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<title>"Neue Rheinische Zeitung" - Der italienische Befreiungskamof und de Ursachen seines
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jetzigen Misslingens</title>
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<p align="center"><a href="me05_364.htm"><font size="2">Das deutsche Reichsbürgerrecht und
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die preußische Polizei</font></a> <font size="2">|</font> <a href="../me_nrz48.htm"><font
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size="2">Inhalt</font></a> <font size="2">|</font> <a href="me05_369.htm"><font size="2">Die
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"Kölnische Zeitung" über Italien</font></a></p>
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<small>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 5, S. 366-368<br>
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Dietz Verlag, Berlin/DDR 1959</small><br>
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<h1>Der italienische Befreiungskampf und die Ursache seines jetzigen
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Mißlingens</font></p>
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<p><font size="2">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 73 vom 12. August 1848]</font></p>
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<p><b><a name="S366"><366></a></b> * Mit der nämlichen Schnelligkeit, als die
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Östreicher im März aus der Lombardei hinausgeschlagen wurden, sind sie jetzt
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triumphierend zurückgekehrt und bereits in Mailand eingezogen.</p>
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<p>Das italienische Volk hat es an keinem Opfer fehlen lassen. Mit Gut und Blut stand es
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bereit, das angefangene Werk zu Ende zu führen und seine nationale Selbständigkeit zu
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erkämpfen.</p>
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<p>Allein dem Mute, der Begeisterung, der Aufopferungsfähigkeit entsprachen nirgends
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diejenigen, welche am Ruder standen. Offen oder geheim taten sie alles, nicht um die in ihre
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Hände gelegten Mittel zur Befreiung von der brutalen Tyrannei Östreichs zu verwenden,
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sondern um die Volkskraft zu lähmen und die alten Zustände ihrem Wesen nach
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baldmöglichst zurückzuführen.</p>
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<p>Der Papst <Pius IX.>, von der östreichisch-jesuitischen Politik täglich mehr
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bearbeitet und gewonnen, legte dem Ministerium Mamiani alle Hindernisse in den Weg, die ihm in
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Verbindung mit den "Schwarzen" und den "Schwarz-Gelben" zu Gebote standen. Das Ministerium
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selbst hielt sehr patriotische Reden vor beiden Kammern, besaß aber nicht die nötige
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Energie, um seinen guten Willen zur Tat zu machen.</p>
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<p>In Toskana trat die Regierung zwar mit schönen Worten, aber mit noch weniger Taten
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hervor. Allein, der Hauptfeind der italienischen Freiheit unter den einheimischen Fürsten
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war und ist Karl Albert. Die Italiener hätten stündlich den Spruch wiederholen und
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beachten sollen: "Der Himmel beschütze uns vor unsern Freunden, vor unsern Feinden werden
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wir uns schon selber schützen!" Den Bourbonen Ferdinand brauchten sie nur wenig zu <a
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name="S367"><b><367></b></a> fürchten; er war längst demaskiert. Dagegen
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ließ sich Karl Albert als "la spada d'Italia" (das Schwert Italiens) überall
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Loblieder singen und als den Helden preisen, dessen Degenspitze für Italiens Freiheit und
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Selbständigkeit die sicherste Garantie biete.</p>
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<p>Seine Emissäre gingen aus nach allen Orten Oberitaliens und schilderten ihn als den
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einzigen Mann, der das Vaterland retten könne und werde. Damit er dies könne, sei
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freilich die Bildung eines oberitalischen Königreichs notwendig. Erst dadurch werde ihm
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die nicht bloß zum Widerstande gegen Östreich, sondern zum Hinauswerfen desselben
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aus Italien erforderliche Macht in die Hände gelegt. Der Ehrgeiz, der ihn früher zur
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Verbindung mit den Carbonaris vermocht, die er später verriet, dieser Ehrgeiz war
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stärker als je erwacht und ließ ihn von einer Machtfülle und Herrlichkeit
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träumen, vor denen der Glanz aller übrigen Fürsten Italiens sehr bald erbleichen
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müßte. Die ganze Volksbewegung des Jahres 1848 glaubte er zum Besten seiner
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kläglichen Person konfiszieren zu können. Von Haß und Mißtrauen gegen
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alle wahrhaft liberalen Männer erfüllt, umgab er sich mit Leuten, die mehr oder
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weniger dem Absolutismus ergeben und zur Förderung des königlichen Ehrgeizes geneigt
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waren. Er stellte an die Spitze des Heeres solche Generale, deren geistiges Übergewicht
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oder deren politische Ansichten er nicht zu fürchten hatte, die aber weder das Vertrauen
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der Soldaten noch das Talent besaßen, welches zur glücklichen Führung des
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Krieges erfordert wurde. Pomphaft nannte er sich den "Befreier" Italiens, während er den
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zu Befreienden sein Joch als Bedingung auferlegte. Die Umstände waren ihm günstig wie
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selten einem Menschen. Seine Gier, recht viel und womöglich alles zu haben, ließ ihn
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endlich auch das verlieren, was er bereits gewonnen. Solange der Anschluß der Lombardei
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an Piemont noch nicht völlig entschieden, solange die Möglichkeit einer
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republikanischen Regierungsform noch vorhanden war, blieb er den Östreichern
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gegenüber, so schwach sie auch verhältnismäßig zu jener Zeit waren,
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unbeweglich in seinen Verschanzungen. Er ließ Radetzky, d'Aspre, Welden etc. eine Stadt
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und Festung nach der andern in den venetianischen Provinzen erobern, er rührte sich nicht.
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Venedig zeigte sich für ihn erst der Hülfe würdig, als es sich unter seine Krone
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geflüchtet. So mit Parma und Modena. Inzwischen hatte sich Radetzky verstärkt und
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alle Maßregeln zum Angriff, und der Unfähigkeit und der Blindheit Karl Alberts und
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seiner Generale gegenüber, zum entscheidenden Siege getroffen. Der Ausgang ist bekannt.
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Von nun an können und werden die Italiener ihre Befreiung nicht mehr in die Hände
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eines Fürsten oder Königs legen; behufs ihrer Rettung müssen sie vielmehr diese
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"spada d'ltalia" als untauglich möglichst schnell ganz beiseite schaffen. Hätten sie
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das früher getan, den König <a name="S368"><b><368></b></a> und sein System
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nebst allen Anhängern desselben in Ruhestand versetzt und eine demokratische Union unter
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sich hergestellt, so befand sich jetzt wahrscheinlich kein Östreicher mehr in Italien.
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Statt dessen haben sie nicht bloß umsonst alle Leiden eines von ihren Feinden wütend
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und barbarisch geführten Krieges umsonst erduldet und vergebens die schwersten Opfer
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gebracht, sondern sie sind auch dem ganzen Rachedurst der metternich-östreichischen
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Reaktionsmänner und ihrer Soldateska schutzlos preisgegeben. Wer die von Radetzky an die
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Bewohner der Lombardei, von Welden an die römischen Legationen gerichteten Manifeste
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überliest, der wird begreifen, daß den Italienern Attila mit seinen Hunnenscharen
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noch als Engel der Milde erscheinen müßte. Die Reaktion und Restauration ist
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vollständig. Der Herzog von Modena, "il carnefice" (der Henker) genannt, der den
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Östreichern 1.200.000 Gulden zur Kriegsführung vorgestreckt, kehrt ebenfalls
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zurück. Die Völker haben sich durch ihre Großmut schon so oft ihre eigene Grube
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gegraben, daß sie endlich klug werden und ein bißchen von ihren Feinden lernen
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müssen. Die Modenesen ließen den Herzog, der während seiner frühern
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Regierung Tausende wegen politischer Bestrebungen hatte einkerkern, hängen und
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erschießen lassen, ruhig seines Weges ziehen. Dafür kehrt er zu ihnen zurück,
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um mit verdoppelter Lust sein fürstliches Blutamt auszuüben.</p>
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<p>Die Reaktion und Restauration ist vollständig. Sie ist es aber nur interimistisch. Der
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revolutionäre Geist ist zu tief ins Volk gedrungen, als daß man ihn auf die Dauer
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bemeistern könnte. Mailand, Brescia und andere Orte haben im März gezeigt, was dieser
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Geist vermag. Das Übermaß der Leiden wird zu einer neuen Erhebung führen. Mit
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Zurateziehung der bittern Erfahrungen während der letzten Monate wird Italien neue
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Illusionen zu vermeiden und unter einheitlichem demokratischen Banner seine
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Selbständigkeit zu sichern wissen.</p>
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<p><font size="2">Geschrieben von Friedrich Engels.</font></p>
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