Zugabe&laquo;,
wie Goethe sage, wolle er sie beibehalten und auch wohl ein Gedicht in ein Journal
einr&uuml;cken lassen, &raquo;weil andre Kerls, die ebensolche, auch wohl noch gr&ouml;&szlig;ere
Esel sind, als ich bin, es auch tun, und weil ich dadurch die deutsche Literatur
weder heben noch senken werde&laquo;. Der burschikose Ton, den Engels immer geliebt
hat, barg aber auch in seiner Jugend nichts Leichtfertiges: in demselben Briefe
bat er seine Freunde, ihm Volksb&uuml;cher aus K&ouml;ln zu besorgen, Siegfried,
Eulenspiegel, Helena, Oktavian, Schildb&uuml;rger, Heymonskinder, Doktor Faust,
und bekannte sich zum Studium Jakob B&ouml;hmes. &raquo;Es ist eine dunkle, aber eine
tiefe Seele. Das meiste aber mu&szlig; entsetzlich studiert werden, wenn man etwas
davon kapieren will.&laquo;</P>
<P>Das Dringen in die Tiefe verleidete dem jungen Engels denn auch fr&uuml;h die
flache Literatur des jungen Deutschlands. In einem wenig sp&auml;teren Briefe,
vom 10. Januar 1839, geht es &uuml;ber diese &raquo;saubere Kompagnie&laquo; her, und zwar
haupts&auml;chlich, weil sie Dinge in die Welt hinausschreibe, die nicht da seien.
&raquo;Dieser Theodor Mundt sudelt da was in die Welt hinein von der Demoiselle Taglioni,
die &#155;Goethe tanzt&#139;, schm&uuml;ckt sich mit Floskeln aus Goethe, Heine, der Rahel
und der Stieglitz, sagt den k&ouml;stlichsten Unsinn &uuml;ber Bettina, aber alles
so modern, so modern, da&szlig; es eine Lust sein mu&szlig; f&uuml;r einen Schnipulanten
oder f&uuml;r eine junge, eitle, l&uuml;sterne Dame, dergleichen zu lesen ...
Und dieser Heinrich Laube! Der Kerl schmiert in einem fort Charaktere, die nicht
existieren, Reisenovellen, die keine sind, Unsinn &uuml;ber Unsinn, es ist schrecklich.&laquo;
Den &raquo;neuen Geist&laquo; in der Literatur datierte der junge Engels von dem &raquo;Donnerschlag
der Julirevolution&laquo;, der &raquo;sch&ouml;nsten &Auml;u&szlig;erung des Volkswillens
seit dem Befreiungskriege&laquo;. Zu den Vertretern dieses Geistes rechnete er die Beck,
Gr&uuml;n und Lenau, die Immermann und Platen, die B&ouml;rne und Heine und auch
Gutzkow, den er mit sicherm Urteil &uuml;ber die <A NAME="S97"></A><B>|97|</B>
sonstigen Leuchten des Jungen Deutschlands stellte. In den &raquo;Telegraphen&laquo;, einer
von diesem &raquo;ganz ausgezeichnet ehrenwerten Kerl&laquo; herausgegebenen Zeitschrift,
hat Engels nach einem Briefe vom 1. Mai 1839 einen Aufsatz gestiftet, doch bat
er um strengste Diskretion, da er sonst in &raquo;h&ouml;llische Schwulit&auml;ten&laquo;
kommen w&uuml;rde.</P>
<P>Lie&szlig; sich der junge Engels durch die Freiheitstiraden des jungen Deutschlands
nicht &uuml;ber den &auml;sthetischen Unwert von dessen Schriften t&auml;uschen,
so war er freilich auch weit entfernt, um dieses &auml;sthetischen Unwerts willen
die orthodoxen und reaktion&auml;ren Angriffe auf das junge Deutschland nachsichtiger
zu beurteilen. Da nahm er durchaus die Partei der Verfolgten, unterzeichnete sich
wohl selbst als &raquo;Junger Deutscher&laquo; und drohte dem Freunde: &raquo;Das sage ich Dir,
Fritz, so Du einmal Pastor wirst, Du magst so orthodox werden, wie Du willst,
aber wirst Du mir ein Pietist ..., Du hast's mit mir zu tun.&laquo; Mit &auml;hnlichen
Reflexen hing auch wohl seine auffallende Vorliebe f&uuml;r B&ouml;rne zusammen,
dessen Schrift gegen den Denunzianten Menzel der junge Engels stilistisch f&uuml;r
das erste Werk Deutschlands erkl&auml;rte, w&auml;hrend Heine sich gelegentlich
mit einem &raquo;Schweinigel&laquo; abfinden mu&szlig;te; es waren die Tage der gro&szlig;en
Emp&ouml;rung gegen den Dichter, als auch der junge Lassalle in sein Tagebuch
schrieb: &raquo;Und dieser Mann ist abgefallen von der Sache der Freiheit! Und dieser
Mann hat die Jakobinerm&uuml;tze von seinem Haupte gerissen und einen Tressenhut
auf die edlen Locken gedr&uuml;ckt!&laquo;</P>
<P>Doch weder B&ouml;rne noch Heine, noch sonst ein Dichter, haben dem jungen
Engels die Wege seines Lebens gewiesen, sondern sein Schicksal hat ihn zum Manne
geschmiedet. Er kam aus Barmen, der einen, und lebte in Bremen, der andern Hochburg
des norddeutschen Pietismus; die Befreiung aus diesen Banden war der Anfang des
gro&szlig;en Befreiungskampfes, der sein ruhmreiches Leben f&uuml;llt. Wo er mit
dem Glauben seiner Kindheit ringt, spricht er mit einer, ihm sonst ungewohnten
Weichheit. &raquo;Ich bete t&auml;glich, ja fast den ganzen Tag um Wahrheit, habe es
getan, sobald ich anfing zu zweifeln, und komme doch nicht zu Eurem Glauben zur&uuml;ck
... Die Tr&auml;nen kommen mir in die Augen, indem ich dies schreibe, ich bin
durch und durch bewegt, aber ich f&uuml;hle es, ich werde nicht verloren gehen,
ich werde zu Gott kommen, zu dem sich mein ganzes Herz sehnt. Und das ist auch
ein Zeugnis des heiligen Geistes, darauf leb' ich und sterb' ich, ob auch zehntausendmal
in der Bibel das Gegenteil steht.&laquo; In diesen Seelenk&auml;mpfen gelangte der junge
Engels von den Hengstenberg und Krummacher, den H&auml;uptern der damaligen Orthodoxie,
mit augenblicklichem mehr Stutzen als Verweilen <A NAME="S98"></A><B>|98|*</B>
bei Schleiermacher, zu David Strau&szlig;, und nun gesteht er seinen theologischen
Freunden, es g&auml;be f&uuml;r ihn keine R&uuml;ckkehr mehr. Ein rechter Rationalist
k&ouml;nne wohl von seiner nat&uuml;rlichen Wundererkl&auml;rung und seiner seichten
Moralsucht in die orthodoxe Zwangsjacke zur&uuml;ckkriechen, aber die philosophische
Spekulation k&ouml;nne nicht wieder von ihren &raquo;morgenrotbestrahlten Firnen&laquo; in
die &raquo;nebligen T&auml;ler&laquo; der Orthodoxie herabsteigen. &raquo;Ich bin n&auml;mlich auf
dem Punkte, ein Hegelianer zu werden. Ob ich's werde, wei&szlig; ich freilich
noch nicht, aber Strau&szlig; hat mir Lichter &uuml;ber Hegel angesteckt, die
mir das Ding ganz plausibel darstellen. Seine (Hegels) Geschichtsphilosophie ist
mir ohnehin wie aus der Seele geschrieben.&laquo; Der Bruch mit dem Kirchentum f&uuml;hrte
dann unmittelbar in die politische Ketzerei. Eine pf&auml;ffische Lobrede auf
den damaligen preu&szlig;ischen K&ouml;nig, den Mann der Demagogenjagd, lie&szlig;
diesen Percy Hei&szlig;sporn ausrufen: &raquo;Ich erwarte blo&szlig; von dem F&uuml;rsten
etwas Gutes, dem die Ohrfeigen seines Volks um den Kopf schwirren, und dessen
Palastfenster von den Steinw&uuml;rfen der Revolution zerschmettert werden.&laquo;</P>
<P>Mit solchen Anschauungen war Engels &uuml;ber Gutzkows &raquo;Telegraphen&laquo; hinaus
in die Region der &raquo;Deutschen Jahrb&uuml;cher&laquo; und der &raquo;Rheinischen Zeitung&laquo; gewachsen.
F&uuml;r beide Organe hat er gelegentlich gearbeitet, als er vom Oktober 1841
bis Oktober 1842 sein Freiwilligenjahr abdiente, bei der Gardeartillerie in Berlin,
in der Kaserne am Kupfergraben, unfern dem Hause, wo Hegel gelebt hatte und gestorben
war. Seinen schriftstellerischen Kriegsnamen Friedrich Oswald, den er anfangs
wohl aus R&uuml;cksicht auf seine konservativ und orthodox gesinnte Familie gew&auml;hlt
hatte, mu&szlig;te er &raquo;in des K&ouml;nigs Rock&laquo; aus noch zwingenderen Gr&uuml;nden
beibehalten. Einem Schriftsteller, den er in den &raquo;Deutschen Jahrb&uuml;chern&laquo;
scharf kritisiert hatte, schrieb Gutzkow tr&ouml;stend am 6. Dezember 1842: &raquo;Das
traurige Verdienst, den F. Oswald in die Literatur eingef&uuml;hrt zu haben, geb&uuml;hrt
leider mir. Vor Jahren schickte mir ein Handlungsbeflissener, namens Engels, aus
Bremen Briefe &uuml;ber das Wuppertal. Ich korrigierte sie, strich die Pers&ouml;nlichkeiten,
die zu grell waren, und druckte sie ab. Seither schickte er manches, das ich regelm&auml;&szlig;ig
umarbeiten mu&szlig;te. Pl&ouml;tzlich verbat er sich diese Korrekturen, studierte
Hegel und ging zu andern Organen &uuml;ber. Noch kurz vor dem Erscheinen der Kritik
&uuml;ber Sie hatte ich ihm 15 Taler nach Berlin geschickt. So sind diese Neulinge
fast alle. Uns verdanken sie, da&szlig; sie denken und schreiben k&ouml;nnen,
und ihre erste Tat ist geistiger Vatermord. Nat&uuml;rlich w&uuml;rde all diese
Schlechtigkeit nichts sein, wenn ihr nicht die &#155;Rheinische Zeitung&#139; und Ruges
Blatt entgegenk&auml;me.&laquo; So st&ouml;hnt nun freilich nicht der <A NAME="S99"></A><B>|99|</B>
alte Moor im Hungerturm, sondern so gackert die Henne, der das von ihr ausgebr&uuml;tete
Entlein von dannen schwimmt.</P>
<P>Wie Engels im Kontor ein t&uuml;chtiger Kaufmann geworden war, so wurde er
in der Kaserne ein t&uuml;chtiger Soldat; fortan und bis ans Ende seines Lebens
hat die Milit&auml;rwissenschaft zu seinen Lieblingsstudien geh&ouml;rt. In dieser
engen und steten Ber&uuml;hrung mit der Praxis des t&auml;glichen Lebens glich
sich gl&uuml;cklich, aus, was seinem philosophischen Bewu&szlig;tsein an spekulativer
Tiefe fehlen mochte. Er hat in seinem Freiwilligenjahr wacker mit den Berliner
Freien gezecht und auch mit ein paar Schriftchen an ihren K&auml;mpfen teilgenommen,
freilich zu einer Zeit, wo ihr Treiben noch nicht entartet war. Schon im April
1842 erschien anonym in einem Leipziger Verlage seine kleine 55 Seiten lange Schrift
&raquo;Schelling und die Offenbarung&laquo;, worin er &raquo;den neuesten Reaktionsversuch gegen
die freie Philosophie&laquo; kritisierte, den Versuch des an die Berliner Universit&auml;t
berufenen Schelling, durch seinen Offenbarungsglauben die Hegelsche Philosophie
aus dem Felde zu schlagen. Ruge, der die Schrift f&uuml;r ein Werk Bakunins hielt,
begr&uuml;&szlig;te sie mit dem schmeichelhaften Lobe: &raquo;Dieser liebensw&uuml;rdige
junge Mensch &uuml;berholt all die alten Esel in Berlin.&laquo; In der Tat vertrat sie
den noch philosophischen Junghegelianismus in seinen &auml;u&szlig;ersten Konsequenzen,
doch hatten auch andere Kritiker nicht ganz unrecht, die in ihr weniger scharfe
Kritik als poetisch-philosophischen &Uuml;berschwang fanden.<A name="ZT1"></A><A href="fm03_095.htm#Z1"><SPAN class="top">[1]</SPAN></A></P>
<P>Etwa zu gleicher Zeit, unter dem frischen Eindruck von Bruno Bauers Absetzung,
hat Engels in Neum&uuml;nster bei Z&uuml;rich, ebenfalls anonym, ein &raquo;Christliches
Heldengedicht&laquo; in vier Ges&auml;ngen ver&ouml;ffentlicht, eine Satire auf den
&raquo;Triumph des Glaubens&laquo; &uuml;ber den &raquo;Oberteufel&laquo;, der &raquo;kr&auml;ftiglich entsetzet
ist&laquo;<A name="ZT2"></A><A href="fm03_095.htm#Z2"><SPAN class="top">[2]</SPAN></A>. Es machte auch reichlichen Gebrauch von dem Vorrecht der Jugend, m&auml;kelnde
Kritik zu verachten; eine Probe seiner Art m&ouml;gen die Verse geben, in denen
Engels sich selbst und den ihm pers&ouml;nlich noch unbekannten Marx schilderte:</P>
<P>Doch der am weitsten links mit langen Beinen toset, <BR>
Ist <I>Oswald</I>, grau berockt und <I>pfefferfarb</I> behoset,<BR>
Auch innen pfefferhaft, <I>Oswald</I> der Montagnard, <BR>
Der wurzelhafteste mit Haut und auch mit Haar.<BR>
Er spielt <I>ein</I> Instrument, das ist die Guillotine, <BR>
Auf ihr begleitet er stets <I>eine</I> Cavatine;<BR>
Stets t&ouml;nt das H&ouml;llenlied, laut br&uuml;llt er den Refrain: <BR>
Formez vos bataillons! aux armes, citoyens!</P>
<P>- - - - - - - - - - - - - -<BR>
- - - - - - - - - - - - - -<BR>
<A NAME="S100"></A><B>|100|</B> Wer jaget hinterdrein mit wildem Ungest&uuml;m?
<BR>
Ein schwarzer Kerl aus <I>Trier</I>, ein markhaft <I>Unget&uuml;m</I>. <BR>
Er gehet, h&uuml;pfet nicht, er springet auf den Hacken <BR>
Und raset voller Wut und gleich, als wollt' er packen <BR>
Das weite Himmelszelt, und zu der Erde ziehn. <BR>
Streckt er die Arme sein weit in die L&uuml;fte hin. <BR>
Geballt die b&ouml;se Faust, so tobt er sonder Rasten, <BR>
Als wenn ihn bei dem Schopf zehntausend Teufel fa&szlig;ten.<A name="ZT3"></A><A href="fm03_095.htm#Z3"><SPAN class="top">[3]</SPAN></A></P>
<P>Nach Ablauf seiner Milit&auml;rdienstzeit, Ende September 1842, kehrte Engels
in sein elterliches Haus zur&uuml;ck, und von hier ging er zwei Monate sp&auml;ter
nach Manchester als Kommis der Gro&szlig;spinnerei Ermen &amp; Engels, deren Teilhaber
sein Vater war. Auf der Durchreise besuchte er die Redaktion der &raquo;Rheinischen
Zeitung&laquo; in K&ouml;ln und sah hier Marx zum ersten Male. Doch war ihre Begr&uuml;&szlig;ung
sehr k&uuml;hl, denn sie fiel gerade in die Tage, wo Marx mit den Freien brach.
Engels war durch Briefe der Br&uuml;der Bauer gegen Marx eingenommen, und Marx
sah in Engels einen Gesinnungsgenossen der Berliner Freien.</P>
<H3 ALIGN="CENTER">2. Englische Zivilisation<A name="Kap_2"></A></H3>
<P>Einundzwanzig Monate hat Engels nunmehr in England verlebt, und diese Zeit
hat f&uuml;r ihn eine &auml;hnliche Bedeutung gehabt wie f&uuml;r Marx das Pariser
Jahr. Beide kamen aus der Schule der deutschen Philosophie, von der aus sie im
Auslande zu ganz gleichen Ergebnissen gelangten, aber wenn Marx sich an der Franz&ouml;sischen
Revolution &uuml;ber die K&auml;mpfe und W&uuml;nsche der Zeit verst&auml;ndigt
hat, so Engels an der englischen Industrie.</P>
<P>Auch England hatte seine b&uuml;rgerliche Revolution gehabt, sogar schon ein
Jahrhundert vor Frankreich, aber eben deshalb unter ungleich weniger entwickelten
Verh&auml;ltnissen. Sie war schlie&szlig;lich in ein Kompromi&szlig; zwischen
Aristokratie und Bourgeoisie verlaufen, die sich ein gemeinsames K&ouml;nigtum
schufen. Die englische &raquo;Mittelklasse&laquo; hatte dem K&ouml;nigtum und dem Adel nicht
den hartn&auml;ckigen und langwierigen Kampf zu machen, wie der &raquo;dritte&laquo; Stand
in Frankreich. Aber wenn es der franz&ouml;sischen Geschichtsschreibung erst aus
r&uuml;ckschauender Betrachtung klar wurde, da&szlig; der Kampf des &raquo;dritten Standes&laquo;
ein Klassenkampf sei, so scho&szlig; der Gedanke des Klassenkampfes in England
sozusagen aus <A NAME="S101"></A><B>|101|</B> frischer Wurzel empor, als das Proletariat
zur Zeit der Reformbill von 1832 zum Kampfe mit den herrschenden Klassen antrat.</P>
<P>Der Unterschied erkl&auml;rte sich daraus, da&szlig; die gro&szlig;e Industrie
den englischen Boden viel tiefer aufgew&uuml;hlt hatte als den franz&ouml;sischen.
Sie hatte in einem fast handgreiflichen Entwicklungsprozesse alte Klassen vernichtet
und neue Klassen geschaffen. Die innere Struktur der modernen b&uuml;rgerlichen
Gesellschaft war in England viel durchsichtiger als in Frankreich. Aus der Geschichte
und dem Wesen der englischen Industrie lernte Engels, da&szlig; die &ouml;konomischen
Tatsachen, die in der bisherigen Geschichtsschreibung gar keine oder eine verachtete
Rolle spielten, wenigstens in der modernen Welt eine entscheidende geschichtliche
Macht seien, da&szlig; sie die Grundlage bildeten f&uuml;r die Entstehung der
heutigen Klassengegens&auml;tze, da&szlig; diese Klassengegens&auml;tze, wo sie
verm&ouml;ge der gro&szlig;en Industrie sich vollst&auml;ndig entwickelt h&auml;tten,
wieder die Grundlage der politischen Parteibildung, der Parteik&auml;mpfe und
damit der ganzen politischen Geschichte seien.</P>
<P>Ohnehin hing es mit seinem Berufe zusammen, da&szlig; Engels seinen Blick in
erster Reihe auf das &ouml;konomische Gebiet lenkte. In den &raquo;Deutsch-Franz&ouml;sischen
Jahrb&uuml;chern&laquo; begann er mit einer &raquo;Kritik der National&ouml;konomie&laquo;<A name="ZT4"></A><A href="fm03_095.htm#Z4"><SPAN class="top">[4]</SPAN></A>, wie
Marx mit einer &raquo;Kritik der Rechtsphilosophie&laquo; begonnen hatte. Der kleine Aufsatz
ist noch mit jugendlichem Ungest&uuml;m geschrieben, aber er bekundet doch auch
schon eine seltene Reife des Urteils. Ihn ein &raquo;reichlich konfuses Werklein&laquo; zu
nennen, blieb dem deutschen Professor vorbehalten; Marx hat ihn treffend eine
&raquo;geniale Skizze&laquo; genannt. Eine &raquo;Skizze&laquo;, denn was Engels &uuml;ber die &Ouml;konomie
der Adam Smith und Ricardo sagt, ist keineswegs ersch&ouml;pfend und nicht einmal
immer richtig, und was er gegen sie im einzelnen einwandte, mochte von englischen
oder franz&ouml;sischen Sozialisten bereits gesagt sein. Jedoch genial war der
Versuch, alle Widerspr&uuml;che der b&uuml;rgerlichen &Ouml;konomie aus ihrem
wirklichen Quell, dem Privateigentum als solchem abzuleiten; damit ging Engels
schon &uuml;ber Proudhon hinaus, der das Privateigentum nur vom Boden des Privateigentums
aus zu bek&auml;mpfen wu&szlig;te. Was Engels &uuml;ber die entmenschenden Wirkungen
der kapitalistischen Konkurrenz zu sagen hatte, &uuml;ber die Bev&ouml;lkerungstheorie
des Malthus, &uuml;ber die immer steigende Fieberhitze der kapitalistischen Produktion,
&uuml;ber die Handelskrisen, &uuml;ber das Lohngesetz, &uuml;ber die Fortschritte
der Wissenschaft, die unter der Herrschaft des Privateigentums aus Mitteln zur
Befreiung der Menschheit vielmehr Mittel zur immer st&auml;rkeren Knechtung der
Arbeiterklasse w&uuml;rden usw., das enthielt die fruchtbaren Wurzeln des wissenschaftlichen
Kommunismus <A NAME="S102"></A><B>|102|*</B> nach der &ouml;konomischen Seite,
die Engels in der Tat zuerst als solche entdeckt hat.</P>
<P>Er selbst hat dar&uuml;ber allzu bescheiden gedacht. Wenn er einmal meinte,
seinen &ouml;konomischen S&auml;tzen habe Marx erst &raquo;die schlie&szlig;liche scharfe
Fassung&laquo; gegeben oder ein andermal: &raquo;Marx stand h&ouml;her, sah weiter, &uuml;berblickte
mehr und rascher als wir andern alle&laquo;<A name="ZT5"></A><A href="fm03_095.htm#Z5"><SPAN class="top">[5]</SPAN></A>, oder ein drittes Mal, was er gefunden habe,
w&uuml;rde Marx am Ende auch selbst gefunden haben, so ist in ihrer Fr&uuml;hzeit
doch auf dem Gebiete, auf dem zuletzt die entscheidende Schlacht geschlagen werden
mu&szlig;te und geschlagen worden ist, Engels der Gebende und Marx der Empfangende
gewesen. Sicherlich war Marx damals der philosophisch begabtere und vor allem
geschultere Kopf, und wenn man sich an einem kindlichen Wenn- und Aberspiel, das
mit geschichtlicher Forschung nichts zu tun hat, anders erlustigen will, so mag
man dar&uuml;ber spintisieren, ob Engels das Problem, das beide M&auml;nner gel&ouml;st
haben, in seiner franz&ouml;sischen verwickelteren Form so gel&ouml;st haben w&uuml;rde
wie Marx. Aber - und dies ist mit Unrecht verkannt worden - in seiner einfacheren
englischen Form hat es Engels nicht minder gl&uuml;cklich gel&ouml;st. Gerade
wenn man seine &raquo;Kritik der National&ouml;konomie&laquo; vom einseitig &ouml;konomischen
Standpunkt betrachtet, wird man manches an ihr aussetzen k&ouml;nnen; was sie
auszeichnet und was sie zu einem wesentlichen Fortschritt der Erkenntnis machte,
das verdankte ihr Verfasser der dialektischen Schule Hegels.</P>
<P>Auch nach au&szlig;en hin greifbar tritt der philosophische Ausgangspunkt in
dem zweiten Aufsatz hervor, den Engels in den &raquo;Deutsch-Franz&ouml;sischen Jahrb&uuml;chern&laquo;
ver&ouml;ffentlichte. Er schilderte die Lage Englands an der Hand einer Schrift
Carlyles, die er als das einzig lesenswerte Buch aus der literarischen Ernte eines
ganzen Jahres bezeichnete, eine Armut, die wieder in bezeichnendem Gegensatz zu
dem franz&ouml;sischen Reichtum stand. Engels kn&uuml;pfte daran eine Betrachtung
&uuml;ber die geistige Ersch&ouml;pfung der englischen Aristokratie und Bourgeoisie;
der gebildete Engl&auml;nder, nach dem man auf dem Festlande den englischen Nationalcharakter
beurteile, sei der ver&auml;chtlichste Sklave unter der Sonne, der unter Vorurteilen,
namentlich religi&ouml;sen Vorurteilen ersticke. &raquo;Nur der auf dem Kontinent unbekannte
Teil der englischen Nation, nur die Arbeiter, die Parias Englands, die Armen sind
wirklich respektabel, trotz all ihrer Roheit und all ihrer Demoralisation. Von
ihnen geht die Rettung Englands aus, in ihnen liegt noch bildsamer Stoff; sie
haben keine Bildung, aber auch keine Vorurteile; sie haben noch Kraft aufzuwenden
f&uuml;r eine gro&szlig;e nationale Tat, sie haben noch eine Zukunft.&laquo;<A name="ZT6"></A><A href="fm03_095.htm#Z6"><SPAN class="top">[6]</SPAN></A> Engels
wies darauf hin, wie, um mit Marx zu sprechen, die Philosophie sich in <A NAME="S103"></A><B>|103|</B>
diesem &raquo;naiven Volksboden&laquo; einzuwurzeln beginne; das &raquo;Leben Jesu&laquo; von Strau&szlig;,
das kein anst&auml;ndiger Schriftsteller zu &uuml;bersetzen und kein angesehener
Buchh&auml;ndler zu drucken gewagt habe, sei von einem sozialistischen Lekturer
&uuml;bersetzt worden und werde in Pennyheften unter den Arbeitern in London,
Birmingham und Manchester vertrieben.</P>
<P>Engels &uuml;bersetzte die &raquo;sch&ouml;nsten&laquo; der &raquo;oft wunderbar sch&ouml;nen
Stellen&laquo; aus Carlyles Schrift, die die Lage Englands in den d&uuml;stersten Farben
schilderten. Gegen die Rettungsvorschl&auml;ge aber, die Carlyle macht: eine neue
Religion, einen pantheistischen Heroenkultus und dergleichen mehr, berief er sich
auf Bruno Bauer und Feuerbach. Alle M&ouml;glichkeiten der Religion seien ersch&ouml;pft,
auch der Pantheismus, den Feuerbachs Thesen in den &raquo;Anekdotis&laquo; f&uuml;r immer
abgetan h&auml;tten. &raquo;Die Frage ist bisher immer gewesen: Was ist Gott? und die
deutsche Philosophie hat die Frage dahin gel&ouml;st: Gott ist der Mensch. Der
Mensch hat sich nur selbst zu erkennen, alle Lebensverh&auml;ltnisse an sich selbst
zu messen, nach seinem Wesen zu beurteilen, die Welt nach den Forderungen seiner
Natur wahrhaft menschlich einzurichten, so hat er das R&auml;tsel unserer Zeit
gel&ouml;st.&laquo;<A name="ZT7"></A><A href="fm03_095.htm#Z7"><SPAN class="top">[7]</SPAN></A> Und wie Marx den Menschen Feuerbachs sofort als das Wesen des Menschen,
Staat, Soziet&auml;t erl&auml;uterte, so sah Engels in dem Wesen des Menschen
die Geschichte, die &raquo;unser Eins und Alles&laquo; sei und &raquo;von uns&laquo; h&ouml;her gehalten
werde als irgend von einer anderen, fr&uuml;heren, philosophischen Richtung, h&ouml;her
selbst als von Hegel, dem sie am Ende auch nur als Probe auf sein logisches Rechenexempel
habe dienen sollen.</P>
<P>Es ist ungemein reizvoll, in den je zwei Aufs&auml;tzen, die Engels und Marx
f&uuml;r die &raquo;Deutsch-Franz&ouml;sischen Jahrb&uuml;cher&laquo; gestiftet haben, bis
ins einzelne hinein zu verfolgen, wie die gleichen Gedanken aufkeimen, anders
gef&auml;rbt hier im Lichte der Franz&ouml;sischen Revolution und dort im Lichte
der englischen Industrie, der beiden gro&szlig;en historischen Umw&auml;lzungen,
von denen die Geschichte der modernen b&uuml;rgerlichen Gesellschaft datiert,
aber im Wesen der Sache doch gleich. Hatte Marx aus den Menschenrechten das anarchische
Wesen der b&uuml;rgerlichen Gesellschaft herausgelesen, so erl&auml;uterte Engels
die Konkurrenz, &raquo;die Hauptkategorie des &Ouml;konomen, seine liebste Tochter&laquo;:
&raquo;Was soll man von einem Gesetze denken, das sich nur durch periodische Revolutionen
durchsetzen kann? Es ist eben eine Naturgesetz, das auf der Bewu&szlig;tlosigkeit
der Beteiligten beruht.&laquo;<A name="ZT8"></A><A href="fm03_095.htm#Z8"><SPAN class="top">[8]</SPAN></A> War Marx zu der Erkenntnis gelangt, da&szlig; die menschliche
Emanzipation erst vollbracht sei, wenn der Mensch durch die Organisation seiner
eigenen Kr&auml;fte als gesellschaftlicher Kr&auml;fte zum Gattungswesen geworden
sei, so sagte Engels: Produziert mit Bewu&szlig;tsein, als Menschen, nicht als
zersplitterte Atome ohne <A NAME="S104"></A><B>|104|</B> Gattungsbewu&szlig;tsein,
und ihr seid &uuml;ber alle diese k&uuml;nstlichen und unhaltbaren Gegens&auml;tze
hinaus.</P>
<P>Man sieht, wie die &Uuml;bereinstimmung fast bis auf den Wortlaut reicht.</P>
<H3 ALIGN="CENTER">3. &raquo;Die heilige Familie&laquo;<A name="Kap_3"></A></H3>
<P>Ihre erste gemeinsame Arbeit war die Abrechnung mit ihrem philosophischen Gewissen,
und sie kleidete sich in eine Polemik gegen die &raquo;Allgemeine Literatur-Zeitung&laquo;,
die Bruno Bauer mit seinen Br&uuml;dern Edgar und Egbert seit dem Dezember 1843
in Charlottenburg herausgab.</P>
<P>In diesem Organe versuchten die Berliner Freien ihre Weltanschauung, oder was
sie so nannten, zu begr&uuml;nden. Bruno Bauer war zwar durch Fr&ouml;bel zur
Mitarbeit an den &raquo;Deutsch-Franz&ouml;sischen Jahrb&uuml;chern&laquo; aufgefordert worden,
aber er hatte sich schlie&szlig;lich doch nicht entschlie&szlig;en k&ouml;nnen
mitzutun, und im Grunde hielt er nicht blo&szlig; deshalb an seinem philosophischen
Selbstbewu&szlig;tsein fest, weil sein pers&ouml;nliches Selbstbewu&szlig;tsein
durch Marx und Ruge empfindlich verletzt worden war. Seine spitzen Bemerkungen
&uuml;ber die &raquo;&#155;Rheinische Zeitung&#139; seligen Angedenkens&laquo;, die &raquo;Radikalen&laquo;, die
&raquo;Klugen von Anno 1842&laquo; hatten bei alledem einen sachlichen Hintergrund. Die Gr&uuml;ndlichkeit
und Schnelligkeit, womit die romantische Reaktion die &raquo;Deutschen Jahrb&uuml;cher&laquo;
und die &raquo;Rheinische Zeitung&laquo; vernichtet hatte, sobald sie sich von der Philosophie
zur Politik wandten, und die vollkommene Gleichg&uuml;ltigkeit, in der die &raquo;Masse&laquo;
bei dieser &raquo;Niedermetzelung&laquo; des &raquo;Geistes&laquo; geblieben war, hatten ihn &uuml;berzeugt,
da&szlig; auf diesem Wege nicht vorw&auml;rts zu kommen sei. Er sah alles Heil
nur in der R&uuml;ckkehr zur reinen Philosophie, zur reinen Theorie, zur reinen
Kritik, aus der im Gebiete der ideologischen Wolkenwelt einen allm&auml;chtigen
Herrscher der Welt zu machen denn freilich keine besondere Schwierigkeit bot.</P>
<P>Das Programm der &raquo;Allgemeinen Literatur-Zeitung&laquo;, soweit es &uuml;berhaupt
noch greifbar war, sprach Bruno Bauer mit den Worten aus: &raquo;Alle gro&szlig;en Aktionen
der bisherigen Geschichte waren deshalb von vornherein verfehlt und ohne eingreifenden
Erfolg, weil die Masse sich f&uuml;r sie interessiert oder enthusiasmiert hatte,
oder sie mu&szlig;ten ein kl&auml;gliches Ende nehmen, weil die Idee, um die es
sich in ihnen handelte, von der Art war, da&szlig; sie sich mit einer oberfl&auml;chlichen
Auffassung begn&uuml;gen, also auch auf den Beifall der Masse rechnen mu&szlig;te.&laquo;
Der Gegensatz zwischen &raquo;Geist&laquo; und &raquo;Masse&laquo; zog sich wie ein roter Faden durch
die <A NAME="S105"></A><B>|105|</B> &raquo;Allgemeine Literatur-Zeitung&laquo;; sie sagte,
der Geist wisse jetzt, wo er seinen einzigen Widersacher zu suchen habe, n&auml;mlich
in den Selbstt&auml;uschungen und in der Kernlosigkeit der Masse.</P>
<P>Dementsprechend urteilte die Zeitschrift Bauers mit absprechender Herablassung
&uuml;ber alle &raquo;massenhaften&laquo; Bewegungen der Zeit, &uuml;ber Christentum und Judentum,
Pauperismus und Sozialismus, franz&ouml;sische Revolution und englische Industrie.
Es war fast noch zu h&ouml;flich, wenn Engels ihr ins Stammbuch schrieb: &raquo;Sie
ist und bleibt ein altes Weib, die verwelkte und verwitwete <I>Hegelsche</I> Philosophie,
die ihren zur widerlichsten Abstraktion ausged&ouml;rrten Leib schminkt und aufputzt
und in ganz Deutschland nach einem Freier umherschielt.&laquo;<A name="ZT9"></A><A href="fm03_095.htm#Z9"><SPAN class="top">[9]</SPAN></A> Denn die Hegelsche Philosophie
wurde ins Absurde getrieben. Indem Hegel den absoluten Geist als sch&ouml;pferischen
Weltgeist immer erst nachtr&auml;glich im Philosophen zum Bewu&szlig;tsein kommen
lie&szlig;, sagte er im Grunde nur, da&szlig; der absolute Geist zum Schein in
der Einbildung die Geschichte mache, und er hatte sich sehr nachdr&uuml;cklich
gegen die Mi&szlig;deutung verwahrt, als ob das philosophische Individuum selbst
der absolute Geist sei. Dagegen betrachteten die Bauers und ihre J&uuml;nger sich
als die pers&ouml;nlichen Inkarnationen der Kritik, des absoluten Geistes, der
durch sie mit Bewu&szlig;tsein im Gegensatze zur &uuml;brigen Menschheit die Rolle
des Weltgeistes spiele. Dieser Dunst mu&szlig;te sich selbst in der philosophischen
Atmosph&auml;re Deutschlands schnell verfl&uuml;chtigen, sogar im Kreise der Freien
fand die &raquo;Allgemeine Literatur-Zeitung&laquo; eine sehr laue Aufnahme; weder K&ouml;ppen,
der sich ohnehin zur&uuml;ckhielt, arbeitete mit, noch Stirner, der sich vielmehr
heimlich r&uuml;stete, sie abzutun, aber auch Meyen und Rutenberg waren nicht
zu haben, und die Bauers mu&szlig;ten sich mit der einzigen Ausnahme Fauchers,
an einer dritten Garnitur der Freien gen&uuml;gen lassen, einem gewissen Jungnitz
und dem pseudonymen Szeliga, einem preu&szlig;ischen Leutnant von Zychlinski,
der erst im Jahre 1900 als General der Infanterie gestorben ist. Der ganze Spuk
war denn auch binnen Jahresfrist sang- und klanglos verschollen; die &raquo;Allgemeine
Literatur-Zeitung&laquo; war nicht nur tot, sondern auch schon vergessen, als Marx und
Engels gegen sie auf den &ouml;ffentlichen Plan traten.</P>
<P>Das ist ihrer ersten gemeinsamen Schrift nicht f&ouml;rderlich gewesen, der
&raquo;Kritik der kritischen Kritik&laquo;, wie sie selbst sie tauften, oder der &raquo;Heiligen
Familie&laquo;, dem Namen, den sie ihr nach einem Vorschlage des Verlegers gaben. Die
Gegner spotteten sofort, sie renne offene T&uuml;ren ein, und auch Engels meinte,
als er das fertige Buch erhielt, das Ding sei ganz famos, aber bei alledem zu
gro&szlig;; die souver&auml;ne Verachtung, womit die kritische Kritik behandelt
werde, stehe zu den zweiundzwanzig Bogen <A NAME="S106"></A><B>|106|*</B> der
Schrift im argen Gegensatze; das meiste werde dem gr&ouml;&szlig;eren Publikum
unverst&auml;ndlich sein und auch nicht allgemein interessieren. Das trifft heute
noch ungleich mehr zu als damals, dagegen hat sie inzwischen einen Reiz gewonnen,
der zur Zeit ihres Erscheinens nicht genossen werden konnte, wenigstens nicht
so, wie er heute genossen werden kann. Ein neuerer Kritiker sagt gleichwohl, nachdem
er die Silbenstechereien, Wortklaubereien und selbst ungeheuerlichen Gedankenverrenkungen
der Schrift getadelt hat, sie enthalte einige der sch&ouml;nsten Offenbarungen
des Genies, die auch in der meisterhaften Form, in der ehernen Gedrungenheit der
Sprache zu dem Herrlichsten geh&ouml;rten, was Marx je geschrieben habe.</P>
<P>Marx zeigt sich in diesen Partien der Schrift als Meister jener produktiven
Kritik, die die ideologische Einbildung durch die positive Tatsache schl&auml;gt,
die zugleich schafft, indem sie zerst&ouml;rt, zugleich aufbaut, indem sie einrei&szlig;t.
Den kritischen Redensarten Bruno Bauers &uuml;ber den franz&ouml;sischen Materialismus
und die franz&ouml;sische Revolution setzte Marx gl&auml;nzende Abrisse dieser
historischen Erscheinungen entgegen. Auf das Gerede Bruno Bauers von dem Gegensatze
zwischen &raquo;Geist&laquo; und &raquo;Masse&laquo;, &raquo;Idee&laquo; und &raquo;Interesse&laquo;, antwortete Marx k&uuml;hl:
&raquo;Die <I>&#155;Idee&#139; </I>blamierte sich immer, soweit sie von dem <I>&#155;Interesse&#139;</I>
unterschieden war.&laquo;<A name="ZT10"></A><A href="fm03_095.htm#Z10"><SPAN class="top">[10]</SPAN></A> Jedes massenhafte Interesse, das sich geschichtlich durchsetze,
pflege beim Betreten der Weltb&uuml;hne in der Idee weit &uuml;ber seine wirklichen
Schranken hinauszugehen und sich mit dem menschlichen Interesse schlechthin zu
verwechseln. Es sei die Illusion, die Fourier den Ton einer jeden Geschichtsepoche
nenne. &raquo;Das <I>Interesse</I> der Bourgeoisie in der Revolution von 1789, weit
entfernt <I>&#155;verfehlt&#139;</I> zu sein, hat alles <I>&#155;gewonnen&#139;</I> und hat den <I>&#155;eingreifendsten
Erfolg&#139;</I> gehabt, so sehr der <I>&#155;Pathos&#139;</I> verraucht und so sehr die <I>&#155;enthusiastischen&#139;</I>
Blumen, womit dieses Interesse seine Wiege bekr&auml;nzte, verwelkt sind. Dieses
<I>Interesse</I> war so m&auml;chtig, da&szlig; es die Feder eines Marat, die
Guillotine der Terroristen, den Degen Napoleons wie das Kruzifix und das Vollblut
der Bourbonen siegreich &uuml;berwand.&laquo;<A name="ZT11"></A><A href="fm03_095.htm#Z11"><SPAN class="top">[11]</SPAN></A> In dem Jahre 1830 habe die Bourgeoisie
ihre W&uuml;nsche vom Jahre 1789 verwirklicht, nur mit dem Unterschiede, da&szlig;
ihre politische Aufkl&auml;rung beendet gewesen sei, sie erstrebe in dem konstitutionellen
Repr&auml;sentativstaat nicht mehr das Ideal des Staats, nicht mehr das Heil der
Welt und allgemein menschliche Zwecke, sondern habe ihn als den offiziellen Ausdruck
ihrer ausschlie&szlig;lichen Macht und als die politische Anerkennung ihres besonderen
Interesses erkannt. Verfehlt sei die Revolution nur f&uuml;r <I>die</I> Masse gewesen,
die in der politischen Idee nicht die Idee ihres wirklichen Interesses besessen
habe, <A NAME="S107"></A><B>|107|</B> deren wahres Lebensprinzip also mit dem
Lebensprinzip der Revolution nicht zusammengefallen sei, deren reale Bedingungen
der Emanzipation wesentlich verschieden seien von den Bedingungen, innerhalb deren
die Bourgeoisie sich und die Gesellschaft emanzipieren konnte.</P>
<P>Der Behauptung Bruno Bauers, da&szlig; der Staat die Atome der b&uuml;rgerlichen
Gesellschaft zusammenhalte, setzte Marx entgegen, was sie zusammenhalte, sei dies,
da&szlig; sie Atome nur in der Vorstellung seien, im Himmel ihrer Einbildung,
in Wirklichkeit aber gewaltig von den Atomen unterschiedene Wesen, n&auml;mlich
keine g&ouml;ttlichen Egoisten, sondern egoistische Menschen. &raquo;Nur der <I>politische
Aberglaube</I> bildet sich noch heutzutage ein, da&szlig; das b&uuml;rgerliche
Leben vom Staat zusammengehalten werden m&uuml;sse, w&auml;hrend umgekehrt in
der Wirklichkeit der Staat von dem b&uuml;rgerlichen Leben zusammengehalten wird.&laquo;<A name="ZT12"></A><A href="fm03_095.htm#Z12"><SPAN class="top">[12]</SPAN></A>
Und ver&auml;chtlichen &Auml;u&szlig;erungen Bruno Bauers &uuml;ber die Bedeutung
von Industrie und Natur f&uuml;r die geschichtliche Erkenntnis begegnete Marx
mit der Frage, ob die kritische Kritik in der Erkenntnis der geschichtlichen Wirklichkeit
auch nur zum Anfange gekommen zu sein glaube, solange sie das theoretische und
praktische Verhalten der Menschen zur Natur, die Naturwissenschaft und die Industrie,
aus der geschichtlichen Bewegung ausschlie&szlig;e. &raquo;Wie sie das Denken von den
Sinnen, die Seele vom Leibe ... trennt, so trennt sie die Geschichte von der Naturwissenschaft
und Industrie, so sieht sie nicht in der grob-<I>materiellen</I> Produktion auf
der Erde, sondern in der dunstigen Wolkenbildung am Himmel die Geburtsst&auml;tte
der Geschichte.&laquo;<A name="ZT13"></A><A href="fm03_095.htm#Z13"><SPAN class="top">[13]</SPAN></A></P>
<P>Wie sich Marx der franz&ouml;sischen Revolution gegen&uuml;ber der kritischen
Kritik annahm, so Engels der englischen Industrie. Er hatte es dabei mit dem jungen
Faucher zu tun, der von den Mitarbeitern der &raquo;Allgemeinen Literatur-Zeitung&laquo; noch
am ehesten die irdische Wirklichkeit beachtete; es ist erg&ouml;tzlich zu lesen,
wie trefflich er damals jenes kapitalistische Lohngesetz auseinanderzusetzen wu&szlig;te,
das er zwanzig Jahre sp&auml;ter, bei Lassalles Auftreten, als ein &raquo;faules Ricardosches
Gesetz&laquo; in die Tiefen der H&ouml;lle verfluchen sollte. Bei allen groben Schnitzern,
die Engels ihm nachwies - Faucher wu&szlig;te im Jahre 1844 noch nichts davon,
da&szlig; im Jahre 1824 die englischen Koalitionsverbote aufgehoben worden waren
- fehlte es doch nicht ganz an Silbenstechereien, und in einem wesentlichen Punkt
irrte auch Engels, wenngleich nach anderer Seite als Faucher. Hatte dieser die
Zehnstundenbill Lord Ashleys als eine &raquo;schlappe Milieu-Ma&szlig;regel&laquo; verspottet,
die kein Axthieb in die Baumwurzel sein w&uuml;rde, so nahm sie Engels mit &raquo;der
ganzen Massenhaftigkeit Englands&laquo; f&uuml;r den allerdings m&ouml;glichst gelinden
Ausdruck eines durchaus <A NAME="S108"></A><B>|108|*</B> radikalen Prinzips, da
sie die Axt an die Wurzel des ausw&auml;rtigen Handels und damit an die Wurzel
des Fabriksystems nicht nur legen, sondern tief hineinhauen w&uuml;rde. Engels,
und mit ihm Marx, sah damals in der Bill Lord Ashleys einen Versuch, der gro&szlig;en
Industrie eine reaktion&auml;re Fessel anzulegen, die auf dem Boden der kapitalistischen
Gesellschaft immer wieder zerrissen werden w&uuml;rde.</P>
<P>Ihre philosophische Vergangenheit haben Engels und Marx noch nicht v&ouml;llig
abgestreift; gleich mit dem ersten Worte der Vorrede kehren sie den realen Humanismus&laquo;
Feuerbachs gegen den spekulativen Idealismus Bruno Bauers heraus. R&uuml;ckhaltlos
erkennen sie die genialen Entwicklungen Feuerbachs an, sein Verdienst, die gro&szlig;en
und meisterhaften Grundz&uuml;ge zur Kritik aller Metaphysik geliefert, den Menschen
an die Stelle des alten Plunders, auch des unendlichen Selbstbewu&szlig;tseins
gesetzt zu haben. Aber sie schreiten &uuml;ber den Humanismus Feuerbachs immer
wieder vor zum Sozialismus, vom abstrakten zum historischen Menschen, und in der
chaotisch durcheinanderflutenden Welt des Sozialismus finden sie sich mit bewundernswertem
Scharfsinn zurecht. Sie enth&uuml;llten das Geheimnis der sozialistischen Spielereien,
in denen sich die satte Bourgeoisie gefiel. Das menschliche Elend selbst, die
unendliche Verworfenheit, die das Almosen empfangen mu&szlig;, dienen der Aristokratie
des Geldes und der Bildung zum Am&uuml;sement, zur Befriedigung ihrer Selbstliebe,
zum Kitzel ihres &Uuml;bermuts: einen anderen Sinn haben die vielen Wohlt&auml;tigkeitsvereine
in Deutschland, die vielen wohlt&auml;tigen Gesellschaften in Frankreich, die
zahlreichen wohlt&auml;tigen Donquichotterien in England, die Konzerte, B&auml;lle,
Schauspiele, Essen f&uuml;r Arme, selbst die &ouml;ffentlichen Subskriptionen
f&uuml;r Verungl&uuml;ckte nicht.</P>
<P>Von den gro&szlig;en Utopisten hat Fourier am meisten beigesteuert zu dem gedanklichen
Inhalt der &raquo;Heiligen Familie&laquo;. Doch unterscheidet Engels schon zwischen Fourier
und Fourierismus; er sagt, der verw&auml;sserte Fourierismus, wie ihn die &raquo;Friedliche
Demokratie&laquo; predige, sei nichts als die soziale Lehre eines Teils der philanthropischen
Bourgeoisie. Er wie Marx betonen immer wieder, was auch die gro&szlig;en Utopisten
niemals verstanden hatten: die geschichtliche Entwicklung, die selbst&auml;ndige
Bewegung der Arbeiterklasse. Gegen Edgar Bauer schreibt Engels: &raquo;Die kritische
Kritik schafft Nichts, der Arbeiter schafft Alles, ja so sehr Alles, da&szlig;
er die ganze Kritik auch in seinen geistigen Sch&ouml;pfungen besch&auml;mt; die
englischen und franz&ouml;sischen Arbeiter k&ouml;nnen davon Zeugnis ablegen.&laquo;<A name="ZT14"></A><A href="fm03_095.htm#Z14"><SPAN class="top">[14]</SPAN></A>
Und den angeblichen ausschlie&szlig;enden Gegensatz zwischen &raquo;Geist&laquo; und &raquo;Masse&laquo;
beseitigte Marx unter anderem auch durch die Bemerkung, da&szlig; der kommunistischen
Kritik der Utopisten praktisch <A NAME="S109"></A><B>|109|</B> sogleich die Bewegung
der gro&szlig;en Masse entsprochen habe; man m&uuml;sse das Studium, die Wi&szlig;begierde,
die sittliche Energie, den rastlosen Entwicklungstrieb der franz&ouml;sischen
und englischen Ouvriers kennengelernt haben, um sich von dem menschlichen Adel
dieser Bewegung eine Vorstellung machen zu k&ouml;nnen.</P>
<P>Danach ist es leicht zu begreifen, da&szlig; Marx sich mit besonderem Eifer
gegen die abgeschmackte &Uuml;bersetzung und den noch abgeschmackteren Kommentar
wandte, womit Edgar Bauer sich in der &raquo;Allgemeinen Literatur-Zeitung&laquo; an Proudhon
vers&uuml;ndigt hatte. Es ist nat&uuml;rlich eine akademische Finte, da&szlig;
Marx in der &raquo;Heiligen Familie&laquo; denselben Proudhon verherrlicht haben soll, den
er ein paar Jahre sp&auml;ter scharf kritisieren sollte. Marx wehrte sich nur
dagegen, da&szlig; Proudhons wirkliche Leistung durch Edgar Bauers verwaschenes
Gerede verdunkelt w&uuml;rde, und diese Leistung erkannte er auf national&ouml;konomischem
Gebiete f&uuml;r ebenso bahnbrechend an wie Bruno Bauers Leistung auf theologischem
Gebiete. Aber wie gegen Bruno Bauers theologische, so wandte sich Marx auch gegen
Proudhons national&ouml;konomische Beschr&auml;nktheit.</P>
<P>Behandelte Proudhon das Eigentum vom Boden der b&uuml;rgerlichen &Ouml;konomie
als einen inneren Widerspruch, so sagte Marx: &raquo;Das Privateigentum als Privateigentum,
als Reichtum, ist gezwungen, <I>sich selbst</I> und damit seinen Gegensatz, das
Proletariat, im <I>Bestehen</I> zu erhalten. Es ist die <I>positive</I> Seite
des Gegensatzes, das in sich selbst befriedigte Privateigentum. Das Proletariat
ist umgekehrt als Proletariat gezwungen, sich selbst und damit seinen bedingenden
Gegensatz, der es zum Proletariat macht, das Privateigentum, aufzuheben. Es ist
die <I>negative</I> Seite des Gegensatzes, seine Unruhe in sich, das aufgel&ouml;ste
und sich aufl&ouml;sende Privateigentum ... Innerhalb des Gegensatzes ist der
Privateigent&uuml;mer also die <I>konservative</I>, der Proletarier die <I>destruktive</I>
Partei. Von jenem geht die Aktion des Erhaltens des Gegensatzes, von diesem die
Aktion seiner Vernichtung aus. Das Privateigentum treibt allerdings sich selbst
in seiner national&ouml;konomischen Bewegung zu seiner eignen Aufl&ouml;sung fort,
aber nur durch eine von ihm unabh&auml;ngige, bewu&szlig;tlose, wider seinen Willen
stattfindende, durch die Natur der Sache bedingte Entwicklung, nur indem es das
Proletariat <I>als</I> Proletariat erzeugt, das seines geistigen und physischen
Elends bewu&szlig;te Elend, die ihrer Entmenschung bewu&szlig;te und darum sich
selbst aufhebende Entmenschung. Das Proletariat vollzieht das Urteil, welches
das Privateigentum durch die Erzeugung des Proletariats &uuml;ber sich selbst
verh&auml;ngt, wie es das Urteil vollzieht, welches die Lohnarbeit &uuml;ber sich
selbst verh&auml;ngt, indem <A NAME="S110"></A><B>|110|</B> sie den fremden Reichtum
und das eigne Elend erzeugt. Wenn das Proletariat siegt, so ist es dadurch keineswegs
zur absoluten Seite der Gesellschaft geworden, denn es siegt nur, indem es sich
selbst und sein Gegenteil aufhebt. Alsdann ist ebensowohl das Proletariat wie
sein bedingender Gegensatz, das Privateigentum, verschwunden.&laquo;<A name="ZT15"></A><A href="fm03_095.htm#Z15"><SPAN class="top">[15]</SPAN></A></P>
<P>Ausdr&uuml;cklich verwahrte sich Marx dagegen, da&szlig; er die Proletarier
f&uuml;r G&ouml;tter erkl&auml;ren wolle, indem er ihnen diese weltgeschichtliche
Rolle zuschreibe. &raquo;Vielmehr umgekehrt! Weil die Abstraktion von aller Menschlichkeit,
selbst von dem <I>Schein</I> der Menschlichkeit, im ausgebildeten Proletariat
praktisch vollendet ist, weil in den Lebensbedingungen des Proletariats alle Lebensbedingungen
der heutigen Gesellschaft in ihrer unmenschlichsten Spitze zusammengefa&szlig;t
sind, weil der Mensch in ihm sich selbst verloren, aber zugleich nicht nur das
theoretische Bewu&szlig;tsein dieses Verlustes gewonnen hat, sondern auch unmittelbar
durch die nicht mehr abzuweisende, absolut gebieterische <I>Not</I> - den praktischen
Ausdruck der <I>Notwendigkeit</I> - zur Emp&ouml;rung gegen diese Unmenschlichkeit
gezwungen ist, darum kann und mu&szlig; das Proletariat sich selbst befreien.
Es kann sich aber nicht selbst befreien, ohne seine eigenen Lebensbedingungen
aufzuheben. Es kann seine eigenen Lebensbedingungen nicht aufheben, ohne <I>alle</I>
unmenschlichen Lebensbedingungen der heutigen Gesellschaft, die sich in seiner
Situation zusammenfassen, aufzuheben. Es macht nicht vergebens die harte, aber
st&auml;hlende Schule der <I>Arbeit</I> durch. Es handelt sich nicht darum, was
dieser oder jener Proletarier oder selbst das ganze Proletariat als Ziel sich
einstweilen <I>vorstellt</I>. Es handelt sich darum, <I>was</I> es <I>ist</I>
und was es diesem <I>Sein</I> gem&auml;&szlig; geschichtlich zu tun gezwungen
sein wird. Sein Ziel und seine geschichtliche Aktion ist in seiner eigenen Lebenssituation
wie in der ganzen Organisation der heutigen b&uuml;rgerlichen Gesellschaft sinnf&auml;llig,
unwiderruflich vorgezeichnet.&laquo;<A name="ZT16"></A><A href="fm03_095.htm#Z16"><SPAN class="top">[16]</SPAN></A> Und immer wieder betonte Marx, da&szlig; ein gro&szlig;er
Teil des englischen und franz&ouml;sischen Proletariats sich seiner geschichtlichen
Aufgabe schon bewu&szlig;t sei und best&auml;ndig daran arbeite, dies Bewu&szlig;tsein
zur vollst&auml;ndigen Klarheit herauszubilden.</P>
<P>Neben mancher frischen Quelle, aus der das Wasser des Lebens sprudelt, enth&auml;lt
die &raquo;Heilige Familie&laquo; freilich auch manche Strecke d&uuml;rren Landes. Namentlich
die beiden langen Kapitel, die sich mit der unglaublichen Weisheit des w&uuml;rdigen
Szeliga befassen, stellen die Geduld des Lesers auf eine harte Probe. Man wird
der Schrift am gerechtesten, wenn man sie als eine Improvisation betrachtet, wie
sie es augenscheinlich auch gewesen ist. Just in den Tagen, wo Engels und Marx
sich pers&ouml;nlich kennenlernten, traf in Paris das achte Heft der &raquo;Allgemeinen
<A NAME="S111"></A><B>|111|</B> Literatur-Zeitung&laquo; ein, worin Bruno Bauer in versteckter
zwar, aber zugleich bissiger Weise die Auffassung bek&auml;mpfte, zu der beide
in den &raquo;Deutsch-Franz&ouml;sischen Jahrb&uuml;chern&laquo; gelangt waren.</P>
<P>Da mag in ihnen der Gedanke aufgetaucht sein, dem alten Freunde in lustig-sp&ouml;ttischer
Weise zu antworten, mit einer kleinen Flugschrift, die schnell erscheinen sollte.
Darauf deutet hin, da&szlig; Engels seinen Beitrag, der wenig &uuml;ber einen
Druckbogen umfa&szlig;te, sofort niederschrieb und sehr verwundert war, als er
h&ouml;rte, da&szlig; Marx die Schrift auf zwanzig Druckbogen ausdehne; er empfand
es als &raquo;kurios&laquo; und komisch&laquo;, da&szlig; bei dem geringen Umfange seines Anteils
sein Name mit auf dem Titel st&auml;nde und gar an erster Stelle. Marx wird die
Arbeit in seiner gr&uuml;ndlichen Weise angefa&szlig;t und dabei wird es ihm nach
dem bekannten nur allzu wahren Wort an Zeit gefehlt haben, kurz zu sein; vielleicht
hat er den Stoff auch ausgereckt, um die Zensurfreiheit zu gewinnen, die B&uuml;chern
&uuml;ber zwanzig Druckbogen zustand.</P>
<P>Im &uuml;brigen k&uuml;ndigten die Verfasser diese Polemik nur als Vorl&auml;ufer
der selbst&auml;ndigen Schriften an, worin sie - jeder f&uuml;r sich - ihre Stellung
zu den neueren philosophischen und sozialen Doktrinen nehmen w&uuml;rden. Wie
ernst es ihnen damit war, zeigte die Tatsache, da&szlig; Engels die erste dieser
selbst&auml;ndigen Schriften bereits im Manuskript vollendet hatte, als er das
erste gedruckte Exemplar der &raquo;Heiligen Familie&laquo; erhielt.</P>
<H3 ALIGN="CENTER">4. Eine sozialistische Grundlegung<A name="Kap_4"></A></H3>
<P>Diese Schrift war &raquo;Die Lage der arbeitenden Klasse in England&laquo;<A name="ZT17"></A><A href="fm03_095.htm#Z17"><SPAN class="top">[17]</SPAN></A>, die im Sommer
1845 bei Wigand in Leipzig erschien, dem ehemaligen Verleger der &raquo;Deutschen Jahrb&uuml;cher&laquo;,
der einige Monate vorher Stirners &raquo;Einzigen&laquo; verlegt hatte. War Stirner als ein
letzter Ausl&auml;ufer der Hegelschen Philosophie in die platte Weisheit der kapitalistischen
Konkurrenz &uuml;bergeschnappt, so legte Engels in seinem Buche den Grund f&uuml;r
diejenigen deutschen Theoretiker, die - und es waren fast alle - durch die Feuerbachsche
Aufl&ouml;sung der Hegelschen Spekulation zum Kommunismus und Sozialismus gekommen
waren. Er schilderte die Zust&auml;nde der englischen Arbeiterklasse in ihrer
grauenerregenden, aber f&uuml;r die Herrschaft der Bourgeoisie typischen Wirklichkeit.</P>
<P>Als Engels seine Arbeit fast f&uuml;nfzig Jahre sp&auml;ter von neuem herausgab,
nannte er sie eine Phase in der embryonalen Entwicklung des modernen internationalen
Sozialismus. Er f&uuml;gte hinzu: wie der menschliche <A NAME="S112"></A><B>|112|</B>
Embryo in seinen fr&uuml;hesten Entwicklungsstufen die Kiemenb&ouml;gen unserer
Vorfahren, der Fische, noch immer reproduziere, so verrate sein Buch &uuml;berall
die Spuren der Abstammung des modernen Sozialismus von einem seiner Vorfahren,
der deutschen klassischen Philosophie. Das ist aber nur mit der Einschr&auml;nkung
richtig, da&szlig; diese Spuren viel schw&auml;cher sind als noch in den Aufs&auml;tzen,
die Engels in den &raquo;Deutsch-Franz&ouml;sischen Jahrb&uuml;chern&laquo; ver&ouml;ffentlicht
hatte; weder Bruno Bauer noch Feuerbach werden mehr erw&auml;hnt, und &raquo;Freund
Stirner&laquo; nur ein paar Mal, um ihn ein wenig aufzuziehen. Nicht in noch r&uuml;ckst&auml;ndigem,
sondern in entschieden fortschreitendem Sinne kann man von einem wesentlichen
Einflu&szlig; der deutschen Philosophie auf das Buch sprechen.</P>
<P>Sein eigentlicher Schwerpunkt lag nicht in der Schilderung des proletarischen
Elends, wie es in England unter der Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise
entstanden war. Darin hatte Engels manche Vorl&auml;ufer gehabt, Buret, Gaskell
und andere, die er reichlich zitiert. Auch die echte Emp&ouml;rung gegen ein soziales
System, das die furchtbarsten Leiden &uuml;ber die arbeitenden Massen verh&auml;ngte,
die ersch&uuml;tternd wahre Schilderung dieser Leiden, das tiefe und wahre Mitgef&uuml;hl
mit ihren Opfern gab der Schrift nicht die eigent&uuml;mliche Note. Das Bewundernswerteste
und zugleich historisch Bedeutendste an ihr war die Sch&auml;rfe, womit der vierundzwanzigj&auml;hrige
Verfasser den Geist der kapitalistischen Produktionsweise begriff und aus ihm
nicht nur den Aufstieg, sondern auch den Verfall der Bourgeoisie, nicht nur das
Elend, sondern auch die Rettung des Proletariats zu erkl&auml;ren verstand. Der
Kern der Schrift war, zu zeigen, wie die gro&szlig;e Industrie die moderne Arbeiterklasse
schafft, als eine entmenschte, intellektuell und moralisch zur Bestialit&auml;t
herabgew&uuml;rdigte, k&ouml;rperlich zerr&uuml;ttete Rasse, aber wie die moderne
Arbeiterklasse sich kraft einer historischen Dialektik, deren Gesetze im einzelnen
aufgezeigt werden, zum Sturze ihres Sch&ouml;pfers entwickelt und entwickeln mu&szlig;.
In der Verschmelzung der Arbeiterbewegung mit dem Sozialismus sah sie die Herrschaft
des Proletariats &uuml;ber England.</P>
<P>Einer solchen Leistung war aber nur f&auml;hig, wer die Dialektik Hegels in
sein Fleisch und Blut aufgenommen hatte, und sie von dem Kopfe, worauf sie stand,
auf die F&uuml;&szlig;e zu stellen wu&szlig;te. Hierdurch wurde die Schrift eine
sozialistische Grundlegung, wie sie nach den Absichten ihres Verfassers werden
sollte. Jedoch der gro&szlig;e Eindruck, den sie bei ihrem Erscheinen hervorrief,
beruhte nicht hierauf, sondern auf ihrem rein stofflichen Interesse; wenn sie
- wie eine akademische Per&uuml;cke mit komischer Selbst&uuml;berhebung meint
- den Sozialismus &raquo;universit&auml;tsf&auml;hig&laquo; <A NAME="S113"></A><B>|113|</B>
gemacht hat, so doch nur in dem Sinne, da&szlig; dieser oder jener Professor eine
rostige Lanze an ihr zerbrach. Vor allem bl&auml;hte sich die gelehrte Kritik
auf, als die Revolution nicht eintrat, die Engels schon vor den englischen Toren
sah. Er selbst durfte f&uuml;nfzig Jahre sp&auml;ter gelassen sagen, das Wunderbare
sei, nicht da&szlig; diese und andere Prophezeiungen, die er in &raquo;jugendlicher
Hitze&laquo; gemacht habe, fehlgegangen, sondern da&szlig; so viele eingetroffen seien,
wenn er sie auch erst in &raquo;viel zu naher Zukunft&laquo; gesehen habe.</P>
<P>Heute ist die &raquo;jugendliche Hitze&laquo;, die manches in &raquo;viel zu naher Zukunft&laquo; sah,
nicht der geringste Reiz der bahnbrechenden Schrift. Ohne diesen Schatten w&auml;re
ihr Licht nicht denkbar. Der geniale Blick, der aus der Gegenwart die Zukunft
zu erkennen wei&szlig;, sieht die kommenden Dinge sch&auml;rfer, aber deshalb
auch n&auml;her, als der gesunde Menschenverstand, der sich schwerer an die Vorstellung
gew&ouml;hnt, da&szlig; ihm just nicht immer um zw&ouml;lf Uhr die Suppe auf den
Tisch gesetzt zu werden braucht. Auf der anderen Seite sahen damals au&szlig;er
Engels noch viele andere Leute die englische Revolution vor der T&uuml;r wie selbst
die &raquo;Times&laquo;, das Hauptblatt der englischen Bourgeoisie, aber die Angst des b&ouml;sen
Gewissens f&uuml;rchtete in der Revolution nur Brand und Mord, w&auml;hrend der
soziale Seherblick neues Leben aus den Ruinen sprossen sah.</P>
<P>Nicht jedoch nur in dieser Schrift wurde Engels w&auml;hrend des Winters von
1844 auf 1845 von &raquo;jugendlicher Hitze&laquo; umgetrieben; w&auml;hrend er sie noch auf
dem Ambo&szlig; schmiedete, hatte er schon neue Eisen im Feuer: neben ihrer Fortsetzung,
denn sie sollte nur ein einzelnes Kapitel aus einer umfassenderen Arbeit &uuml;ber
die soziale Geschichte Englands sein, auch noch eine sozialistische Monatsschrift,
die er mit Moses He&szlig; gemeinsam herausgeben wollte, eine Bibliothek sozialistischer
Schriftsteller des Auslandes, eine Kritik Lists und anderes mehr. Unerm&uuml;dlich
trieb er Marx, mit dem er sich in seinen Pl&auml;nen mehrfach begegnete, zu gleich
regem Schaffen an. &raquo;Mach, da&szlig; Du mit Deinem national&ouml;konomischen Buch
fertig wirst, wenn Du selbst auch mit vielem unzufrieden bleiben solltest, es
ist einerlei, die Gem&uuml;ter sind reif, und wir m&uuml;ssen das Eisen schmieden,
weil es warm ist ... jetzt ist aber hohe Zeit. Darum mach, da&szlig; Du <I>vor</I>
April fertig wirst, mach's wie ich, setz Dir eine Zeit, bis wohin Du positiv <I>fertig
sein willst</I>, und sorge f&uuml;r einen baldigen Druck. Kannst Du es nicht da
drucken lassen, so la&szlig; es in Mannheim, Darmstadt oder so drucken. Aber heraus
mu&szlig; es bald.&laquo; Selbst &uuml;ber die &raquo;verwunderliche&laquo; Ausdehnung der &raquo;Heiligen
Familie&laquo; tr&ouml;stete sich Engels damit, es sei ganz gut so; &raquo;es kommt so vieles
schon jetzt an den Mann, was sonst wer wei&szlig; wie lange noch in Deinem Sekret&auml;r
gelegen <A NAME="S114"></A><B>|114|</B> h&auml;tte&laquo;. Wie oft noch sollte er im
Laufe der kommenden Jahrzehnte &auml;hnliche Rufe erheben!</P>
<P>Aber ein ungeduldiger Mahner, war er zugleich der geduldigste Helfer, wenn
der Genius in seinem schweren Ringen mit sich selbst noch durch die elenden N&ouml;te
des gemeinen Lebens bedr&auml;ngt wurde. Sobald die Nachricht nach Barmen kam,
da&szlig; Marx aus Paris vertrieben sei, hielt Engels es f&uuml;r n&ouml;tig,
gleich eine Subskription zu er&ouml;ffnen, &raquo;um die Dir dadurch verursachten Extrakosten
auf uns alle kommunistisch zu repartieren&laquo;. Seinen Bericht &uuml;ber den &raquo;guten
Fortgang&laquo; der Zeichnungen f&uuml;gte er hinzu: &raquo;Da ich &uuml;brigens nicht wei&szlig;,
ob das gen&uuml;gen wird, um Dir Deine Einrichtung in Br&uuml;ssel zustandezubringen,
so versteht es sich von selbst, da&szlig; mein Honorar f&uuml;r das erste englische
Ding, was ich hoffentlich bald wenigstens teilweise ausgezahlt bekomme und f&uuml;r
den Augenblick entbehren kann, da mein Alter mir pumpen mu&szlig;, Dir mit dem
gr&ouml;&szlig;ten Vergn&uuml;gen zur Disposition steht. Die Hunde sollen wenigstens
das Pl&auml;sier nicht haben, Dich durch ihre Infamie in pekuni&auml;re Verlegenheit
zu bringen.&laquo; Und auch im Schutze des Freundes vor &raquo;diesem Pl&auml;sier der Hunde&laquo;
ist Engels ein Menschenalter hindurch unerm&uuml;dlich gewesen.</P>
<P>Leichtfertig wie Engels in diesen jugendlichen Briefen erscheint, war er doch
nichts weniger als leichtfertig. Das &raquo;erste englische Ding&laquo;, von dem er so obenhin
sprach, haben nunmehr sieben Jahrzehnte als schwerl&ouml;tig gewogen; es war ein
epochemachendes Werk, die erste gro&szlig;e Urkunde des wissenschaftlichen Sozialismus.
Engels z&auml;hlte vierundzwanzig Jahre, als er sie schrieb und damit sogar den
Staub aus den akademischen Per&uuml;cken aufwirbelte. Aber er war kein fr&uuml;hreifes
Talent, das in der schw&uuml;len Luft des Treibhauses schnell gedieh, um schneller
zu verwelken; seine &raquo;jugendliche Hitze&laquo; entstammte dem echten Sonnenfeuer eines
gro&szlig;en Gedankens, das sein Alter noch erw&auml;rmte wie seine Jugend.</P>
<P>Derweil lebte er im Hause seiner Eltern &raquo;ein stilles, geruhiges Leben in aller
Gottseligkeit und Ehrbarkeit&laquo;, wie es &raquo;der gl&auml;nzendste Philister&laquo; nur verlangen
konnte. Aber es war ihm bald leid, und nur durch die &raquo;tr&uuml;bseligen Gesichter&laquo;
seiner Alten lie&szlig; er sich bestimmen, noch einen Versuch mit dem Schacher
zu machen. Zum Fr&uuml;hjahr wollte er auf jeden Fall fort, zun&auml;chst nach
Br&uuml;ssel. Seine &raquo;Familienh&auml;keleien&laquo; steigerten sich bedeutend durch eine
kommunistische Propaganda in Barmen-Elberfeld, an der er sich lebhaft beteiligte.
Er berichtete an Marx von drei kommunistischen Versammlungen, von denen die erste
40, die zweite 130, die dritte 200 Teilnehmer gez&auml;hlt habe. &raquo;Das Ding <A NAME="S115"></A><B>|115|</B>
zieht ungeheuer. Man spricht von nichts als vom Kommunismus, und jeden Tag fallen
uns neue Anh&auml;nger zu. Der Wuppertaler Kommunismus ist une v&eacute;rit&eacute;,
ja beinahe schon eine Macht.&laquo; Diese Macht zerstob freilich auf einen einfachen
Befehl der Polizei, und es sah auch sonst sonderlich genug mit ihr aus; Engels
selbst berichtete, nur das Proletariat habe sich von dieser kommunistischen Bewegung
ausgeschlossen, f&uuml;r die das d&uuml;mmste, indolenteste, philisterhafteste
Volk, das sich f&uuml;r nichts in der Welt interessiere, beinahe zu schw&auml;rmen
beginne.</P>
<P>Das stimmte schlecht zu dem, was Engels gleichzeitig &uuml;ber die Aussichten
des englischen Proletariats schrieb. Aber so war er einmal: ein Prachtkerl vom
Scheitel bis zur Sohle, immer auf der Vorhut, frisch, scharf&auml;ugig, unerm&uuml;dlich
und nicht ohne jene holde Torheit, die einer begeisterten und tapferen Jugend
so wohl ansteht.</P>
<HR size="1">
<P><A name="Z1"></A><SPAN class="top">[1]</SPAN> Friedrich Engels: Schelling und die Offenbarung. Kritik des neuesten Reaktionsversuchs gegen die freie Philosophie, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me41/me41_173.htm">Erg&auml;nzungsband, 2. Teil, S. 173 ff.</A> <A href="fm03_095.htm#ZT1">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z2"></A><SPAN class="top">[2]</SPAN> Friedrich Engels: Die frech bedr&auml;ute, jedoch wunderbar befreite Bibel. Oder: der Triumph des Glaubens. Das ist: Schreckliche, jedoch wahrhafte und erkleckliche Historia von dem weiland Licentiaten Bruno Bauer; wie selbiger vom Teufel verf&uuml;hret, vom reinen Glauben abgefallen, Oberteufel geworden und endlich kr&auml;ftiglich entsetzet ist. Christliches Heldengedicht in vier Ges&auml;ngen, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me41/me41_283.htm">Erg&auml;nzungsband, 2. Teil, S. 283 ff.</A> <A href="fm03_095.htm#ZT2">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z3"></A><SPAN class="top">[3]</SPAN> Friedrich Engels: Die frech bedr&auml;ute, jedoch wunderbar befreite Bibel. Oder: der Triumph des Glaubens. Das ist: Schreckliche, jedoch wahrhafte und erkleckliche Historia von dem weiland Licentiaten Bruno Bauer; wie selbiger vom Teufel verf&uuml;hret, vom reinen Glauben abgefallen, Oberteufel geworden und endlich kr&auml;ftiglich entsetzet ist. Christliches Heldengedicht in vier Ges&auml;ngen, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me41/me41_283.htm#S300">Erg&auml;nzungsband, 2. Teil, S. 300/301.</A> <A href="fm03_095.htm#ZT3">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z4"></A><SPAN class="top">[4]</SPAN> Friedrich Engels: Umrisse zu einer Kritik der National&ouml;konomie, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me01/me01_499.htm">Bd. 1, S. 499-524.</A> <A href="fm03_095.htm#ZT4">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z5"></A><SPAN class="top">[5]</SPAN> Friedrich Engels: Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me21/me21_291.htm#F1">Bd. 21, S. 291, Fu&szlig;note.</A> <A href="fm03_095.htm#ZT5">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z6"></A><SPAN class="top">[6]</SPAN> Friedrich Engels: Die Lage Englands. Thomas Carlyles &raquo;Past and Present&laquo;, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me01/me01_525.htm#S526">Bd. 1, S. 526.</A> <A href="fm03_095.htm#ZT6">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z7"></A><SPAN class="top">[7]</SPAN> Friedrich Engels: Die Lage Englands. Thomas Carlyles &raquo;Past and Present&laquo;, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me01/me01_525.htm#S546">Bd. 1, S. 546.</A> <A href="fm03_095.htm#ZT7">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z8"></A><SPAN class="top">[8]</SPAN> Friedrich Engels: Umrisse zu einer Kritik der National&ouml;konomie, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me01/me01_499.htm#S515">Bd. 1, S. 515.</A> <A href="fm03_095.htm#ZT8">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z9"></A><SPAN class="top">[9]</SPAN> Karl Marx/Friedrich Engels: Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik. Gegen Bruno Bauer und Konsorten, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me02/me02_019.htm#S20">Bd. 2, S. 20.</A> <A href="fm03_095.htm#ZT9">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z10"></A><SPAN class="top">[10]</SPAN> Karl Marx/Friedrich Engels: Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik. Gegen Bruno Bauer und Konsorten, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me02/me02_082.htm#S85">Bd. 2, S. 85.</A> <A href="fm03_095.htm#ZT10">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z11"></A><SPAN class="top">[11]</SPAN> Karl Marx/Friedrich Engels: Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik. Gegen Bruno Bauer und Konsorten, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me02/me02_082.htm#S85">Bd. 2, S. 85/86.</A> <A href="fm03_095.htm#ZT11">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z12"></A><SPAN class="top">[12]</SPAN> Karl Marx/Friedrich Engels: Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik. Gegen Bruno Bauer und Konsorten, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me02/me02_082.htm#S128">Bd. 2, S. 128.</A> <A href="fm03_095.htm#ZT12">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z13"></A><SPAN class="top">[13]</SPAN> Karl Marx/Friedrich Engels: Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik. Gegen Bruno Bauer und Konsorten, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me02/me02_152.htm#S159">Bd. 2, S. 159.</A> <A href="fm03_095.htm#ZT13">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z14"></A><SPAN class="top">[14]</SPAN> Karl Marx/Friedrich Engels: Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik. Gegen Bruno Bauer und Konsorten, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me02/me02_019.htm#S20">Bd. 2, S. 20.</A> <A href="fm03_095.htm#ZT14">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z15"></A><SPAN class="top">[15]</SPAN> Karl Marx/Friedrich Engels: Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik. Gegen Bruno Bauer und Konsorten, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me02/me02_019.htm#S37">Bd. 2, S. 37/38.</A> <A href="fm03_095.htm#ZT15">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z16"></A><SPAN class="top">[16]</SPAN> Karl Marx/Friedrich Engels: Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik. Gegen Bruno Bauer und Konsorten, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me02/me02_019.htm#S38">Bd. 2, S. 38.</A> <A href="fm03_095.htm#ZT16">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z17"></A><SPAN class="top">[17]</SPAN> Friedrich Engels: Die Lage der arbeitenden Klasse in England, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me02/me02_225.htm">Bd. 2, S. 225-506.</A> <A href="fm03_095.htm#ZT17">&lt;=</A></P>
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