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<TITLE>Karl Liebknecht - Was will der Spartakusbund?</TITLE>
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<H2>Karl Liebknecht</H2>
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<H1> <!-- #BeginEditable "Titel" -->Was will der Spartakusbund?<!-- #EndEditable --></H1>
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<P><!-- #BeginEditable "Nachweis" --><SMALL>Rede in einer Versammlung in der Hasenheide in Berlin, 23. Dezember 1918</SMALL><!-- #EndEditable --></P>
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<P>Wir müssen uns in diesem Augenblick vor allem völlige Klarheit über die Ziele
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unserer Politik verschaffen. Wir bedürfen eines genauen Einblickes in den Gang
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der Revolution; wir haben zu erkennen, was sie bisher gewesen ist, um zu
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begreifen, worin ihre zukünftige Aufgabe bestehen wird.
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<P>Bis jetzt ist die deutsche Revolution nichts anderes gewesen als ein Versuch
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zur Überwindung des Krieges und seiner Folgen. Ihr erster Schritt war daher der
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Abschluß eines Waffenstillstandes mit den feindlichen Mächten und der Sturz der
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Führer des alten Systems. Die nächste Aufgabe aller entschiedenen Revolutionäre
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besteht darin, diese Errungenschaften aufrechtzuerhalten und sie zu erweitern.
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<P>Wir sehen, daß der Waffenstillstand, über den die gegenwärtige Regierung mit
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den feindlichen Mächten verhandelt, von diesen zur Erdrosselung Deutschlands
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benutzt wird. Das aber ist mit den Zielen des Proletariats unvereinbar; denn
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eine solche Erdrosselung würde weder mit dem Ideal eines dauernden noch eines
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menschenwürdigen Friedens übereinstimmen.
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<P>Nicht ein Friede des Augenblicks, nicht ein Friede der Gewalt, sondern ein
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Friede der Dauer und des Rechts, das ist das Ziel des deutschen wie des
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internationalen Proletariats. Aber es ist nicht das Ziel der gegenwärtigen
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Regierung, die, ihrem ganzen Wesen entsprechend, mit den imperialistischen
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Regierungen der Entente lediglich einen Frieden des Augenblicks zu schließen
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vermag; und zwar deshalb, weil sie es verabsäumt, an die Fundamente des Kapitals
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zu rühren.
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<P>Solange der Kapitalismus besteht, sind - das wissen alle Sozialisten sehr
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wohl - Kriege unvermeidlich. Welche Ursachen sind es gewesen, die zum Weltkriege
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getrieben haben? Die Herrschaft des Kapitalismus bedeutet die Ausbeutung des
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Proletariats; sie bedeutet eine ständige und ungehemmte Ausdehnung des
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Kapitalismus auf dem Weltmarkt. Hier stoßen in scharfem Kontrast die
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kapitalistischen Mächte der verschiedenen nationalen Gruppen zusammen. Und
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dieser wirtschaftliche Zusammenstoß führt mit Notwendigkeit zuletzt zu einem
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Zusammenstoß der politischen und militärischen Waffen - zum Kriege. Man will uns
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jetzt mit der Idee des Völkerbundes zu beruhigen suchen, der einen dauernden
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Frieden zwischen den verschiedenen Staaten herbeiführen soll. Als Sozialisten
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sind wir uns völlig klar darüber, daß ein solcher Völkerbund nichts anderes ist
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als ein Bündnis der herrschenden Klassen der verschiedenen Staaten untereinander
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- ein Bündnis, das seinen kapitalistischen Charakter nicht verleugnen kann,
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gegen das internationale Proletariat gerichtet ist und einen dauernden Frieden
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nie zu garantieren vermag.
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<P>Die Konkurrenz, das Wesen der kapitalistischen Produktion, bedeutet für uns
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Sozialisten Brudermord; wir aber fordern im Gegensatz dazu die internationale
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Gemeinsamkeit der Menschen. Nur der Wille des Proletariats ist auf einen
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dauernden und menschenwürdigen Frieden gerichtet; nie und nimmer kann der
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Imperialismus der Entente dem deutschen Proletariat diesen Frieden geben; ihn
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wird es von seinen Arbeitsbrüdern in Frankreich, Amerika und Italien erhalten.
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Den Weltkrieg durch einen dauernden und menschenwürdigen Frieden abzuschließen,
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das also allein vermag die Tatbereitschaft des internationalen Proletariats. So
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lehrt es uns unsere sozialistische Grundauffassung.
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<P>Jetzt, nach diesem ungeheuren Morden, gilt es fürwahr ein Werk aus einem
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einzigen Guß zu schaffen. Die ganze Menschheit ist in den glühenden
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Schmelztiegel des Weltkrieges geworfen worden. Das Proletariat hält den Hammer
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in der Hand, um daraus eine neue Welt zu formen.
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<P>Nicht nur unter dem Kriege und seiner Verwüstung leidet das Proletariat,
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sondern im Prinzip an der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, der wahren
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Ursache dieses Krieges. Die kapitalistische Gesellschaftsordnung zu beseitigen,
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das ist die einzige Rettung des Proletariats aus dem dunklen Verhängnis seines
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Schicksals.
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<P>Wie aber kann dieses Ziel erreicht werden ? Zur Beantwortung dieser Frage ist
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es nötig, sich völlig klar darüber zu sein, daß nur das Proletariat selbst in
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eigener Tat sich aus seiner Knechtschaft erlösen kann. Man hat uns gesagt: Die
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Nationalversammlung ist der Weg zur Freiheit. Die Nationalversammlung bedeutet
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aber nichts anderes als eine formelle politische Demokratie. Sie bedeutet
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durchaus nicht diejenige Demokratie, die der Sozialismus stets gefordert hat.
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Der Wahlzettel ist sicherlich nicht der Hebel, mit dem die Macht der
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kapitalistischen Gesellschaftsordnung aus den Fugen gehoben werden kann. Wir
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wissen, daß eine Reihe von Staaten diese formale Demokratie der
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Nationalversammlung seit langem besitzt, Frankreich, Amerika, Schweiz. Aber
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gleichwohl herrscht auch in diesen Demokratien das Kapital.
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<P>Es ist keine Frage, daß sich bei den Wahlen zur Nationalversammlung der
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Einfluß des Kapitals, seine wirtschaftlich organisierte Überlegenheit in
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höchstem Maße geltend machen wird. Große Massen der Bevölkerung werden sich
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unter dem Druck und Einfluß dieser Überlegenheit in Gegensatz zu sich selbst, in
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Gegensatz zu ihren eigenen und wahren Interessen setzen und ihre Stimmen ihren
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Feinden geben. Schon aus diesem Grunde wird die Nationalversammlung niemals ein
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Sieg des sozialistischen Willens sein. Es ist völlig verkehrt, zu glauben, daß
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in der formalen Demokratie des Parlaments die sichere Voraussetzung und
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Bedingung für die Verwirklichung des Sozialismus gegeben sei. Vielmehr ist
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gerade umgekehrt erst der verwirklichte Sozialismus die grundlegende
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Voraussetzung für eine wahre Demokratie. Das revolutionäre deutsche Proletariat
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kann von einer Wiedergeburt des alten Reichstages in der neuen Form der
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Nationalversammlung nichts für seine Ziele erwarten; denn diese
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Nationalversammlung wird den gleichen Charakter tragen wie die alte
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»Schwatzbude« am Königsplatz. Wir werden in ihr sicherlich alle die alten
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Herrschaften wiederfinden, die dort vor dem Kriege und während des Krieges die
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Geschicke des deutschen Volkes in so verhängnisvoller Weise zu bestimmen
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suchten. Und wahrscheinlich ist es auch, daß die bürgerlichen Parteien in dieser
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Nationalversammlung die Mehrheit haben werden. Aber selbst, wenn das nicht der
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Fall sein sollte, wenn die Nationalversammlung mit einer sozialistischen
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Mehrheit die Sozialisierung der deutschen Wirtschaft beschließen sollte, so wird
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ein solcher parlamentarischer Beschluß ein papiernes Dekret bleiben und an dem
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energischsten Widerstand der Kapitalisten scheitern. Nicht im Parlament, nicht
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mit seinen Methoden kann der Sozialismus verwirklicht werden; hier ist einzig
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und allein der außerparlamentarische, revolutionäre Kampf des Proletariats
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entscheidend. Nur durch ihn ist das Proletariat imstande, die Gesellschaft nach
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seinem Willen zu formen.
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<P>Die kapitalistische Gesellschaft ist ihrem Wesen nach nichts anderes als die
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mehr oder minder verhüllte Herrschaft der Gewalt. Ihre Absicht geht jetzt dahin,
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zu den gesetzlichen Zuständen der früheren »Ordnung« zurückzukehren und die
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Revolution, die das Proletariat gemacht hat, als einen ungesetzlichen Vorgang,
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gleichsam als ein geschichtliches Mißverhältnis zu diskreditieren und zu
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beseitigen. Aber nicht umsonst hat das Proletariat die schwersten Opfer in dem
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blutigen Kriege gebracht; wir, die Vorkämpfer der Revolution, werden uns nicht
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von unserem Platz verdrängen lassen. Wir bleiben so lange am Leben, bis wir die
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Macht des Sozialismus fundiert haben.
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<P>Die politische Macht, die sich das Proletariat am 9. November erobert hat,
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ist ihm zum Teil schon wieder entrissen worden; entrissen worden ist ihm vor
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allen Dingen die Macht, die entscheidenden Stellen in der Staatsverwaltung durch
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die Männer seines Vertrauens zu besetzen. Auch der Militarismus, gegen dessen
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Herrschaft wir uns erhoben, ist noch am Leben. Wir kennen sehr wohl die
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Ursachen, die dazu geführt haben, das Proletariat aus seinen Positionen zu
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verdrängen. Wir wissen, daß die Soldatenräte zu Beginn der revolutionären
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Entwicklung die Situation nicht immer klar gesehen haben. Es haben sich in ihre
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Reihe zahlreiche schlaue Rechner eingeschlichen, Konjunkturrevolutionäre,
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Feiglinge, die nach dem Niederbruch der alten Macht sich an die neue
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anschlossen, um hier ihre bedrohte Existenz zu salvieren. In zahlreichen Fällen
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übergaben die Soldatenräte solchen Leuten verantwortungsvolle Stellungen und
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machten dadurch den Bock zum Gärtner. Andererseits hat die gegenwärtige
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Regierung die alte Kommandogewalt wiederhergestellt und auf diese Weise den
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Offizieren die Macht zurückgegeben.
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<P>Wenn jetzt allenthalben in Deutschland ein chaotisches Durcheinander
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herrscht, so trägt die Verantwortung dafür nicht die Revolution, die die Macht
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der herrschenden Klassen zu beseitigen suchte, sondern diese herrschenden
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Klassen selbst und der Brand des Krieges, der von den herrschenden Klassen
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entzündet worden ist. »Ordnung und Ruhe muß herrschen&rlquo;, so ruft uns die
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Bourgeoisie zu, und sie meint damit, daß das Proletariat vor ihr kapitulieren
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solle, um diese Ordnung und Ruhe wiederherzustellen; daß das Proletariat seine
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Macht in die Hände derjenigen zurückgeben solle, die jetzt unter der Maske der
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Revolution die Gegenrevolution vorbereiten. Gewiß, eine revolutionäre Bewegung
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läßt sich nicht auf glattem Parkettboden durchführen; es setzt Splitter und
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Späne in dem Kampfe um eine neue und höhere Ordnung der Gesellschaft und einen
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dauernden Frieden der Menschheit.
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<P>Dadurch, daß die Regierung den alten Generälen und Offizieren die
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Kommandogewalt zu dem Zwecke der Demobilisation der Armee zurückgegeben hat, hat
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sie die Demobilisation erschwert und zerrüttet. Sicherlich hätte sich die
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Demobilisation weit ruhiger und ordnungsmäßiger gestaltet, wenn sie der freien
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Disziplin der Soldaten überlassen worden wäre. Dagegen haben die Generäle, mit
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der Autorität der Volksregierung ausgerüstet, auf alle Weise versucht, die
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Soldaten mit Haß gegen die Regierung zu erfüllen. Sie haben die Soldatenräte
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eigenmächtig abgesetzt, sie haben schon in den ersten Tagen der Revolution das
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Tragen von roten Fahnen verboten und die roten Fahnen von öffentlichen Gebäuden
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herunterreißen lassen. Alle diese Vorgänge kommen auf das Schuldkonto der
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Regierung, die, um die »Ordnung« der Bourgeoisie aufrechtzuerhalten, in Wahrheit
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die Revolution erstickt, wenn es sein muß, in Blut.
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<P>Und da wagt man, uns anzuklagen, daß wir es seien, die den Terror, den
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Bürgerkrieg und das Blutvergießen wollen; da wagt man, uns zuzumuten, wir
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sollten auf unsere revolutionäre Aufgabe verzichten, damit die Ordnung unserer
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Gegner wiederaufgerichtet werde! Nicht wir sind es, die Blutvergießen wollen.
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Aber sicher ist es, daß die Reaktion, sobald sie die Macht dazu hat, sich keinen
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Augenblick besinnen wird, die Revolution im Blut zu ersticken. Erinnern wir uns
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doch ihrer grausamen und niederträchtigen Schandtaten, mit denen sie sich noch
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vor wenigen Wochen und Monaten besudelte. In der Ukraine hat sie Henkersarbeit
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verrichtet, in Finnland hat sie Tausende von Arbeitern gemordet - das sind die
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Blutspuren an den Händen des deutschen Imperialismus, dessen Wortführer uns
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revolutionäre Sozialisten jetzt der Propaganda des Terrors und des Bürgerkrieges
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in ihrer lügenhaften Presse verdächtigen.
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<P>Nein! Wir wollen, daß sich der Umbau der Gesellschaft und der Wirtschaft ohne
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Unordnung und in aller Friedlichkeit vollziehe. Und wenn Unordnung und
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Bürgerkrieg entstehen sollten, so werden einzig und allein diejenigen die Schuld
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tragen, die ihre Herrschaft und ihren Profit stets mit Waffengewalt befestigt
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und erweitert haben und die auch jetzt wieder versuchen, das Proletariat unter
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ihr Joch zu beugen.
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<P>Also nicht zur Gewalt und nicht zum Blutvergießen rufen wir das Proletariat
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auf; aber wir rufen es auf zu revolutionärer Tatbereitschaft und zur Entfaltung
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all seiner Energie, auf daß es den Neubau der Welt in seine Hände nehme. Wir
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rufen die Massen der Soldaten und Proletarier dazu auf, an dem Ausbau der
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Soldaten- und Arbeiterräte tatkräftig fortzuwirken. Wir rufen sie dazu auf, die
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herrschenden Klassen zu entwaffnen, sich selbst aber zu bewaffnen zum Schutze
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der Revolution und zur Sicherung des Sozialismus. Das allein gibt uns die Gewähr
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für die Erhaltung und für den Ausbau der Revolution im Sinne der unterdrückten
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Volksklassen. Das revolutionäre Proletariat darf keinen Augenblick mehr zögern,
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die bürgerlichen Elemente aus allen ihren politischen und sozialen
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Machtstellungen zu entfernen; es muß die ganze Macht selbst in seine Hände
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nehmen. Gewiß, wir werden zur Durchführung der Sozialisierung des
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Wirtschaftslebens die Mitwirkung auch der bürgerlichen Intelligenz, der
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Fachmänner, der Ingenieure brauchen; aber sie werden unter Kontrolle des
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Proletariats ihre Arbeit verrichten.
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<P>Von allen diesen dringendsten Aufgaben der Revolution hat die gegenwärtige
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Regierung noch nicht eine einzige in Angriff genommen. Dagegen hat sie alles
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getan, um die Revolution zurückzubremsen. Jetzt hören wir, daß unter ihrer
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Mitwirkung draußen auf dem Lande Bauernräte gewählt werden, Räte derjenigen
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Bevölkerungsschicht, die stets zu den rückständigsten und erbittertsten Feinden
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des Proletariats gehört hat und die bis auf den heutigen Tag der heftigste Feind
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des ländlichen Proletariats geblieben ist. All diesen Machenschaften müssen die
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Revolutionäre fest und entschlossen entgegentreten. Sie müssen von ihrer Macht
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Gebrauch machen und vor allem mit der Sozialisierung energisch und sicher
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beginnen.
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<P>Der erste Schritt wird darin bestehen, daß die Waffenlager und die gesamte
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Rüstungsindustrie vom Proletariat mit Beschlag belegt werden. Dann müssen die
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industriellen und landwirtschaftlichen Großbetriebe in den Besitz der
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Gesellschaft überführt werden. Es kann kein Zweifel bestehen, daß sich diese
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sozialistische Umschaltung der Produktion bei der hohen und stark
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zentralisierten Form dieser Wirtschaftsgebilde in Deutschland verhältnismäßig
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leicht und schnell vollziehen läßt. Wir besitzen ferner ein bereits
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hochentwickeltes Genossenschaftswesen, an dem vor allem auch der Mittelstand
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interessiert ist. Auch dies ist ein geeignetes Mittel zu einer wirksamen
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Durchführung des Sozialismus.
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<P>Wir sind uns völlig klar darüber, daß es sich bei dieser Sozialisierung um
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einen langen und großen Prozeß handelt. Wir verhehlen uns keineswegs die
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Schwierigkeiten, die dieser Aufgabe entgegenstehen, zumal in der gefährlichen
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Situation, in der sich unser Volk jetzt befindet. Aber glaubt jemand allen
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Ernstes, daß sich die Menschen den geeigneten Zeitpunkt für eine Revolution und
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für die Verwirklichung des Sozialismus nach ihrem Gutdünken und Belieben
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auszusuchen vermögen? So ist der Gang der Weltgeschichte wahrlich nicht! Jetzt
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geht es nicht an zu erklären: Für heute und morgen paßt uns die sozialistische
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Revolution nicht in unseren sorgfältig ausgerechneten Plan; aber übermorgen,
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wenn wir besser dazu vorbereitet sind, wenn wir wieder Brot und Rohstoffe haben
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und unsere kapitalistische Produktionsweise sich wieder in vollem Gang befindet,
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dann wollen wir über die Sozialisierung der Gesellschaft mit uns reden lassen.
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Nein, das ist eine grundfalsche und lächerliche Auffassung von dem Wesen der
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geschichtlichen Entwicklung. Man kann sich weder den geeignet erscheinenden
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Zeitpunkt für eine Revolution aussuchen noch die Revolution nach eigenem
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Ermessen vertagen. Denn was sind Revolutionen ihrem Wesen nach anderes als große
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und elementare gesellschaftliche Krisen, deren Ausbruch und Entfaltung nicht von
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dem Willen einzelner abhängt und die sich, über die Köpfe einzelner hinweg,
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gleich gewaltigen Gewittern entladen ! Schon Karl Marx hat uns gelehrt, daß die
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|
soziale Revolution in eine Krise des Kapitalismus fallen muß. Nun wohl, dieser
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Krieg ist nichts anderes als eine solche Krise; und darum hat jetzt, wenn
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irgendwann, die Stunde des Sozialismus geschlagen.
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<P>Am Vorabend der Revolution, in jener Nacht vom Freitag zum Samstag, da hatten
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die Führer der sozialdemokratischen Parteien noch keine Ahnung, daß die
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Revolution schon vor der Tür stand. Sie wollten nicht daran glauben, daß die
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revolutionäre Gärung in den Massen der Soldaten und Arbeiter bereits so weit
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fortgeschritten sei. Als sie aber dann erfuhren, daß die große Schlacht bereits
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begonnen habe, da liefen sie alle eilig herbei, weil sie sonst hätten befürchten
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müssen, daß die gewaltige Bewegung über sie hinwegfluten werde.
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<P>Der entscheidende Augenblick ist gekommen. Töricht und schwächlich sind alle
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||
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diejenigen, denen er als ungeeignet erscheint und die darüber jammern, daß er
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gerade jetzt erschienen ist. Auf unsere Tatbereitschaft, auf unseren
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revolutionären Ernst und Willen kommt es jetzt an. Die große Aufgabe, auf die
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wir uns so lange vorbereitet haben, drängt der Lösung entgegen. Die Revolution
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ist da. Sie muß sein! Es handelt sich nicht mehr darum ob, sondern nur noch wie!
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Die Frage ist gestellt; und aus der Schwierigkeit der Situation, in der wir uns
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befinden, darf nicht der Schluß gezogen werden, daß jetzt keine Revolution sein
|
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solle.
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<P>Ich wiederhole, daß wir diese Schwierigkeit nicht verkennen. Vor allem sind
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||
|
wir uns jener Schwierigkeit bewußt, die darin besteht, daß das deutsche Volk
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|
noch keine revolutionäre Erfahrung und Überlieferung besitzt. Andererseits ist
|
||
|
aber gerade dem deutschen Proletariat die Aufgabe der Sozialisierung durch
|
||
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mancherlei Umstände wesentlich erleichtert. Die Gegner unseres Programms geben
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|
uns zu bedenken, daß es in einer so bedrohlichen Lage, jetzt, wo
|
||
|
Arbeitslosigkeit, Mangel an Nahrungsmitteln und Rohstoffen vor der Türe stehen,
|
||
|
unmöglich sei, mit der Vergesellschaftung der Wirtschaft zu beginnen. Aber hat
|
||
|
die Regierung der kapitalistischen Klasse nicht gerade im Verlauf des Krieges,
|
||
|
also in einer mindestens ebenso schwierigen Lage, wirtschaftliche Maßnahmen der
|
||
|
durchgreifendsten Art getroffen, Maßnahmen, welche Produktion und Konsumtion
|
||
|
grundlegend umgestalteten? Und alle diese Maßnahmen geschahen damals im Dienste
|
||
|
des Krieges, zum Zwecke des Durchhaltens, im Interesse des Militarismus und der
|
||
|
herrschenden Klasse.
|
||
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<P>Die Maßnahmen der Kriegswirtschaft konnten nur durch die Selbstdisziplin des
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||
|
deutschen Volkes durchgeführt werden. Damals stand diese Selbstdisziplin im
|
||
|
Dienste des Völkermordens, sie war zum Schaden des Volkes wirksam. Jetzt aber,
|
||
|
wo sie im Interesse des Volkes, zu seinem eigenen Nutzen wirken soll, wird sie
|
||
|
imstande sein, noch weit größere Leistungen und Umwandlungen zu vollbringen als
|
||
|
je zuvor. Im Dienste des Sozialismus wird sie das Werk der Sozialisierung
|
||
|
schaffen. Waren es doch gerade die Sozialpatrioten, die jene tief
|
||
|
einschneidenden kriegswirtschaftlichen Maßnahmen als Kriegssozialismus
|
||
|
bezeichneten, und Scheidemann, dieser gefügige Diener der Militärdiktatur, trat
|
||
|
voller Begeisterung dafür ein. Nun, wir dürfen jedenfalls diesen
|
||
|
Kriegssozialismus als eine Umbildung unseres Wirtschaftslebens betrachten, die
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||
|
wohl geeignet ist, als Vorbereitung der echten, im Zeichen des Sozialismus
|
||
|
stehenden Sozialisierung zu dienen.
|
||
|
<P>Die Verwirklichung des Sozialismus ist unvermeidlich; sie muß kommen, gerade
|
||
|
weil wir die Unordnung, über die man sich jetzt so aufregt, endgültig überwinden
|
||
|
müssen. Aber diese Unordnung ist unüberwindlich, solange die Machthaber von
|
||
|
gestern, die wirtschaftlichen und politischen Gewalten des Kapitalismus, am
|
||
|
Ruder bleiben; denn sie haben dieses Chaos verursacht.
|
||
|
<P>Die Pflicht der gegenwärtigen Regierung wäre es gewesen, zuzugreifen und
|
||
|
schnell und entschieden zu handeln. Aber sie hat die Aufgabe der Sozialisierung
|
||
|
nicht um einen Schritt gefördert. Was hat sie in der Ernährungsfrage geleistet?
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||
|
Sie spricht zum Volke: »Du mußt hübsch artig sein und Dich gesittet benehmen,
|
||
|
dann wird uns Wilson Lebensmittel schicken.« Das gleiche ruft uns Tag für Tag
|
||
|
die gesamte Bourgeoisie zu, und diejenigen, die sich noch vor wenigen Monaten
|
||
|
nicht genug darin tun konnten, den Präsidenten von Amerika zu beschimpfen und
|
||
|
mit Kot zu bewerfen, sie begeistern sich jetzt für ihn und fallen ihm voller
|
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Bewunderung zu Füßen - um Lebensmittel von ihm zu erhalten. Ja freilich! Wilson
|
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|
und seine Genossen werden uns vielleicht helfen, aber sicherlich nur in dem Maße
|
||
|
und in der Form, als es den imperialistischen Interessen des Ententekapitalismus
|
||
|
entspricht. Jetzt beeilen sich alle offenen und heimlichen Gegner der
|
||
|
proletarischen Revolution, Wilson als den guten Freund des deutschen Volkes
|
||
|
anzupreisen, aber gerade dieser menschenfreundliche Wilson ist es ja gewesen,
|
||
|
der den grausamen Waffenstillstandsbedingungen Fochs seine Billigung erteilt und
|
||
|
dadurch dazu beigetragen hat, die Not des Volkes ins unermeßliche zu steigern.
|
||
|
Nein, wir revolutionären Sozialisten glauben keinen Augenblick lang an den
|
||
|
Schwindel von der Menschenfreundlichkeit Wilsons, der nichts anderes tut und tun
|
||
|
kann, als die Interessen des Ententekapitals in kluger Berechnung zu vertreten.
|
||
|
Doch wozu dient jener Schwindel, mit dem die Bourgeoisie und die Sozialpatrioten
|
||
|
jetzt hausieren gehen, in Wahrheit? Um das Proletariat zu überreden und zu
|
||
|
verleiten, die Macht, die es sich durch die Revolution erobert hat,
|
||
|
preiszugeben.
|
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<P>Wir werden nicht darauf hereinfallen. Wir stellen unsere sozialistische
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Politik auf den granitenen Boden des deutschen Proletariats; wir stellen sie auf
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den granitenen Boden des internationalen Sozialismus. Wir halten es weder mit
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der Würde noch mit der revolutionären Aufgabe des Proletariats für vereinbar,
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daß wir, die wir mit der sozialen Revolution begonnen haben, an die
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Barmherzigkeit des Ententekapitals appellieren, sondern wir rechnen auf die
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revolutionäre Solidarität und die internationale Tatbereitschaft der Proletarier
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Frankreichs, Englands, Italiens und Amerikas. Die Kleinmütigen und Ungläubigen,
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die jedes sozialistischen Geistes bar sind, rufen uns zu, daß wir Toren seien,
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auf den Ausbruch einer sozialen Revolution in den Ländern zu hoffen, die
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siegreich aus diesem Weltkrieg hervorgegangen seien. Wie steht es mit diesem
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Einwurf? Selbstverständlich wäre es völlig verkehrt, zu glauben, daß schon im
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nächsten Augenblick, gleichsam auf ein Kommando, die Revolution in den Staaten
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der Entente ausbrechen wird. Die Weltrevolution, die unser Ziel und unsere
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Hoffnung ist, ist ein viel zu gewaltiger historischer Prozeß, als daß sie sich
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Schlag auf Schlag, in Tagen und Wochen entfalten könnte. Die russischen
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Sozialisten haben die deutsche Revolution vorausgesagt als notwendige Konsequenz
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der russischen. Aber noch ein volles Jahr nach dem Ausbruch der russischen
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Revolution war alles bei uns still, bis schließlich doch die Stunde schlug.
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<P>Jetzt herrscht bei den Völkern der Entente begreiflicherweise ein mächtiger
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Siegestaumel, und die Freude über die Zertrümmerung des deutschen Militarismus,
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über die Befreiung Belgiens und Frankreichs ist so laut, daß wir ein
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revolutionäres Echo von seiten der Arbeiterschaft unserer bisherigen Feinde in
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diesem Augenblick nicht erwarten dürfen. Und außerdem wird die Zensur, die in
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den Ententeländern noch gebietet, jede Stimme, die zum revolutionären Anschluß
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an das revolutionäre Proletariat auffordert, gewaltsam unterdrücken. Auch ist
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nicht zu übersehen, daß die verräterische und verbrecherische Politik der
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Sozialpatrioten dazu geführt hat, während des Krieges den internationalen
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Zusammenhang des Proletariats zu zerreißen und zu zerstören.
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<P>Und was für eine Revolution ist es denn eigentlich, die wir jetzt von den
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Sozialisten Frankreichs, Englands, Italiens und Amerikas erwarten? Welches Ziel
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und welchen Charakter soll diese Revolution haben? Die Revolution vom 9.
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November stellte sich in ihrem ersten Stadium die Aufrichtung einer
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demokratischen Republik zur Aufgabe, sie hatte ein bürgerliches Programm; und
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wir wissen sehr gut, daß sie diesen Standpunkt auch auf der Stufe ihrer
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gegenwärtigen Entwicklung in Wahrheit noch nicht überwunden hat. Aber eine
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Revolution von solcher Art erwarten wir keineswegs von dem Proletariat der
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Entente, und zwar deswegen nicht, weil Frankreich, England, Amerika und Italien
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sich seit Jahrzehnten und Jahrhunderten bereits im festen Besitz dieser
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bürgerlich demokratischen Freiheit befinden, um die wir hier am 9. November
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gerungen haben. Sie besitzen die republikanische Staatsverfassung, also gerade
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dasjenige, was uns die gepriesene Nationalversammlung erst bescheren soll; denn
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das Königtum in England und Italien ist nur eine belanglose Äußerlichkeit, eine
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Dekoration und eine Fassade. Also wir können von dem Proletariat der
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Ententestaaten mit Fug gar keine andere als eine soziale Revolution erwarten.
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Doch wie sind wir zu einer solchen Erwartung berechtigt, wie können wir an das
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Proletariat der anderen Länder die Forderung einer sozialen Revolution stellen,
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solange wir selbst sie noch nicht gemacht haben ! Wir müssen also den ersten
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Schritt dazu tun. Je schneller und entschiedener das deutsche Proletariat mit
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dem guten Beispiel vorangeht, je schneller und entschiedener wir unsere
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Revolution zum Sozialismus hin entwickeln, je schneller wird uns das Proletariat
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der Entente folgen.
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<P>Damit uns aber der große Wurf des Sozialismus gelingt - dazu ist es unbedingt
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erforderlich, daß die politische Macht dem Proletariat erhalten bleibe. Denn
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jetzt gibt es kein Schwanken und Zögern mehr, sondern nur noch ein klares
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Entweder - Oder. Entweder der bürgerliche Kapitalismus fährt fort zu leben und
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die Erde und die gesamte menschliche Gesellschaft zu beglücken mit seiner
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Ausbeutung und Lohnsklaverei und der Verewigung der Kriegsgefahr, oder aber das
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Proletariat besinnt sich auf seine weltgeschichtliche Aufgabe und auf sein
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Klasseninteresse, das es dazu aufruft, alle Klassenherrschaft für immer
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aufzuheben.
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<P>Jetzt versucht man von sozialpatriotischer und bürgerlicher Seite, das Volk
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von dieser seiner geschichtlichen Mission abspenstig zu machen, indem man ihm
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die Gefahren der Revolution schwarz und gruselig an die Wand malt; indem man in
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den blutigsten Farben die Not und Zerstörung, den Aufruhr und Schrecken
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schildert, von denen die Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse angeblich
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begleitet sein wird. Aber diese Schwarzmalerei ist vergebene Liebesmüh ! Denn
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die Verhältnisse selbst, die Unfähigkeit des Kapitals, das Wirtschaftsleben, das
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von ihm zerstört wurde, wiederaufzubauen, sie sind es, die das Volk mit eiserner
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Notwendigkeit auf den Weg der sozialen Revolution treiben werden. Wenn wir die
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großen Streikbewegungen der letzten Tage mit Aufmerksamkeit betrachten, so
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erkennen wir deutlich, daß selbst mitten in der Revolution der Konflikt zwischen
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dem Unternehmertum und der Lohnarbeiterschaft lebendig ist. Der proletarische
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Klassenkampf ruht nicht, solange sich die Bourgeoisie auf den Trümmern ihrer
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ehemaligen Herrlichkeit behauptet; er wird erst ruhen in dem Augenblick, wo die
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soziale Revolution zum siegreichen Ende gelangt ist.
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<P>Das ist es, was der Spartakusbund will.
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<P>Jetzt greift man die Spartakusleute mit allen erdenklichen Mitteln an. Die
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Presse der Bourgeoisie und der Sozialpatrioten, vom »Vorwärts« bis zur
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»Kreuz-Zeitung«, strotzt von den abenteuerlichsten Lügen, von den frechsten
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Verdrehungen, von Entstellungen und Verleumdungen. Was schimpft man uns nicht
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alles nach? Daß wir den Terror verkünden; daß wir den blutigsten Bürgerkrieg
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entfesseln wollten; daß wir uns mit Waffen und Munition ausrüsten und den
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bewaffneten Aufstand vorbereiten. Mit einem Wort: daß wir die gefährlichsten und
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gewissenlosesten Bluthunde der Welt seien. Diese Lügen sind leicht zu
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durchschauen. Als ich gleich im Beginn des Krieges ein kleines, mutiges,
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opferbereites Häuflein von revolutionären Genossen um mich scharte und es dem
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Krieg und dem Kriegstaumel entgegenwarf, da wurden wir von allen Seiten
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niedergebrüllt, verfolgt und in den Kerker geworfen. Und als ich es offen und
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laut aussprach, was damals niemand auszusprechen wagte und was damals noch die
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wenigsten erkennen wollten: daß Deutschland und seine politischen und
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militärischen Leiter am Kriege schuldig seien - da hieß es, ich sei ein gemeiner
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Verräter, ein bezahlter Agent der Entente, ein vaterlandsloser Geselle, der den
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Untergang Deutschlands wolle. Wir hätten es bequemer haben können, wenn wir
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geschwiegen oder in den allgemeinen Chor des Chauvinismus und Militarismus
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eingestimmt hätten. Aber wir zogen es vor, die Wahrheit zu sagen, ohne auf die
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Gefahr zu achten, in die wir uns dadurch begaben. Jetzt sehen alle, auch
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diejenigen, die damals gegen uns wüteten, ein, daß das Recht und die Wahrheit
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auf unserer Seite waren. Jetzt, nach der Niederlage und nach den ersten Tagen
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der Revolution, sind dem ganzen Volk die Augen geöffnet worden, so daß es
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erkennt, daß es von seinen Fürsten, seinen Alldeutschen, seinen Imperialisten
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und Sozialpatrioten in diesen Abgrund seines Unglücks hineingestoßen worden ist.
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Und gerade jetzt wieder, wo wir abermals unsere Stimme erheben, um dem deutschen
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Volke den einzigen Weg zu zeigen, der es aus diesem Unglück zur wahren Freiheit
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und zum dauernden Frieden zu führen vermag, in diesem Augenblick kommen
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dieselben Menschen, die damals uns und die Wahrheit niederschrien, und nehmen
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ihren alten Feldzug der Lüge und der Verleumdung gegen uns wieder auf. Mögen sie
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auch jetzt geifern und schreien, mögen sie wie bellende Hunde hinter uns
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herlaufen - wir werden unseren geraden Weg, den Weg der Revolution und des
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Sozialismus, unbekümmert verfolgen, indem wir uns sagen: Viel Feind, viel Ehr!
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Nur zu wohl wissen wir es, daß die gleichen Verbrecher und Verräter, die im
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Jahre 1914 das deutsche Proletariat mit der Phrase des Sieges und der Eroberung,
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mit der Aufforderung zum »Durchhalten« und mit dem niederträchtigen Abschluß des
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Burgfriedens zwischen Kapital und Arbeit betrogen, daß diejenigen, die auf
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solche Art den revolutionären Klassenkampf des Proletariats zu ersticken suchten
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und jeden Streik als wilden Streik während des Krieges mit Hilfe ihres
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Organisationsapparates und der Behörden niederknebelten - daß sie die gleichen
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sind, die jetzt, im Jahre 1918, abermals vom Nationalfrieden sprechen und die
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die Solidarität aller Parteien zum Zweck des Aufbaues unseres Staates
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proklamieren.
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<P>Dieser neuen Einigung von Proletariat und Bourgeoisie, dieser verräterischen
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Fortsetzung der Lüge von 1914 soll die Nationalversammlung dienen. Das soll ihre
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wahre Aufgabe sein. Mit ihrer Hilfe soll der revolutionäre Klassenkampf des
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Proletariats zum zweiten Male erstickt werden. Aber wir erkennen, daß hinter
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dieser Nationalversammlung in Wahrheit der alte deutsche Imperialismus steht,
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der trotz der Niederlage Deutschlands nicht tot ist. Nein, er ist nicht tot; und
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bleibt er am Leben, so ist das deutsche Proletariat um die Früchte seiner
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Revolution geprellt.
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<P>Niemals darf das geschehen. Noch ist das Eisen warm, jetzt müssen wir es
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schmieden. Jetzt oder nie! Entweder wir gleiten zurück in den alten Sumpf der
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Vergangenheit, aus dem wir in revolutionärem Anlauf versucht haben, uns zu
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erheben, oder wir setzen den Kampf fort bis zum Sieg und zur Erlösung, bis zur
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Erlösung der ganzen Menschheit von dem Fluche der Knechtschaft. Damit wir dieses
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große Werk, die größte und erhebendste Aufgabe, die der menschlichen Kultur je
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gestellt worden ist, siegreich vollenden, dazu muß das deutsche Proletariat zur
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Aufrichtung der Diktatur schreiten.
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