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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<TITLE>Karl Marx - Abolitionistische Kundgebung in Amerika</TITLE>
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<P ALIGN="CENTER"><A HREF="../me_ak62.htm"><FONT SIZE=2>Inhaltsverzeichnis Artikel und Korrespondenzen 1862</FONT></A></P>
<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 15, 4. Auflage 1972, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 530-533.</P>
<P>1. Korrektur.<BR>
Erstellt am 25.10.1998.</P>
</FONT><H2>Karl Marx </H2>
<H1>Abolitionistische Kundgebungen in Amerika </H1>
<FONT SIZE=2><P>Geschrieben am 22. August 1862.</P>
</FONT><P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["Die Presse" Nr. 239 vom 30. August 1862] </P>
</FONT><B><P><A NAME="S530">|530|</A></B> <A HREF="me15_524.htm#S525">Es wurde fr&uuml;her in diesen Bl&auml;ttern bemerkt</A>, da&szlig; Pr&auml;sident<I> Lincoln</I>, juristisch &auml;ngstlich, konstitutionell vermittelnd, von Geburt ein B&uuml;rger des Grenzsklavenstaates<I> Kentucky</I>, nur m&uuml;hsam sich der Kontrolle der "loyalen" Sklavenhalter entzieht, jeden offenen Bruch mit ihnen zu vermeiden sucht und eben dadurch einen Konflikt mit den prinzipiell konsequenten, durch die Ereignisse mehr und mehr in den Vordergrund gedr&auml;ngten Parteien des Nordens hervorruft, Als Prolog dieses Konflikts kann die Rede betrachtet werden, die<I> Wendell Phillips</I> zu Abington in<I> Massachusetts</I> hielt, bei Gelegenheit der Jahresfeier der Sklavenemanzipation im englischen Westindien.<I> </P>
<P>Wendell Phillips</I> ist, nebst<I> Garrison</I> und<I> G. Smith</I>, der Chef der Abolitionisten in Neuengland. W&auml;hrend drei&szlig;ig Jahren hat er unausgesetzt und unter Lebensgefahr die Emanzipation der Sklaven als Schlachtparole verk&uuml;ndet, gleich r&uuml;cksichtslos gegen die Persiflage der Presse, den Wutschrei bezahlter rowdies und die vermittelnden Vorstellungen besorgter Freunde. Als einer der gr&ouml;&szlig;ten Redner des Nordens, als eiserner Charakter, gewaltsame Energie und reinste Gesinnung vereinend, ist er selbst von seinen Gegnern anerkannt. Die Londoner "Times" - und was k&ouml;nnte schlagender dies gro&szlig;herzige Blatt charakterisieren? - denunzieren Wendell Phillips' Rede zu Abington heute der Regierung von Washington. Sie sei ein "Mi&szlig;brauch" der Redefreiheit. </P>
<FONT SIZE=2><P>"Es ist", sagen die "Times", "unm&ouml;glich, etwas gewaltsam Ma&szlig;loseres zu ersinnen. Niemals in Zeiten eines B&uuml;rgerkrieges ist so Tollk&uuml;hnes gesagt worden in irgendeinem Lande durch irgendeinen Mann, der bei gesundem Verstand war und <A NAME="S531"><B>|531|</A></B> sein Leben oder seine Freiheit einen Pfifferling wert achtete. Beim Durchlesen jener Rede kann man kaum die Schlu&szlig;folgerung vermeiden, da&szlig; es der Zweck des Redners war, eine Verfolgung von seiten der Regierung zu erzwingen." </P>
</FONT><P>Und die "Times", trotz oder vielleicht wegen ihres Hasses gegen die Unionsregierung, scheine<6E> gar nicht abgeneigt, die Rolle des &ouml;ffentlichen Ankl&auml;gers zu &uuml;bernehmen! </P>
<P>Wendell Phillips' Rede zu Abington ist bei der gegenw&auml;rtigen Lage der Dinge von gr&ouml;&szlig;erer Wichtigkeit als ein Schlachtbulletin. Wir fassen daher die schlagendsten Stellen derselben zusammen. </P>
<FONT SIZE=2><P>"Die Regierung", hei&szlig;t es unter anderm, "ficht f&uuml;r die Erhaltung der Sklaverei, und darum ficht sie umsonst. Lincoln f&uuml;hrt einen politischen Krieg. Noch heutigen Tages f&uuml;rchtet er sich mehr vor Kentucky als vor dem ganzen Norden. Er glaubt an den S&uuml;den. Die Neger auf den s&uuml;dlichen Schlachtfeldern, wenn befragt, ob der Regen von Kanonenkugeln und Bomben, die ringsum die Erde aufrissen und die B&auml;ume zersplitterten, sie nicht erschrecke, antworteten 'nein, Massa; wir wissen, da&szlig; sie nicht f&uuml;r uns bestimmt sind!' So k&ouml;nnen die Rebellen von McClellans Bomben sagen. Sie wissen, da&szlig; sie nicht bestimmt sind, ihnen weh zu tun. Ich sage nicht, da&szlig; McClellan ein Verr&auml;ter ist, aber ich sage, da&szlig;, wenn er ein Verr&auml;ter w&auml;re, er genau handeln m&uuml;&szlig;te, wie er gehandelt hat. F&uuml;rchtet nicht f&uuml;r Richmond, McClellan wird es nicht nehmen. Wird der Krieg in dieser Weise, ohne vern&uuml;nftigen Zweck, fortgef&uuml;hrt, so ist er eine nutzlose Vergeudung von Blut und Gold. Besser w&auml;re es, der S&uuml;den w&auml;re heute unabh&auml;ngig, als noch ein einziges Menschenleben aufs Spiel zu setzen f&uuml;r einen Krieg, beruhend auf der gegenw&auml;rtigen, verabscheuungsw&uuml;rdigen Politik. Um den Krieg in der bisherigen Weise fortzuf&uuml;hren, bedarf es 125.000 Mann j&auml;hrlich und eine Million Dollars t&auml;glich. Aber ihr k&ouml;nnt den S&uuml;den nicht loswerden. Wie Jefferson von der Sklaverei sagte: </P>
<P>'Die s&uuml;dlichen Staaten haben den Wolf bei den Ohren, aber weder k&ouml;nnen sie ihn halten noch laufen lassen', so haben wir den S&uuml;den bei den Ohren und k&ouml;nnen ihn weder halten noch laufen lassen. Erkennt ihn morgen an, und ihr werdet keinen Frieden haben. W&auml;hrend 80 Jahren hat er mit uns gelebt, in Furcht vor uns w&auml;hrend der ganzen Zeit, mit Ha&szlig; gegen uns w&auml;hrend der halben Zeit, stets uns beunruhigend und verl&auml;sternd. &Uuml;berm&uuml;tig durch das Zugest&auml;ndnis seiner jetzigen Anspr&uuml;che, w&uuml;rde er sich nicht ein Jahr innerhalb einer imagin&auml;ren Grenzlinie halten, - nein, den Augenblick, wo wir von Friedensbedingungen sprechen, wird er Sieg! schreien. Wir werden nie Frieden haben, bevor die Sklaverei ausgerottet ist. So lange ihr die jetzige Schildkr&ouml;te an der Spitze unserer Regierung haltet, macht ihr ein Loch mit der einen Hand, um es mit der andern zu f&uuml;llen. La&szlig;t die ganze Nation die Beschl&uuml;sse der New-Yorker Handelskammer eudorsieren, und dann wird die Armee etwas haben, wof&uuml;r es sich lohnt, zu k&auml;mpfen. H&auml;tte Jefferson Davis die Macht, er w&uuml;rde Washington nicht wegnehmen. Er wei&szlig;, da&szlig; die Bombe, die in dies Sodom fiele, die ganze Nation wachrufen w&uuml;rde. <A NAME="S532"><B>|532|</A></B> Der ganze Norden w&uuml;rde mit einer Stimme donnern: 'Nieder mit der Sklaverei, nieder mit allem, was der Rettung der Republik im Wege steht!' Jefferson Davis ist durch seine Erfolge ganz befriedigt. Sie sind gr&ouml;&szlig;er als er antizipierte, viel gr&ouml;&szlig;er! Kann er auf ihnen fortschwimmen bis zum 4. M&auml;rz 1863, so wird England, und das ist in der Ordnung, die s&uuml;dliche Konf&ouml;deration anerkennen ... Der Pr&auml;sident hat den Konfiskationsakt nicht ausgef&uuml;hrt. Er mag ehrlich sein, aber was hat seine Ehrlichkeit mit der Sache zu tun! Er hat weder Einsicht noch Vorsicht. Als ich zu Washington war, vergewisserte ich mich, da&szlig; Lincoln vor drei Monaten die Proklamation zu einer allgemeinen Sklavenemanzipation geschrieben hatte, und da&szlig; McClellan ihn aus seinem Entschlu&szlig; wegpolterte, und da&szlig; die Repr&auml;sentanten von Kentucky ihn in die Beibehaltung McClellans, dem er kein Vertrauen schenkt, hineinpolterten. Der Jahre wird es bed&uuml;rfen, damit Lincoln seine gesetzlichen Advokatenskrupel mit den Anforderungen des B&uuml;rgerkrieges vereinen lerne. Das ist die schreckliche Bedingung einer demokratischen Regierung und ihr gr&ouml;&szlig;tes &Uuml;bel. </P>
<P>In Frankreich w&uuml;rden 100 M&auml;nner, vom guten Recht &uuml;berzeugt, die Nation mit sich fortrei&szlig;en; aber damit unsere Regierung einen Schritt tue, m&uuml;ssen sich vorher 19 Millionen in Bewegung setzen. Und wie vielen von diesen Millionen ist jahrelang eingepredigt worden, da&szlig; die Sklaverei ein von Gott eingesetztes Institut! Mit diesen Vorurteilen, mit paralysierten H&auml;nden und Herzen, fordert ihr den Pr&auml;sidenten auf, euch vor dem Neger zu retten! Wenn diese Theorie richtig, kann nur sklavenhaltender Despotismus einen tempor&auml;ren Frieden geben ... Ich kenne Lincoln. Ich habe in Washington sein Ma&szlig; genommen. Er ist eine Mittelm&auml;&szlig;igkeit erster Klasse ("a first-rate second-rate man"). Er wartet ehrlich, wie ein anderer Besen darauf, da&szlig; die Nation ihn in die Hand nimmt, und durch ihn die Sklaverei wegfegt ... In vergangenen Jahren, nicht weit von der Trib&uuml;ne, auf der ich jetzt spreche, feuerten die Whigs B&ouml;ller ab, um meine Stimme zu ersticken, und was ist das Resultat? </P>
<P>Die S&ouml;hne dieser Whigs f&uuml;llen jetzt ihr eigenes Grab in den Marschs&uuml;mpfen des Chickahominy! L&ouml;st diese Union in Gottes Namen auf und setzt eine andere an ihre Stelle, auf deren Eckstein geschrieben steht: 'Politische Gleichheit f&uuml;r alle Weltb&uuml;rger.' ... W&auml;hrend meines Aufenthaltes in Chicago fragte ich Juristen von Illinois, unter denen Lincoln praktiziert hatte, welche Sorte Mann er sei? Ob er Nein sagen k&ouml;nne? Die Antwort war: 'Es fehlt ihm am R&uuml;ckrat. Wollten die Amerikaner einen zum Leiten, zur Initiative absolut unf&auml;higen Mann w&auml;hlen, so mu&szlig;ten sie Abraham Lincoln w&auml;hlen. Nie hat ein Mensch ihn Nein! sagen h&ouml;ren.' Ich frug: Ist McClellan ein Mann, der Nein! sagen kann? Der Direktor der Chicago-Zentral-Eisenbahn, an der McClellan angestellt war, antwortete: 'Er ist unf&auml;hig zu entscheiden. Stelle ihm eine Frage, und es dauert eine Stunde, bis er sich auf die Antwort besinnt. Solange er mit der Verwaltung der Zentral-Eisenbahn zu tun, hat er niemals eine einzige wichtige Streitfrage entschieden.' </P>
<P>Und das sind die zwei M&auml;nner, die jetzt vor allen andern das Geschick der n&ouml;rdlichen Republik in ihren H&auml;nden halten! Mit dem Stand der Armee bestvertraute M&auml;nner versichern, da&szlig; Richmond f&uuml;nfmal genommen werden konnte, h&auml;tte der Nichtstuer an der Spitze der Armee des Potomac es erlaubt; aber er zog vor, Dreck in <A NAME="S533"><B>|533|</A></B> den Chickahominy-S&uuml;mpfen aufzugraben, um dann die Lokalit&auml;t und seine Dreckw&auml;lle schm&auml;hlich zu verlassen. Lincoln, aus feiger Furcht vor den Grenzsklavenstaaten, h&auml;lt diesen Mann in seiner gegenw&auml;rtigen Position; aber der Tag wird kommen, an dem Lincoln gestehen wird, da&szlig; er niemals McClellan geglaubt hat ... La&szlig;t uns hoffen, da&szlig; der Krieg lang genug dauert, um uns in M&auml;nner zu verwandeln, und dann werden wir rasch siegen. Gott hat in unsere Hand den Donnerkeil der Emanzipation gelegt, um diese Rebellion zu zerschmettern ... " </P>
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