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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<TITLE>Lenin: Der Imperialismus ... [1. Konzentration der Produktion und Monopole]</TITLE>
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<TD ALIGN="CENTER" width= 299 height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><FONT size=2><A HREF="../default.htm"><FONT color=#CC3333><= Inhaltsverzeichnis W. I. Lenin</A></TD>
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<TD ALIGN="CENTER" width= 199 height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><FONT size=2><A HREF="le22_199.htm"><FONT color=#CC3333><= Voriges Kapitel</A></TD>
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<TD ALIGN="CENTER" width= 199 height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><FONT size=2><A HREF="le22_189.htm"><FONT color=#CC3333>Inhalt "Imperialismus"</A></TD>
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<TD ALIGN="CENTER" width= 199 height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><FONT size=2><A HREF="le22_214.htm"><FONT color=#CC3333>N&auml;chstes Kapitel =></A></TD>
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<P><SMALL>Gedruckt nachzulesen in: Wladimir Iljitsch Lenin: Werke. Herausgegeben vom Institut f&uuml;r Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. <BR>Band 22, 3. Auflage, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1960, Berlin/DDR. S. 189-309.
<BR>Erstellt am 20.02.1999.
<BR>2. Korrektur 29.10.2000</SMALL></P>
<H2>Lenin: Der Imperialismus als h&ouml;chstes Stadium des Kapitalismus</H2>
<H1>I. Konzentration der Produktion und Monopole</H1>
<P><A NAME="S200">|200|</A><P>Das ungeheure Wachstum der Industrie und der auffallend rasche Proze&szlig; der Konzentration der Produktion in immer gr&ouml;&szlig;eren Betrieben ist eine der charakteristischen Besonderheiten des Kapitalismus. Die modernen Betriebsz&auml;hlungen liefern uns &uuml;ber diesen Proze&szlig; die vollst&auml;ndigsten und genauesten Daten.</P>
<P>In Deutschland z B. waren von je tausend Industrieunternehmungen Gro&szlig;betriebe, d.h. Betriebe mit mehr als 50 Lohnarbeitern: im Jahre 1882 - 3, im Jahre 1895 - 6 und im Jahre 1907 - 9. Von je hundert Arbeitern entfielen auf diese Betriebe: 22, 30 und 37. Aber die Konzentration der Produktion ist viel st&auml;rker als die Konzentration der Arbeiter, denn die Arbeit ist in den Gro&szlig;betrieben viel produktiver. Darauf weisen die Daten &uuml;ber Dampfmaschinen und elektrische Motoren hin. Ziehen wir in Betracht, was man in Deutschland als Industrie im weiteren Sinne bezeichnet, d.h., schlie&szlig;en wir auch den Handel, das Verkehrswesen usw. ein, so erhalten wir folgendes Bild: Von den 3.265.623 Unternehmungen Deutschlands sind 30.588, d.h. nur 0,9%, Gro&szlig;betriebe. Auf sie entfallen von 14,4 Millionen Arbeitern 5,7 Mill., d.h. 39,4%; von den 8,8 Mill. Pferdest&auml;rken der Dampfmaschinen 6,6 Mill., d.h. 75,3% von den 1,5 Mill. Kilowatt elektrischer Energie 1,2 Mill. Kilowatt, d.h. 77,2%.</P>
<P>Weniger als ein Hundertstel der Betriebe verf&uuml;gt &uuml;ber <I>mehr als drei Viertel </I>der gesamten Dampf- und Elektrizit&auml;tskraft. Auf die 2,97 Mill. Kleinbetriebe (mit h&ouml;chstens 5 Lohnarbeitern), die 91% der Gesamtzahl der Betriebe ausmachen, entfallen im ganzen 7% der Dampf- und Elek- <A NAME="S201"><B>|201|</A></B> trizit&auml;tskraft. Einige zehntausend Gro&szlig;betriebe sind alles; Millionen von Kleinbetrieben sind nichts.</P>
<P>Betriebe mit 1.000 und mehr Arbeitern gab es 1907 in Deutschland 586. Diese besch&auml;ftigten fast <I>ein Zehntel </I>(1,38 Mill.) der Gesamtzahl der Arbeiter und verf&uuml;gten &uuml;ber <I>nahezu ein Drittel</I> (32%) aller Dampf- und Elektrizit&auml;tskraft.<A NAME="ZF1"><A HREF="le22_200.htm#F1">(1)</A></A> Das Geldkapital und die Banken machen, wie wir sehen werden, dieses &Uuml;bergewicht eines H&auml;ufleins von Gro&szlig;betrieben noch erdr&uuml;ckender, und zwar im buchst&auml;blichen Sinne des Wortes, d.h., Millionen kleiner, mittlerer und sogar zum Teil gro&szlig;er "Unternehmer" sind in Wirklichkeit von einigen hundert Million&auml;ren der Hochfinanz v&ouml;llig unterjocht.</P>
<P>In einem anderen fortgeschrittenen Land des modernen Kapitalismus, den Vereinigten Staaten von Nordamerika, w&auml;chst die Konzentration der Produktion noch st&auml;rker. Hier sondert die Statistik die Industrie im engeren Sinne aus und gruppiert die Betriebe nach dem Wert ihrer Jahresproduktion. 1904 gab es an Gro&szlig;betrieben mit einer Jahresproduktion von 1 Million Dollar und dar&uuml;ber 1.900 (von 216.180, d.h. 0,9%); auf sie entfielen 1,4 Mill. Arbeiter (von 5,5 Mill., d.h. 25,6%) und 5,6 Milliarden der Jahresproduktion (von 14,8 Milliarden, d.h. 38%), F&uuml;nf Jahre sp&auml;ter, im Jahre 1909, lauteten die entsprechenden Zahlen: 3.060 Betriebe (von 268.491, d.h. 1,1%) mit 2 Mill. Arbeitern (von 6,6 Mill., d.h. 30,5%) und 9 Milliarden Jahresproduktion (von 20,7 Milliarden, d.h. 43,8%).<A NAME="ZF2"><A HREF="le22_200.htm#F2">(2)</A></A></P>
<P>Fast die H&auml;lfte der Gesamtproduktion aller Betriebe des Landes liegt in den H&auml;nden <I>eines Hundertstels </I>der Gesamtzahl der Betriebe! Und diese dreitausend Riesenbetriebe umfassen 258 Industriezweige. Daraus erhellt, da&szlig; die Konzentration auf einer bestimmten Stufe ihrer Entwicklung sozusagen von selbst dicht an das Monopol heranf&uuml;hrt. Denn einigen Dutzend Riesenbetrieben f&auml;llt es leicht, sich untereinander zu verst&auml;ndigen, w&auml;hrend anderseits gerade durch das Riesenausma&szlig; der Betriebe die Konkurrenz erschwert und die Tendenz zum Monopol erzeugt wird. Diese Verwandlung der Konkurrenz in das Monopol ist eine der <A NAME="S202"><B>|202|</A></B> wichtigsten Erscheinungen - wenn nicht die wichtigste - in der &Ouml;konomik des modernen Kapitalismus, und wir m&uuml;ssen daher ausf&uuml;hrlicher darauf eingehen. Doch zuerst mu&szlig; ein m&ouml;gliches Mi&szlig;verst&auml;ndnis beseitigt werden.</P>
<P>Die amerikanische Statistik besagt: 3.000 Riesenbetriebe in 250 Industriezweigen. Demnach k&auml;men im ganzen je 12 Betriebe gr&ouml;&szlig;ten Ausma&szlig;es auf jeden Industriezweig.</P>
<P>Dem ist aber nicht so. Nicht in jedem Industriezweig gibt es Gro&szlig;betriebe; und anderseits ist eine &auml;u&szlig;erst wichtige Besonderheit des Kapitalismus, der die h&ouml;chste Entwicklungsstufe erreicht hat, die sogenannte <I>Kombination</I>, d.h. die Vereinigung verschiedener Industriezweige in einem einzigen Unternehmen; diese Industriezweige bilden entweder aufeinanderfolgende Stufen der Verarbeitung des Rohstoffs (z.B. Gewinnung von Roheisen aus Erz, seine Verarbeitung zu Stahl und unter Umst&auml;nden auch die Erzeugung dieser oder jener Stahlfabrikate) oder spielen in bezug aufeinander eine Hilfsrolle (z.B. Verarbeitung von Abf&auml;llen oder Nebenprodukten; Herstellung von Verpackungsmaterial usw.).</P>
<P>"... die Kombination", schreibt Hilferding, "gleicht Konjunkturunterschiede aus und bewirkt daher f&uuml;r das kombinierte Werk eine gr&ouml;&szlig;ere Stetigkeit der Profitrate. Zweitens bewirkt die Kombination Ausschaltung des Handels. Drittens bewirkt sie die M&ouml;glichkeit technischer Fortschritte und damit die Erlangung von Extraprofit gegen&uuml;ber dem 'reinen'" (d.h. nicht kombinierten) "Werk. Viertens st&auml;rkt sie die Stellung des kombinierten Werkes gegen&uuml;ber dem 'reinen' im Konkurrenzkampf zur Zeit einer starken Depression" (Gesch&auml;ftsstockung, Krise), "wenn die Senkung der Rohmaterialpreise nicht Schritt h&auml;lt mit der Senkung der Fabrikatspreise."<A NAME="ZF3"><A HREF="le22_200.htm#F3">(3)</A></A></P>
<P>Der deutsche b&uuml;rgerliche &Ouml;konom Heymann, der der Schilderung der "gemischten", d.h. kombinierten Werke in der deutschen Eisenindustrie eine besondere Schrift gewidmet hat sagt: "Die reinen Werke werden zwischen hohen Material- und niedrigen Fabrikatspreisen zerquetscht." Es ergibt sich folgendes Bild: "&Uuml;briggeblieben sind auf der einen Seite die gro&szlig;en Kohlengesellschaften mit einer F&ouml;rderung, die in die Millionen <A NAME="S203"><B>|203|</A></B> Tonnen Kohle geht, fest organisiert in ihrem Kohlensyndikat, und eng verbunden mit ihnen die gro&szlig;en Stahlwerke und ihr Stahlsyndikat. Diese Riesenunternehmungen mit 400.000 t Stahlproduktion im Jahr, entsprechender Ausdehnung der Kohlen-, Erz- und Hochofenbetriebe wie der Fertigfabrikation, mit 10.000 Arbeitern, die in Werkskolonien kaserniert sind, ja zum Teil mit eigenen Bahnen und H&auml;fen, diese Riesenunternehmungen sind heute der rechte Typus des deutschen Eisenwerks. Und immer weiter schreitet die Konzentration vorw&auml;rts. Der einzelne Betrieb wird stetig gr&ouml;&szlig;er; immer mehr Betriebe der gleichen oder verschiedener Art ballen sich zu Riesenunternehmungen zusammen, die in einem halben Dutzend Berliner Gro&szlig;banken ihre St&uuml;tzen und ihre Leiter finden. F&uuml;r die Montanindustrie ist die Richtigkeit der Konzentrationslehre von Karl Marx exakt nachgewiesen, jedenfalls in einem Land, in dem sie, wie bei uns, durch Z&ouml;lle und Frachttarife gesch&uuml;tzt wird. Die Montanindustrie Deutschlands ist reif zur Expropriation."<A NAME="ZF4"><A HREF="le22_200.htm#F4">(4)</A></A></P>
<P>Zu diesem Schlu&szlig; mu&szlig;te ein ausnahmsweise gewissenhafter b&uuml;rgerlicher &Ouml;konom kommen. Es sei bemerkt, da&szlig; er Deutschland in Anbetracht der hohen Industrieschutzz&ouml;lle eine gewisse Sonderstellung einr&auml;umt. Aber dieser Umstand konnte die Konzentration und die Bildung von monopolistischen Unternehmerverb&auml;nden, Kartellen, Syndikaten usw. nur beschleunigen. Es ist au&szlig;erordentlich wichtig, da&szlig; im Lande des Freihandels, in England, die Konzentration <I>ebenfalls</I> zum Monopol f&uuml;hrt, wenn auch etwas sp&auml;ter und vielleicht in anderer Form. So schreibt Professor Hermann Levy in einer speziellen Untersuchung &uuml;ber "Monopole, Kartelle und Trusts" auf Grund der Daten &uuml;ber die wirtschaftliche Entwicklung Gro&szlig;britanniens:</P>
<P>"In Gro&szlig;britannien ist es die Gr&ouml;&szlig;e der Unternehmung und ihre Leistungsf&auml;higkeit, welche eine monopolistische Tendenz in sich tr&auml;gt. Dies einmal dadurch, da&szlig; die gro&szlig;en Kapitalinvestitionen pro Unternehmung, sobald einmal die Konzentrationsbewegung eingesetzt hat, wachsende Anforderungen an die Kapitalbeschaffung neuer Unternehmungen stellen und damit ihr Aufkommen erschweren. Weiter aber (und dies scheint uns der wichtigste Punkt zu sein) repr&auml;sentiert jede neue Unternehmung, welche mit den auf Grund des Konzentrationsprozesses entstandenen <A NAME="S204"><B>|204|</A></B> Riesenunternehmungen Schritt halten will, ein so gro&szlig;es Mehrangebot von Produkten, da&szlig; sie, um diese abzusetzen, entweder nur bei einer enorm wachsenden Nachfrage mit Nutzen verkaufen k&ouml;nnte oder aber sofort die Preise auf ein f&uuml;r sie wie f&uuml;r die Monopolvereinigungen unrentables Niveau dr&uuml;cken w&uuml;rde. Zum Unterschied von anderen L&auml;ndern, wo die Schutzz&ouml;lle die Kartellbildung erleichtern, entstehen in England monopolistische Unternehmerverb&auml;nde, Kartelle und Trusts in der Regel nur dann, wenn die Zahl der wichtigsten konkurrierenden Unternehmungen 'nicht mehr als ein paar Dutzend' ausmacht. Hier allein tritt f&uuml;r ein ganzes Wirtschaftsgebiet der Einflu&szlig; der Konzentrationsbewegung auf die gro&szlig;industrielle Monopolorganisation in kristallisierter Reinheit zutage."<A NAME="ZF5"><A HREF="le22_200.htm#F5">(5)</A></A></P>
<P>Vor einem halben Jahrhundert, als Marx sein "Kapital" schrieb, erschien der &uuml;berwiegenden Mehrheit der &Ouml;konomen die freie Konkurrenz als ein "Naturgesetz". Die offizielle Wissenschaft versuchte das Werk von Marx totzuschweigen, der durch seine theoretische und geschichtliche Analyse des Kapitalismus bewies, da&szlig; die freie Konkurrenz die Konzentration der Produktion erzeugt, diese Konzentration aber auf einer bestimmten Stufe ihrer Entwicklung zum Monopol f&uuml;hrt. Das Monopol ist jetzt zur Tatsache geworden. Die &Ouml;konomen schreiben Berge von B&uuml;chern, beschreiben die einzelnen Erscheinungsformen des Monopols und verk&uuml;nden nach wie vor einstimmig, da&szlig; der "Marxismus widerlegt" sei. Aber Tatsachen sind ein hartn&auml;ckig Ding, sagt ein englisches Sprichwort, und man mu&szlig; ihnen wohl oder &uuml;bel Rechnung tragen. Die Tatsachen zeigen, da&szlig; die Unterschiede zwischen einzelnen kapitalistischen L&auml;ndern, z.B. in bezug auf Schutzzoll oder Freihandel, blo&szlig; unwesentliche Unterschiede in der Form der Monopole oder in der Zeit ihres Aufkommens bedingen, w&auml;hrend die Entstehung der Monopole infolge der Konzentration der Produktion &uuml;berhaupt ein allgemeines Grundgesetz des Kapitalismus in seinem heutigen Entwicklungsstadium ist.</P>
<P>F&uuml;r Europa l&auml;&szlig;t sich die Zeit der <I>endg&uuml;ltigen</I> Abl&ouml;sung des alten Kapitalismus durch den neuen ziemlich genau feststellen. Es ist der Anfang <A NAME="S205"><B>|205|</A></B> des 20. Jahrhunderts. In einer der neuesten zusammenfassenden Arbeiten &uuml;ber die Geschichte der "Monopolbildung" lesen wir:</P>
<P>"Man kann aus der Zeit vor 1860 einzelne Beispiele kapitalistischer Monopole anf&uuml;hren; man kann in ihnen den Ansatz zu den Formen entdecken, die uns heute so gel&auml;ufig geworden sind; aber all das ist durchaus Vorgeschichte. Der eigentliche Beginn der modernen Monopole liegt allerfr&uuml;hestens in den sechziger Jahren. Ihre erste gro&szlig;e Entwicklungsperiode hebt mit der internationalen Depression der siebziger Jahre an und reicht bis zum Beginn der neunziger Jahre ... Europ&auml;isch betrachtet, kulminiert die freie Konkurrenz in den sechziger und siebziger Jahren. Damals beendete England den Ausbau seiner kapitalistischen Organisation alten Stils. In Deutschland drang sie kr&auml;ftig vor gegen Handwerk und Hausindustrie und begann, sich ihre Daseinsform zu schaffen."</P>
<P>"Die gro&szlig;e Umw&auml;lzung beginnt mit dem Krach von 1873 oder richtiger mit der ihm folgenden Depression, die mit einer kaum merklichen Unterbrechung anfangs der achtziger Jahre und einem ungew&ouml;hnlich heftigen, aber kurzen 'boom' um das Jahr 1889 herum 22 Jahre europ&auml;ischer Wirtschaftsgeschichte ausmacht ... In der kurzen Hausseperiode von 1889/90 bediente man sich in starkem Ma&szlig;e der Kartellordnung zur Ausn&uuml;tzung der Konjunktur. Eine wenig &uuml;berlegte Politik trieb die Preise noch schneller und noch st&auml;rker in die H&ouml;he, als es vielleicht schon sonst geschehen w&auml;re, und fast alle diese Verb&auml;nde endeten ruhmlos im 'Graben des Kraches'. Noch ein weiteres Lustrum schlechter Besch&auml;ftigung und niedriger Preise folgte, aber es war nicht mehr dieselbe Stimmung, die in der Industrie herrschte. Man sah die Depression nicht mehr wie etwas Selbstverst&auml;ndliches an, sondern hielt sie nur f&uuml;r eine Ruhepause vor einer neuen g&uuml;nstigen Konjunktur.</P>
<P>So trat die Kartellbewegung in ihre zweite Epoche. Statt einer vor&uuml;bergehenden Erscheinung werden die Kartelle eine der Grundlagen des gesamten Wirtschaftslebens. Sie erobern sich ein Gebiet nach dem anderen, vor allem aber die Rohstoffindustrie. Schon zu Anfang der neunziger Jahre fanden sie in der Organisation des Kokssyndikats, dem dann das Kohlensyndikat nachgebildet wird, eine Verbandstechnik, &uuml;ber die man kaum wesentlich herausgekommen ist. Der gro&szlig;e Aufschwung zu Ende des 19. Jahrhunderts und die Krisis von 1900-1903 stehen wenigstens in der Montan- und H&uuml;ttenindustrie zum ersten Male ganz im Zeichen <A NAME="S206"><B>|206|</A></B> der Kartelle. Und wenn man das damals noch als etwas Neuartiges ansah, so ist es dem Allgemeinbewu&szlig;tsein inzwischen zur Selbstverst&auml;ndlichkeit geworden, da&szlig; gro&szlig;e Teile des Wirtschaftslebens der freien Konkurrenz regelm&auml;&szlig;ig entzogen sind."<A NAME="ZF6"><A HREF="le22_200.htm#F6">(6)</A></A></P>
<P>Die wichtigsten Ergebnisse der Geschichte der Monopole sind demnach: 1. In den sechziger und siebziger Jahren des 19 Jahrhunderts die h&ouml;chste, &auml;u&szlig;erste Entwicklungsstufe der freien Konkurrenz; kaum merkliche Ans&auml;tze zu Monopolen. 2. Nach der Krise von 1873 weitgehende Entwicklung von Kartellen, die aber noch Ausnahmen, keine dauernden, sondern vor&uuml;bergehende Erscheinungen sind. 3. Aufschwung am Ende des 19. Jahrhunderts und Krise von 1900-1903: Die Kartelle werden zu einer der Grundlagen des ganzen Wirtschaftslebens. Der Kapitalismus ist zum Imperialismus geworden.</P>
<P>Die Kartelle vereinbaren Verkaufsbedingungen, Zahlungstermine u.a. Sie verteilen die Absatzgebiete untereinander. Sie bestimmen die Menge der zu erzeugenden Produkte. Sie setzen die Preise fest. Sie verteilen den Profit unter die einzelnen Unternehmungen usw.</P>
<P>Die Zahl der Kartelle in Deutschland wurde 1896 ungef&auml;hr auf 250, 1905 auf 385 mit etwa 12.000 Betrieben gesch&auml;tzt.<A NAME="ZF7"><A HREF="le22_200.htm#F7">(7)</A></A> Allgemein wird jedoch anerkannt, da&szlig; diese Zahlen zu niedrig gegriffen sind. Aus den oben angef&uuml;hrten Daten der deutschen Betriebsz&auml;hlung von 1907 geht hervor, da&szlig; schon die 12.000 gr&ouml;&szlig;ten Betriebe sicherlich mehr als die H&auml;lfte der gesamten Dampf- und Elektrizit&auml;tskraft in sich vereinigen. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika wurde die Zahl der Trusts 1900 auf 185, 1907 auf 250 gesch&auml;tzt. Die amerikanische Statistik teilt alle Industriebetriebe in Gruppen ein, je nachdem, ob sie Einzelpersonen, Firmen oder Gesellschaften geh&ouml;ren. Letzteren geh&ouml;rten 1904 23,6% und 1909 25,9%, d.h. mehr als ein Viertel aller Betriebe. In diesen Werken waren <A NAME="S207"><B>|207|</A></B> 1904 70,6% und 1909 75,6% aller Arbeiter, drei Viertel der Gesamtzahl, besch&auml;ftigt; die Produktion belief sich auf 10,9 bzw. 16,3 Milliarden Dollar, d.h. 73,7% bzw. 79,9% der Gesamtproduktion.</P>
<P>Die Kartelle und Trusts vereinigen vielfach sieben bis acht Zehntel der Gesamtproduktion des betreffenden Industriezweige in ihren H&auml;nden. Im Rheinisch-Westf&auml;lischen Kohlensyndikat waren bei seiner Gr&uuml;ndung im Jahre 1893 86,7% und im Jahre 1910 bereits 95,4% der gesamten Kohlenf&ouml;rderung des Gebiets konzentriert.<A NAME="ZF8"><A HREF="le22_200.htm#F8">(8)</A></A> Das auf diese Weise entstehende Monopol gew&auml;hrleistet Riesengewinne und f&uuml;hrt zur Bildung technischer Produktionseinheiten von unerme&szlig;lichem Umfang. Der ber&uuml;hmte Petroleumtrust in den Vereinigten Staaten (die Standard Oil Company) wurde 1900 gegr&uuml;ndet. "Ihr autorisiertes Kapital betr&auml;gt 150 Millionen $, ausgegeben sind 400 Millionen $ common (gew&ouml;hnliche) und 106 Millionen $ preferred (Vorzugs-) Aktien, und es sind darauf von 1900 bis 1907 folgende Dividenden bezahlt worden: 48, 48, 45, 44, 36, 40, 40, 49%, im ganzen 367 Millionen $. Seit 1882 bis Ende 1907 wurden aus 889 Millionen $ erzielten Reingewinns 606 Millionen $ Dividenden verteilt, der Rest den Reserven zugef&uuml;hrt."<A NAME="ZF9"><A HREF="le22_200.htm#F9">(9)</A></A> "1907 waren auf s&auml;mtlichen Werken des Stahltrust (United States Steel Corporation) nicht weniger als 240.180 Arbeiter und Angestellte besch&auml;ftigt ... Das gr&ouml;&szlig;te Unternehmen der deutschen Montanindustrie, die Gelsenkirchener Bergwerksgesellschaft, hatte 1908 46.048 Arbeiter und Angestellte."<A NAME="ZF10"><A HREF="le22_200.htm#F10">(10)</A></A> Schon 1902 produzierte der Stahltrust 9 Millionen Tonnen Stahl.<A NAME="ZF11"><A HREF="le22_200.htm#F11">(11)</A></A> Seine Stahlproduktion belief sich 1901 auf 66,3% und 1908 auf 56,4% der gesamten Stahlproduktion der Vereinigten Staaten <A NAME="ZF12"><A HREF="le22_200.htm#F12">(12)</A></A>, seine Erzf&ouml;rderung betrug in den gleichen Jahren 43,9 bzw. 46,3%.</P>
<P>Ein Bericht der amerikanischen Regierungskommission &uuml;ber die Trusts besagt: "Die &Uuml;berlegenheit der Stellung des Trusts gegen- <A NAME="S208"><B>|208|</A></B> &uuml;ber seinen Wettbewerbern beruht auf der Gr&ouml;&szlig;e seiner Betriebe und ihrer vortrefflichen technischen Ausstattung. Seit seiner Gr&uuml;ndung hat der Tabaktrust es sich angelegen sein lassen, alle Handarbeit im weitestgehenden Ma&szlig;e durch Maschinen zu ersetzen. Er hat zu diesem Zweck alle Patente erworben, welche irgendwie auf die Tabakaufbereitung Bezug hatten, und ungeheure Summen daf&uuml;r aufgewendet. Viele Patente waren anfangs nicht brauchbar und mu&szlig;ten erst durch die Ingenieure des Trusts entwickelt werden. Ende 1906 wurden zwei Tochtergesellschaften ins Leben gerufen, welche lediglich die Aufgabe haben, Patente zu erwerben. Zum n&auml;mlichen Zweck hat der Trust eigene Gie&szlig;ereien, Maschinenfabriken und Reparaturwerkst&auml;tten angelegt. Eines dieser Werke, in Brooklyn, besch&auml;ftigt durchschnittlich 300 Arbeiter; hier werden Erfindungen zur Herstellung von Zigaretten, kleinen Zigarren, Schnupftabak, Stanniolpackungen, Zigarettenh&uuml;lsen, Schachteln usw. gepr&uuml;ft und wenn n&ouml;tig verbessert."<A NAME="ZF13"><A HREF="le22_200.htm#F13">(13)</A></A> "Auch andere als die obengenannten Trusts besch&auml;ftigen sog. developing engineers" (Entwicklungsingenieure), "welche die Aufgabe haben, neue Herstellungsverfahren zu erdenken und technische Verbesserungen auszuproben. Der Stahltrust zahlt seinen Ingenieuren und Arbeitern hohe Pr&auml;mien f&uuml;r Erfindungen, welche geeignet sind, den technischen G&uuml;tegrad eines Betriebes zu steigern oder die Gestehungskosten zu erniedrigen."<A NAME="ZF14"><A HREF="le22_200.htm#F14">(14)</A></A></P>
<P>&Auml;hnlich ist auch das technische Vervollkommnungswesen in der deutschen Gro&szlig;industrie organisiert, z.B. in der chemischen Industrie, die sich in den letzten Jahrzehnten so riesenhaft entwickelt hat. Der Proze&szlig; der Konzentration der Produktion brachte in dieser Industrie bereits bis 1908 zwei "Haupt"gruppen" hervor, die sich in ihrer Art ebenfalls dem Monopol n&auml;herten. Zuerst waren diese Gruppen "Zweiverb&auml;nde" zweier Paare von Gro&szlig;betrieben mit einem Kapital von je 20-21 Millionen Mark: einerseits die Farbwerke, vormals Meister, in H&ouml;chst am Main und Cassella in Frankfurt am Main; anderseits die Badische Anilin- und <A NAME="S209"><B>|209|</A></B> Sodafabrik in Ludwigshafen und die Farbenfabriken, vormals Bayer, in Elberfeld. Darauf schlo&szlig; 1905 die eine Gruppe und 1908 die andere eine Konvention mit noch je einem Gro&szlig;betrieb. So entstanden zwei "Dreiverb&auml;nde" mit einem Kapital von je 40-50 Millionen Mark, und zwischen diesen "Verb&auml;nden" hat bereits eine "Ann&auml;herung" in Form von "Vertr&auml;gen" &uuml;ber Preise usw. begonnen.<A NAME="ZF15"><A HREF="le22_200.htm#F15">(15)</A></A></P>
<P>Die Konkurrenz wandelte sich zum Monopol. Die Folge ist ein gigantischer Fortschritt in der Vergesellschaftung der Produktion. Im besonderen wird auch der Proze&szlig; der technischen Erfindungen und Vervollkommnungen vergesellschaftet.</P>
<P>Das ist schon etwas ganz anderes als die alte freie Konkurrenz zersplitterter Unternehmer, die nichts voneinander wissen und f&uuml;r den Absatz auf unbekanntem Markte produzieren. Die Konzentration ist so weit fortgeschritten, da&szlig; man einen ungef&auml;hren &Uuml;berschlag aller Rohstoffquellen (beispielsweise der Eisenerzvorkommen) in dem betreffenden Lande und sogar, wie wir sehen werden, in einer Reihe von L&auml;ndern, ja in der ganzen Welt machen kann. Ein solcher &Uuml;berschlag wird nicht nur gemacht, sondern die riesigen Monopolverb&auml;nde bem&auml;chtigen sich dieser Quellen und fassen sie in einer Hand zusammen. Es wird eine ann&auml;hernde Berechnung der Gr&ouml;&szlig;e des Marktes vorgenommen, der durch vertragliche Abmachungen unter diese Verb&auml;nde "aufgeteilt" wird. Die qualifizierten Arbeitskr&auml;fte werden monopolisiert, die besten Ingenieure angestellt, man bem&auml;chtigt sich der Verkehrswege und -mittel - der Eisenbahnen in Amerika, der Schiffahrtsgesellschaften in Europa und in Amerika. In seinem imperialistischen Stadium f&uuml;hrt der Kapitalismus bis dicht an die allseitige Vergesellschaftung der Produktion heran, er zieht die Kapitalisten gewisserma&szlig;en ohne ihr Wissen und gegen ihren Willen in eine Art neue Gesellschaftsordnung hinein, die den &Uuml;bergang von der v&ouml;llig freien Konkurrenz zur vollst&auml;ndigen Vergesellschaftung bildet.</P>
<P>Die Produktion wird vergesellschaftet, die Aneignung jedoch bleibt privat. Die gesellschaftlichen Produktionsmittel bleiben Privateigentum einer kleinen Anzahl von Personen. Der allgemeine Rahmen der formal anerkannten freien Konkurrenz bleibt bestehen, und der Druck der weni- <A NAME="S210"><B>|210|</A></B> gen Monopolinhaber auf die &uuml;brige Bev&ouml;lkerung wird hundertfach schwerer, f&uuml;hlbarer, unertr&auml;glicher.</P>
<P>Der deutsche &Ouml;konom Kestner hat den "K&auml;mpfen zwischen Kartellen und Au&szlig;enseitern", d.h. Unternehmern, die dem Kartell nicht angeh&ouml;ren, ein spezielles Werk gewidmet. Er betitelte sein Werk "Der Organisationszwang", w&auml;hrend man nat&uuml;rlich, um den Kapitalismus nicht zu besch&ouml;nigen, von einem Zwang zur Unterwerfung unter die Monopolverb&auml;nde sprechen m&uuml;&szlig;te. Es ist lehrreich, wenigstens einen fl&uuml;chtigen Blick auf die Liste der Mittel des gegenw&auml;rtigen, modernen, zivilisierten Kampfes um die "Organisation" zu werfen, zu denen die Monopolverb&auml;nde greifen: 1. die Materialsperre (mit "die wichtigste Methode des Kartellzwanges") 2. Sperrung der Arbeitskr&auml;fte durch "Allianzen" (d.h. Vereinbarungen zwischen Kapitalisten und Arbeiterverb&auml;nden derart, da&szlig; die Arbeiter nur in kartellierten Betrieben arbeiten d&uuml;rfen) 3. Sperre der Zufuhr; 4. Sperre des Absatzes; 5. Vertr&auml;ge mit den Abnehmern, wonach diese ausschlie&szlig;lich mit kartellierten Firmen Gesch&auml;ftsverbindungen haben d&uuml;rfen; 6. planm&auml;&szlig;ige Preisunterbietung (um die "Au&szlig;enseiter", d.h. die Unternehmungen, die sich den Monopolinhabern nicht unterordnen, zu ruinieren; es werden Millionen ausgegeben, um eine Zeitlang unter dem Selbstkostenpreis zu verkaufen; so kam es beispielsweise in den Benzinindustrie vor, da&szlig; die Preise von 40 auf 22 Mark, d.h. fast auf die H&auml;lfte, herabgesetzt wurden!); 7. Sperrung des Kredits; 8. Verrufserkl&auml;rung.</P>
<P>Wir haben es nicht mehr mit dem Konkurrenzkampf kleiner und gro&szlig;er, technisch r&uuml;ckst&auml;ndiger und technisch fortgeschrittener Betriebe zu tun. Durch die Monopolinhaber werden alle diejenigen abgew&uuml;rgt, die sich dem Monopol, seinem Druck, seiner Willk&uuml;r nicht unterwerfen. Im Bewu&szlig;tsein eines b&uuml;rgerlichen &Ouml;konomen spiegelt sich dieser Proze&szlig; folgenderma&szlig;en wider:</P>
<P>"Auch innerhalb der rein wirtschaftlichen T&auml;tigkeit", schreibt Kestner, "tritt eine Verschiebung vom Kaufm&auml;nnischen im fr&uuml;heren Sinne zum Organisatorisch-Spekulativen ein. Nicht der Kaufmann kommt am besten vorw&auml;rts, der auf Grund seiner technischen und Handelserfahrungen die Bed&uuml;rfnisse der Kunden am genauesten versteht, der eine latente Nachfrage zu finden und wirksam zu erwecken vermag, sondern das spekulative Genie (?!), das die organisatorische Entwicklung, die M&ouml;glichkeit der <A NAME="S211"><B>|211|</A></B> Beziehungen zwischen den einzelnen Unternehmungen und zu den Banken vorauszuberechnen oder auch vorauszuf&uuml;hlen vermag."</P>
<P>In eine menschliche Sprache &uuml;bertragen, bedeutet das: Der Kapitalismus ist so weit entwickelt, da&szlig; die Warenproduktion, obwohl sie nach wie vor "herrscht" und als Grundlage der gesamten Wirtschaft gilt, in Wirklichkeit bereits untergraben ist und die Hauptprofite den "Genies" der Finanzmachenschaften zufallen. Diesen Machenschaften und Schwindeleien liegt die Vergesellschaftung der Produktion zugrunde, aber der gewaltige Fortschritt der Menschheit, die sich bis zu dieser Vergesellschaftung emporgearbeitet hat, kommt den - Spekulanten zugute. Wir werden weiter unten sehen, wie "auf dieser Grundlage" die kleinb&uuml;rgerlich-reaktion&auml;re Kritik des kapitalistischen Imperialismus von einer R&uuml;ckkehr zur "freien' "friedlichen", "ehrlichen" Konkurrenz tr&auml;umt.</P>
<P>"Eine dauernde Erh&ouml;hung der Preise als Kartellwirkung", sagt Kestner, "ist bisher nur bei den wichtigen Produktionsmitteln, insbesondere bei Kohle, Eisen, Kali, dagegen auf die Dauer niemals bei Fertigwaren zu verzeichnen gewesen. Die damit zusammenh&auml;ngende Erh&ouml;hung der Rentabilit&auml;t ist gleichfalls auf die Produktionsmittelindustrie beschr&auml;nkt geblieben. Diese Beobachtung mu&szlig; man dahin erweitern, da&szlig; die Rohstoffindustrie nicht nur hinsichtlich Einkommensbildung und Rentabilit&auml;t durch die bisherige Kartellbildung zuungunsten der weiterverarbeitenden Industrie Vorteile erzielt, sondern da&szlig; sie &uuml;ber diese ein bei freier Konkurrenz nicht gekanntes <I>Herrschaftsverh&auml;ltnis</I> gewonnen hat."<A NAME="ZF16"><A HREF="le22_200.htm#F16">(16)</A></A></P>
<P>Das von uns hervorgehobene Wort deckt das Wesen der Sache auf, das von den b&uuml;rgerlichen &Ouml;konomen so ungern und selten zugegeben wird und um das die heutigen Verteidiger des Opportunismus mit K. Kautsky an der Spitze so eifrig herumzureden versuchen. Das Herrschaftsverh&auml;ltnis und die damit verbundene Gewalt - das ist das Typische f&uuml;r die "j&uuml;ngste Entwicklung des Kapitalismus", das ist es, was aus der Bildung allm&auml;chtiger wirtschaftlicher Monopole unvermeidlich hervorgehen mu&szlig;te und hervorgegangen ist.</P>
<P>Noch ein Beispiel f&uuml;r das Wirtschaften der Kartelle. Dort, wo man auf alle oder die wichtigsten Rohstoffquellen die Hand legen kann, geht die Entstehung von Kartellen und die Bildung von Monopolen besonders leicht vonstatten. Es w&auml;re jedoch falsch zu glauben, da&szlig; Monopole nicht <A NAME="S212"><B>|212|</A></B> auch in anderen Industriezweigen entstehen, in denen es unm&ouml;glich ist, sich der Rohstoffquellen zu bem&auml;chtigen. Die Zementindustrie findet ihr Rohmaterial &uuml;berall. Aber auch diese Industrie ist in Deutschland stark kartelliert. Die Werke sind in Gebietssyndikaten: im s&uuml;ddeutschen, rheinisch-westf&auml;lischen usw. zusammengeschlossen; es sind Monopolpreise festgesetzt: 230 bis 280 Mark pro Waggon bei einem Selbstkostenpreis von 180 Mark! Die Betriebe werfen 12-16% Dividende ab, wobei nicht vergessen werden darf, da&szlig; die "Genies" der modernen Spekulation es verstehen, gro&szlig;e Summen au&szlig;er den als Dividende verteilten Gewinnen in ihren Taschen verschwinden zu lassen. Um die Konkurrenz aus einer derart eintr&auml;glichen Industrie auszuschalten, wenden die Monopolinhaber sogar allerlei Tricks an: Es werden falsche Ger&uuml;chte &uuml;ber die schlechte Lage der Industrie verbreitet; in den Zeitungen erscheinen anonyme Anzeigen: "Kapitalisten! H&uuml;tet euch, Kapital in Zementfabriken anzulegen." Schlie&szlig;lich werden die Werke von "Au&szlig;enseitern" (d.h. von nicht an den Syndikaten Beteiligten) aufgekauft und ihnen "Abstandssummen" von 60.000, 80.000 und 150.000 Mark gezahlt.<A NAME="ZF17"><A HREF="le22_200.htm#F17">(17)</A></A> Das Monopol bricht sich &uuml;berall und mit jeglichen Mitteln Bahn, angefangen von "bescheidenen" Abstandszahlungen bis zur amerikanischen "Anwendung" von Dynamit gegen den Konkurrenten.</P>
<P>Die Ausschaltung der Krisen durch die Kartelle ist ein M&auml;rchen b&uuml;rgerlicher &Ouml;konomen. die den Kapitalismus um jeden Preis besch&ouml;nigen wollen. Im Gegenteil, das Monopol, das in einigen Industriezweigen entsteht, verst&auml;rkt und versch&auml;rft den chaotischen Charakter, der der ganzen kapitalistischen Produktion in ihrer Gesamtheit eigen ist. Das Mi&szlig;verh&auml;ltnis zwischen der Entwicklung der Landwirtschaft und der Industrie, das f&uuml;r den Kapitalismus &uuml;berhaupt charakteristisch ist, wird noch gr&ouml;&szlig;er. Die privilegiert Stellung, die die am st&auml;rksten kartellierte sogenannte Schwerindustrie, besonders die Kohlen- und Eisenindustrie, einnimmt, ruft in den &uuml;brigen Industriezweigen eine "gesteigerte Planlosigkeit" hervor, wie das Jeidels, der Verfasser einer der besten Arbeiten &uuml;ber "das Verh&auml;ltnis der deutschen Gro&szlig;banken zur Industrie", zugibt.<A NAME="ZF18"><A HREF="le22_200.htm#F18">(18)</A></A></P>
<P>"Je entwickelter eine Volkswirtschaft ist", schreibt Liefmann, ein vor- <A NAME="S213"><B>|213|</A></B> behaltloser Verteidiger des Kapitalismus, "um so mehr wendet sie sich riskanteren oder ausl&auml;ndischen Unternehmungen zu, solchen, die einer sehr langen Zeit zu ihrer Entwicklung bed&uuml;rfen, oder endlich solchen, die von nur lokaler Bedeutung sind."<A NAME="ZF19"><A HREF="le22_200.htm#F19">(19)</A></A> Das gesteigerte Risiko h&auml;ngt in letzter Instanz mit der ungeheuren Zunahme des Kapitals zusammen, das sozusagen &uuml;bersch&auml;umt, ins Ausland str&ouml;mt usw. Und zugleich bringt das beschleunigte Tempo der technischen Entwicklung immer mehr Elemente des Mi&szlig;verh&auml;ltnisses zwischen den verschiedenen Teilen der Volkswirtschaft, immer mehr Chaos und Krisen mit sich. Dieser selbe Liefmann ist gezwungen einzugestehen: "Wahrscheinlich stehen der Menschheit in nicht zu ferner Zeit wieder einmal gro&szlig;e Umw&auml;lzungen auf technischem Gebiete bevor, die ihre Wirkungen auch auf die volkswirtschaftliche Organisation &auml;u&szlig;ern werden" ... Elektrizit&auml;t, Luftschiffahrt ... "In solchen Zeiten grundlegender wirtschaftlicher Ver&auml;nderungen pflegt sich auch in der Regel eine starke Spekulation zu entwickeln."<A NAME="ZF20"><A HREF="le22_200.htm#F20">(20)</A></A></P>
<P>Die Krisen - jeder Art, am h&auml;ufigsten &ouml;konomische Krisen, aber nicht nur diese allein - verst&auml;rken aber ihrerseits in ungeheurem Ma&szlig;e die Tendenz zur Konzentration und zum Monopol. Hier die h&ouml;chst lehrreiche Betrachtung von Jeidels &uuml;ber die Bedeutung der Krise von 1900, der Krise, die bekanntlich die Rolle eines Wendepunkts in der Geschichte der modernen Monopole gespielt hat:</P>
<P>"Die Krise von 1900 fand neben den Riesenbetrieben der grundlegenden Industrien viele Betriebe von nach heutigen Begriffen veralteter Organisation, die 'reinen'" (d.h. nicht kombinierten) "Werke, die von der Welle der Hochkonjunktur mit auf die H&ouml;he gehoben waren. Der Preisfall, der R&uuml;ckgang des Bedarfs brachten diese 'reinen' Werke in eine Not, von der bei den kombinierten Riesenbetrieben zum Teil &uuml;berhaupt nicht, zum Teil nur ganz kurze Zeit die Rede war. Dadurch f&uuml;hrte die j&uuml;ngste Krisis in ganz anderem Ma&szlig;e zur industriellen Konzentration als die fr&uuml;heren, als die von 1873, die zwar eine Auslese schuf, aber bei dem Stand der Technik keine derartige, da&szlig; ein Monopol der siegreich hervorgegangenen Unternehmungen geschaffen wurde. Ein solches dauerndes Monopol haben aber in hohem Grade die Riesenwerke der heutigen Gro&szlig;eisen- und Elektrizit&auml;tsindustrie, in geringerem die der Maschinen- <A NAME="S214"><B>|214|</A></B> branche und gewisser Metall-, Verkehrs- und anderer Gewerbe durch ihre komplizierte Technik, ihre gro&szlig;angelegte Organisation und ihre Kapitalst&auml;rke."<A NAME="ZF21"><A HREF="le22_200.htm#F21">(21)</A></A></P>
<P>Das Monopol ist das letzte Wort der "j&uuml;ngsten Entwicklung des Kapitalismus". Doch w&uuml;rde unsere Vorstellung von der tats&auml;chlichen Macht und Bedeutung der modernen Monopole h&ouml;chst ungen&uuml;gend, l&uuml;ckenhaft und eingeengt sein, wenn wir die Rolle der Banken au&szlig;er acht lie&szlig;en.</P>
<BR><BR>
<HR SIZE="1">
<P>Fu&szlig;noten von Wladimir Iljitsch Lenin</P>
<P><A NAME="F1">(1)</A> Zahlenangaben nach den "Annalen des Deutschen Reichs", 1911, Zahn. <A HREF="le22_200.htm#ZF1">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F2">(2)</A> " Statistical Abstract of the United States", 1912, S. 202. <A HREF="le22_200.htm#ZF2">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F3">(3)</A> "Das Finanzkapital", russ. &Uuml;bersetzung, S. 286/287. (Deutsche Ausgabe Berlin 1955, S. 234.) <A HREF="le22_200.htm#ZF3">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F4">(4)</A> Hans Gideon Heymann, "Die gemischten Werke im deutschen Gro&szlig;eisengewerbe", Stuttgart 1904 (S. 256, 278). <A HREF="le22_200.htm#ZF4">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F5">(5)</A> Hermann Levy, "Monopole, Kartelle und Trusts", Jena 1909, S. 286, 290, 298. <A HREF="le22_200.htm#ZF5">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F6">(6)</A> Th. Vogelstein. "Die finanziell Organisation der kapitalistischen Industrie und die Monopolbildungen" in "Grundri&szlig; der Sozial&ouml;konomik", VI. Abt., T&uuml;b. 1914, vergleiche von demselben Autor "Organisationsformen der Eisenindustrie und Textilindustrie in England und Amerika", Bd. I, Lpz. 1910. <A HREF="le22_200.htm#ZF6">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F7">(7)</A> Dr. Riesser, "Die deutschen Gro&szlig;banken und ihre Konzentration im Zusammenhange mit der Entwicklung der Gesamtwirtschaft in Deutschland", 4. Aufl., 1912, S. 149. - R. Liefmann, "Kartelle und Trusts und die Weiterbildung der volkswirtschaftlichen Organisation", 2. Aufl., 1910. S. 25. <A HREF="le22_200.htm#ZF7">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F8">(8)</A> Dr. Fritz Kestner, "Der Organisationszwang. Eine Untersuchung &uuml;ber die K&auml;mpfe zwischen Kartellen und Au&szlig;enseitern", Brl. 1912, S. 11. <A HREF="le22_200.htm#ZF8">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F9">(9)</A> R Liefmann, "Beteiligungs- und Finanzierungsgesellschaften. Eine Studie &uuml;ber den modernen Kapitalismus und das Effektenwesen", 1. Aufl., Jena 1909, S. 212. <A HREF="le22_200.htm#ZF9">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F10">(10)</A> Ebenda, S. 218. <A HREF="le22_200.htm#ZF10">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F11">(11)</A> Dr. S. Tschierschky, "Kartell und Trust", G&ouml;tt. 1903, S. 13. <A HREF="le22_200.htm#F11">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F12">(12)</A> Th. Vogelstein, "Organisationsformen usw.", S. 275. <A HREF="le22_200.htm#ZF12">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F13">(13)</A> "Report of the Commissioner of Corporations on the Tobacco Industry", Washington 1909, S. 266, zitiert nach Dr. Paul Tafel, "Die Nordamerikanischen Trusts und ihre Wirkungen auf den Fortschritt der Technik", Stuttgart 1913, S. 48. <A HREF="le22_200.htm#ZF13">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F14">(14)</A> Ebenda, S. 49. <A HREF="le22_200.htm#ZF14">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F15">(15)</A> Riesser, a.a.O., 3. Aufl., S. 547 ff. Die Zeitungen berichten (Juni 1916) von einem neuen Riesentrust, der die chemische Industrie Deutschlands zusammenfassen soll. <A HREF="le22_200.htm#ZF15">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F16">(16)</A> Kestner, a.a.O., S. 254. <A HREF="le22_200.htm#ZF16">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F17">(17)</A> "Zement" von L. Eschwege: "Die Bank", 1909, 1, S.115 ff. <A HREF="le22_200.htm#ZF17">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F18">(18)</A> Jeidels, "Das Verh&auml;ltnis der deutschen Gro&szlig;banken zur Industrie mit besonderer Ber&uuml;cksichtigung der Eisenindustrie", Lpz. 1905, S. 271. <A HREF="le22_200.htm#ZF18">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F19">(19)</A> Liefmann, "Beteiligungs- etc. Ges.", S. 434. <A HREF="le22_200.htm#ZF19">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F20">(20)</A> Ebenda. S. 465/466. <A HREF="le22_200.htm#ZF20">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F21">(21)</A> Jeidels, a.a.O. S. 108. <A HREF="le22_200.htm#ZF21">&lt;=</A></P>
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<TD ALIGN="CENTER" width= 199 height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><FONT size=2><A HREF="le22_199.htm"><FONT color=#CC3333><= Voriges Kapitel</A></TD>
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<TD ALIGN="CENTER" width= 199 height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><FONT size=2><A HREF="le22_189.htm"><FONT color=#CC3333>Inhalt "Imperialismus"</A></TD>
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<TD ALIGN="CENTER" width= 199 height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><FONT size=2><A HREF="le22_214.htm"><FONT color=#CC3333>N&auml;chstes Kapitel =></A></TD>
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<TD ALIGN="CENTER" width= 298 height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><FONT size=2><A HREF="../../index.shtml.html"><FONT color=#CC3333><= Zur&uuml;ck zu den MLWerken</A></TD>
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<TD ALIGN="CENTER" width= 299 height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><FONT size=2><A HREF="../default.htm"><FONT color=#CC3333><= Inhaltsverzeichnis W. I. Lenin</A></TD>
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