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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<TITLE>Friedrich Engels - Die preu&szlig;ischen Siege</TITLE>
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<P ALIGN="CENTER"><A HREF="me17_022.htm"><FONT SIZE=2>&Uuml;ber den Krieg - IV</FONT></A><FONT SIZE=1> </FONT><FONT SIZE=2>| </FONT><A HREF="me17_udk.htm"><FONT SIZE=2>Inhalt</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="me17_032.htm"><FONT SIZE=2>&Uuml;ber den Krieg - V</FONT></A></P>
<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 17, 5. Auflage 1973, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 27-31.</P>
<P>Erstellt am 13.12.1998.<BR>
1. Korrektur.</P>
</FONT><H2>Friedrich Engels</H2>
<H1>Die preu&szlig;ischen Siege</H1>
<P><HR></P>
<FONT SIZE=1><P>["The Pall Mall Gazette" Nr. l 711 vom 8. August 1870]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S27">|27|</A></B> Die schnelle Aktion der deutschen Dritten Armee wirft mehr und mehr Licht auf Moltkes Pl&auml;ne. Die Konzentration dieser Armee in der Pfalz mu&szlig; &uuml;ber die Br&uuml;cken von Mannheim und Germersheim vor sich gegangen sein, vielleicht auch mit Hilfe von zwischen diesen Orten errichteten milit&auml;rischen Pontonbr&uuml;cken. Schon bevor sie die Landstra&szlig;en erreichten, die von Landau und Neustadt westw&auml;rts &uuml;ber die Hardt gehen, waren die im Rheintal zusammengezogenen Truppen f&uuml;r einen Angriff auf den franz&ouml;sischen rechten Fl&uuml;gel verf&uuml;gbar. Ein solcher Angriff, mit &uuml;berlegenen Streitkr&auml;ften und mit Landau unmittelbar im R&uuml;cken, w&auml;re vollkommen sicher und k&ouml;nnte gro&szlig;e Resultate zeitigen. Wenn es gel&auml;nge, einen betr&auml;chtlichen Teil der franz&ouml;sischen Truppen von der Hauptarmee weg und in das Rheintal zu ziehen, ihn zu schlagen und das Tal hinauf nach Stra&szlig;burg zu treiben, so w&auml;ren diese franz&ouml;sischen Kr&auml;fte aus dem Gebiet der Hauptschlacht entfernt. Die deutsche Dritte Armee w&auml;re dagegen noch in der Lage, daran teilzunehmen, da sie der Hauptarmee der Franzosen bedeutend n&auml;her ist. Auf jeden Fall w&uuml;rde ein Angriff auf den rechten Fl&uuml;gel der Franzosen diese irreleiten, sofern der deutsche Hauptangriff, wie wir trotz der gegenteiligen Meinung einer Schar von milit&auml;rischen und nichtmilit&auml;rischen Neuigkeitskr&auml;mern noch immer glauben, gegen den linken Fl&uuml;gel der Franzosen gef&uuml;hrt werden soll.</P>
<P>Die pl&ouml;tzliche und erfolgreiche Attacke auf Wei&szlig;enburg zeigt, da&szlig; die Deutschen &uuml;ber die Stellungen der Franzosen Informationen besa&szlig;en, die sie zu solch einem Man&ouml;ver ermutigten. Die Franzosen rannten in ihrer Hast nach einer Revanche kopf&uuml;ber in die Falle. Marschall Mac-Mahon konzentrierte augenblicklich seine Korps in Richtung Wei&szlig;enburg; und um dieses Man&ouml;ver auszuf&uuml;hren, brauchte er, wie berichtet wird, zwei Tage. Aber der Kronprinz war nicht geneigt, ihm diese Zelt zu lassen. Er <A NAME="S28"><B>|28|</A></B> n&uuml;tzte seinen Vorteil sofort aus und attackierte ihn am Sonnabend in der N&auml;he von W&ouml;rth an der Sauer, ungef&auml;hr 15 Meilen s&uuml;dwestlich von Wei&szlig;enburg. Mac-Mahons Stellung wurde von ihm selbst stark genannt. Nichtsdestoweniger wurde er um f&uuml;nf Uhr nachmittags daraus vertrieben, und der Kronprinz vermutete ihn in vollem R&uuml;ckzug auf Bitsch. Hierdurch h&auml;tte er sich davor gesch&uuml;tzt, vom Zentrum weg auf Stra&szlig;burg getrieben zu werden, und h&auml;tte seine Verbindungen mit der Masse der Armee aufrechterhalten. Nach sp&auml;teren franz&ouml;sischen Telegrammen scheint es jedoch, da&szlig; er sich wirklich auf Nancy zur&uuml;ckgezogen hat und da&szlig; sein Hauptquartier nun bei Zabern ist.</P>
<P>Die beiden franz&ouml;sischen Korps, die ausgesandt waren, den deutschen Vormarsch aufzuhalten, bestanden aus sieben Infanteriedivisionen, von denen wahrscheinlich mindestens f&uuml;nf in dem Kampf eingesetzt worden sind. Es ist auch m&ouml;glich, da&szlig; sie alle nach und nach an der Schlacht teilnahmen. Aber sie waren ebensowenig imstande, das Gleichgewicht wiederherzustellen, wie die nacheinander auf dem Schlachtfeld von Magenta erscheinenden &ouml;sterreichischen Brigaden. Auf jeden Fall k&ouml;nnen wir als sicher annehmen, da&szlig; ein F&uuml;nftel bis ein Viertel der gesamten Macht der Franzosen hier geschlagen wurde. Die Truppen auf der deutschen Seite waren wahrscheinlich dieselben, deren Vorhut Wei&szlig;enburg genommen hatte, das II. bayrische, das V. und XI. norddeutsche Korps. Von diesen Korps besteht das V. aus zwei Posener, f&uuml;nf schlesischen und einem westf&auml;lischen Regiment, das XI. aus einem pommerschen Regiment, vier aus Hessen-Kassel und Nassau und drei th&uuml;ringischen Regimentern. Es sind also Truppen aus den verschiedensten Teilen Deutschlands eingesetzt worden.</P>
<P>Was uns bei diesen Kampfhandlungen am meisten &uuml;berrascht, ist die strategische und taktische Rolle, die jede der beiden Armeen dabei spielt. Es ist das genaue Gegenteil dessen, was der Tradition nach zu erwarten war. Die Deutschen greifen an; die Franzosen verteidigen sich. Die Deutschen handeln schnell und mit gro&szlig;en Massen und dirigieren sie mit Leichtigkeit; die Franzosen m&uuml;ssen zugeben, da&szlig; ihre Truppen nach vierzehnt&auml;giger Konzentration noch so verstreut sind, da&szlig; sie zwei Tage ben&ouml;tigen, um zwei Armeekorps zusammenzubringen. Sie sind infolgedessen einzeln geschlagen worden. Nach der Art, wie sie ihre Truppenbewegungen vollziehen, k&ouml;nnten sie &Ouml;sterreicher sein. Wie l&auml;&szlig;t sich dies erkl&auml;ren? Einfach aus den Notwendigkeiten des Zweiten Kaiserreichs. Der Stachel von Wei&szlig;enburg war ausreichend, ganz Paris in Aufregung zu versetzen und zweifelsohne den Gleichmut der Armee ebenfalls ins Wanken zu bringen. <A NAME="S29"><B>|29|</A></B> Eine Revanche mu&szlig;te sein: Mac-Mahon wurde sogleich mit zwei Korps abgeschickt, um Revanche zu nehmen. Dieser Schritt war offensichtlich falsch, aber gleichviel, er mu&szlig;te gemacht werden und wurde gemacht - mit welchem Erfolge, haben wir gesehen. Wenn Marschall Mac-Mahon nicht so viele Verst&auml;rkungen zugehen, da&szlig; er imstande ist, sich dem Kronprinzen noch einmal entgegenzustellen, so kann sich der Kronprinz durch einen Marsch von f&uuml;nfzehn Meilen nach S&uuml;den der Eisenbahn Stra&szlig;burg - Nancy bem&auml;chtigen, nach Nancy vorsto&szlig;en und durch diese Bewegung jede Linie umgehen, die die Franzosen bei einem Vormarsch nach Metz hoffen k&ouml;nnten zu halten. Gerade die Furcht davor ist es, die die Franzosen veranla&szlig;t, das Saargebiet aufzugeben. Oder, wenn der Kronprinz die Verfolgung Mac-Mahons seiner Vorhut &uuml;berl&auml;&szlig;t, kann er sogleich nach rechts &uuml;ber die H&uuml;gel nach Pirmasens und Zweibr&uuml;cken marschieren, um eine regelrechte Verbindung mit dem linken Fl&uuml;gel der Armee von Prinz Friedrich Karl herzustellen. Dieser stand die ganze Zeit &uuml;ber zwischen Mainz und Saarbr&uuml;cken, w&auml;hrend die Franzosen ihn hartn&auml;ckig bei Trier vermuteten. Wie die Niederlage des Korps des Generals Frossard bei Forbach, auf die, wie es scheint, der gestrige Vormarsch der Preu&szlig;en nach St. Avold folgte, auf seinen Marsch einwirken wird, k&ouml;nnen wir nicht entscheiden.</P>
<P>Wenn das Zweite Kaiserreich nach Wei&szlig;enburg unbedingt eines Sieges bedurfte, so braucht es ihn jetzt nach W&ouml;rth und Forbach in noch viel h&ouml;herem Grade. Wenn Wei&szlig;enburg gen&uuml;gte, alle zuvor gefa&szlig;ten Pl&auml;ne f&uuml;r die Operationen des rechten Fl&uuml;gels zu verwirren, so sto&szlig;en notwendigerweise die Schlachten vom Sonnabend alle Dispositionen um, die f&uuml;r die gesamte Armee gemacht wurden. Die franz&ouml;sische Armee hat jede Initiative verloren. Ihre Bewegungen werden weniger von milit&auml;rischen Erw&auml;gungen als von politischen Notwendigkeiten diktiert. Hier befinden sich 300.000 Mann fast in Sicht des Feindes. Wenn Ihre Bewegungen sich nicht nach dem, was im Lager des Feindes geschieht, richten sollen, sondern nach dem, was sich in Paris zutr&auml;gt oder zutragen kann, so sind sie bereits halb geschlagen. Nat&uuml;rlich kann niemand mit Sicherheit das Resultat der Hauptschlacht voraussagen, die jetzt bevorsteht - sofern sie nicht schon im Gang ist. Aber soviel k&ouml;nnen wir sagen, da&szlig; noch eine Woche derartiger Strategie, wie sie Napoleon III. seit Donnerstags bet&auml;tigt, allein ausreicht, die beste und gr&ouml;&szlig;te Armee der Welt zu vernichten.</P>
<P>Der Eindruck, den man nach den preu&szlig;ischen Berichten &uuml;ber diese Schlachten gewinnt, wird durch die Telegramme des Kaisers Napoleon <A NAME="S30"><B>|30|</A></B> nur noch vertieft. Sonnabend mitternacht berichtete er die nackten Tatsachen:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Marschall Mac-Mahon hat eine Schlacht verloren. General Frossard ist gezwungen worden, sich zur&uuml;ckzuziehen."</P>
</FONT><P>Drei Stunden sp&auml;ter kam die Nachricht, da&szlig; seine Verbindungen mit Marschall Mac-Mahon unterbrochen seien. Am Sonntag morgen um sechs Uhr wurde die ernsthafte Bedeutung der Niederlage des Generals Frossard tats&auml;chlich durch das Gest&auml;ndnis anerkannt, da&szlig; ihm die Niederlage westlich von Saarbr&uuml;cken, n&auml;mlich bei Forbach, beigebracht wurde. Die Unm&ouml;glichkeit, den preu&szlig;ischen Vormarsch sogleich aufzuhalten, wurde ferner durch die Mitteilung einger&auml;umt:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Die Truppen, die getrennt worden waren, sind auf Metz konzentriert worden."</P>
</FONT><P>Das n&auml;chste Telegramm ist schwer zu interpretieren:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Der R&uuml;ckzug wird in voller Ordnung vollzogen werden." (?)</P>
</FONT><P>Welcher R&uuml;ckzug? Nicht der des Marschalls Mac-Mahon, denn die Verbindungen mit ihm waren noch unterbrochen. Nicht der des Generals Frossard, denn der Kaiser teilt weiter mit:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Von General Frossard liegen keine Nachrichten vor."</P>
</FONT><P>Und wenn um 8.23 Uhr morgens der Kaiser nur in der Zukunftsform vom R&uuml;ckzug der Truppen, von deren Stellung er nichts wu&szlig;te, sprechen konnte, welcher Wert mu&szlig; dann dem Telegramm von acht Stunden vorher beigemessen werden, in dem er in der Gegenwart spricht:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Der R&uuml;ckzug vollzieht sich in voller Ordnung."</P>
</FONT><P>Alle diese sp&auml;teren Botschaften sind in demselben Ton gehalten wie die erste: "Tout peut se r&eacute;tablir." |"Alles kann sich wieder einrenken"| Die Siege der Preu&szlig;en waren zu ernst, um die Zuflucht zu einer Taktik zu erlauben, wie sie der Kaiser nat&uuml;rlich gern gew&auml;hlt h&auml;tte. Er konnte nicht wagen, die Wahrheit zu verbergen - aber er hoffte, ihre Wirkung durch einen gleichzeitigen Bericht &uuml;ber eine sp&auml;tere Schlacht mit anderm Ausgang aufzuheben. Es war unm&ouml;glich, den Stolz des franz&ouml;sischen Volkes zu schonen, indem man ihm verheimlichte, da&szlig; zwei seiner Armeen geschlagen worden waren. Deshalb blieb als einziger Ausweg, sich auf den leidenschaftlichen Wunsch zu st&uuml;tzen, die Scharten wieder auszuwetzen, den die Nachricht von &auml;hnlichen Mi&szlig;geschicken von jeher in den Herzen der Franzosen erzeugt hat. Private Telegramme schrie- <A NAME="S31"><B>|31|</A></B> ben ohne Zweifel der Kaiserin und den Ministern die Richtung vor, in der sich ihre offiziellen &Auml;u&szlig;erungen zu bewegen hatten; oder, was noch wahrscheinlicher ist, der Text ihrer darauf bez&uuml;glichen Proklamationen wurde ihnen w&ouml;rtlich aus Metz geliefert. Aus diesen beiden Tatsachen schlie&szlig;en wir, da&szlig;, wie immer auch die Stimmung des franz&ouml;sischen Volkes sei, jeder in der Regierung, vom Kaiser angefangen, &auml;u&szlig;erst niedergeschlagen ist, und das ist an sich schon bezeichnend genug. &Uuml;ber Paris ist der Belagerungszustand verh&auml;ngt worden. Dies ist ein untr&uuml;gliches Zeichen f&uuml;r das, was einem weiteren preu&szlig;ischen Siege folgen kann. Die Proklamation des Ministeriums schlie&szlig;t:</P>
<FONT SIZE=2><P>"La&szlig;t uns mit aller Energie k&auml;mpfen, und das Vaterland wird gerettet werden."</P>
</FONT><P>Gerettet! Die Franzosen k&ouml;nnten sich vielleicht fragen, wovor gerettet? Vor einer Invasion, die von den Preu&szlig;en unternommen wurde, um eine franz&ouml;sische Invasion in Deutschland abzuwenden. W&auml;ren die Preu&szlig;en geschlagen worden und eine &auml;hnliche Ermunterung aus Berlin gekommen, w&uuml;rde ihre Bedeutung klar gewesen sein; denn jeder neue Sieg der franz&ouml;sischen Waffen h&auml;tte eine neue Annexion deutschen Gebiets von seiten Frankreichs bedeutet. Aber falls die preu&szlig;ische Regierung gut beraten ist, wird eine franz&ouml;sische Niederlage nur bedeuten, da&szlig; der Versuch, Preu&szlig;en an der Durchf&uuml;hrung seiner innerdeutschen Politik zu hindern, fehlgeschlagen ist. Wir k&ouml;nnen kaum annehmen, da&szlig; die Massenaushebung, welche die franz&ouml;sischen Minister angeblich in Erw&auml;gung ziehen, der Erneuerung eines Offensivkrieges dienlich sein wird.</P>
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