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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<TITLE>Friedrich Engels - Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft - III</TITLE>
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<META name="description" content="Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft - III">
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<TD><SMALL>Friedrich Engels: "Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft", in: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 19, 4. Auflage 1973, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 210-228.</SMALL></TD>
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<TD><SMALL>Korrektur:</SMALL></TD>
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<TD><SMALL>1</SMALL></TD>
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<TD><SMALL>Erstellt:</SMALL></TD>
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<TD><SMALL>18.07.1999</SMALL></TD>
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<H3 ALIGN="CENTER">III</H3>
<B><P><A NAME="S210">|210|</A></B> Die materialistische Anschauung der Geschichte geht von dem Satz aus, da&szlig; die Produktion, und n&auml;chst der Produktion der Austausch ihrer Produkte, die Grundlage aller Gesellschaftsordnung ist; da&szlig; in jeder geschichtlich auftretenden Gesellschaft die Verteilung der Produkte, und mit ihr die soziale Gliederung in Klassen oder St&auml;nde, sich danach richtet, was und wie produziert und wie das Produzierte ausgetauscht wird. Hiernach sind die letzten Ursachen aller gesellschaftlichen Ver&auml;nderungen und politischen Umw&auml;lzungen zu suchen nicht in den K&ouml;pfen der Menschen, in ihrer zunehmenden Einsicht in die ewige Wahrheit und Gerechtigkeit, sondern in, Ver&auml;nderungen der Produktions- und Austauschweise; sie sind zu suchen nicht in der <I>Philosophie</I>, sondern in der <I>&Ouml;konomie</I> der betreffenden Epoche. Die erwachende Einsicht, da&szlig; die bestehenden gesellschaftlichen Einrichtungen unvern&uuml;nftig und ungerecht sind, da&szlig; Vernunft Unsinn, Wohltat Plage geworden, ist nur ein Anzeichen davon, da&szlig; in den Produktionsmethoden und Austauschformen in aller Stille Ver&auml;nderungen vor sich gegangen sind, zu denen die auf fr&uuml;here &ouml;konomische Bedingungen, zugeschnittne gesellschaftliche Ordnung nicht mehr stimmt. Damit ist zugleich gesagt, da&szlig; die Mittel zur Beseitigung der entdeckten Mi&szlig;st&auml;nde ebenfalls in den ver&auml;nderten Produktionsverh&auml;ltnissen selbst - mehr oder minder entwickelt - vorhanden sein m&uuml;ssen. Diese Mittel sind nicht etwa aus dem Kopfe zu <I>erfinden</I>, sondern vermittelst des Kopfes in den vorliegenden materiellen Tatsachen der Produktion zu <I>entdecken</I>. </P>
<P>Wie steht es nun hiernach mit dem modernen Sozialismus? </P>
<P>Die bestehende Gesellschaftsordnung - das ist nun so ziemlich allgemein zugegeben - ist geschaffen worden von der jetzt herrschenden Klasse, der Bourgeoisie. Die der Bourgeoisie eigent&uuml;mliche Produktionsweise, seit <A NAME="S211"><B>|211|</A></B> Marx mit dem Namen kapitalistische Produktionsweise bezeichnet, war unvertr&auml;glich mit den lokalen und st&auml;ndischen Privilegien wie mit den gegenseitigen pers&ouml;nlichen Banden der feudalen Ordnung; die Bourgeoisie zerschlug die feudale Ordnung und stellte auf ihren Tr&uuml;mmern die b&uuml;rgerliche Gesellschaftsverfassung her, das Reich der freien Konkurrenz, der Freiz&uuml;gigkeit, der Gleichberechtigung der Warenbesitzer und wie die b&uuml;rgerlichen Herrlichkeiten alle hei&szlig;en. Die kapitalistische Produktionsweise konnte sich jetzt frei entfalten. Die unter der Leitung der Bourgeoisie herausgearbeiteten Produktionsverh&auml;ltnisse<A NAME="ZT1"><A HREF="me19_210.htm#T1"><SMALL><SUP>{1}</A></SUP></SMALL></A> entwickelten sich, seit der Dampf und die neue Werkzeugmaschinerie die alte Manufaktur in die gro&szlig;e Industrie umgewandelt, mit bisher unerh&ouml;rter Schnelligkeit und in bisher unerh&ouml;rtem Ma&szlig;e. Aber wie ihrerzeit die Manufaktur und das unter ihrer Einwirkung weiterentwickelte Handwerk mit den feudalen Fesseln der Z&uuml;nfte in Konflikt kam, so kommt die gro&szlig;e Industrie in ihrer volleren Ausbildung in Konflikt mit den Schranken, in denen die kapitalistische Produktionsweise sie eingeengt h&auml;lt. Die neuen Produktionskr&auml;fte sind der b&uuml;rgerlichen Form ihrer Ausnutzung bereits &uuml;ber den Kopf gewachsen; und dieser Konflikt zwischen Produktivkr&auml;ften und Produktionsweise ist nicht ein in den K&ouml;pfen der Menschen entstandner Konflikt, wie etwa der der menschlichen Erbs&uuml;nde mit der g&ouml;ttlichen Gerechtigkeit, sondern er besteht in den Tatsachen, objektiv, au&szlig;er uns, unabh&auml;ngig vom Wollen oder Laufen selbst derjenigen Menschen, die ihn herbeigef&uuml;hrt. Der moderne Sozialismus ist weiter nichts als der Gedankenreflex dieses tats&auml;chlichen Konflikts, seine ideelle R&uuml;ckspiegelung in den K&ouml;pfen zun&auml;chst der Klasse, die direkt unter ihm leidet, der Arbeiterklasse. </P>
<P>Worin besteht nun dieser Konflikt? </P>
<P>Vor der kapitalistischen Produktion, also im Mittelalter, bestand allgemeiner Kleinbetrieb auf Grundlage des Privateigentums der Arbeiter an ihren Produktionsmitteln: der Ackerbau der kleinen, freien oder h&ouml;rigen Bauern, das Handwerk der St&auml;dte. Die Arbeitsmittel - Land, Ackerger&auml;t, Werkstatt, Handwerkszeug - waren Arbeitsmittel des einzelnen, nur f&uuml;r den Einzelgebrauch berechnet, also notwendig kleinlich, zwerghaft, beschr&auml;nkt. Aber sie geh&ouml;rten eben deshalb auch in der Regel dem Produzenten selbst. Diese zersplitterten, engen Produktionsmittel zu konzentrieren, auszuweiten, sie in die m&auml;chtig wirkenden Produktionshebel der Gegenwart umzuwandeln, war gerade die historische Rolle der kapitalistischen Produktionsweise und ihrer Tr&auml;gerin, der Bourgeoisie. Wie sie dies seit dem 15. Jahr- <A NAME="S212"><B>|212|</A></B> hundert auf den drei Stufen: der einfachen Kooperation, der Manufaktur und der gro&szlig;en Industrie, geschichtlich durchgef&uuml;hrt, hat Marx im <A HREF="../me23/me23_331.htm">vierten Abschnitt des "Kapital"</A> ausf&uuml;hrlich geschildert. Aber die Bourgeoisie, wie dort ebenfalls nachgewiesen, konnte jene beschr&auml;nkten Produktionsmittel nicht in gewaltige Produktionskr&auml;fte verwandeln, ohne sie aus Produktionsmitteln des einzelnen in <I>gesellschaftliche</I>, nur von einer <I>Gesamtheit von Menschen</I> anwendbare Produktionsmittel zu verwandeln. An die Stelle des Spinnrads, des Handwebestuhls, des Schmiedehammers trat die Spinnmaschine, der mechanische Webstuhl, der Dampfhammer; an die Stelle der Einzelwerkstatt die das Zusammenwirken von Hunderten und Tausenden gebietende Fabrik. Und wie die Produktionsmittel, so verwandelte sich die Produktion selbst aus einer Reihe von Einzelhandlungen in eine Reihe gesellschaftlicher Akte und die Produkte aus Produkten einzelner in gesellschaftliche Produkte. Das Garn, das Gewebe, die Metallwaren, die jetzt aus der Fabrik kamen, waren das gemeinsame Produkt vieler Arbeiter, durch deren H&auml;nde sie der Reihe nach gehn mu&szlig;ten, ehe sie fertig wurden. Kein einzelner konnte von ihnen sagen: Das habe <I>ich</I> gemacht, das ist <I>mein</I> Produkt. </P>
<P>Wo aber die naturw&uuml;chsige, planlos allm&auml;hlich entstandne Teilung der Arbeit innerhalb der Gesellschaft Grundform der Produktion ist, da dr&uuml;ckt sie den Produkten die Form von <I>Waren</I> auf, deren gegenseitiger Austausch, Kauf und Verkauf, die einzelnen Produzenten in den Stand setzt, ihre mannigfachen Bed&uuml;rfnisse zu befriedigen. Und dies war im Mittelalter der Fall. Der Bauer z.B. verkaufte Ackerbauprodukte an den Handwerker und kaufte daf&uuml;r von diesem Handwerkserzeugnisse. In diese Gesellschaft von Einzelproduzenten, Warenproduzenten, schob sich nun die neue Produktionsweise ein. Mitten in die naturw&uuml;chsige, <I>planlose</I> Teilung der Arbeit, wie sie in der ganzen Gesellschaft herrschte, stellte sie die <I>planm&auml;&szlig;ige</I> Teilung der Arbeit, wie sie in der einzelnen Fabrik organisiert war; neben die <I>Einzel</I>produktion trat die <I>gesellschaftliche</I> Produktion. Die Produkte beider wurden auf demselben Markt verkauft, also zu wenigstens ann&auml;hernd gleichen Preisen. Aber die planm&auml;&szlig;ige Organisation war m&auml;chtiger als die naturw&uuml;chsige Arbeitsteilung; die gesellschaftlich arbeitenden Fabriken stellten ihre Erzeugnisse wohlfeiler her als die vereinzelten Kleinproduzenten. Die Einzelproduktion erlag auf einem Gebiet nach dem andern, die gesellschaftliche Produktion revolutionierte die ganze alte Produktionsweise. Aber dieser ihr revolution&auml;rer Charakter wurde so wenig erkannt, da&szlig; sie im Gegenteil eingef&uuml;hrt wurde als Mittel zur Hebung und F&ouml;rde- <A NAME="S213"><B>|213|</A></B> rung der Warenproduktion. Sie entstand in direkter Ankn&uuml;pfung an bestimmte, bereits vorgefundne Hebel der Warenproduktion und des Warenaustausches: Kaufmannskapital, Handwerk, Lohnarbeit. Indem sie selbst auftrat als eine neue Form der Warenproduktion, blieben die Aneignungsformen der Warenproduktion auch f&uuml;r sie in voller Geltung. </P>
<P>In der Warenproduktion, wie sie sich im Mittelalter entwickelt hatte, konnte die Frage gar nicht entstehn, wem das Erzeugnis der Arbeit geh&ouml;ren solle. Der einzelne Produzent hatte es, in der Regel, aus ihm geh&ouml;rendem, oft selbsterzeugtem Rohstoff, mit eignen Arbeitsmitteln und mit eigner Handarbeit oder der seiner Familie hergestellt. Es brauchte gar nicht erst von ihm angeeignet zu werden, es geh&ouml;rte ihm ganz von selbst. Das Eigentum am Produkte beruhte also <I>auf eigner Arbeit</I>. Selbst wo fremde H&uuml;lfe gebraucht ward, blieb diese in der Regel Nebensache und erhielt h&auml;ufig au&szlig;er dem Lohn noch andre Verg&uuml;tung: Der z&uuml;nftige Lehrling und Geselle arbeiteten weniger wegen der Kost und des Lohns als wegen ihrer eignen Ausbildung zur Meisterschaft. Da kam die Konzentration der Produktionsmittel in gro&szlig;en Werkst&auml;tten und Manufakturen, ihre Verwandlung in tats&auml;chlich gesellschaftliche Produktionsmittel. Aber die gesellschaftlichen Produktionsmittel und Produkte wurden behandelt, als w&auml;ren sie nach wie vor die Produktionsmittel und Produkte einzelner. Hatte bisher der Besitzer der Arbeitsmittel sich das Produkt angeeignet, weil es in der Regel sein eignes Produkt und fremde H&uuml;lfsarbeit die Ausnahme war, so fuhr jetzt der Besitzer der Arbeitsmittel fort, sich das Produkt anzueignen, obwohl es nicht mehr <I>sein</I> Produkt war, sondern ausschlie&szlig;lich Produkt <I>fremder Arbeit</I>. So wurden also die nunmehr gesellschaftlich erzeugten Produkte angeeignet nicht von denen, die die Produktionsmittel wirklich in Bewegung gesetzt und die Produkte wirklich erzeugt hatten, sondern vom <I>Kapitalisten</I>. Produktionsmittel und Produktion sind wesentlich gesellschaftlich geworden. Aber sie werden unterworfen einer Aneignungsform, die die Privatproduktion einzelner zur Voraussetzung hat, wobei also jeder sein eignes Produkt besitzt und zu Markte bringt. Die Produktionsweise wird dieser Aneignungsform unterworfen, obwohl sie deren Voraussetzung aufhebt.<A NAME="ZF1"><A HREF="me19_210.htm#F1"><SMALL><SUP>(1)</A></SUP></SMALL></A> In diesem Widerspruch, der der neuen Produktionsweise ihren <A NAME="S214"><B>|214|</A></B> kapitalistischen Charakter verleiht, <I>liegt die ganze Kollision der Gegenwart bereits im Keim</I>. Je mehr die neue Produktionsweise auf allen entscheidenden Produktionsfeldern und in allen &ouml;konomisch entscheidenden L&auml;ndern zur Herrschaft kam und damit die Einzelproduktion bis auf unbedeutende Reste verdr&auml;ngte, <I>desto greller mu&szlig;te auch an den Tag treten die Unvertr&auml;glichkeit von gesellschaftlicher Produktion und kapitalistischer Aneignung</I>. </P>
<P>Die ersten Kapitalisten fanden, wie gesagt, die Form der Lohnarbeit bereits vor. Aber Lohnarbeit als Ausnahme, als Nebenbesch&auml;ftigung, als Aush&uuml;lfe, als Durchgangspunkt. Der Landarbeiter, der zeitweise tagl&ouml;hnern ging, hatte seine paar Morgen eignes Land, von denen allein er zur Not leben konnte. Die Zunftordnungen sorgten daf&uuml;r, da&szlig; der Geselle von heute in den Meister von morgen &uuml;berging. Sobald aber die Produktionsmittel in gesellschaftliche verwandelt und in den H&auml;nden von Kapitalisten konzentriert wurden, &auml;nderte sich dies. Das Produktionsmittel wie das Produkt des kleinen Einzelproduzenten wurde mehr und mehr wertlos; es blieb ihm nichts &uuml;brig, als zum Kapitalisten auf Lohn zu gehn. Die Lohnarbeit, fr&uuml;her Ausnahme und Aush&uuml;lfe, wurde Regel und Grundform der ganzen Produktion; fr&uuml;her Nebenbesch&auml;ftigung, wurde sie jetzt ausschlie&szlig;liche T&auml;tigkeit des Arbeiters. Der zeitweilige Lohnarbeiter verwandelte sich in den lebensl&auml;nglichen. Die Menge der lebensl&auml;nglichen Lohnarbeiter wurde zudem kolossal vermehrt durch den gleichzeitigen Zusammenbruch der feudalen Ordnung, Aufl&ouml;sung der Gefolgschaften der Feudalherren, Vertreibung von Bauern aus ihren Hofstellen etc. Die Scheidung war vollzogen zwischen den in den H&auml;nden der Kapitalisten konzentrierten Produktionsmitteln hier und den auf den Besitz von nichts als ihrer Arbeitskraft reduzierten Produzenten dort. <I>Der Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und kapitalistischer Aneignung tritt an den Tag als Gegensatz von Proletariat und Bourgeoisie. </P>
</I><P>Wir sahen, da&szlig; die kapitalistische Produktionsweise sich einschob in eine Gesellschaft von Warenproduzenten, Einzelproduzenten, deren gesellschaftlicher Zusammenhang vermittelt wurde durch den Austausch ihrer Produkte. Aber jede auf Warenproduktion beruhende Gesellschaft hat das Eigent&uuml;mliche, da&szlig; in ihr die Produzenten die Herrschaft &uuml;ber ihre eignen gesellschaftlichen Beziehungen verloren haben. Jeder produziert f&uuml;r sich mit seinen zuf&auml;lligen Produktionsmitteln und f&uuml;r sein besondres Austauschbed&uuml;rfnis. Keiner wei&szlig;, wieviel von seinem Artikel auf den Markt kommt, <A NAME="S215"><B>|215|</A></B> wieviel davon &uuml;berhaupt gebraucht wird, keiner wei&szlig;, ob sein Einzelprodukt einen wirklichen Bedarf vorfindet, ob er seine Kosten herausschlagen oder &uuml;berhaupt wird verkaufen k&ouml;nnen. Es herrscht Anarchie der gesellschaftlichen Produktion. Aber die Warenproduktion, wie jede andere Produktionsform, hat ihre eigent&uuml;mlichen, inh&auml;renten, von ihr untrennbaren Gesetze; und diese Gesetze setzen sich durch, trotz der Anarchie, in ihr, durch sie. Sie kommen zum Vorschein in der einzigen, fortbestehenden Form des gesellschaftlichen Zusammenhangs, im Austausch, und machen sich geltend gegen&uuml;ber den einzelnen Produzenten als Zwangsgesetze der Konkurrenz. Sie sind diesen Produzenten also anfangs selbst unbekannt und m&uuml;ssen erst durch lange Erfahrung nach und nach von ihnen entdeckt werden. Sie setzen sich also durch, ohne die Produzenten und gegen die Produzenten, als blindwirkende Naturgesetze ihrer Produktionsform. Das Produkt beherrscht die Produzenten. </P>
<P>In der mittelalterlichen Gesellschaft, namentlich in den ersten Jahrhunderten, war die Produktion wesentlich auf den Selbstgebrauch gerichtet. Sie befriedigte vorwiegend nur die Bed&uuml;rfnisse des Produzenten und seiner Familie. Wo, wie auf dem Lande, pers&ouml;nliche Abh&auml;ngigkeitsverh&auml;ltnisse bestanden, trug sie auch bei zur Befriedigung der Bed&uuml;rfnisse des Feudalherrn. Hierbei fand also kein Austausch statt, die Produkte nahmen daher auch nicht den Charakter von Waren an. Die Familie des Bauern produzierte fast alles, was sie brauchte, Ger&auml;te und Kleider nicht minder als Lebensmittel. Erst als sie dahin kam, einen &Uuml;berschu&szlig; &uuml;ber ihren eignen Bedarf und &uuml;ber die dem Feudalherrn geschuldeten Naturalabgaben zu produzieren, erst da produzierte sie auch Waren; dieser &Uuml;berschu&szlig;, in den gesellschaftlichen Austausch geworfen, zum Verkauf ausgeboten, wurde Ware. Die st&auml;dtischen Handwerker mu&szlig;ten allerdings schon gleich anfangs f&uuml;r den Austausch produzieren. Aber auch sie erarbeiteten den gr&ouml;&szlig;ten Teil ihres Eigenbedarfs selbst; sie hatten G&auml;rten und kleine Felder; sie schickten ihr Vieh in den Gemeindewald, der ihnen zudem Nutzholz und Feuerung lieferte, die Frauen spannen Flachs, Wolle usw. Die Produktion zum Zweck des Austausches, die Warenproduktion, war erst im Entstehn. Daher beschr&auml;nkter Austausch, beschr&auml;nkter Markt, stabile Produktionsweise, lokaler Abschlu&szlig; nach au&szlig;en, lokale Vereinigung nach innen; die Mark <A NAME="ZF2"><A HREF="me19_210.htm#F2"><SMALL><SUP>(2)</A></SUP></SMALL></A> auf dem Lande, die Zunft in der Stadt. </P>
<P>Mit der Erweiterung der Warenproduktion aber, und namentlich mit <A NAME="S216"><B>|216|</A></B> dem Auftreten der kapitalistischen Produktionsweise, traten auch die bisher schlummernden Gesetze der Warenproduktion offner und m&auml;chtiger in Wirksamkeit. Die alten Verb&auml;nde wurden gelockert, die alten Abschlie&szlig;ungsschranken durchbrochen, die Produzenten mehr und mehr in unabh&auml;ngige, vereinzelte Warenproduzenten verwandelt. Die Anarchie der gesellschaftlichen Produktion trat an den Tag und wurde mehr und mehr auf die Spitze getrieben. Das Hauptwerkzeug aber, womit die kapitalistische Produktionsweise diese Anarchie in der gesellschaftlichen Produktion steigerte, war das gerade Gegenteil der Anarchie: die steigende Organisation der Produktion, als gesellschaftlicher, in jedem einzelnen Produktionsetablissement. Mit diesem Hebel machte sie der alten friedlichen Stabilit&auml;t ein Ende. Wo sie in einem Industriezweig eingef&uuml;hrt wurde, litt sie keine &auml;ltre Methode des Betriebs neben sich. Wo sie sich des Handwerks bem&auml;chtigte, vernichtete sie das alte Handwerk. Das Arbeitsfeld wurde ein Kampfplatz. Die gro&szlig;en geographischen Entdeckungen und die ihnen folgenden Kolonisierungen vervielf&auml;ltigten das Absatzgebiet und beschleunigten die Verwandlung des Handwerks in die Manufaktur. Nicht nur brach der Kampf aus zwischen den einzelnen Lokalproduzenten; die lokalen K&auml;mpfe wuchsen ihrerseits an zu nationalen, den Handelskriegen des 17. und 18. Jahrhunderts. Die gro&szlig;e Industrie endlich und die Herstellung des Weltmarkts haben den Kampf universell gemacht und gleichzeitig ihm eine unerh&ouml;rte Heftigkeit gegeben. Zwischen einzelnen Kapitalisten wie zwischen ganzen Industrien und ganzen L&auml;ndern entscheidet die Gunst der nat&uuml;rlichen oder geschaffnen Produktionsbedingungen &uuml;ber die Existenz. Der Unterliegende wird schonungslos beseitigt. Es ist der Darwinsche Kampf ums Einzeldasein, aus der Natur mit potenzierter Wut &uuml;bertragen in die Gesellschaft. Der Naturstandpunkt des Tiers erscheint als Gipfelpunkt der menschlichen Entwicklung. Der Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und kapitalistischer Aneignung stellt sich nun dar als <I>Gegensatz zwischen der Organisation der Produktion in der einzelnen Fabrik und der Anarchie der Produktion in der ganzen Gesellschaft</I>. </P>
<P>In diesen beiden Erscheinungsformen des ihr durch ihren Ursprung immanenten Widerspruchs bewegt sich die kapitalistische Produktionsweise, beschreibt sie auswegslos jenen "fehlerhaften Kreislauf", den schon Fourier an ihr entdeckte. Was Fourier allerdings zu seiner Zeit noch nicht sehn konnte, ist, da&szlig; sich dieser Kreislauf allm&auml;hlich verengert, da&szlig; die Bewegung vielmehr eine Spirale darstellt und ihr Ende erreichen mu&szlig;, wie die der Planeten, durch Zusammensto&szlig; mit dem Zentrum. Es ist die treibende Kraft der gesellschaftlichen Anarchie der Produktion, die die gro&szlig;e Mehr- <A NAME="S217"><B>|217|</A></B> zahl der Menschen mehr und mehr in Proletarier verwandelt, und es sind wieder die Proletariermassen, die schlie&szlig;lich der Produktionsanarchie ein Ende machen werden. Es ist die treibende Kraft der sozialen Produktionsanarchie, die die unendliche Vervollkommnungsf&auml;higkeit der Maschinen der gro&szlig;en Industrie in ein Zwangsgebot verwandelt f&uuml;r jeden einzelnen industriellen Kapitalisten, seine Maschinerie mehr und mehr zu vervollkommnen, bei Strafe des Untergangs. </P>
<P>Aber Vervollkommnung der Maschinerie, das hei&szlig;t &Uuml;berfl&uuml;ssigmachung von Menschenarbeit. Wenn die Einf&uuml;hrung und Vermehrung der Maschinerie Verdr&auml;ngung von Millionen von Handarbeitern durch wenige Maschinenarbeiter bedeutet, so bedeutet Verbesserung der Maschinerie Verdr&auml;ngung von mehr und mehr Maschinenarbeitern selbst und in letzter Instanz Erzeugung einer das durchschnittliche Besch&auml;ftigungsbed&uuml;rfnis des Kapitals &uuml;berschreitenden Anzahl disponibler Lohnarbeiter, einer vollst&auml;ndigen industriellen Reservearmee, wie ich sie schon 1845<A NAME="ZF3"><A HREF="me19_210.htm#F3"><SMALL><SUP>(3)</A></SUP></SMALL></A> nannte, disponibel f&uuml;r die Zeiten, wo die Industrie mit Hochdruck arbeitet, aufs Pflaster geworfen durch den notwendig folgenden Krach, zu allen Zeiten ein Bleigewicht an den F&uuml;&szlig;en der Arbeiterklasse in ihrem Existenzkampf mit dem Kapital, ein Regulator zur Niederhaltung des Arbeitslohns auf dem dem kapitalistischen Bed&uuml;rfnis angeme&szlig;nen niedrigen Niveau. So geht es zu, da&szlig; die Maschinerie, um mit Marx zu reden, das machtvollste Kriegsmittel des Kapitals gegen die Arbeiterklasse wird, da&szlig; das Arbeitsmittel dem Arbeiter fortw&auml;hrend das Lebensmittel aus der Hand schl&auml;gt, da&szlig; das eigne Produkt des Arbeiters sich verwandelt in ein Werkzeug zur Knechtung des Arbeiters. |Siehe: Karl Marx, "Das Kapital. Erster Band", in: Karl Marx, Friedrich Engels, Werke, Bd. 23, <A HREF="../me23/me23_441.htm#S459">S. 459</A> und <A HREF="../me23/me23_483.htm#S511">511</A>| So kommt es, da&szlig; die &Ouml;konomisierung der Arbeitsmittel von vornherein zugleich r&uuml;cksichtsloseste Verschwendung der Arbeitskraft und Raub an den normalen Voraussetzungen der Arbeitsfunktion wird; da&szlig; die Maschinerie, das gewaltigste Mittel zur Verk&uuml;rzung der Arbeitszeit, umschl&auml;gt in das unfehlbarste Mittel, alle Lebenszeit des Arbeiters und seiner Familie in disponible Arbeitszeit f&uuml;r die Verwertung des Kapitals zu verwandeln; so kommt es, da&szlig; die &Uuml;berarbeitung der einen die Voraussetzung wird f&uuml;r die Besch&auml;ftigungslosigkeit der andern und da&szlig; die gro&szlig;e Industrie, die den ganzen Erdkreis nach neuen Konsumenten abjagt, zu Hause die Konsumtion der Massen auf ein Hungerminimum beschr&auml;nkt und sich damit den eignen innern Markt untergr&auml;bt. "Das Gesetz, welches die relative Surpluspopu- <A NAME="S218"><B>|218|</A></B> lation oder industrielle Reservearmee stets mit Umfang und Energie der Kapitalakkumulation in Gleichgewicht h&auml;lt, schmiedet den Arbeiter fester an das Kapital als den Prometheus die Keile des Heph&auml;stos an den Felsen. Es bedingt eine der Akkumulation von Kapital entsprechende Akkumulation von Elend. Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Bestialisierung und moralischer Degradation auf dem Gegenpol, d.h. auf Seite der Klasse, die <I>ihr eigenes Produkt als Kapital produziert</I>." (Marx, <A HREF="../me23/me23_640.htm#S675">"Kapital", S. 671.</A>) Und von der kapitalistischen Produktionsweise eine andre Verteilung der Produkte erwarten hie&szlig;e verlangen, die Elektroden einer Batterie sollten das Wasser unzersetzt lassen, solange sie mit der Batterie in Verbindung stehn, und nicht am positiven Pol Sauerstoff entwickeln und am negativen Wasserstoff. </P>
<P>Wir sahen, wie die aufs h&ouml;chste gesteigerte Verbesserungsf&auml;higkeit der modernen Maschinerie, vermittelst der Anarchie der Produktion in der Gesellschaft, sich verwandelt in ein Zwangsgebot f&uuml;r den einzelnen industriellen Kapitalisten, seine Maschinerie stets zu verbessern, ihre Produktionskraft stets zu erh&ouml;hn. In ein ebensolches Zwangsgebot verwandelt sich f&uuml;r ihn die blo&szlig;e faktische M&ouml;glichkeit, seinen Produktionsbereich zu erweitern. Die enorme Ausdehnungskraft der gro&szlig;en Industrie, gegen die diejenige der Gase ein wahres Kinderspiel ist, tritt uns jetzt vor die Augen als ein qualitatives und quantitatives Ausdehnungs<I>bed&uuml;rfnis</I>, das jedes Gegendrucks spottet. Der Gegendruck wird gebildet durch die Konsumtion, den Absatz, die M&auml;rkte f&uuml;r die Produkte der gro&szlig;en Industrie. Aber die Ausdehnungsf&auml;higkeit der M&auml;rkte, extensive wie intensive, wird beherrscht zun&auml;chst durch ganz andre, weit weniger energisch wirkende Gesetze. Die Ausdehnung der M&auml;rkte kann nicht Schritt halten mit der Ausdehnung der Produktion. Die Kollision wird unvermeidlich, und da sie keine L&ouml;sung erzeugen kann, solange sie nicht die kapitalistische Produktionsweise selbst sprengt, wird sie periodisch. Die kapitalistische Produktion erzeugt einen neuen "fehlerhaften Kreislauf". </P>
<P>In der Tat, seit 1825, wo die erste allgemeine Krisis ausbrach, geht die ganze industrielle und kommerzielle Welt, die Produktion und der Austausch s&auml;mtlicher zivilisierten V&ouml;lker und ihrer mehr oder weniger barbarischen Anh&auml;ngsel, so ziemlich alle zehn Jahre einmal aus den Fugen. Der Verkehr stockt, die M&auml;rkte sind &uuml;berf&uuml;llt, die Produkte liegen da, ebenso massenhaft wie unabsetzbar, das bare Geld wird unsichtbar, der Kredit verschwindet, <A NAME="S219"><B>|219|</A></B> die Fabriken stehn still, die arbeitenden Massen ermangeln der Lebensmittel, weil sie zuviel Lebensmittel produziert haben. Bankerott folgt auf Bankerott, Zwangsverkauf auf Zwangsverkauf. Jahrelang dauert die Stockung, Produktivkr&auml;fte wie Produkte werden massenhaft vergeudet und zerst&ouml;rt, bis die aufgeh&auml;uften Warenmassen unter gr&ouml;&szlig;rer oder geringrer Entwertung endlich abflie&szlig;en, bis Produktion und Austausch allm&auml;hlich wieder in Gang kommen. Nach und nach beschleunigt sich die Gangart, f&auml;llt in Trab, der industrielle Trab geht &uuml;ber in Galopp, und dieser steigert sich wieder bis zur z&uuml;gellosen Karriere einer vollst&auml;ndigen industriellen, kommerziellen, kreditlichen und spekulativen Steeple-chase, um endlich nach den halsbrechendsten Spr&uuml;ngen wieder anzulangen im Graben des Krachs. Und so immer von neuem. Das haben wir nun seit 1825 volle f&uuml;nfmal erlebt und erleben es in diesem Augenblick (1877) zum sechsten Mal. Und der Charakter dieser Krisen ist so scharf ausgepr&auml;gt, da&szlig; Fourier sie alle traf, als er die erste bezeichnete als: crise pl&eacute;thorique, Krisis aus &Uuml;berflu&szlig;. </P>
<P>In den Krisen kommt der Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und kapitalistischer Aneignung zum gewaltsamen Ausbruch. Der Warenumlauf ist momentan vernichtet: das Zirkulationsmittel, das Geld, wird Zirkulationshindernis; alle Gesetze der Warenproduktion und Warenzirkulation werden auf den Kopf gestellt. Die &ouml;konomische Kollision hat ihren H&ouml;hepunkt erreicht: <I>Die Produktionsweise rebelliert gegen die Austauschweise.</I> </P>
<P>Die Tatsache, da&szlig; die gesellschaftliche Organisation der Produktion innerhalb der Fabrik sich zu dem Punkt entwickelt hat, wo sie unvertr&auml;glich geworden ist mit der neben und &uuml;ber ihr bestehenden Anarchie der Produktion in der Gesellschaft- diese Tatsache wird den Kapitalisten selbst handgreiflich gemacht durch die gewaltsame Konzentration der Kapitale, die sich w&auml;hrend der Krisen vollzieht vermittelst des Ruins vieler gro&szlig;en und noch mehr kleiner Kapitalisten. Der gesamte Mechanismus der kapitalistischen Produktionsweise versagt unter dem Druck der von ihr selbst erzeugten Produktivkr&auml;fte. Sie kann diese Masse von Produktionsmitteln nicht mehr alle in Kapital verwandeln; sie liegen brach, und ebendeshalb mu&szlig; auch die industrielle Reservearmee brachliegen. Produktionsmittel, Lebensmittel, disponible Arbeiter, alle Elemente der Produktion und des allgemeinen Reichtums sind im &Uuml;berflu&szlig; vorhanden. Aber "der Oberflu&szlig; wird Quelle der Not und des Mangels" (Fourier), weil er es gerade ist, der die Verwandlung der Produktions- und Lebensmittel in Kapital verhindert. Denn in der kapitalistischen Gesellschaft k&ouml;nnen die Produktionsmittel <A NAME="S220"><B>|220|</A></B> nicht in T&auml;tigkeit treten, es sei denn, sie h&auml;tten sich zuvor in Kapital, in Mittel zur Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft verwandelt. Wie ein Gespenst steht die Notwendigkeit der Kapitaleigenschaft der Produktions- und Lebensmittel zwischen ihnen und den Arbeitern. Sie allein verhindert das Zusammentreten der sachlichen und der pers&ouml;nlichen Hebel der Produktion; sie allein verbietet den Produktionsmitteln, zu fungieren, den Arbeitern, zu arbeiten und zu leben. Einesteils also wird die kapitalistische Produktionsweise ihrer eignen Unf&auml;higkeit zur ferneren Verwaltung dieser Produktivkr&auml;fte &uuml;berf&uuml;hrt. Andrerseits dr&auml;ngen diese Produktivkr&auml;fte selbst mit steigender Macht nach Aufhebung des Widerspruchs, nach ihrer Erl&ouml;sung von ihrer Eigenschaft als Kapital, nach <I>tats&auml;chlicher Anerkennung ihres Charakters als gesellschaftlicher Produktivkr&auml;fte</I>. </P>
<P>Es ist dieser Gegendruck der gewaltig anwachsenden Produktivkr&auml;fte gegen ihre Kapitaleigenschaft, dieser steigende Zwang zur Anerkennung ihrer gesellschaftlichen Natur, der die Kapitalistenklasse selbst n&ouml;tigt, mehr und mehr, soweit dies innerhalb des Kapitalverh&auml;ltnisses &uuml;berhaupt m&ouml;glich, sie als gesellschaftliche Produktivkr&auml;fte zu behandeln. Sowohl die industrielle Hochdruckperiode mit ihrer schrankenlosen Kreditaufbl&auml;hung, wie der Krach selbst durch den Zusammenbruch gro&szlig;er kapitalistischer Etablissements, treiben zu derjenigen Form der Vergesellschaftung gr&ouml;&szlig;ter Massen von Produktionsmitteln, die uns in den verschiednen Arten von Aktiengesellschaften gegen&uuml;bertritt. Manche dieser Produktions- und Verkehrsmittel sind von vornherein so kolossal, da&szlig; sie, wie die Eisenbahnen, jede andere Form kapitalistischer Ausbeutung ausschlie&szlig;en. Auf einer gewissen Entwicklungsstufe gen&uuml;gt auch diese Form nicht mehr; die inl&auml;ndischen Gro&szlig;produzenten eines und desselben Industriezweigs vereinigen sich zu einem "Trust", einer Vereinigung zum Zweck der Regulierung der Produktion; sie bestimmen das zu produzierende Gesamtquantum, verteilen es unter sich und erzwingen so den im voraus festgesetzten Verkaufspreis. Da solche Trusts aber bei der ersten schlechten Gesch&auml;ftszeit meist aus dem Leim gehn, treiben sie eben dadurch zu einer noch konzentrierteren Vergesellschaftung: Der ganze Industriezweig verwandelt sich in eine einzige gro&szlig;e Aktiengesellschaft, die inl&auml;ndische Konkurrenz macht dem inl&auml;ndischen Monopol dieser einen Gesellschaft Platz; wie dies noch 1890 mit der englischen Alkaliproduktion geschehen, die jetzt, nach Verschmelzung s&auml;mtlicher 48 gro&szlig;en Fabriken, in der Hand einer einzigen, einheitlich geleiteten Gesellschaft mit einem Kapital von 120 Millionen Mark betrieben wird. </P>
<P>In den Trusts schl&auml;gt die freie Konkurrenz um ins Monopol, kapituliert <A NAME="S221"><B>|221|</A></B> die planlose Produktion der kapitalistischen Gesellschaft vor der planm&auml;&szlig;igen Produktion der hereinbrechenden sozialistischen Gesellschaft. Allerdings zun&auml;chst noch zu Nutz und Frommen der Kapitalisten. Hier aber wird die Ausbeutung so handgreiflich, da&szlig; sie zusammenbrechen mu&szlig;. Kein Volk w&uuml;rde eine durch Trusts geleitete Produktion, eine so unverh&uuml;llte Ausbeutung der Gesamtheit durch eine kleine Bande von Kuponabschneidern sich gefallen lassen. </P>
<P>So oder so, mit oder ohne Trusts, mu&szlig; schlie&szlig;lich der offizielle Repr&auml;sentant der kapitalistischen Gesellschaft, der Staat, die Leitung der Produktion &uuml;bernehmen.<A NAME="ZF4"><A HREF="me19_210.htm#F4"><SMALL><SUP>(4)</A></SUP></SMALL></A> Diese Notwendigkeit der Verwandlung in Staatseigentum tritt zuerst hervor bei den gro&szlig;en Verkehrsanstalten: Post, Telegraphen, Eisenbahnen. </P>
<P>Wenn die Krisen die Unf&auml;higkeit der Bourgeoisie zur fernern Verwaltung der modernen Produktivkr&auml;fte aufdeckten, so zeigt die Verwandlung der gro&szlig;en Produktions- und Verkehrsanstalten in Aktiengesellschaften, Trusts und Staatseigentum die Entbehrlichkeit der Bourgeoisie f&uuml;r jenen Zweck. Alle gesellschaftlichen Funktionen des Kapitalisten werden jetzt von besoldeten Angestellten versehn. Der Kapitalist hat keine gesellschaftliche T&auml;tigkeit mehr, au&szlig;er Revenueneinstreichen, Kuponsabschneiden und <A NAME="S222"><B>|222|</A></B> Spielen an der B&ouml;rse, wo die verschiednen Kapitalisten untereinander sich ihr Kapital abnehmen. Hat die kapitalistische Produktionsweise zuerst Arbeiter verdr&auml;ngt, so verdr&auml;ngt sie jetzt die Kapitalisten und verweist sie, ganz wie die Arbeiter, in die &uuml;berfl&uuml;ssige Bev&ouml;lkerung, wenn auch zun&auml;chst noch nicht in die industrielle Reservearmee. </P>
<P>Aber weder die Verwandlung in Aktiengesellschaften und Trusts noch die in Staatseigentum hebt die Kapitaleigenschaft der Produktivkr&auml;fte auf. Bei den Aktiengesellschaften und Trusts liegt dies auf der Hand. Und der moderne Staat ist wieder nur die Organisation, welche sich die b&uuml;rgerliche Gesellschaft gibt, um die allgemeinen &auml;u&szlig;ern Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise aufrechtzuerhalten gegen &Uuml;bergriffe sowohl der Arbeiter wie der einzelnen Kapitalisten. Der moderne Staat, was auch seine Form, ist eine wesentlich kapitalistische Maschine, Staat der Kapitalisten, der ideelle Gesamtkapitalist. Je mehr Produktivkr&auml;fte er in sein Eigentum &uuml;bernimmt, desto mehr wird er wirklicher Gesamtkapitalist, desto mehr Staatsb&uuml;rger beutet er aus. Die Arbeiter bleiben Lohnarbeiter, Proletarier. Das Kapitalverh&auml;ltnis wird nicht aufgehoben, es wird vielmehr auf die Spitze getrieben. Aber auf der Spitze schl&auml;gt es um. Das Staatseigentum an den Produktivkr&auml;ften ist nicht L&ouml;sung des Konflikts, aber es birgt in sich das formelle Mittel, die Handhabe der L&ouml;sung. </P>
<P>Diese L&ouml;sung kann nur darin liegen, da&szlig; die gesellschaftliche Natur der modernen Produktivkr&auml;fte tats&auml;chlich anerkannt, da&szlig; also die Produktions-, Aneignungs- und Austauschweise in Einklang gesetzt wird mit dem gesellschaftlichen Charakter der Produktionsmittel. Und dies kann nur dadurch geschehn, da&szlig; die Gesellschaft offen und ohne Umwege Besitz ergreift von den jeder andren Leitung au&szlig;er der ihrigen entwachsenen Produktivkr&auml;ften. Damit wird der gesellschaftliche Charakter der Produktionsmittel und Produkte, der sich heute gegen die Produzenten selbst kehrt, der die Produktions- und Austauschweise periodisch durchbricht und sich nur als blind wirkendes Naturgesetz gewaltt&auml;tig und zerst&ouml;rend durchsetzt, von den Produzenten mit vollem Bewu&szlig;tsein zur Geltung gebracht und verwandelt sich aus einer Ursache der St&ouml;rung und des periodischen Zusammenbruchs in den m&auml;chtigsten Hebel der Produktion selbst. </P>
<P>Die gesellschaftlich wirksamen Kr&auml;fte wirken ganz wie die Naturkr&auml;fte: blindlings, gewaltsam, zerst&ouml;rend, solange wir sie nicht erkennen und nicht mit ihnen rechnen. Haben wir sie aber einmal erkannt, ihre T&auml;tigkeit, ihre Richtungen, ihre Wirkungen begriffen, so h&auml;ngt es nur von uns ab, sie mehr und mehr unserm Willen zu unterwerfen und vermittelst ihrer unsre Zwecke zu erreichen. Und ganz besonders gilt dies von den heutigen gewaltigen <A NAME="S223"><B>|223|</A></B> Produktivkr&auml;ften. Solange wir uns hartn&auml;ckig weigern, ihre Natur und ihren Charakter zu verstehn - und gegen dies Verst&auml;ndnis str&auml;ubt sich die kapitalistische Produktionsweise und ihre Verteidiger -, solange wirken diese Kr&auml;fte sich aus, trotz uns, gegen uns, solange beherrschen sie uns, wie wir das ausf&uuml;hrlich dargestellt haben. Aber einmal in ihrer Natur begriffen, k&ouml;nnen sie in den H&auml;nden der assoziierten Produzenten aus d&auml;monischen Herrschern in willige Diener verwandelt werden. Es ist der Unterschied zwischen der zerst&ouml;renden Gewalt der Elektrizit&auml;t im Blitze des Gewitters und der geb&auml;ndigten Elektrizit&auml;t des Telegraphen und des Lichtbogens; der Unterschied der Feuersbrunst und des im Dienst des Menschen wirkenden Feuers. Mit dieser Behandlung der heutigen Produktivkr&auml;fte nach ihrer endlich erkannten Natur tritt an die Stelle der gesellschaftlichen Produktionsanarchie eine gesellschaftlich-planm&auml;&szlig;ige Regelung der Produktion nach den Bed&uuml;rfnissen der Gesamtheit wie jedes einzelnen. Damit wird die kapitalistische Aneignungsweise, in der das Produkt zuerst den Produzenten, dann aber auch den Aneigner knechtet, ersetzt durch die in der Natur der modernen Produktionsmittel selbst begr&uuml;ndete Aneignungsweise der Produkte: einerseits direkt gesellschaftliche Aneignung als Mittel zur Erhaltung und Erweiterung der Produktion, andrerseits direkt individuelle Aneignung als Lebens- und Genu&szlig;mittel. </P>
<P>Indem die kapitalistische Produktionsweise mehr und mehr die gro&szlig;e Mehrzahl der Bev&ouml;lkerung in Proletarier verwandelt, schafft sie die Macht, die diese Umw&auml;lzung, bei Strafe des Untergangs, zu vollziehn gen&ouml;tigt ist. Indem sie mehr und mehr auf Verwandlung der gro&szlig;en vergesellschafteten Produktionsmittel in Staatseigentum dr&auml;ngt, zeigt sie selbst den Weg an zur Vollziehung der Umw&auml;lzung. <I>Das Proletariat ergreift die Staatsgewalt und verwandelt die Produktionsmittel zun&auml;chst in Staatseigentum.</I> Aber damit hebt es sich selbst als Proletariat, damit hebt es alle Klassenunterschiede und Klassengegens&auml;tze auf und damit auch den Staat als Staat. Die bisherige, sich in Klassengegens&auml;tzen bewegende Gesellschaft hatte den Staat n&ouml;tig, d.h. eine Organisation der jedesmaligen ausbeutenden Klasse zur Aufrechterhaltung ihrer &auml;u&szlig;ern Produktionsbedingungen, also namentlich zur gewaltsamen Niederhaltung der ausgebeuteten Klasse in den durch die bestehende Produktionsweise gegebnen Bedingungen der Unterdr&uuml;ckung (Sklaverei, Leibeigenschaft oder H&ouml;rigkeit, Lohnarbeit). Der Staat war der offizielle Repr&auml;sentant der ganzen Gesellschaft, ihre Zusammenfassung in einer sichtbaren K&ouml;rperschaft, aber er war dies nur, insofern er der Staat derjenigen Klasse war, welche selbst f&uuml;r ihre Zeit die ganze Gesellschaft vertrat: im Altertum Staat der sklavenhaltenden Staatsb&uuml;rger, im Mittelalter <A NAME="S224"><B>|224|</A></B> des Feudaladels, in unsrer Zeit der Bourgeoisie. Indem er endlich tats&auml;chlich Repr&auml;sentant der ganzen Gesellschaft wird, macht er sich selbst &uuml;berfl&uuml;ssig. Sobald es keine Gesellschaftsklasse mehr in der Unterdr&uuml;ckung zu halten gibt, sobald mit der Klassenherrschaft und dem in der bisherigen Anarchie der Produktion begr&uuml;ndeten Kampf ums Einzeldasein auch die daraus entspringenden Kollisionen und Exzesse beseitigt sind, gibt es nichts mehr zu reprimieren, das eine besondre Repressionsgewalt, einen Staat, n&ouml;tig machte. Der erste Akt, worin der Staat wirklich als Repr&auml;sentant der ganzen Gesellschaft auftritt - die Besitzergreifung der Produktionsmittel im Namen der Gesellschaft, ist zugleich sein letzter selbst&auml;ndiger Akt als Staat. Das Eingreifen einer Staatsgewalt in gesellschaftliche Verh&auml;ltnisse wird auf einem Gebiete nach dem andern &uuml;berfl&uuml;ssig und schl&auml;ft dann von selbst ein. An die Stelle der Regierung &uuml;ber Personen tritt die Verwaltung von Sachen und die Leitung von Produktionsprozessen. Der Staat wird nicht "abgeschafft", <I>er stirbt ab</I>. Hieran ist die Phrase vom "freien Volksstaat" zu messen, also sowohl nach ihrer zeitweiligen agitatorischen Berechtigung wie nach ihrer endg&uuml;ltigen wissenschaftlichen Unzul&auml;nglichkeit; hieran ebenfalls die Forderung der sogenannten Anarchisten, der Staat solle von heute auf morgen abgeschafft werden. </P>
<P>Die Besitzergreifung der s&auml;mtlichen Produktionsmittel durch die Gesellschaft hat, seit dem geschichtlichen Auftreten der kapitalistischen Produktionsweise, einzelnen wie ganzen Sekten &ouml;fters mehr oder weniger unklar als Zukunftsideal vorgeschwebt. Aber sie konnte erst m&ouml;glich, erst geschichtliche Notwendigkeit werden, als die tats&auml;chlichen Bedingungen ihrer Durchf&uuml;hrung vorhanden waren. Sie, wie jeder andre gesellschaftliche Fortschritt, wird ausf&uuml;hrbar nicht durch die gewonnene Einsicht, da&szlig; das Dasein der Klassen der Gerechtigkeit, der Gleichheit etc. widerspricht, nicht durch den blo&szlig;en Willen, diese Klassen abzuschaffen, sondern durch gewisse neue &ouml;konomische Bedingungen. Die Spaltung der Gesellschaft in eine ausbeutende und eine ausgebeutete, eine herrschende und eine unterdr&uuml;ckte Klasse war die notwendige Folge der fr&uuml;heren geringen Entwicklung der Produktion. Solange die gesellschaftliche Gesamtarbeit nur einen Ertrag liefert, der das zur notd&uuml;rftigen Existenz aller Erforderliche nur um wenig &uuml;bersteigt, solange also die Arbeit alle oder fast alle Zeit der gro&szlig;en Mehrzahl der Gesellschaftsglieder in Anspruch nimmt, solange teilt sich diese Gesellschaft notwendig in Klassen. Neben der ausschlie&szlig;lich der Arbeit fr&ouml;nenden gro&szlig;en Mehrheit bildet sich eine von direkt-produktiver Arbeit befreite Klasse, die die gemeinsamen Angelegenheiten der Gesellschaft besorgt: Arbeitsleitung, Staatsgesch&auml;fte, Justiz, Wissenschaften, K&uuml;nste usw. <A NAME="S225"><B>|225|</A></B> Es ist also das Gesetz der Arbeitstellung, das der Klassenteilung zugrunde liegt. Aber das hindert nicht, da&szlig; diese Einteilung in Klassen nicht durch Gewalt und Raub, List und Betrug durchgesetzt worden und da&szlig; die herrschende Klasse, einmal im Sattel, nie verfehlt hat, ihre Herrschaft auf Kosten der arbeitenden Klasse zu befestigen und die gesellschaftliche Leitung umzuwandeln in gesteigerte Ausbeutung der Massen. </P>
<P>Aber wenn hiernach die Einteilung in Klassen eine gewisse geschichtliche Berechtigung hat, so hat sie eine solche doch nur f&uuml;r einen gegebnen Zeitraum, f&uuml;r gegebne gesellschaftliche Bedingungen. Sie gr&uuml;ndete sich auf die Unzul&auml;nglichkeit der Produktion; sie wird weggefegt werden durch die volle Entfaltung der modernen Produktivkr&auml;fte. Und in der Tat hat die Abschaffung der gesellschaftlichen Klassen zur Voraussetzung einen geschichtlichen Entwicklungsgrad, auf dem das Bestehn nicht blo&szlig; dieser oder jener bestimmten herrschenden Klasse, sondern einer herrschenden Klasse &uuml;berhaupt, also des Klassenunterschieds selbst, ein Anachronismus geworden, veraltet ist. Sie hat also zur Voraussetzung einen H&ouml;hegrad der Entwicklung der Produktion, auf dem Aneignung der Produktionsmittel und Produkte und damit der politischen Herrschaft, des Monopols der Bildung und der geistigen Leitung durch eine besondre Gesellschaftsklasse nicht nur &uuml;berfl&uuml;ssig, sondern auch &ouml;konomisch, politisch und intellektuell ein Hindernis der Entwicklung geworden ist. Dieser Punkt ist jetzt erreicht. Ist der politische und intellektuelle Bankerott der Bourgeoisie ihr selbst kaum noch ein Geheimnis, so wiederholt sich ihr &ouml;konomischer Bankerott regelm&auml;&szlig;ig alle zehn Jahre. In jeder Krise erstickt die Gesellschaft unter der Wucht ihrer eignen, f&uuml;r sie unverwendbaren Produktivkr&auml;fte und Produkte und steht h&uuml;lflos vor dem absurden Widerspruch, da&szlig; die Produzenten nichts zu konsumieren haben, weil es an Konsumenten fehlt. Die Expansionskraft der Produktionsmittel sprengt die Bande, die die kapitalistische Produktionsweise ihr angelegt. Ihre Befreiung aus diesen Banden ist die einzige Vorbedingung einer ununterbrochnen, stets rascher fortschreitenden Entwicklung der Produktivkr&auml;fte und damit einer praktisch schrankenlosen Steigerung der Produktion selbst. Damit nicht genug. Die gesellschaftliche Aneignung der Produktionsmittel beseitigt nicht nur die jetzt bestehende k&uuml;nstliche Hemmung der Produktion, sondern auch die positive Vergeudung und Verheerung von Produktivkr&auml;ften und Produkten, die gegenw&auml;rtig die unvermeidliche Begleiterin der Produktion ist und ihren H&ouml;hepunkt in den Krisen erreicht. Sie setzt ferner eine Masse von Produktionsmitteln und Produkten f&uuml;r die Gesamtheit frei durch Beseitigung der bl&ouml;dsinnigen Luxusverschwendung der jetzt herrschenden Klassen und ihrer politischen <A NAME="S226"><B>|226|</A></B> Repr&auml;sentanten. Die M&ouml;glichkeit, vermittelst der gesellschaftlichen Produktion allen Gesellschaftsgliedern eine Existenz zu sichern, die nicht nur materiell vollkommen ausreichend ist und von Tag zu Tag reicher wird, sondern die ihnen auch die vollst&auml;ndige freie Ausbildung und Bet&auml;tigung ihrer k&ouml;rperlichen und geistigen Anlagen garantiert, diese M&ouml;glichkeit ist jetzt zum ersten Male da, aber sie <I>ist da</I>.<A NAME="ZF5"><A HREF="me19_210.htm#F5"><SMALL><SUP>(5)</A></SUP></SMALL></A> </P>
<P>Mit der Besitzergreifung der Produktionsmittel durch die Gesellschaft ist die Warenproduktion beseitigt und damit die Herrschaft des Produkts &uuml;ber die Produzenten. Die Anarchie innerhalb der gesellschaftlichen Produktion wird ersetzt durch planm&auml;&szlig;ige bewu&szlig;te Organisation. Der Kampf ums Einzeldasein h&ouml;rt auf. Damit erst scheidet der Mensch, in gewissem Sinn, endg&uuml;ltig aus dem Tierreich, tritt aus tierischen Daseinsbedingungen in wirklich menschliche. Der Umkreis der die Menschen umgebenden Lebensbedingungen, der die Menschen bis jetzt beherrschte, tritt jetzt unter die Herrschaft und Kontrolle der Menschen, die zum ersten Male bewu&szlig;te, wirkliche Herren der Natur, weil und indem sie Herren ihrer eignen Vergesellschaftung werden. Die Gesetze ihres eignen gesellschaftlichen Tuns, die ihnen bisher als fremde, sie beherrschende Naturgesetze gegen&uuml;berstanden, werden dann von den Menschen mit voller Sachkenntnis angewandt und damit beherrscht. Die eigne Vergesellschaftung der Menschen, die ihnen bisher als von Natur und Geschichte aufgen&ouml;tigt gegen&uuml;berstand, wird jetzt ihre freie Tat. Die objektiven, fremden M&auml;chte, die bisher die Geschichte beherrschten, treten unter die Kontrolle der Menschen selbst. Erst von da an werden die Menschen ihre Geschichte mit vollem Bewu&szlig;tsein selbst machen, erst von da an werden die von ihnen in Bewegung gesetzten gesellschaftlichen Ursachen vorwiegend und in stets steigendem Ma&szlig; auch die von ihnen gewollten Wirkungen haben. Es ist der Sprung der Menschheit aus dem Reich der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit. </P>
<B><P><A NAME="S227">|227|</A></B> Fassen wir zum Schlu&szlig; unsern Entwicklungsgang kurz zusammen: </P>
<P>I. <I>Mittelalterliche Gesellschaft: </I>Kleine Einzelproduktion. Produktionsmittel f&uuml;r den Einzelgebrauch zugeschnitten, daher urw&uuml;chsig-unbeh&uuml;lflich, kleinlich, von zwerghafter Wirkung. Produktion f&uuml;r den unmittelbaren Verbrauch, sei es des Produzenten selbst, sei es seines Feudalherrn. Nur da, wo ein &Uuml;berschu&szlig; der Produktion &uuml;ber diesen Verbrauch stattfindet, wird dieser &Uuml;berschu&szlig; zum Verkauf ausgeboten und verf&auml;llt dem Austausch: Warenproduktion also erst im Entstehn; aber schon jetzt enth&auml;lt sie in sich, im Keim, <I>die Anarchie in der gesellschaftlichen Produktion</I>. </P>
<P>II. <I>Kapitalistische Revolution:</I> Umwandlung der Industrie zuerst vermittelst der einfachen Kooperation und der Manufaktur, Konzentration der bisher zerstreuten Produktionsmittel in gro&szlig;en Werkst&auml;tten, damit ihre Verwandlung aus Produktionsmittel des einzelnen in gesellschaftliche - eine Verwandlung, die die Form des Austausches im ganzen und gro&szlig;en nicht ber&uuml;hrt. Die alten Aneignungsformen bleiben in Kraft. Der <I>Kapitalist</I> tritt auf: In seiner Eigenschaft als Eigent&uuml;mer der Produktionsmittel eignet er sich auch die Produkte an und macht sie zu Waren. Die Produktion ist ein gesellschaftlicher Akt geworden; der Austausch und mit ihm die Aneignung bleiben individuelle Akte, Akte des einzelnen: <I>Das gesellschaftliche Produkt wird angeeignet vom Einzelkapitalisten.</I> Grundwiderspruch, aus dem alle Widerspr&uuml;che entspringen, in denen die heutige Gesellschaft sich bewegt und die die gro&szlig;e Industrie offen an den Tag bringt. </P>
<UL>
<LI>A. Scheidung des Produzenten von den Produktionsmitteln. Verurteilung des Arbeiters zu lebensl&auml;nglicher Lohnarbeit. <I>Gegensatz von Proletariat und Bourgeoisie. </LI>
</I><LI>B. Wachsendes Hervortreten und steigende Wirksamkeit der Gesetze, die die Warenproduktion beherrschen. Z&uuml;gelloser Konkurrenzkampf. <I>Widerspruch der gesellschaftlichen Organisation in der einzelnen Fabrik und der gesellschaftlichen Anarchie in der Gesamtproduktion.</I> </LI>
<LI>C. Einerseits Vervollkommnung der Maschinerie, durch die Konkurrenz zum Zwangsgebot f&uuml;r jeden einzelnen Fabrikanten gemacht und gleichbedeutend mit stets steigender Au&szlig;erdienstsetzung von Arbeitern: <I>industrielle Reservearmee</I>. Andrerseits schrankenlose Ausdehnung der Produktion, ebenfalls Zwangsgesetz der Konkurrenz f&uuml;r jeden Fabrikanten. Von beiden Seiten unerh&ouml;rte Entwicklung der Produktivkr&auml;fte, &Uuml;berschu&szlig; des Angebots &uuml;ber die Nachfrage, &Uuml;berproduktion, &Uuml;berf&uuml;llung der M&auml;rkte, zehnj&auml;hrige Krisen, fehlerhafter Kreislauf: <I>&Uuml;berflu&szlig; hier, von Produktionsmitteln und Produkten - &Uuml;berflu&szlig; dort, von</I> <A NAME="S228"><B>|228|</A></B> <I>Arbeitern</I> ohne Besch&auml;ftigung und ohne Existenzmittel; aber diese beiden Hebel der Produktion und gesellschaftlichen Wohlstands k&ouml;nnen nicht zusammentreten, weil die kapitalistische Form der Produktion den Produktivkr&auml;ften verbietet, zu wirken, den Produkten, zu zirkulieren, es sei denn, sie h&auml;tten sich zuvor in Kapital verwandelt: was gerade ihr eigner &Uuml;berflu&szlig; verhindert. Der Widerspruch hat sich gesteigert zum Widersinn: <I>Die Produktionsweise rebelliert gegen die Austauschform.</I> Die Bourgeoisie ist &uuml;berf&uuml;hrt der Unf&auml;higkeit, ihre eignen gesellschaftlichen Produktivkr&auml;fte fernerhin zu leiten. </LI>
<LI>D. Teilweise Anerkennung des gesellschaftlichen Charakters der Produktivkr&auml;fte, den Kapitalisten selbst aufgen&ouml;tigt. Aneignung der gro&szlig;en Produktions- und Verkehrsorganismen, erst durch <I>Aktiengesellschaften</I>, sp&auml;ter durch Trusts, sodann durch den <I>Staat</I>. Die Bourgeoisie erweist sich als &uuml;berfl&uuml;ssige Klasse; alle ihre gesellschaftlichen Funktionen werden jetzt erf&uuml;llt durch besoldete Angestellte. </LI></UL>
<P>III. <I>Proletarische Revolution</I>, Aufl&ouml;sung der Widerspr&uuml;che: Das Proletariat ergreift die &ouml;ffentliche Gewalt und verwandelt kraft dieser Gewalt, die den H&auml;nden der Bourgeoisie entgleitenden gesellschaftlichen Produktionsmittel in &ouml;ffentliches Eigentum. Durch diesen Akt befreit es die Produktionsmittel von ihrer bisherigen Kapitaleigenschaft und gibt ihrem gesellschaftlichen Charakter volle Freiheit, sich durchzusetzen. Eine gesellschaftliche Produktion nach vorherbestimmtem Plan wird nunmehr m&ouml;glich. Die Entwicklung der Produktion macht die fernere Existenz verschiedner Gesellschaftsklassen zu einem Anachronismus. In dem Ma&szlig;, wie die Anarchie der gesellschaftlichen Produktion schwindet, schl&auml;ft auch die politische Autorit&auml;t des Staats ein. Die Menschen, endlich Herren ihrer eignen Art der Vergesellschaftung, werden damit zugleich Herren der Natur, Herren ihrer selbst - frei. </P>
<P>Diese weltbefreiende Tat durchzuf&uuml;hren ist der geschichtliche Beruf des modernen Proletariats. Ihre geschichtlichen Bedingungen, und damit ihre Natur selbst, zu ergr&uuml;nden und so der zur Aktion berufnen, heute unterdr&uuml;ckten Klasse die Bedingungen und die Natur ihrer eignen Aktion zum Bewu&szlig;tsein zu bringen ist die Aufgabe des theoretischen Ausdrucks der proletarischen Bewegung, des wissenschaftlichen Sozialismus. </P>
<P><HR size="1" align="center"></P>
<P>Fu&szlig;noten von Friedrich Engels: </P>
<SMALL><SUP><P><A NAME="F1">(1)</A></SUP></SMALL> Es braucht hier nicht auseinandergesetzt zu werden, da&szlig;, wenn auch die Aneignungs<I>form</I> dieselbe bleibt, der <I>Charakter</I> der Aneignung durch den oben geschilderten Vorgang nicht minder revolutioniert wird als die Produktion. Ob ich mir mein eignes Produkt aneigne oder das Produkt andrer, das sind nat&uuml;rlich zwei sehr verschiedne Arten von Aneignung. Nebenbei: die Lohnarbeit, in der die ganze kapitalistische Produktionsweise bereits im Keime steckt, ist sehr alt; vereinzelt und zerstreut ging sie jahrhundertelang her neben der Sklaverei. Aber zur kapitalistischen Produktionsweise entfalten konnte sich der Keim erst, als die geschichtlichen Vorbedingungen hergestellt waren. <A HREF="me19_210.htm#ZF1">&lt;=</A></P>
<SMALL><SUP><P><A NAME="F2">(2)</A></SUP></SMALL> Siehe Anhang am Schlu&szlig;. |<A HREF="me19_315.htm">"Die Mark"</A>| <A HREF="me19_210.htm#ZF2">&lt;=</A></P>
<SMALL><SUP><P><A NAME="F3">(3)</A></SUP></SMALL> <A HREF="../me02/me02_306.htm#S314">"Lage der arbeitenden Klasse in England", S. 109</A> <A HREF="me19_210.htm#ZF3">&lt;=</A></P>
<SMALL><SUP><P><A NAME="F4">(4)</A></SUP></SMALL> Ich sage, mu&szlig;. Denn nur in dem Falle, da&szlig; die Produktions- oder Verkehrsmittel der Leitung durch Aktiengesellschaften <I>wirklich</I> entwachsen sind, da&szlig; also die Verstaatlichung <I>&ouml;konomisch</I> unabweisbar geworden, nur in diesem Falle bedeutet sie, auch wenn der heutige Staat sie vollzieht, einen &ouml;konomischen Fortschritt, die Erreichung einer neuen Vorstufe zur Besitzergreifung aller Produktivkr&auml;fte durch die Gesellschaft selbst. Es ist aber neuerdings, seit Bismarck sich aufs Verstaatlichen geworfen, ein gewisser falscher Sozialismus aufgetreten und hie und da sogar in einige Wohldienerei ausgeartet, der <I>jede</I> Verstaatlichung, selbst die Bismarcksche, ohne weiteres f&uuml;r sozialistisch erkl&auml;rt. Allerdings, w&auml;re die Verstaatlichung des Tabaks sozialistisch, so z&auml;hlten Napoleon und Metternich mit unter den Gr&uuml;ndern des Sozialismus. Wenn der belgische Staat aus ganz allt&auml;glichen politischen und finanziellen Gr&uuml;nden seine Haupteisenbahnen selbst baute, wenn Bismarck ohne jede &ouml;konomische Notwendigkeit die Hauptbahnlinien Preu&szlig;ens verstaatlichte, einfach, um sie f&uuml;r den Kriegsfall besser einrichten und ausn&uuml;tzen zu k&ouml;nnen, um die Eisenbahnbeamten zu Regierungsstimmvieh zu erziehn und haupts&auml;chlich, um sich eine neue, von Parlamentsbeschl&uuml;ssen unabh&auml;ngige Einkommensquelle zu verschaffen - so waren das keineswegs sozialistische Schritte, direkt oder indirekt, bewu&szlig;t oder unbewu&szlig;t. Sonst w&auml;ren auch die k&ouml;nigliche Seehandlung, die k&ouml;nigliche Porzellanmanufaktur und sogar der Kompanieschneider beim Milit&auml;r sozialistische Einrichtungen oder gar die unter Friedrich Wilhelm III. in den drei&szlig;iger Jahren alles Ernstes von einem Schlaumeier vorgeschlagene Verstaatlichung der - Bordelle. <A HREF="me19_210.htm#ZF4">&lt;=</A></P>
<SMALL><SUP><P><A NAME="F5">(5)</A></SUP></SMALL> Ein paar Zahlen m&ouml;gen eine ann&auml;hernde Vorstellung geben von der enormen Expansionskraft der modernen Produktionsmittel, selbst unter dem kapitalistischen Druck. Nach der Berechnung von Giffen betrug der Gesamtreichtum von Gro&szlig;britannien und Irland in runder Zahl: </P>
<P ALIGN="CENTER"><CENTER><TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=2 WIDTH=390>
<TR><TD WIDTH="20%" VALIGN="TOP">
<P>1814</TD>
<TD WIDTH="39%" VALIGN="TOP">
<P>2200 Millionen Pfd. St.</TD>
<TD WIDTH="5%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="CENTER">=</TD>
<TD WIDTH="36%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">44 Milliarden Mark</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="20%" VALIGN="TOP">
<P>1865</TD>
<TD WIDTH="39%" VALIGN="TOP">
<P>6100 Millionen Pfd. St.</TD>
<TD WIDTH="5%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="CENTER">=</TD>
<TD WIDTH="36%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">122 Milliarden Mark</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="20%" VALIGN="TOP">
<P>1875</TD>
<TD WIDTH="39%" VALIGN="TOP">
<P>8500 Millionen Pfd. St.</TD>
<TD WIDTH="5%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="CENTER">=</TD>
<TD WIDTH="36%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">170 Milliarden Mark</TD>
</TR>
</TABLE>
</CENTER></P>
<P>Was die Verheerung von Produktionsmitteln und Produkten in den Krisen betrifft, so wurde auf dem 2. Kongre&szlig; deutscher Industrieller, Berlin, 21. Februar 1878, der Gesamtverlust allein der deutschen Eisenindustrie im letzten Krach auf 455 Millionen Mark berechnet. <A HREF="me19_210.htm#ZF5">&lt;=</A></P>
<P><HR size="1" align="center"></P>
<P>Textvarianten</P>
<SMALL><SUP><P><A NAME="T1">{1}</A></SUP></SMALL> Im "Anti-D&uuml;hring": Produktivkr&auml;fte <A HREF="me19_210.htm#ZT1">&lt;=</A></P>
<HR size="1" align="center">
<TABLE width=600 border="0" align="center" cellspacing=0 cellpadding=0>
<TR>
<TD bgcolor="#ffffee" width="1" rowspan=2></TD>
<TD bgcolor="#ffffee" height="1" colspan=3></TD>
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