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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<TITLE>Karl Marx - Die Todesstrafe - Herrn Cobdens Pamphlet - Anordnungen der Bank von England</TITLE>
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<P><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 8, 3. Auflage 1972, unver<65>nderter Nachdruck der 1. Auflage 1960, Berlin/DDR. S. 506-513</SMALL>
<H2>Karl Marx</H2>
<H1>Die Todesstrafe -<BR>
Herrn Cobdens Pamphlet -<BR>
Anordnungen der Bank von England</H1>
<FONT SIZE=2><P>Aus dem Englischen.</P>
</FONT><P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["New-York Daily Tribune" Nr. 3695 vom 18. Februar 1853]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S506">&lt;506&gt;</A></B> London, Freitag, 28. Januar 1853</P>
<P>Die "Times" vom 25. Januar bringt unter der &Uuml;berschrift "Amateure des Henkerhandwerks" folgende Betrachtung:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Man hat schon oft die Beobachtung gemacht, da&szlig; in unserem Lande jeder &ouml;ffentlichen Hinrichtung eine Reihe von Selbstmorden oder t&ouml;dlichen Unf&auml;llen durch Erh&auml;ngen folgt, offenbar unter dem gewaltigen Einflu&szlig;, den die Hinrichtung eines bekannten Verbrechers auf unreife und krankhafte Gem&uuml;ter aus&uuml;bt."</P>
</FONT><P>Bei den verschiedenen F&auml;llen, die die "Times" zur Illustration dieser Behauptung anf&uuml;hrt, handelt es sich einmal um einen Irren in Sheffield, der, nachdem er sich mit anderen Irren &uuml;ber die Hinrichtung Barbours unterhalten hatte, seinem Leben ein Ende machte, indem er sich erh&auml;ngte. Ein zweiter Fall ist der eines vierzehnj&auml;hrigen Jungen, der sich ebenfalls erh&auml;ngte.</P>
<P>Ein vern&uuml;nftiger Mensch wird kaum erraten, um welcher Doktrin willen diese F&auml;lle angef&uuml;hrt werden; geht es doch um nichts weniger als eine direkte Apotheose des Henkers und um die Lobpreisung der Todesstrafe als ultima ratio &lt;letztes Mittel&gt; der Gesellschaft. Und dies geschieht in einem leitenden Artikel des "leitenden Blattes".</P>
<P>Der "Morning Advertiser" kritisiert aufs sch&auml;rfste die blutige Logik der "Times" und ihre Vorliebe f&uuml;r den Scharfrichter und schlie&szlig;t seine zutreffende Kritik mit der Angabe folgender interessanter Daten von dreiundzwanzig Tagen des Jahres 1849:</P>
<B><P><A NAME="S507">&lt;507&gt;</A></P></B>
<TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=4 WIDTH=567>
<TR><TD WIDTH="25%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>Hinrichtung von:</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4><P></P></TD>
<TD WIDTH="45%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>Morde und Selbstmorde:</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM" HEIGHT=4><P></P></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="25%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>Millan</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>20. M&auml;rz</TD>
<TD WIDTH="45%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>Hannah Sandles</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM" HEIGHT=4>
<P>22. M&auml;rz</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="25%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4><P></P></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4><P></P></TD>
<TD WIDTH="45%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>M. G. Newton</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM" HEIGHT=4>
<P>22. M&auml;rz</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="25%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>Pulley</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>26. M&auml;rz</TD>
<TD WIDTH="45%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>J. C. Gleeson - vier Morde in Liverpool</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM" HEIGHT=4>
<P>27. M&auml;rz</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="25%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>Smith</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>27. M&auml;rz</TD>
<TD WIDTH="45%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>Mord und Selbstmord in Leicester</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM" HEIGHT=4>
<P>2. April</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="25%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>Howe</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>31. M&auml;rz</TD>
<TD WIDTH="45%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>Vergiftung in Bath</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM" HEIGHT=4>
<P>7. April</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="25%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4><P></P></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4><P></P></TD>
<TD WIDTH="45%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>W. Bailey</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM" HEIGHT=4>
<P>8. April</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="25%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>Landick</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>9. April</TD>
<TD WIDTH="45%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>J. Ward ermordet seine Mutter</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM" HEIGHT=4>
<P>13. April</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="25%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>Sarah Thomas</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>13. April</TD>
<TD WIDTH="45%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>Yardley</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM" HEIGHT=4>
<P>14. April</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="25%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4><P></P></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4><P></P></TD>
<TD WIDTH="45%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>Doxy, Vatermord</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM" HEIGHT=4>
<P>14. April</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="25%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4><P></P></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4><P></P></TD>
<TD WIDTH="45%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>J. Barley t&ouml;tet seine zwei Kinder und sich selbst</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM" HEIGHT=4>
<P>17. April</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="25%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>Griffith</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>18. April</TD>
<TD WIDTH="45%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>Chas. Overton</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM" HEIGHT=4>
<P>18. April</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="25%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>Rush</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>21. April</TD>
<TD WIDTH="45%" VALIGN="TOP" HEIGHT=4>
<P>Daniel Holmston</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM" HEIGHT=4>
<P>2. Mai</TD>
</TR>
</TABLE>
<P>Die "Times" selbst mu&szlig; zugeben, da&szlig; diese Tabelle nicht nur Selbstmorde, sondern auch die scheu&szlig;lichsten Verbrechen aufweist, die immer unmittelbar auf die Hinrichtung von Verbrechern folgen. Der bewu&szlig;te Artikel bringt erstaunlicherweise auch nicht ein Argument zugunsten der darin propagierten barbarischen Theorie. Es ist eben schwer, wenn nicht gar unm&ouml;glich, ein Prinzip aufzustellen, womit man die Berechtigung und Zweckm&auml;&szlig;igkeit der Todesstrafe in einer auf ihre Zivilisation stolzen Gesellschaft zu begr&uuml;nden verm&ouml;chte. Man hat die Strafe gemeinhin verteidigt als ein Mittel zur Besserung oder zur Einsch&uuml;chterung. Aber welches Recht hat man, mich zu strafen, um andere zu bessern oder einzusch&uuml;chtern? Au&szlig;erdem gibt es so etwas wie die Statistik, und es gibt die Geschichte, und beide beweisen voll und ganz, da&szlig; die Welt seit Kain durch Strafen weder gebessert noch eingesch&uuml;chtert worden ist. Ganz im Gegenteil. Vom Standpunkt des abstrakten Rechts gibt es nur eine Theorie der Bestrafung, die die menschliche W&uuml;rde abstrakt anerkennt, und das ist die Kantsche Theorie, besonders in der strengeren Fassung von Hegel. Dieser sagt: "Strafe ist das Recht des Verbrechers. Sie ist ein Akt seines eigenen Willens. Die Verletzung des Rechts proklamiert der Verbrecher als sein Recht. Sein Verbrechen ist die Negation des Rechts. Strafe ist die Negation dieser Negation und folglich eine Best&auml;tigung des Rechts, die der Verbrecher selbst herausfordert und sich selbst aufzwingt ".</P>
<B><P><A NAME="S508">&lt;508&gt;</A></B> Zweifellos hat dieser Grundsatz etwas Bestechendes, da Hegel, statt in dem Verbrecher ein blo&szlig;es Objekt, nur den Sklaven der Justiz zu sehen, ihn zum Rang eines freien Wesens erhebt, das &uuml;ber sich selbst bestimmt. Sehen wir jedoch etwas n&auml;her zu, so entdecken wir, da&szlig; der deutsche Idealismus hier, wie in den meisten anderen F&auml;llen, nur die Gesetze der bestehenden Gesellschaft durch &uuml;bersinnliche Argumente sanktioniert. T&auml;uscht man sich nicht selbst, wenn man an Stelle des Individuums mit seinen wirklichen Beweggr&uuml;nden, mit den zahlreichen, ihn bedr&auml;ngenden sozialen Verh&auml;ltnissen die Abstraktion des "freien Willens" setzt, eine der vielen menschlichen Eigenschaften an Stelle des Menschen selbst? Diese Theorie, die die Strafe als das Ergebnis des eigenen Willens des Verbrechers ansieht, ist nur ein metaphysischer Ausdruck jenes alten "jus talionis"': Aug' um Auge, Zahn um Zahn, Blut um Blut. Wenn wir die Dinge offen aussprechen und auf alle Umschreibungen verzichten, so ist die Strafe nichts anderes als ein Verteidigungsmittel der Gesellschaft gegen die Verletzung ihrer Lebensbedingungen, was auch immer deren Inhalt sein mag. - Was f&uuml;r eine Gesellschaft ist das aber, die kein besseres Instrument ihrer Verteidigung kennt als den Scharfrichter und die durch das "leitende Blatt der Welt" ihre Brutalit&auml;t als ewiges Gesetz verk&uuml;nden l&auml;&szlig;t?</P>
<P>A. Qu&eacute;telet sagt in seinem ausgezeichneten gelehrten Werk "L'homme et ses facult&eacute;s":</P>
<FONT SIZE=2><P>"Es gibt ein Budget, das mit einer schauerlichen Regelm&auml;&szlig;igkeit bezahlt wird, n&auml;mlich das der Gef&auml;ngnisse, der Galeeren und der Schafotte ... Wir k&ouml;nnen voraussagen, wie viele Individuen ihre H&auml;nde mit dem Blute ihrer Mitmenschen besudeln werden, wie viele F&auml;lscher, wie viele Giftmischer zu verzeichnen sein werden, fast ebenso wie man im voraus die Geburten und Todesf&auml;lle angeben kann."</P>
</FONT><P>Und Qu&eacute;telet sagte in einer Wahrscheinlichkeitsberechnung der Verbrechen, die er im Jahre 1829 ver&ouml;ffentlichte, mit erstaunlicher Sicherheit nicht nur die Zahl, sondern auch alle die verschiedenen Arten der Verbrechen voraus, die in Frankreich 1830 begangen wurden. Da&szlig; es nicht so sehr die besonderen politischen Einrichtungen eines Landes sind als vielmehr die grundlegenden Bedingungen der modernen b&uuml;rgerlichen Gesellschaft im ganzen, die eine durchschnittliche Anzahl Verbrechen in einem gegebenen nationalen Teil der Gesellschaft hervorbringen, das zeigt die folgende Tabelle, die Qu&eacute;telet f&uuml;r die Jahre 1822 bis 1824 mitteilt. Unter hundert verurteilten Verbrechern finden wir in Amerika und Frankreich:</P>
<P ALIGN="CENTER"><CENTER><TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=4 WIDTH=342>
<TR><TD WIDTH="33%" VALIGN="TOP" HEIGHT=6>
<P><B>&lt;509&gt; </B>Alter</TD>
<TD WIDTH="33%" VALIGN="TOP" HEIGHT=6>
<P ALIGN="CENTER">Philadelphia</TD>
<TD WIDTH="33%" VALIGN="TOP" HEIGHT=6>
<P ALIGN="CENTER">Frankreich</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="33%" VALIGN="TOP" HEIGHT=6>
<P>Unter 21 Jahren</TD>
<TD WIDTH="33%" VALIGN="TOP" HEIGHT=6>
<P ALIGN="CENTER">19</TD>
<TD WIDTH="33%" VALIGN="TOP" HEIGHT=6>
<P ALIGN="CENTER">19</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="33%" VALIGN="TOP" HEIGHT=6>
<P>21 bis 30 Jahre</TD>
<TD WIDTH="33%" VALIGN="TOP" HEIGHT=6>
<P ALIGN="CENTER">44</TD>
<TD WIDTH="33%" VALIGN="TOP" HEIGHT=6>
<P ALIGN="CENTER">35</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="33%" VALIGN="TOP" HEIGHT=6>
<P>30 bis 40 Jahre</TD>
<TD WIDTH="33%" VALIGN="TOP" HEIGHT=6>
<P ALIGN="CENTER">23</TD>
<TD WIDTH="33%" VALIGN="TOP" HEIGHT=6>
<P ALIGN="CENTER">23</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="33%" VALIGN="TOP" HEIGHT=6>
<P>&Uuml;ber 40 Jahre</TD>
<TD WIDTH="33%" VALIGN="TOP" HEIGHT=6>
<P ALIGN="CENTER">14</TD>
<TD WIDTH="33%" VALIGN="TOP" HEIGHT=6>
<P ALIGN="CENTER">23</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="33%" VALIGN="TOP" HEIGHT=1><P></P></TD>
<TD WIDTH="33%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1><P></P></TD>
<TD WIDTH="33%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1><P></P></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="33%" VALIGN="TOP" HEIGHT=6>
<P ALIGN="RIGHT">Total</TD>
<TD WIDTH="33%" VALIGN="TOP" HEIGHT=6>
<P ALIGN="CENTER">100</TD>
<TD WIDTH="33%" VALIGN="TOP" HEIGHT=6>
<P ALIGN="CENTER">100</TD>
</TR>
</TABLE>
</CENTER></P>
<P>Wenn also Verbrechen, sobald man sie in gro&szlig;er Zahl beobachtet, in ihrer H&auml;ufigkeit und Art die Regelm&auml;&szlig;igkeit von Naturerscheinungen zeigen, wenn es, um mit Qu&eacute;telet zu sprechen, schwierig w&auml;re, zu entscheiden, "auf welchem der beiden Gebiete" (der physischen Welt oder des gesellschaftlichen Lebens) "die effektiven Ursachen ihre Wirkungen mit gr&ouml;&szlig;erer Regelm&auml;&szlig;igkeit nach sich ziehen", besteht da nicht die Notwendigkeit - statt den Scharfrichter zu verherrlichen, der eine Partie Verbrecher beseitigt, nur um wieder Platz f&uuml;r neue zu schaffen -, ernstlich &uuml;ber die &Auml;nderung des Systems nachzudenken, das solche Verbrechen z&uuml;chtet?</P>
<P>Tagesgespr&auml;ch ist jetzt das neuerschienene Pamphlet Richard Cobdens, betitelt "1793 and 1853, in Three Letters" (140 Seiten). Im ersten Teil des Pamphlets behandelt er die Zeit vor der Revolution von 1793 und die Revolution selbst und attackiert mit r&uuml;hmenswerter Offenheit und Kraft die seit jeher dar&uuml;ber herrschenden englischen Vorurteile. Cobden zeigt, da&szlig; England der Aggressor im Revolutionskrieg war. Allerdings darf er auf diesem Gebiet keine Originalit&auml;t beanspruchen, denn seine Darstellung ist eigentlich nur eine Wiederholung, und noch dazu eine viel weniger gl&auml;nzend geschriebene, der Ausf&uuml;hrungen des gr&ouml;&szlig;ten aller englischen Pamphletisten, des verstorbenen William Cobbett. Der andere Teil des Pamphlets hat trotz seines &ouml;konomischen Inhalts einen gewissen romantischen Anstrich. Herr Cobden gibt sich alle M&uuml;he zu beweisen, wie absurd die Annahme sei, da&szlig; Louis-Napoleon in England einzufallen gedenke; das Geschw&auml;tz &uuml;ber Englands wehrlosen Zustand entbehre jeglicher Grundlage und werde nur von Leuten verbreitet, die ein Interesse an der Erh&ouml;hung der &ouml;ffentlichen Ausgaben haben. Wodurch beweist er nun, da&szlig; Louis-Napoleon keine feindlichen Absichten gegen England hegt? Einfach indem er behauptet, Louis-Napoleon habe keinen vern&uuml;nftigen Grund, mit England H&auml;ndel zu suchen. Und wie beweist er die Unm&ouml;glichkeit eines feindlichen Angriffs auf dieses Land? Einfach indem er sagt, England sei seit achthundert Jahren nicht angegriffen worden. Und wodurch beweist er, da&szlig; die Ger&uuml;chte &uuml;ber den wehrlosen Zustand Englands nur eigenn&uuml;tziger Schwindel seien? Einfach weil die h&ouml;chsten milit&auml;rischen Autorit&auml;ten erkl&auml;rt haben, sie f&uuml;hlten sich ganz sicher. </P>
<B><P><A NAME="S510">&lt;510</A>&gt; </B>Louis-Napoleon hat nicht einmal in der gesetzgebenden Versammlung einen leichtgl&auml;ubigeren Bewunderer seiner Redlichkeit und seiner friedlichen Absichten gefunden, als er jetzt, ganz unerwartet, in Richard Cobden findet. Der "Morning Herald", der gewohnte Verteidiger Louis-Napoleons, ver&ouml;ffentlicht (in seiner gestrigen Nummer) einen an Cobden gerichteten Brief, der von Bonaparte selbst inspiriert sein soll und in dem der prinzliche Held von Satory versichert, er k&auml;me nur dann nach England her&uuml;ber, wenn die durch die aufsteigende Demokratie bedr&auml;ngte K&ouml;nigin &lt;Victoria&gt; an die 200.000 seiner d&eacute;cembraillards oder Raufbolde brauchen sollte. Mit dieser Demokratie ist aber, wie der "Herald" meint, niemand anders gemeint als die Herren Cobden und Kompanie.</P>
<P>Nachdem wir das betreffende B&uuml;chlein aufmerksam gelesen, m&uuml;ssen wir gestehen, da&szlig; wir selbst anfangen zu bef&uuml;rchten, es st&uuml;nde so etwas wie eine Invasion Englands bevor. Herr Cobden ist kein sehr gl&uuml;cklicher Prophet. Nach der Aufhebung der Korngesetze unternahm er eine Reise nach dem Kontinent, die ihn sogar bis Ru&szlig;land f&uuml;hrte. Zur&uuml;ckgekehrt, berichtete er, alles sei in sch&ouml;nster Ordnung, die Zeiten der Gewalt seien zu Ende, die Nationen befa&szlig;ten sich aufs eifrigste mit nichts anderem als ihren Industrie- und Handelsunternehmungen, und ihrer friedlichen gesch&auml;ftlichen Entwicklung drohten weder politische St&uuml;rme noch Aufst&auml;nde, noch sonstige St&ouml;rungen. Seine Prophezeiung mochte kaum den Kontinent erreicht haben, als die achtundvierziger Revolution in ganz Europa ausbrach und ein etwas ironisches Echo zu Herrn Cobdens sanftm&uuml;tigen Weissagungen bildete. Er sprach von Frieden, wo es doch keinen Frieden gab.</P>
<P>Es w&auml;re ein gro&szlig;er Irrtum anzunehmen, da&szlig; das Friedensevangelium der Manchesterschule tiefe philosophische Bedeutung habe. Es besagt blo&szlig;, da&szlig; die feudale Methode der Kriegf&uuml;hrung durch die kaufm&auml;nnische ersetzt werden soll - Kanonen durch Kapital. Die Friedensgesellschaft hielt gestern in Manchester eine Versammlung ab, auf der fast einstimmig erkl&auml;rt wurde, man k&ouml;nne Louis-Napoleon nicht unterschieben, da&szlig; er feindliche Absichten gegen Englands Sicherheit hege, <I>wenn nur die Presse verstummen und ihre geh&auml;ssige Kritik an seiner Regierung einstellen wollte</I>! Dieser Behauptung gegen&uuml;ber nimmt es sich nun wunderlich aus, da&szlig; die erh&ouml;hten Voranschl&auml;ge f&uuml;r Armee und Marine im Unterhaus widerspruchslos angenommen wurden und keines der Parlamentsmitglieder, die an der Friedenskonferenz teilgenommen hatten, gegen die vorgeschlagene Verst&auml;rkung der Streitkr&auml;fte etwas einzuwenden hatte.</P>
<B><P><A NAME="S511">&lt;511&gt;</A></B> W&auml;hrend der politischen Windstille, die die Vertagung des Parlaments hervorgerufen hat, besch&auml;ftigt sich die Presse vornehmlich mit zwei Hauptthemen - mit der kommenden <I>Reformbill </I>und mit den letzten <I>Regulierungen des Diskontsatzes </I>durch die Bank von England.</P>
<P>Die "Times" vom 24. dieses Monats teilt dem Publikum mit, da&szlig; eine Reformbill in Vorbereitung ist. Was das f&uuml;r eine Reformbill sein wird, kann man aus der Wahlrede von Sir Charles Wood in Halifax entnehmen, in der er sich gegen das Prinzip <I>gleicher Wahlbezirke </I>aussprach; ferner aus der Rede von James Graham in Carlisle, der die <I>geheime Abstimmung </I>verwarf, und aus der vertraulich umlaufenden Ansicht, da&szlig; man sogar die kleinen Reformpillen, die Sir John Russell im Februar 1852 verschrieb, noch als viel zu gef&auml;hrlich und stark erachte. Noch verd&auml;chtiger aber ist es, da&szlig; das Sprachrohr des Koalitionsministeriums, "The Economist", in der Nummer vom 22. Januar nicht nur behauptet,</P>
<FONT SIZE=2><P>"da&szlig; die Reform unseres Repr&auml;sentativsystems nicht unter den ersten der dringlichen oder umgehend wichtigen Fragen rangiere", sondern auch, da&szlig; "uns <I>die Rohmaterialien f&uuml;r<B> </B>eine gesetzgeberische Aktion fehlen</I>. Ausdehnung, Ausgleichung, Bereinigung, Neuverteilung und Schutz des Wahlrechts sind Teilfragen, die allesamt tiefe &Uuml;berlegungen und viele Untersuchungen erfordern ... Nicht da&szlig; etwa einige unserer Staatsm&auml;nner &uuml;ber alle oder doch einzelne dieser Punkte nicht wohl informiert w&auml;ren; aber ihre Informationen sind <I>da und dort aufgelesen</I>, nicht gr&uuml;ndlich <I>verarbeitet</I>; sie sind zusammengew&uuml;rfelt, l&uuml;ckenhaft und unvollkommen ... Diesem &Uuml;belstand ist offenbar nur dadurch abzuhelfen, da&szlig; man eine <I>Untersuchungskommission </I>einsetzt, die alle jene Punkte zu pr&uuml;fen hat, die direkt oder auch weniger direkt mit dem Gegenstand tats&auml;chlich zusammenh&auml;ngen."</P>
</FONT><P>So wird denn dieses <A HREF="me08_484.htm">Ministerium von Methusalems</A> seine politischen Studien coram publico &lt;vor versammelten Volk&gt; von neuem beginnen. Die Kollegen eines Peel, eines Melbourne, die Untergebenen Cannings, die Stellvertreter des &auml;lteren Grey, M&auml;nner, die unter Lord Liverpool dienten, andere, die in Lord Grenvilles Kabinett sa&szlig;en - all diese Novizen, deren Lehrjahre ein halbes Jahrhundert zur&uuml;ckliegen, sollen aus Mangel an Erfahrung unf&auml;hig sein, dem Parlament entscheidende Vorschl&auml;ge zu einer Wahlreform zu machen. Das alte Sprichwort, da&szlig; die Erfahrung mit dem Alter kommt, scheint hiermit widerlegt zu sein.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Diese zimperliche Sch&uuml;chternheit einer Koalition von Veteranen ist zu komisch, als da&szlig; man sie leicht beschreiben konnte",</P>
</FONT><P>ruft die "Daily News" aus und f&uuml;gt hinzu: <I>"Wo ist eure Reformbill?" </I>Der <A NAME="S512"><B>&lt;512&gt;</A></B> "Morning Advertiser" antwortet:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Wir m&ouml;chten fast annehmen, da&szlig; uns die jetzige Session &uuml;berhaupt keine Reformbill bringen wird. Vielleicht wird man versuchen, einige Gesetze zur Verh&uuml;tung und Bestrafung von Wahlbestechung oder anderer minder wichtiger Materien einzubringen, vielleicht wird ein Versuch gemacht werden, den &Uuml;beln zu steuern, die mit der parlamentarischen Vertretung des Landes verbunden sind, aber eine solche Gesetzgebung verdient nicht den Namen einer neuen Reformbill."</P>
</FONT><P>Die Panik, die die letzte Diskontregulierung der Bank von England zuerst hervorrief, hat sich jetzt gelegt, und Praktiker wie Theoretiker haben sich vergewissert, da&szlig; die jetzige Prosperit&auml;t nicht ernstlich unterbrochen oder gehemmt werden wird.</P>
<P>Man lese jedoch folgenden Auszug aus dem "Economist":</P>
<FONT SIZE=2><P>"Dieses Jahr wurde auf ungeheuren Strecken unseres Landes &uuml;berhaupt nichts ausges&auml;t. Auf einem sehr gro&szlig;en Teil unseres schweren Bodens verbleibt viel Ackerland, das f&uuml;r Weizen vorgesehen war, noch ohne Saat, und manche der bebauten &Auml;cker sind in keiner besseren Verfassung, denn die Saat ist entweder nicht aufgegangen oder sie sprie&szlig;te so sp&auml;rlich oder wurde derma&szlig;en von Schnecken zerfressen, da&szlig; die Aussichten f&uuml;r die Besitzer dieser &Auml;cker kaum trostreichere sind als f&uuml;r jene, die nicht ges&auml;t haben. Inzwischen ist es fast unm&ouml;glich geworden, das ganze Weizenland zu bebauen."</P>
</FONT><P>Die Krise, die durch die Er&ouml;ffnung der kalifornischen und australischen M&auml;rkte und Minen etwas verz&ouml;gert worden ist, ist also zweifellos f&auml;llig, wenn die Ernte schlecht sein sollte. Die Diskontregulierungen der Bank von England sind nur die ersten Vorzeichen daf&uuml;r. 1847 &auml;nderte die Bank den Diskontsatz dreizehnmal; 1853 wird das vielleicht zwanzigmal geschehen. Ich m&ouml;chte zum Schlu&szlig; den englischen &Ouml;konomen die Frage vorlegen, wie es kommt, da&szlig; die moderne politische &Ouml;konomie ihren Kriegszug gegen den Merkantilismus damit begann, da&szlig; sie bewies, Zustrom und Abstrom des Goldes seien f&uuml;r ein Land gleichg&uuml;ltig, Produkte tauschten sich nur gegen Produkte aus, und Gold sei ein Produkt wie jedes andere, w&auml;hrend diese selbe &Ouml;konomie jetzt am Ende ihrer Laufbahn den Zuflu&szlig; und Abflu&szlig; des Goldes aufs &auml;ngstlichste beobachtet.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Der wahre Zweck, den die Bank durch ihre Operationen zu erf&uuml;llen hat", sagt der "Economist", "ist das Verh&uuml;ten des Kapitalexports."</P>
</FONT><P>W&uuml;rde aber der "Economist" eine Ausfuhr von Kapital in Gestalt von Baumwolle, Eisen, Wollgarnen und Stoffen verhindern wollen? Und ist Gold nicht ein <I>Produkt wie jedes andere</I>? Oder ist der "Economist" auf seine alten <A NAME="S513"><B>&lt;513&gt;</A></B> Tage Merkantilist geworden? Und will er etwa, nachdem er der Einfuhr von ausw&auml;rtigem Kapital den Weg frei gemacht hat, die Ausfuhr von britischem Kapital hemmen? Will er, nachdem er sich vom zivilisierten Schutzzollsystem befreit hat, etwa zum t&uuml;rkischen zur&uuml;ckkehren?</P>
<P>W&auml;hrend ich gerade diesen Brief abschlie&szlig;e, teilt man mir mit, in politischen Zirkeln kursiere ein Ger&uuml;ckt, wonach Gladstone mit mehreren leitenden Mitgliedern des Aberdeen-Ministeriums wegen der <I>Einkommensteuer </I>in Differenzen geraten ist und wonach das Ergebnis dieser Differenzen m&ouml;glicherweise der R&uuml;cktritt des ehrenwerten Gentleman sein wird. Sollte das der Fall sein, so wird wahrscheinlich Sir Francis Baring, fr&uuml;herer Schatzkanzler unter Lord Melbourne, sein Nachfolger werden.</P>
<I><P ALIGN="RIGHT">Karl Marx</P></I></BODY>
</HTML>