129 lines
8.8 KiB
HTML
129 lines
8.8 KiB
HTML
|
<!DOCTYPE HTML PUBLIC "-//W3C//DTD HTML 3.2//EN">
|
||
|
|
||
|
<html>
|
||
|
<head>
|
||
|
<meta name="generator" content="HTML Tidy for Windows (vers 1st August 2002), see www.w3.org">
|
||
|
<meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=ISO-8859-1">
|
||
|
|
||
|
<title>"Neue Rheinische Zeitung" - Die "Koelnische Revolution"</title>
|
||
|
<link rel=stylesheet type="text/css" href="http://www.mlwerke.de/css/artikel.css">
|
||
|
</head>
|
||
|
|
||
|
<body>
|
||
|
<p align="center"><a href="me05_417.htm"><font size="2">Revolution in Wien</font></a> <font
|
||
|
size="2">|</font> <a href="../me_nrz48.htm"><font size="2">Inhalt</font></a> <font size=
|
||
|
"2">|</font> <a href="me05_422.htm"><font size="2">Das Ministerium Pfuel</font></a></p>
|
||
|
<small>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 5, S. 419-421<br>
|
||
|
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1959</small><br>
|
||
|
<br>
|
||
|
|
||
|
|
||
|
<h1>Die "Kölnische Revolution"</font></p>
|
||
|
|
||
|
<p><font size="2">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 115 vom 13. Oktober 1848]</font></p>
|
||
|
|
||
|
<p><b><a name="S419"><419></a></b> **<i>Köln</i>, 2. Oktober. Die "Kölnische
|
||
|
Revolution" vom 25. September war ein Fastnachtsspiel, erzählt uns die "Kölnische
|
||
|
Zeitung", und die "Kölnische Zeitung" hat recht. Die "Kölnische Kommandantur" fuhrt
|
||
|
am 26. September den Cavaignac auf. Und die "Kölnische Zeitung" bewundert die Weisheit und
|
||
|
Mäßigung der "Kölnischen Kommandantur". Wer aber ist der Komischste - die
|
||
|
Arbeiter, die am 25. September sich im Barrikadenbauen übten, oder der Cavaignac, der am
|
||
|
26. September in heiligstem Ernst den Belagerungszustand aussprach, Journale suspendierte, die
|
||
|
Bürgerwehr entwaffnete, die Assoziationen untersagte?</p>
|
||
|
|
||
|
<p>Arme "Kölnische Zeitung"! Der Cavaignac der "Kölnischen Revolution" kann keinen
|
||
|
Zoll größer sein als die "Kölnische Revolution" selbst. Arme "Kölnische
|
||
|
Zeitung"! Die "Revolution" muß sie im Scherz und den "Cavaignac" dieser lustigen
|
||
|
Revolution im Ernst nehmen. Verdrießliches, undankbares, widerspruchvolles Thema!</p>
|
||
|
|
||
|
<p>Über die Berechtigung der Kommandantur verlieren wir kein Wort. D'Ester hat diesen
|
||
|
Gegenstand erschöpft. Wir betrachten übrigens die Kommandantur als untergeordnetes
|
||
|
Werkzeug. Die eigentlichen Dichter dieser sonderbaren Tragödie waren die <i>"gutgesinnten
|
||
|
Bürger",</i> die <i>Dumonts</i> und Konsorten. Kein Wunder also, daß Herr Dumont mit
|
||
|
seinen Zeitungen die Adresse gegen d'Ester, Borchardt und Kyll kolportieren ließ. Was sie
|
||
|
zu verteidigen hatten, diese "Gutgesinnten", es war nicht die Tat der Kommandantur, es war ihre
|
||
|
eigene Tat.</p>
|
||
|
|
||
|
<p>Das kölnische Ereignis wanderte durch die Saharawüste der deutschen Presse in der
|
||
|
Form, die ihm das kölnische "Journal des Débats" gegeben. Hinreichender Grund, um
|
||
|
darauf zurückzukommen.</p>
|
||
|
|
||
|
<p><i>Moll</i>, einer der beliebtesten Führer des Arbeitervereins, sollte ver- <a name=
|
||
|
"S420"><b><420></b></a> haftet werden. Schapper und Becker waren schon verhaftet. Man
|
||
|
hatte zur Ausführung dieser Maßregeln einen <i>Montag</i> gewählt, einen Tag,
|
||
|
an dem bekanntlich der größte Teil der Arbeiter unbeschäftigt ist. Man
|
||
|
mußte also vorher wissen, daß die Verhaftungen große Gärung unter den
|
||
|
Arbeitern hervorrufen und selbst zu gewalttätigem Widerstand die Veranlassung bieten
|
||
|
konnten. Sonderbarer Zufall, der diese Verhaftungen gerade auf einen Montag fallen ließ!
|
||
|
Die Aufregung war um so leichter vorherzusehen, als bei Gelegenheit des Steinschen
|
||
|
Armeebefehls, nach Wrangels Proklamation und Pfuels Ernennung zum Ministerpräsidenten
|
||
|
jeden Augenblick ein entscheidender, kontrerevolutionärer Schlag, also eine Revolution von
|
||
|
Berlin aus erwartet wurde. Die Arbeiter mußten daher die Verhaftungen nicht als
|
||
|
gerichtliche, sondern als <i>politische</i> Maßregeln betrachten. In der Prokuratur sahen
|
||
|
sie nur noch eine kontrerevolutionäre Behörde. Sie glaubten, daß man sie am
|
||
|
Vorabende wichtiger Ereignisse ihrer Führer berauben wolle. Sie beschlossen, Moll um jeden
|
||
|
Preis der Verhaftung zu entziehen. Und sie verließen erst den Kampfplatz, nachdem sie
|
||
|
ihren Zweck erreicht hatten. Die Barrikaden wurden erst gebaut, als die auf dem Altenmarkt
|
||
|
versammelten Arbeiter erfuhren, daß von allen Seiten das Militär zum Angriff
|
||
|
anrücke. Sie wurden nicht angegriffen; sie hatten sich also auch nicht zu verteidigen.
|
||
|
Zudem war ihnen bekannt geworden, daß aus Berlin durchaus keine gewichtigen Nachrichten
|
||
|
eingetroffen. Sie zogen sich also zurück, nachdem sie einen großen Teil der Nacht
|
||
|
hindurch vergebens einen Feind erwartet hatten.</p>
|
||
|
|
||
|
<p>Nichts lächerlicher daher als der Vorwurf der Feigheit, den man den kölnischen
|
||
|
Arbeitern gemacht hat.</p>
|
||
|
|
||
|
<p>Aber noch andere Vorwürfe hat man ihnen gemacht, um den Belagerungszustand zu
|
||
|
rechtfertigen und das Kölner Ereignis zu einer kleinen Junirevolution zuzustutzen. Ihr
|
||
|
eigentlicher Plan sei die Plünderung der guten Stadt Köln gewesen. Diese Anklage
|
||
|
beruht auf der angeblichen Plünderung <i>eines</i> Tuchladens. Als wenn nicht jede Stadt
|
||
|
ihr Kontingent Diebe hätte, die natürlich Tage öffentlicher Aufregung benutzen.
|
||
|
Oder versteht man unter der Plünderung die Plünderung von Waffenläden? So
|
||
|
schicke man das kölnische Parquet nach Berlin, damit es den Prozeß gegen die
|
||
|
Märzrevolution instruiere. Ohne die geplünderten Waffenläden hätten wir
|
||
|
vielleicht nie die Genugtuung erlebt, Herrn Hansemann in einen Bankdirektor und Herrn
|
||
|
Müller in einen Staatssekretär verwandelt zu sehen.</p>
|
||
|
|
||
|
<p>Genug von den Arbeitern Kölns. Kommen wir zu den sogenannten <i>Demokraten</i>. Was
|
||
|
wirft ihnen die <i>"Kölnische Zeitung"</i> vor, die <i>"Deutsche Zeitung"</i>, die
|
||
|
<i>"Augsburger Allgemeine Zeitung"</i> und wie die andern "gutgesinnten" Blätter
|
||
|
heißen mögen?</p>
|
||
|
|
||
|
<p><b><a name="S421"><421></a></b> Die heroischen Brüggemanns, Bassermanns usw.
|
||
|
verlangten Blut, und die weichherzigen Demokraten, aus <i>Feigheit</i> haben sie kein Blut
|
||
|
fließen lassen.</p>
|
||
|
|
||
|
<p>Der Tatbestand ist einfach dieser: Die Demokraten erklärten im Kranz (auf dem
|
||
|
Altenmarkt), im Eiserschen Saale und auf den Barrikaden den Arbeitern, daß sie unter
|
||
|
keiner Bedingung einen <i>"Putsch"</i> wollten. In diesem Augenblicke aber, wo keine
|
||
|
große Frage die Gesamtbevölkerung in den Kampf treibe und jede Emeute daher
|
||
|
scheitern müsse, sei sie um so sinnloser, als in wenigen Tagen gewaltige Ereignisse
|
||
|
eintreffen könnten und man sich daher vor dem Tage der Entscheidung kampfunfähig
|
||
|
mache. Wenn das Ministerium in Berlin eine Kontrerevolution wage, dann sei der Tag für das
|
||
|
Volk gekommen, eine Revolution zu wagen. Die gerichtliche Untersuchung wird unsere Angabe
|
||
|
bestätigen. Die Herrn von der "Kölnischen Zeitung" hätten besser getan, statt im
|
||
|
"nächtlichen Dunkel" mit "verschränkten Armen und finstern Blicken" vor den
|
||
|
Barrikaden zu stehen und über "die Zukunft ihres Volkes nachzusinnen", vielmehr die
|
||
|
verblendete Masse mit ihren Worten der Weisheit von den Barrikaden herab zu harangieren. Was
|
||
|
nutzt die Weisheit post festum <hinterher>?</p>
|
||
|
|
||
|
<p>Am schlimmsten ist bei Gelegenheit der kölnischen Ereignisse der Bürgerwehr von
|
||
|
der guten Presse aufgespielt worden. Unterscheiden wir. Daß die Bürgerwehr sich
|
||
|
weigerte, zum willenlosen Diener der Polizei herabzusinken - es war ihre Pflicht. Daß sie
|
||
|
die Waffen freiwillig ablieferte, es ist nur durch eine Tatsache zu entschuldigen: Der liberale
|
||
|
Teil derselben wußte, daß der illiberale Teil die Gelegenheit mit Jubel ergriff, um
|
||
|
sich der Waffen zu entledigen. Der partielle Widerstand aber wäre nutzlos gewesen.</p>
|
||
|
|
||
|
<p>Die "Kölnische Revolution" hat <i>ein</i> Resultat gehabt. Sie hat das Dasein einer
|
||
|
Phalanx von mehr als 2.000 Heiligen enthüllt, deren "<i>satte</i> Tugend und
|
||
|
zahlungsfähige Moral " nur im Belagerungszustand ein "freies Leben" führt. Vielleicht
|
||
|
findet sich einmal Veranlassung, "Acta Sanctorum" - Biographien dieser Heiligen - zu schreiben.
|
||
|
Unsere Leser werden dann erfahren, wie die "Schätze" erworben werden, die weder "Motten
|
||
|
noch Rost" fressen, sie werden lernen, auf welche Weise der ökonomische Hintergrund der
|
||
|
"guten Gesinnung" erobert wird.</p>
|
||
|
|
||
|
<p><font size="2">Geschrieben von Karl Marx.</font></p>
|
||
|
</body>
|
||
|
</html>
|
||
|
|