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<TITLE>Rosa Luxemburg - Die Krise der Sozialdemokratie - II</TITLE>
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<!--Hier war ein unzureichend terminierter Kommentar -->
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<TR>
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<TD ALIGN="center" width="19%" height=20 valign=middle><A HREF="../index.shtml.html"><SMALL>MLWerke</SMALL></A></TD>
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<TD ALIGN="center" width="19%" height=20 valign=middle><A HREF="default.htm"><SMALL>Rosa Luxemburg</SMALL></A></TD>
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<H2>Rosa Luxemburg - Die Krise der Sozialdemokratie</H2>
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<H1><!-- #BeginEditable "%DCberschrift" -->II.<BR>
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»Jetzt stehen wir vor der ehernen Tatsache des Krieges«<!-- #EndEditable --></H1>
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<!-- #BeginEditable "Text" -->
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<P><SMALL>»Jetzt stehen wir vor der ehernen Tatsache des Krieges. Uns drohen
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die Schrecken feindlicher Invasionen. Nicht für oder gegen den Krieg
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haben wir heute zu entscheiden, sondern über die Frage der für
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die Verteidigung des Landes erforderlichen Mittel... Für unser Volk
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und seine freiheitliche Zukunft steht bei einem Sieg des russischen Despotismus,
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der sich mit dem Blute der Besten des eigenen Volkes befleckt hat, viel,
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wenn nicht alles auf dem Spiel. Es gilt, diese Gefahr abzuwehren, die Kultur
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und die Unabhängigkeit unseres eigenen Landes sicherzustellen. Da
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machen wir wahr, was wir immer betont haben: Wir lassen in der Stunde der
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Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich. Wir fühlen uns dabei im
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Einklang mit der Internationale, die das Recht jedes Volkes auf nationale
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Selbständigkeit und Selbstverteidigung jederzeit anerkannt hat, wie
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wir auch in Übereinstimmung mit ihr jeden Eroberungskrieg verurteilen...
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Von diesen Grundsätzen geleitet, bewilligen wir die geforderten Kriegskredite.«</SMALL></P>
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<P>Mit dieser Erklärung gab die Reichstagsfraktion am 4. August die
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Parole, welche die Haltung der deutschen Arbeiterschaft im Kriege bestimmen
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und beherrschen sollte. Vaterland in Gefahr, nationale Verteidigung, Volkskrieg
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um Existenz, Kultur und Freiheit - das war das Stichwort, das von der parlamentarischen
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Vertretung der
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Sozialdemokratie gegeben wurde. Alles andere ergab sich
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daraus als einfache Folge: die Haltung der Parteipresse und der Gewerkschaftspresse,
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der patriotische Taumel der Massen, der Burgfrieden, die plötzliche
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Auflösung der Internationale ­ alles war nur unvermeidliche Konsequenz
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der ersten Orientierung, die im Reichstag getroffen wurde.
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</P>
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<P>Wenn es sich wirklich um die Existenz der Nation, um die Freiheit handelt,
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wenn diese nur mit dem Mordeisen verteidigt werden kann, wenn der Krieg
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eine heilige Volkssache ist ­ dann wird alles selbstverständlich
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und klar, dann muß alles in Kauf genommen werden. Wer den Zweck will,
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muß die Mittel wollen. Der Krieg ist ein methodisches, organisiertes,
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riesenhaftes Morden. Zum systematischen Morden muß aber bei normal
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veranlagten Menschen erst der entsprechende Rausch erzeugt werden. Dies
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ist seit jeher die wohlbegründete Methode der Kriegführenden.
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Der Bestialität der Praxis muß die Bestialität der Gedanken
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und der Gesinnung entsprechen, diese muß jene vorbereiten und begleiten.
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Alsdann sind der <B>»Wahre Jacob« </B>vom 28. August mit dem
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Bild des deutschen »Dreschers«, die Parteiblätter in Chemnitz,
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Hamburg, Kiel, Frankfurt, Koburg und andere mit ihrer patriotischen Hetze
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in Poesie und Prosa das entsprechende und notwendige geistige Narkotikum
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für ein Proletariat, das nur noch seine Existenz und Freiheit retten
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kann, indem es das tödliche Eisen in die Brust russischer, französischer
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und englischer Brüder stößt. Jene Hetzblätter sind
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dann konsequenter als diejenigen, die Berg und Tal zusammenbringen, Krieg
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mit »Humanität«, Morden mit Bruderliebe, Bewilligung von
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Mitteln zum Kriege mit sozialistischer Völkerverbrüderung vermählen
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wollen.</P>
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<P>War aber die von der deutschen Reichstagsfraktion am 4. August ausgegebene
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Parole richtig, dann wäre damit über die Arbeiterinternationale
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das Urteil nicht nur für diesen Krieg, sondern überhaupt gesprochen.
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Zum ersten Male, seit die moderne Arbeiterbewegung besteht, gähnt
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hier ein Abgrund zwischen den Geboten der internationalen Solidarität
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der Proletarier und den Interessen der Freiheit und nationalen Existenz
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der Völker, zum ersten Male stehen wir vor der Entscheidung, daß
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Unabhängigkeit und Freiheit der Nationen gebieterisch erfordern, daß
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die Proletarier verschiedener Zungen einander niedermachen und ausrotten.
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Bisher lebten wir in der Überzeugung, daß Interessen der Nationen
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und Klasseninteressen der Proletarier sich harmonisch vereinigen, daß
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sie identisch sind, daß sie unmöglich in Gegensatz zueinander
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geraten können. Das war die Basis unserer Theorie und Praxis, die
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Seele unserer Agitation in den Volksmassen. Waren wir in diesem Kardinalpunkt
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unserer Weltanschauung in einem ungeheuren Irrtum befangen? Wir stehen
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vor der Lebensfrage des internationalen Sozialismus.</P>
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<P>Der Weltkrieg ist nicht die erste Probe aufs Exempel unserer internationalen
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Grundsätze. Die erste Probe hat unsere Partei vor 45 Jahren bestanden.
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Damals am 21. Juli 1870 gaben Wilhelm Liebknecht und August Bebel die folgende
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historische Erklärung im Norddeutschen Reichstag ab:</P>
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<P><SMALL>»Der gegenwärtige Krieg ist ein dynastischer
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Krieg, unternommen im Interesse der Dynastie Bonaparte, wie der Krieg von
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1866 im Interesse der Dynastie Hohenzollern.</SMALL></P>
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<P><SMALL>Die zur Führung des Krieges dem Reichstag abverlangten
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Geldmittel können wir nicht bewilligen, weil dies ein Vertrauensvotum
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für die preußische Regierung wäre, die durch ihr Vorgehen
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im Jahre 1866 den gegenwärtigen Krieg vorbereitet hat.</SMALL></P>
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<P><SMALL>Ebensowenig können wir die geforderten Geldmittel
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verweigern, denn es könnte dies als Billigung der frevelhaften und
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verbrecherischen Politik Bonapartes aufgefaßt werden.</SMALL></P>
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<P><SMALL>Als prinzipielle Gegner jedes dynastischen Krieges, als
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Sozial-Republikaner und Mitglieder der Internationalen Arbeiterassoziation,
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die ohne Unterschied der Nationalität alle Unterdrücker bekämpft,
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alle Unterdrückten zu einem großen Bruderbunde zu vereinigen
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sucht, können wir uns weder direkt noch indirekt für den gegenwärtigen
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Krieg erklären und enthalten uns daher der Abstimmung, indem wir die
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zuversichtliche Hoffnung aussprechen, daß die Völker Europas,
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durch die jetzigen unheilvollen Ereignisse belehrt, alles aufbieten werden,
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um sich ihr Selbstbestimmungsrecht zu erobern und die heutige Säbel-
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und Klassenherrschaft als Ursache aller staatlichen und gesellschaftlichen
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Übel zu beseitigen.«</SMALL></P>
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<P>Mit dieser Erklärung stellten die Vertreter des deutschen Proletariats
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dessen Sache klar und unzweideutig unter das Zeichen der Internationale
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und sprachen dem Kriege gegen Frankreich den Charakter eines nationalen,
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freiheitlichen Krieges rundweg ab. Es ist bekannt, daß Bebel in seinen
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Lebenserinnerungen sagt, daß er gegen die Bewilligung der Anleihe
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gestimmt haben würde, wenn er bei der Abstimmung schon alles gewußt
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hätte, was erst in den nächsten Jahren bekanntgeworden ist.</P>
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<P>In jenem Kriege also, den die gesamte bürgerliche Öffentlichkeit
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und die ungeheure Mehrheit des Volkes, damals, unter dem Einfluß
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der Bismarckschen Mache für ein nationales Lebensinteresse Deutschlands
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hielt, vertraten die Führer der Sozialdemokratie den Standpunkt: die
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Lebensinteressen der Nation und die Klasseninteressen des internationalen
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Proletariats sind eins, beide sind <B>gegen</B> den Krieg. Erst der heutige
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Weltkrieg, erst die Erklärung der sozialdemokratischen Fraktion vom
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4. August 1914 deckten zum erstenmal das furchtbare Dilemma auf: hie nationale
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Freiheit ­ hie der internationale Sozialismus!</P>
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<P>Nun, die fundamentale Tatsache in der Erklärung unserer Reichstagsfraktion,
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die grundsätzliche Neuorientierung der proletarischen Politik war
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jedenfalls eine ganz plötzliche Erleuchtung. Sie war einfaches Echo
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der Version der Thronrede und der Kanzlerrede am 4. August. »Uns treibt
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nicht Eroberungslust« ­ hieß es in der Thronrede ­, »uns beseelt der unbeugsame Wille, den Platz zu bewahren, auf den
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Gott uns gestellt hat, für uns und alle kommenden Geschlechter. Aus
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den Schriftstücken, die Ihnen zugegangen sind, werden Sie ersehen, wie Meine
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Regierung und vor allem Mein Kanzler bis zum letzten Augenblick
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bemüht waren, das Äußerste abzuwenden. In aufgedrungener
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Notwehr, mit reinem Gewissen und reiner Hand ergreifen wir das Schwert.«
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Und Bethmann Hollweg erklärte: »Meine Herren, wir sind jetzt
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in der Notwehr, und Not kennt kein Gebot... Wer so bedroht ist wie wir
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und um sein Höchstes kämpft, der darf nur daran denken, wie er
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sich durchhaut... Wir kämpfen um die Früchte unserer friedlichen
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Arbeit, um das Erbe einer großen Vergangenheit und um unsere Zukunft.«
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Das ist genau der Inhalt der sozialdemokratischen Erklärung: 1. wir
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haben alles getan, um den Frieden zu erhalten, der Krieg ist uns aufgezwungen
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worden von anderen, 2. nun der Krieg da ist, müssen wir uns verteidigen,
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3. in diesem Kriege steht für das deutsche Volk alles auf dem Spiele.
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Die Erklärung unserer Reichstagsfraktion ist nur eine etwas andere
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Stilisierung der Regierungserklärungen. Wie diese auf die diplomatischen
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Friedensbemühungen Bethmann Hollwegs und auf kaiserliche Telegramme,
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beruft sich die Fraktion auf Friedensdemonstrationen der Sozialdemokraten
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vor dem Ausbruch des Krieges. Wie die Thronrede jede Eroberungslust weit
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von sich weist, so lehnt die Fraktion den Eroberungskrieg unter Hinweis
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auf den Sozialismus ab. Und wenn Kaiser und Kanzler rufen: Wir kämpfen
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um unser Höchstes! Ich kenne keine Parteien, ich kenne nur noch Deutsche,
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so antwortet das Echo in der sozialdemokratischen Erklärung: Für
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unser Volk steht alles auf dem Spiele, wir lassen in der Stunde der Gefahr
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das eigene Vaterland nicht im Stich. Nur in einem Punkt weicht die sozialdemokratische
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Erklärung vom Regierungsschema ab: sie stellt in den Vordergrund der
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Orientierung den russischen Despotismus als die Gefahr für Deutschlands
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Freiheit. In der Thronrede hieß es in bezug auf Rußland bedauernd: »Mit schwerem Herzen habe ich meine Armee gegen einen Nachbar mobilisieren
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müssen, mit dem sie auf so vielen Schlachtfeldern gemeinsam gefochten
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hat. Mit aufrichtigem Leid sah ich eine von Deutschland treu bewahrte Freundschaft
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zerbrechen.« Die sozialdemokratische Fraktion hat den schmerzlichen
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Bruch einer treu bewahrten Freundschaft mit dem russischen Zarismus in
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eine Fanfare der Freiheit gegen die Despotie umstilisiert, und so in dem
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einzigen Punkt, wo sie Selbständigkeit gegenüber der Regierungserklärung
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zeigt, revolutionäre Überlieferungen des Sozialismus gebraucht,
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um den Krieg demokratisch zu adeln, ihm eine volkstümliche Glorie
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zu schaffen.
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<P></P>
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<P>Dies alles leuchtete der Sozialdemokratie, wie gesagt, ganz plötzlich
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am 4. August ein. Alles, was sie bis zu jenem Tage, was sie am Vorabend
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des Ausbruchs des Krieges sagte, war das gerade Gegenteil der Fraktionserklärung.
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So schrieb der <B>»Vorwärts« </B>am 25. Juli, als das österreichische
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Ultimatum an Serbien, an dem sich der Krieg entzündete, veröffentlicht
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wurde:</P>
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<P><SMALL>»<B>Sie wollen den Krieg</B>, die <B>gewissenlosen
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Elemente</B>, die in der Wiener Hofburg Einfluß haben und Ausschlag
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geben. Sie wollen den Krieg ­ <B>aus dem wilden Geschrei der schwarzgelben
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Hetzpresse klang es seit Wochen heraus</B>. Sie wollen den Krieg ­
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das österreichische Ultimatum an Serbien macht es deutlich und aller
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Welt offenbar...</SMALL></P>
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<P><SMALL>Weil das Blut Franz Ferdinands und seiner Gattin unter
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den Schüssen eines irren Fanatikers geflossen ist, soll das <B>Blut
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Tausender von Arbeitern und Bauern fließen, ein wahnwitziges Verbrechen</B>
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soll von einem <B>weit wahnwitzigeren Verbrechen übergipfelt werden!</B>...
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Das <B>österreichische Ultimatum</B> Serbien kann der <B>Fidibus</B>
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sein, mit dem <B>Europa an allen vier Ecken in Brand gesteckt wird!</B></SMALL></P>
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<P><SMALL>Denn dieses <B>Ultimatum ist in seiner Fassung wie in
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seinen Forderungen derart unverschämt</B>, daß eine serbische
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Regierung, die demütig vor dieser Note zurückwiche, mit der Möglichkeit
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rechnen muß, von den Volksmassen zwischen Diner und Dessert davongejagt
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zu werden... </SMALL></P>
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<P><SMALL>Ein <B>Frevel der chauvinistischen Presse Deutschlands</B>
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war es, den teuren <B>Bundesgenossen in seinen Kriegsgelüsten auf
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das äußerste anzustacheln</B>, und sonder Zweifel hat auch Herr
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v. Bethmann Hollweg Herrn Berchtold seine Rückendeckung zugesagt.
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<B>Aber in Berlin spielt man dabei ein genau so gefährliches Spiel
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wie in Wien</B>...«</SMALL></P>
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<P>Die <B>»Leipziger Volkszeitung« </B>schrieb am 24. Juli:</P>
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<P><SMALL>»Die österreichische Militärpartei ...
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setzt alles auf eine Karte, weil der nationale und militaristische Chauvinismus
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in keinem Lande der Welt etwas zu verlieren hat... In <B>Österreich
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sind die chauvinistischen Kreise ganz besonders bankrott, ihr nationales
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Geheul soll ihren wirtschaftlichen Ruin verdecken und der Raub und Mord
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des Krieges ihre Kassen füllen</B>...«</SMALL></P>
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<P>Die <B>»Dresdner Volkszeitung« </B>äußerte sich
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am gleichen Tage:</P>
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<P><SMALL>»... Vorläufig sind die Kriegstreiber am Wiener
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Ballplatz noch immer jene schlüssigen Beweise schuldig, die Österreich
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berechtigen würden, Forderungen an Serbien zu stellen.</SMALL></P>
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<P><SMALL>Solange die <B>österreichische Regierung</B> dazu
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nicht in der Lage ist, <B>setzt sie sich mit ihrer provokatorischen, beleidigenden
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Anrempelung Serbiens vor ganz Europa ins Unrecht, und selbst wenn die serbische
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Schuld erwiesen würde</B>, wenn unter den Augen der serbischen Regierung
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das Attentat von Sarajewo vorbereitet worden wäre, <B>gingen die in
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|
der Note gestellten Forderungen weit über alle normalen Grenzen hinaus</B>.
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Nur die <B>frivolsten Kriegsabsichten</B> einer Regierung können ein
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<B>solches Ansinnen</B> an einen anderen Staat erklärlich machen ...«</SMALL></P>
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|
<P>Die <B>»Münchener Post« </B>meinte am 25. Juli:</P>
|
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<P><SMALL>»<B>Diese österreichische Note ist ein Aktenstück,
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|
das in der Geschichte der letzten beiden Jahrhunderte nicht seinesgleichen
|
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hat.</B> Es stellt auf Grund von Untersuchungsakten, deren Inhalt der europäischen
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|
Öffentlichkeit bis jetzt vorenthalten wird, und ohne durch eine öffentliche
|
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|
Gerichtsverhandlung gegen die Mörder des Thronfolgerpaares gedeckt
|
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|
zu sein, <B>Forderungen an Serbien, deren Annahme dem Selbstmord dieses
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|
Staates gleichkommt</B>...«</SMALL></P>
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<P>Die <B>»Schleswig-Holsteinsche Volkszeitung« </B>erklärte
|
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|
am 24. Juli:</P>
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<P><SMALL>»<B>Österreich provoziert Serbien, Österreich-Ungarn
|
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|
will den Krieg, begeht ein Verbrechen, das ganz Europa in Blut ersäufen
|
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|
kann</B>... </SMALL>
|
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|
<P><SMALL>Österreich spielt va banque. Es wagt eine <B>Provokation</B>
|
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|
des serbischen Staates, die sich dieser, wenn er nicht ganz wehrlos sein
|
|||
|
sollte, sicher nicht gefallen läßt ...</SMALL></P>
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<P><SMALL><B>Jeder Kulturmensch hat auf das entschiedenste gegen
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|
dieses verbrecherische Benehmen der österreichischen Machtbaber zu
|
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|
protestieren. Sache der Arbeiter</B> vor allem und aller anderen Menschen,
|
|||
|
die für Frieden und Kultur auch nur das geringste übrig haben,
|
|||
|
<B>muß es sein, das Äußerste zu versuchen, um die Folgen
|
|||
|
des in Wien ausgebrochenen Blutwahnsinns zu verhindern</B>.« </SMALL></P>
|
|||
|
<P>Die <B>»Magdeburger Volksstimme« </B>vom 25. Juli sagte:</P>
|
|||
|
<P><SMALL>»Eine jede serbische Regierung, die auch nur entfernt
|
|||
|
Miene machte, ernsthaft an eine dieser Forderungen heranzutreten, würde
|
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|
in derselben Stunde vom Parlament wie vom Volke hinweggefegt werden.</SMALL></P>
|
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|
<P><SMALL>Das Vorgehen Österreichs ist um so verwerflicher,
|
|||
|
als die Berchtold mit leeren Behauptungen vor die serbische Regierung und
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|
damit vor Europa treten ...</SMALL></P>
|
|||
|
<P><SMALL>So kann man heute nicht mehr einen Krieg, der ein Weltkrieg
|
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|
würde, anzetteln. So kann man nicht vorgehen, wenn man nicht die Ruhe
|
|||
|
eines ganzen Weltteils stören will. So kann man keine moralischen
|
|||
|
Eroberungen machen oder die Unbeteiligten von dem eigenen Recht überzeugen.
|
|||
|
Es ist deshalb anzunehmen, daß die Presse Europas und danach die
|
|||
|
Regierungen die eitlen und übergeschnappten Wiener Staatsmänner
|
|||
|
energisch und unzweideutig zur Ordnung rufen werden.«</SMALL></P>
|
|||
|
<P>Die <B>»Frankfurter Volksstimme« </B>schrieb am 24. Juli:</P>
|
|||
|
<P><SMALL>»Gestützt auf die <B>Treibereien der ultramontanen
|
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|
Presse</B>, die in Franz Ferdinand ihren besten Freund betrauerte und seinen
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|
Tod an dem Serbenvolke rächen wollte; gestützt auch auf einen
|
|||
|
Teil der <B>reichsdeutschen Kriegshetzer</B>, deren Sprache von Tag zu
|
|||
|
Tag drohender und gemeiner wurde, hat sich die österreichische Regierung
|
|||
|
dazu verleiten lassen, an das Serbenreich ein <B>Ultimatum</B> zu richten,
|
|||
|
das nicht nur in einer an <B>Anmaßung</B> nichts zu wünschen
|
|||
|
übriglassenden Sprache abgefaßt ist, sondern auch einige <B>Forderungen
|
|||
|
enthält, deren Erfüllung der serbischen Regierung schlechterdings
|
|||
|
unmöglich ist</B>.«</SMALL></P>
|
|||
|
<P>Die <B>»Elberfelder Freie Presse« </B>schrieb am gleichen
|
|||
|
Tage: </P>
|
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<P><SMALL>»Ein Telegramm des offiziösen Wolffschen Büros
|
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|
gibt die österreichischen Forderungen an Serbien wieder. Daraus ist
|
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|
ersichtlich, daß die <B>Machtbaber in Wien mit aller Gewalt zum Kriege</B>
|
|||
|
drängen, denn was in der gestern abend in Belgrad überreichten
|
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|
Note verlangt wird, ist schon eine Art von Protektorat Österreichs
|
|||
|
über Serbien. Es wäre <B>dringend vonnöten, daß die
|
|||
|
Berliner Diplomatie den Wiener Hetzern zu verstehen gäbe, daß
|
|||
|
Deutschland für die Unterstützung derartiger anmaßender
|
|||
|
Forderungen keinen Finger rühren kann</B> und daß daher ein
|
|||
|
Zurückstecken der österreichischen Ansprüche geboten sei.«
|
|||
|
</SMALL></P>
|
|||
|
<P>Und die <B>»Bergische Arbeiterstimme« </B>in Solingen:</P>
|
|||
|
<P><SMALL>»Österreich <B>will</B> den Konflikt mit Serbien
|
|||
|
und benutzt das Attentat von Sarajewo nur als Vorwand, um Serbien moralisch
|
|||
|
ins Unrecht zu setzen. Aber die Sache ist doch zu plump angefangen worden,
|
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|
als daß die Täuschung der öffentlichen Meinung Europas
|
|||
|
gelingen könnte...</SMALL></P>
|
|||
|
<P><SMALL>Wenn aber die <B>Kriegshetzer</B> des Wiener Ballplatzes
|
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etwa <B>glauben</B>, daß ihnen bei einem Konflikt, in den auch Rußland
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hineingezogen würde, die <B>Dreibundsgenossen Italien und Deutschland
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zu Hilfe kommen müßten, so geben sie sich leeren Illusionen
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hin</B>. Italien wäre eine Schwächung Österreich-Ungarns,
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des Konkurrenten in der Adria und auf dem Balkan, sehr gelegen, und es
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wird sich deshalb nicht die Finger verbrennen, Österreich zu unterstützen.
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<B>In Deutschland aber dürfen es die Machtbaber</B> ­ selbst wenn
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sie so töricht wären, es zu wollen ­ <B>nicht wagen, das
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Leben eines einzigen Soldaten für die verbrecherische Machtpolitik
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der Habsburger aufs Spiel zu setzen, ohne den Volkszorn gegen sich heraufzubeschwören.«</B></SMALL></P>
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<P>So beurteilte unsere gesamte Parteipresse ohne Ausnahme den Krieg noch
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eine Woche vor seinem Ausbruch. Danach handelte es sich nicht um die Existenz
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und um die Freiheit Deutschlands, sondern um ein frevelhaftes Abenteuer
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der österreichischen Kriegspartei, nicht um Notwehr, nationale Verteidigung
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und aufgedrungenen heiligen Krieg im Namen der eigenen Freiheit, sondern
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um frivole Provokation, um unverschämte Bedrohung fremder, serbischer
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Selbständigkeit und Freiheit.</P>
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<P>Was geschah am 4. August, um diese so scharf ausgeprägte, so allgemein
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verbreitete Auffassung der Sozialdemokratie plötzlich auf den Kopf
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zu stellen? Nur eine neue Tatsache trat hinzu: das am gleichen Tage von
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der deutschen Regierung dem Reichstag vorgelegte Weißbuch. Und dieses
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enthielt auf S. 4:</P>
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<P><SMALL>»Unter diesen Umständen mußte Österreich
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sich sagen, daß es weder mit der Würde noch mit der Selbsterhaltung
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der Monarchie vereinbar wäre, dem Treiben jenseits der Grenze noch
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länger tatenlos zuzusehen. <B>Die K. u. K. Regierung benachrichtigte
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uns von dieser Auffassung und erbat unsere Ansicht.</B> Aus vollem Herzen
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konnten wir unserem Bundesgenossen unser Einverständnis mit seiner
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Einschätzung der Sachlage geben und ihm versichern, daß eine
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Aktion, die er für notwendig hielte, um der gegen den Bestand der
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Monarchie gerichteten Bewegung in Serbien ein Ende zu machen, unsere Billigung
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finden würde. <B>Wir waren uns hierbei wohl bewußt, daß
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ein etwaiges kriegerisches Vorgehen Österreich-Ungarns gegen Serbien
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Rußland auf den Plan bringen und uns hiermit unserer Bundespflicht
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entsprechend in einen Krieg verwickeln könnte.</B> Wir konnten aber
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in der Erkenntnis der vitalen Interessen Österreich-Ungarns, die auf
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dem Spiele standen, unserem Bundesgenossen weder <B>zu einer mit seiner
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Würde nicht zu vereinbarenden Nachgiebigkeit</B> raten, noch auch
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ihm unseren Beistand in diesem schweren Moment versagen. Wir konnten dies
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um so weniger, als auch unsere Interessen durch die andauernde serbische
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Wühlarbeit auf das empfindlichste bedroht waren. Wenn es den Serben
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mit Rußlands und Frankreichs Hilfe noch länger gestattet geblieben
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wäre, den Bestand der Nachbarmonarchie zu gefährden, so würde
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dies den allmählichen Zusammenbruch Österreichs und eine Unterwerfung
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des gesamten Slawentums unter russisches Zepter zur Folge haben, wodurch
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die Stellung der germanischen Rasse in Mitteleuropa unhaltbar würde.
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<B>Ein moralisch geschwächtes, durch das Vordringen des russischen Panslawismus zusammenbrechendes Österreich wäre für uns
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kein Bundesgenosse mehr, mit dem wir rechnen</B> könnten und auf den
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wir uns verlassen könnten, wie wir es angesichts der immer drohender
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werdenden Haltung unserer östlichen und westlichen Nachbarn müssen.
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<B>Wir ließen daher Österreich völlig freie Hand in seiner
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Aktion gegen Serbien. </B>Wir haben an den Vorbereitungen dazu nicht teilgenommen.«</SMALL></P>
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<P>Diese Worte lagen der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion am 4.
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August vor, Worte, die die einzig wichtige ausschlaggebende Stelle des
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ganzen Weißbuchs ausmachen, bündige Erklärungen der deutschen
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Regierung, neben denen alle übrigen Gelb-, Grau-, Blau- und Orangebücher
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für die Aufklärung der diplomatischen Vorgeschichte des Krieges
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und ihrer nächsten treibenden Kräfte völlig belanglos und
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gleichgültig sind. Hier hatte die Reichstagsfraktion den Schlüssel
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zur Beurteilung der Situation in der Hand. Die gesamte sozialdemokratische
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Presse schrie eine Woche vorher, daß das österreichische Ultimatum
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eine verbrecherische Provokation des Weltkrieges wäre, und hoffte
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auf die hemmende, mäßigende Einwirkung der deutschen Regierung
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auf die Wiener Kriegshetzer. Die gesamte Sozialdemokratie und die gesamte
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deutsche Öffentlichkeit war überzeugt, daß die deutsche
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Regierung seit dem österreichischen Ultimatum im Schweiße ihres
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Angesichts für die Erhaltung des europäischen Friedens arbeitete.
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Die gesamte sozialdemokratische Presse nahm an, daß dieses Ultimatum
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für die deutsche Regierung genau so ein Blitz aus heiterem Himmel
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war, wie für die deutsche Öffentlichkeit. Das Weißbuch
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erklärte nun klipp und klar: 1. daß die österreichische
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Regierung vor ihrem Schritt gegen Serbien Deutschlands Einwilligung eingeholt
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hatte; 2. daß die deutsche Regierung sich vollkommen bewußt
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war, daß das Vorgehen Österreichs zum Kriege mit Serbien und
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im weiteren Verfolg zum europäischen Kriege führen würde;
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3. daß die deutsche Regierung Österreich nicht zur Nachgiebigkeit
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riet, sondern umgekehrt erklärte, daß ein nachgiebiges, geschwächtes
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Österreich kein würdiger Bundesgenosse mehr für Deutschland
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sein könnte; 4. daß die deutsche Regierung Österreich vor
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dessen Vorgehen gegen Serbien auf alle Fälle den Beistand im Kriege
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fest zugesichert hatte, und endlich 5. daß die deutsche Regierung
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sich bei alledem die Kontrolle über das entscheidende Ultimatum Österreichs
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|
an Serbien, an dem der Weltkrieg hing, nicht vorbehalten, sondern Österreich »völlig freie Hand gelassen hatte«.</P>
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<P>Dies alles erfuhr unsere Reichstagsfraktion am 4. August. Und noch eine
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neue Tatsache erfuhr sie aus dem Munde der Regierung am gleichen Tage:
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daß die deutschen Heere bereits in Belgien einmarschiert waren. Aus
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alledem schloß die sozialdemokratische Fraktion, daß es sich
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um einen Verteidigungskrieg Deutschlands gegen eine fremde Invasion, um
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die Existenz des Vaterlandes, um Kultur und einen Freiheitskrieg gegen
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den russischen Despotismus handle.</P>
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<P>Konnte der deutsche Hintergrund des Krieges und die ihn notdürftig
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verdeckende Kulisse, konnte das ganze diplomatische Spiel, das den Kriegsausbruch
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umrankte, das Geschrei von der Welt von Feinden, die alle Deutschland nach
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dem Leben trachten, es schwächen, erniedrigen, unterjochen wollen,
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konnte das alles für die deutsche Sozialdemokratie eine Überraschung
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sein, an ihr Urteilsvermögen, an ihren kritischen Scharfsinn zu hohe
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|
Anforderungen stellen? Gerade für unsere Partei am allerwenigsten!
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|
Zwei große deutsche Kriege hatte sie bereits erlebt und aus beiden
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|
denkwürdige Lehren schöpfen können.</P>
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<P>Jeder Abc-Schütze der Geschichte weiß heute, daß der
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|
erste Krieg von 1866 gegen Österreich von Bismarck planmäßig
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von langer Hand vorbereitet war, daß seine Politik von der ersten
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|
Stunde an zum Bruch, zum Krieg mit Österreich führte. Der Kronprinz
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und nachmalige Kaiser Friedrich selbst hat in seinem Tagebuch unter dem
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|
14. November jenes Jahres diese Absicht des Kanzlers niedergeschrieben:</P>
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<P><SMALL>»Er (Bismarck) habe bei Übernahme seines Amtes
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den festen Vorsatz gehabt, Preußen zum Krieg mit Österreich
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|
zu bringen, aber sich wohl gehütet, damals oder überhaupt zu
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|
früh mit Seiner Majestät davon zu sprechen, bis er den Zeitpunkt
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|
für geeignet angesehen.« </SMALL></P>
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|
<P><SMALL>»Mit dem Bekenntnis« ­ sagt Auer in seiner
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|
Broschüre »Die Sedanfeier und die Sozialdemokratie« ­ »vergleiche man nun den Wortlaut des Aufrufs, den König Wilhelm
|
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|
'an sein Volk' richtete:</SMALL></P>
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<UL>
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<P><SMALL>Das Vaterland ist in Gefahr!</SMALL></P>
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<P><SMALL>Österreich und ein großer Teil Deutschlands
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|
steht gegen dasselbe in Waffen!</SMALL></P>
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<P><SMALL>Nur wenige Jahre sind es her, seit ich aus freiem Entschlusse
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|
und ohne früherer Unbill zu gedenken, dem Kaiser von Österreich
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|
die Bundeshand reichte, als es galt, ein deutsches Land von fremder Herrschaft
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|
zu befreien. ­ ­ Aber Meine Hoffnung ist getäuscht worden.
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|
Österreich will nicht vergessen, daß seine Fürsten einst
|
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|
Deutschland beherrschten: in dem jüngeren, aber kräftig sich
|
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|
entwickelnden Preußen will es keinen natürlichen Bundesgenossen,
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|
sondern nur einen feindlichen Nebenbuhler erkennen. Preußen ­
|
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|
so meint es ­ muß in allen seinen Bestrebungen bekämpft
|
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|
werden, weil, was Preußen frommt, Österreich schade. Die alte
|
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|
unselige Eifersucht ist in hellen Flammen wieder aufgelodert: <B>Preußen
|
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|
soll geschwächt, vernichtet, entehrt werden.</B> Ihm gegenüber
|
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|
gelten keine Verträge mehr, gegen Preußen werden deutsche Bundesfürsten
|
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|
nicht bloß aufgerufen, sondern zum Bundesbruch verleitet. Wohin wir
|
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|
in Deutschland schauen, sind wir von Feinden umgeben, deren Kampfgeschrei
|
|||
|
ist: Erniedrigung Preußens.</SMALL></P>
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</UL>
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<P><SMALL>Um für diesen gerechten Krieg den Segen des Himmels
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|
zu erflehen, erließ König Wilhelm für den 18. Juni die
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|
Anordnung eines allgemeinen Landes-Bet- und Bußtages, worin er sagte:
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|
'Es hat Gott nicht gefallen, Meine Bemühungen, die Segnungen des Friedens
|
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|
Meinem Volke zu erhalten, mit Erfolg zu krönen.'«</SMALL></P>
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|
<P>Mußte unserer Fraktion, wenn sie ihre eigene Parteigeschichte
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|
nicht gänzlich vergessen hatte, die offizielle Begleitmusik des Kriegsausbruchs
|
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|
am 4. August nicht wie eine lebhafte Erinnerung an längst bekannte
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|
Melodien und Worte vorkommen?</P>
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<DIV ALIGN="LEFT">
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|
<P>Aber nicht genug. Im Jahre 1870 folgte der Krieg mit Frankreich, und
|
|||
|
mit dessen Ausbruch ist in der Geschichte ein Dokument unauflöslich
|
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|
verknüpft: die <B>Emser Depesche</B>, ein Dokument, das für alle
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|||
|
bürgerliche Staatskunst im Kriegmachen ein klassisches Erkennungswort
|
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|
geworden ist und das auch eine denkwürdige Episode in der Geschichte
|
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|
unserer Partei bezeichnet. Es war ja der alte Liebknecht, es war die deutsche
|
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|
Sozialdemokratie, die damals für ihre Aufgabe und ihre Pflicht hielt,
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|
aufzudecken und den Volksmassen zu zeigen: »Wie Kriege gemacht werden.«</P>
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</DIV>
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|
<P>Das »Kriegmachen« einzig und allein zur Verteidigung des bedrohten
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|
Vaterlandes war übrigens nicht Bismarcks Erfindung. Er befolgte nur
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|
mit der ihm eigenen Skrupellosigkeit ein altes, allgemeines, wahrhaft internationales
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|
Rezept der bürgerlichen Staatskunst. Wann und wo hat es denn einen
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|
Krieg gegeben, seit die sogenannte öffentliche Meinung bei den Rechnungen
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|
der Regierungen eine Rolle spielt, in dem nicht jede kriegführende
|
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|
Partei einzig und allein zur Verteidigung des Vaterlandes und der eigenen
|
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|
gerechten Sache vor dem schnöden Überfall des Gegners schweren
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|
Herzens das Schwert aus der Scheide zog? Die Legende gehört so gut
|
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|
zum Kriegführen wie Pulver und Blei. Das Spiel ist alt. Neu ist nur,
|
|||
|
daß eine sozialdemokratische Partei an diesem Spiel teilgenommen
|
|||
|
hat.</P>
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<!-- #EndEditable -->
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<HR size="1" align="left" width="200">
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|
<P><SMALL>Quelle: »die nicht mehr existierende Website "Unser Kampf" auf fr<66>her "http://felix2.2y.net/deutsch/index.html"«<BR>
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|
Pfad: »../lu/«<BR>
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|
Verknüpfte Dateien: »<A href="http://www.mlwerke.de/css/format.css">../css/format.css</A>«</SMALL>
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<HR size="1">
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<TABLE width="100%" border="0" align="center" cellspacing=0 cellpadding=0>
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<TR>
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<TD align="center" width="19%" height=20 valign=middle><A href="../index.shtml.html"><SMALL>MLWerke</SMALL></A></TD>
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<TD align="center"><B>|</B></TD>
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<TD align="center" width="19%" height=20 valign=middle><!-- #BeginEditable "Link%201b" --><A href="luf_1.htm"><SMALL>Teil</SMALL> 1</A><!-- #EndEditable --></TD>
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<TD align="center">|</TD>
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<TD align="center" width="19%" height=20 valign=middle><A href="luf.htm"><SMALL>Inhalt</SMALL></A></TD>
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<TD align="center">|</TD>
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|||
|
<TD align="center" width="19%" height=20 valign=middle><!-- #BeginEditable "Link%202b" --><A href="luf_3.htm"><SMALL>Teil 3</SMALL></A><!-- #EndEditable --></TD>
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|
<TD align="center"><B>|</B></TD>
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|
<TD align="center" width="19%" height=20 valign=middle><A href="default.htm"><SMALL>Rosa Luxemburg</SMALL></A></TD>
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