97 lines
5.8 KiB
HTML
97 lines
5.8 KiB
HTML
|
<!DOCTYPE HTML PUBLIC "-//W3C//DTD HTML 3.2//EN">
|
||
|
|
||
|
<html>
|
||
|
<head>
|
||
|
<meta name="generator" content="HTML Tidy for Windows (vers 1st August 2002), see www.w3.org">
|
||
|
<meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=ISO-8859-1">
|
||
|
|
||
|
<title>"Neue Rheinische Zeitung" - Valdenaires Haft - Sebaldt</title>
|
||
|
<link rel=stylesheet type="text/css" href="http://www.mlwerke.de/css/artikel.css">
|
||
|
</head>
|
||
|
|
||
|
<body>
|
||
|
<p align="center"><a href="me05_080.htm"><font size="2">Der Prager Aufstand</font></a> <font
|
||
|
size="2">|</font> <a href="../me_nrz48.htm"><font size="2">Inhalt</font></a> <font size=
|
||
|
"2">|</font> <a href="me05_085.htm"><font size="2">Die Vereinbarungssitzung vom 17.
|
||
|
Juni</font></a></p>
|
||
|
<small>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 5, S. 83-84<br>
|
||
|
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1971</small> <br>
|
||
|
<br>
|
||
|
|
||
|
|
||
|
<h1>Valdenaires Haft - Sebaldt</font></p>
|
||
|
|
||
|
<p><font size="2">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 19 vom 19. Juni 1848]</font></p>
|
||
|
|
||
|
<p><b><a name="S83"><83></a></b> **<i>Köln</i>. Die Berliner
|
||
|
Vereinbarungsversammlung hat bekanntlich Wencelius' Antrag in bezug auf die Verhaftung von
|
||
|
<i>Viktor Valdenaire</i>, des Deputierten des Landkreises von Trier, vertagt. Und aus welchem
|
||
|
Grund! Weil kein Gesetz über die Unverletzlichkeit der Volksrepräsentanten in den
|
||
|
Archiven der alten preußischen Gesetzgebung sich findet, natürlich so wenig als
|
||
|
Volksrepräsentanten in der alten Rumpelkammer der preußischen Geschichte. Nichts
|
||
|
leichter, als auf diese Grundlage hin alle Errungenschaften der Revolution hinterher im
|
||
|
Interesse des Staatsfiskus zu vernichten! Die sich von selbst verstehenden Ansprüche,
|
||
|
Bedürfnisse und Rechte der Revolution sind natürlich nicht von einer Gesetzgebung
|
||
|
sanktioniert, deren Grundlage durch eben diese Revolution in die Luft gesprengt ist. Von dem
|
||
|
Augenblicke an, wo preußische Volksrepräsentanten existierten, existiert die
|
||
|
<i>Unverletzlichkeit</i> der preußischen Volksrepräsentanten. Oder soll das
|
||
|
Fortbestehen der ganzen Vereinbarungsversammlung der Laune eines Polizeipräsidenten oder
|
||
|
eines Gerichtshofes anheimfallen? Allerdings! <i>Zweiffel</i>, <i>Reichensperger</i> und die
|
||
|
übrigen rheinischen Juristen, die jede politische Frage in eine Prozedurstreitigkeit
|
||
|
verwandeln und den Valdenaireschen Fall nicht vorübergehen lassen dürften, ohne eine
|
||
|
winzige Spitzfindigkeit und einen riesigen Servilismus zur Schau zu tragen, sind vor solcher
|
||
|
Eventualität vollständig gesichert.</p>
|
||
|
|
||
|
<p>Bei dieser Gelegenheit eine Frage an Herrn Reichensperger II. Ist Herr Reichensperger nicht
|
||
|
etwa bestimmt, die Kammerprasidentschaft in Köln nach der Pensionierung des Herrn
|
||
|
Schauberg, die am 1. Juli 1848 stattfinden soll, anzutreten?</p>
|
||
|
|
||
|
<p>Valdenaire wurde verhaftet, als er eben den Postwagen nach Merzig bestieg, wo die Wahl des
|
||
|
Deputierten nach Frankfurt stattfinden sollte. Valdenaire hatte die große Majorität
|
||
|
der Stimmen gesichert. Kein bequemeres <a name="S84"><b><84></b></a> Mittel, eine
|
||
|
mißliebige Wahl zu vereiteln, als den Kandidaten verhaften! Und die Regierung, um
|
||
|
konsequent zu sein, beruft seinen Stellvertreter <i>Gräff</i> trotz seiner Reklamation
|
||
|
nicht ein und läßt so eine mißliebige Bevölkerung von 60.000 Seelen
|
||
|
unvertreten. Wir raten Herrn Gräff, aus eigner Machtvollkommenheit sich nach Berlin zu
|
||
|
verfügen.</p>
|
||
|
|
||
|
<p>Schließlich können wir den Zustand in Trier nicht besser charakterisieren als
|
||
|
durch den nachfolgenden Abdruck einer <i>Warnung</i> des hochvermögenden Herrn
|
||
|
<i>Sebaldt</i>, königl. Landrats und Oberbürgermeisters von Trier.</p>
|
||
|
|
||
|
<p align="center">Warnung</p>
|
||
|
|
||
|
<p><font size="2">An einigen Abenden hintereinander haben sich auf öffentlichen
|
||
|
Plätzen und Straßen der Stadt ungewöhnlich zahlreiche Anhäufungen von
|
||
|
Menschen gezeigt, welche bei manchen Ängstlichen dem Glauben an bevorstehende
|
||
|
ordnungswidrige Demonstrationen Eingang verschafften. Ich gehöre nicht zu den
|
||
|
Ängstlichen und mag es wohl leiden, wenn sich der Straßenverkehr ungezwungen bewegt.
|
||
|
Sollte es jedoch wider Erwarten einzelnen unreifen Köpfen einfallen, diesen Verkehr zu
|
||
|
Bübereien oder beleidigender Neckerei zu mißbrauchen, so müßte ich den
|
||
|
bessern Teil des Publikums dringend ersuchen, sich sogleich von jenen Elementen zu trennen,
|
||
|
denn ernsten Störungen der Ordnung wird Ernst entgegengesetzt werden, und es sollte mir
|
||
|
leid tun, wenn bei einem eintretenden Konflikt der Unvorsichtige statt des Schuldigen zu
|
||
|
Schaden kommen sollte.</font></p>
|
||
|
|
||
|
<p><i>Trier</i>, den 16. Juni 1848</p>
|
||
|
|
||
|
<p align="right">Der k[önigliche] Landrat und Oberbürgermeister<br>
|
||
|
<i>R[egierungs]-R[at] Sebaldt</i></p>
|
||
|
|
||
|
<p> Wie gemütlich der hochstehende Mann schreibt, wie patriarchalisch!</p>
|
||
|
|
||
|
<p><i>"Er mag es wohl leiden, wenn sich der Straßenverkehr ungezwungen bewegt."</i>
|
||
|
Angenehme Leidenschaft des Herrn Sebaldt!</p>
|
||
|
|
||
|
<p>Ängstliche befürchten eine Demonstration. Der Diktator von Trier hat die
|
||
|
Eigenschaft, nicht ängstlich zu sein. Aber er muß seine Machtvollkommenheit zeigen,
|
||
|
er muß die Hirngespinste der Ängstlichen in eine amtliche Mutmaßung
|
||
|
verwandeln, um ernsten Störungen mit entgegengesetztem Ernst drohen zu können.</p>
|
||
|
|
||
|
<p>Wie überraschend verbindet der große Mann den Ernst und die Gemütlichkeit!
|
||
|
Unter dem Schutz dieser ernst-gemütlichen Vorsehung können die Bessern in Trier ruhig
|
||
|
schlummern.</p>
|
||
|
</body>
|
||
|
</html>
|
||
|
|