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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<title>Karl Marx - Die Klassenkaempfe in Frankreich 1848 bis 1850 - III</title>
</head>
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<p align="center"><a href="me07_035.htm"><font size="2">II - Der 13. Juni 1849</font></a> |
<a href="me07_009.htm"><font size="2">Inhalt und Einleitung</font></a> | <a href=
"me07_095.htm"><font size="2">IV - Die Abschaffung des allgemeinen Stimmrechts
1850</font></a></p>
<p><small>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 7, "Die
Klassenk&auml;mpfe in Frankreich 1848-1850", S. 64-94<br>
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1960</small></p>
<p align="center"><font size="5">III<br>
Folgen des 13. Juni 1849<br></font> <i>Vom 13. Juni 1849 bis 10. M&auml;rz 1850</i></p>
<p><b><a name="S64">&lt;64&gt;</a></b> Am 20. Dezember hatte der Januskopf der
<i>konstitutionellen Republik</i> nur noch <i>ein</i> Gesicht gezeigt, das exekutive Gesicht mit
den verschwimmend flachen Z&uuml;gen L. Bonapartes, am 28. Mai 1849 zeigte er sein zweites
Gesicht, das <i>legislative</i>, &uuml;bers&auml;et von den Narben, welche die Orgien der
Restauration und der Julimonarchie zur&uuml;ckgelassen hatten. Mit der legislativen
Nationalversammlung war die Erscheinung der <i>konstitutionellen Republik</i> vollendet, d.h. der
republikanischen Staatsform, worin die Herrschaft der Bourgeoisklasse konstituiert ist, also die
gemeinschaftliche Herrschaft der beiden gro&szlig;en royalistischen Fraktionen, welche die
franz&ouml;sische Bourgeoisie bilden, der koalisierten Legitimisten und Orleanisten, der
<i>Partei der Ordnung</i>. W&auml;hrend so die franz&ouml;sische Republik der Koalition der
royalistischen Parteien als Eigentum anheimfiel, unternahm gleichzeitig die europ&auml;ische
Koalition der kontrerevolution&auml;ren M&auml;chte einen allgemeinen Kreuzzug gegen die letzten
Zufluchtsst&auml;tten der M&auml;rzrevolutionen. Ru&szlig;land fiel in Ungarn ein, Preu&szlig;en
marschierte gegen die Reichsverfassungsarmee und Oudinot bombardierte Rom. Die europ&auml;ische
Krise ging offenbar einem entscheidenden Wendepunkt zu, die Augen von ganz Europa richteten sich
auf Paris und die Augen von ganz Paris auf die <i>legislative Versammlung</i>.</p>
<p>Am 11. Juni bestieg Ledru-Rollin ihre Trib&uuml;ne. Er hielt keine Rede, er formulierte ein
Requisitorium gegen die Minister, nackt, prunklos, tats&auml;chlich, konzentriert, gewaltsam.</p>
<p>Der Angriff auf Rom ist ein Angriff auf die Konstitution, der Angriff auf die r&ouml;mische
Republik ein Angriff auf die franz&ouml;sische Republik. Artikel V der Konstitution lautet: "Die
franz&ouml;sische Republik verwendet ihre Streitkr&auml;fte niemals gegen die Freiheit
irgendeines Volkes" - und der Pr&auml;sident verwendet die franz&ouml;sische Armee gegen die
r&ouml;mische Freiheit. Artikel 54 der Konstitution verbietet der exekutiven Gewalt irgendeinen
Krieg zu erkl&auml;ren, ohne die Zustimmung der Nationalversammlung. Der Beschlu&szlig; der
Konsti- <a name="S65"><b>&lt;65&gt;</b></a> tuante vom 8. Mai befiehlt den Ministern
ausdr&uuml;cklich, die r&ouml;mische Expedition schleunigst ihrer urspr&uuml;nglichen Bestimmung
anzupassen, er untersagt ihnen also ebenso ausdr&uuml;cklich den Krieg gegen Rom - und Oudinot
bombardiert Rom. So rief Ledru-Rollin die Konstitution selbst als Belastungszeugen gegen
Bonaparte und seine Minister auf. Der royalistischen Majorit&auml;t der Nationalversammlung
schleuderte er, der Tribun der Konstitution, die drohende Erkl&auml;rung zu: "Die Republikaner
werden der Konstitution Achtung zu verschaffen wissen, durch alle Mittel, sei es selbst durch die
Gewalt der Waffen!" <i>"Durch die Gewalt der Waffen!"</i> wiederholte das hundertfache Echo der
Montagne. Die Majorit&auml;t antwortete mit einem furchtbaren Tumult, der Pr&auml;sident der
Nationalversammlung rief Ledru-Rollin zur Ordnung, Ledru-Rollin wiederholte die herausfordernde
Erkl&auml;rung und legte schlie&szlig;lich den Antrag auf Versetzung Bonapartes und seiner
Minister in Anklagezustand auf den Pr&auml;sidententisch nieder. Die Nationalversammlung
beschlo&szlig; mit 361 gegen 203 Stimmen &uuml;ber das Bombardement Roms zur einfachen
Tagesordnung &uuml;berzugehen.</p>
<p>Glaubte Ledru-Rollin die Nationalversammlung durch die Konstitution, den Pr&auml;sidenten
durch die Nationalversammlung schlagen zu k&ouml;nnen?</p>
<p>Die Konstitution untersagte allerdings jeden Angriff auf die Freiheit fremder V&ouml;lker,
aber was die franz&ouml;sische Armee zu Rom angriff, das war nach dem Ministerium nicht die
"Freiheit", sondern der "Despotismus der Anarchie". Hatte die Montagne, allen Erfahrungen in der
konstituierenden Versammlung zum Trotz, noch immer nicht begriffen, da&szlig; die Auslegung der
Konstitution nicht denen angeh&ouml;re, die sie gemacht, sondern nur noch denen, die sie
akzeptiert hatten? Da&szlig; ihr Wortlaut in ihrem lebensf&auml;higen Sinne gedeutet werden
m&uuml;sse und da&szlig; der Bourgeoissinn ihr einzig lebensf&auml;higer Sinn sei? Da&szlig;
Bonaparte und die royalistische Majorit&auml;t der Nationalversammlung die authentischen
Dolmetscher der Konstitution waren, wie der Pfaffe der authentische Dolmetscher der Bibel und der
Richter der authentische Dolmetscher des Gesetzes ist? Sollte die eben frisch aus dem
Scho&szlig;e der allgemeinen Wahlen hervorgegangene Nationalversammlung sich durch die
testamentarische Verf&uuml;gung der toten Konstituante gebunden f&uuml;hlen, deren lebendigen
Willen ein Odilon Barrot gebrochen hatte? Indem sich Ledru-Rollin auf den Beschlu&szlig; der
Konstituante vom 8. Mai berief, hatte er vergessen, da&szlig; dieselbe Konstituante am 11. Mai
seinen ersten Antrag auf Versetzung Bonapartes und der Minister in Anklagezustand verworfen,
da&szlig; sie den Pr&auml;sidenten und die Minister freigesprochen, da&szlig; sie so den Angriff
auf Rom als "konstitutionell" sanktioniert hatte, da&szlig; er nur Appell einlegte gegen ein
schon gef&auml;lltes Urteil, da&szlig; er endlich von der republikanischen Konstituante an die
<a name="S66"><b>&lt;66&gt;</b></a> royalistische Legislative appellierte? Die Konstitution
selbst ruft die Insurrektion zur H&uuml;lfe, indem sie in einem besonderen Artikel jeden
B&uuml;rger zu ihrem Schutze aufruft. Ledru-Rollin st&uuml;tzte sich auf diesen Artikel. Aber
sind nicht gleichzeitig die &ouml;ffentlichen Gewalten zum Schutze der Konstitution organisiert,
und die Verletzung der Konstitution, beginnt sie nicht erst von dem Augenblicke, wo die eine der
&ouml;ffentlichen konstitutionellen Gewalten gegen die andere rebelliert? Und der Pr&auml;sident
der Republik, die Minister der Republik, die Nationalversammlung der Republik befanden sich im
harmonischsten Verst&auml;ndnis.</p>
<p>Was die Montagne am 11. Juni versuchte, war <i>"eine Insurrektion innerhalb der Grenzen der
reinen Vernunft"</i>, d.h. eine rein <i>parlamentarische Insurrektion</i>. Die Majorit&auml;t der
Versammlung sollte, durch die Aussicht auf bewaffnete Erhebung der Volksmassen
eingesch&uuml;chtert, in Bonaparte und den Ministern ihre eigene Macht und die Bedeutung ihrer
eigenen Wahl brechen. Hatte die Konstituante nicht &auml;hnlich versucht, die Wahl Bonapartes zu
kassieren, als sie so hartn&auml;ckig auf der Entlassung des Ministeriums Barrot-Falloux
bestand?</p>
<p>Weder fehlte es aus der Zeit des Konvents an Vorbildern f&uuml;r parlamentarische
Insurrektionen, welche das Verh&auml;ltnis der Majorit&auml;t und Minorit&auml;t pl&ouml;tzlich
von Grund aus umgew&auml;lzt hatten - und sollte der jungen Montagne nicht gelingen, was der
alten gelungen war? -, noch schienen die augenblicklichen Verh&auml;ltnisse einem solchen
Unternehmen ung&uuml;nstig. Die Volksaufregung hatte zu Paris einen bedenklichen H&ouml;hepunkt
erreicht, die Armee schien ihren Wahlabstimmungen nach der Regierung nicht geneigt, die
legislative Majorit&auml;t selbst war noch zu jung, um sich konsolidiert zu haben, und zudem
bestand sie aus alten Herren. Wenn der Montagne eine parlamentarische Insurrektion gelang, fiel
ihr das Staatsruder unmittelbar zu. Die demokratische Kleinb&uuml;rgerschaft ihrerseits
w&uuml;nschte, wie immer, nichts sehnlicher, als den Kampf &uuml;ber ihren H&auml;uptern in den
Wolken zwischen den abgeschiedenen Geistern des Parlaments ausgefochten zu sehen. Endlich
erreichten beide, die demokratische Kleinb&uuml;rgerschaft und ihre Vertreter, die Montagne,
durch eine parlamentarische Insurrektion ihren gro&szlig;en Zweck, die Macht der Bourgeoisie zu
brechen, ohne das Proletariat zu entfesseln oder anders als in der Perspektive erscheinen zu
lassen; das Proletariat w&auml;re benutzt worden, ohne gef&auml;hrlich zu werden.</p>
<p>Nach dem Votum der Nationalversammlung vom 11. Juni fand eine Zusammenkunft statt zwischen
einigen Gliedern der Montagne und Delegierten der geheimen Arbeitergesellschaften. Letztere
drangen darauf, noch an demselben Abend loszuschlagen. Die Montagne wies diesen Plan entschieden
zur&uuml;ck. Sie wollte um keinen Preis die Leitung aus der Hand geben; ihre Bun- <a name=
"S67"><b>&lt;67&gt;</b></a> desgenossen waren ihr ebenso verd&auml;chtig als ihre Gegner, und mit
Recht. Die Erinnerung an den Juni 1848 durchwogte lebendiger als je die Reihen des Pariser
Proletariats. Gleichwohl war es an die Allianz mit der Montagne gekettet. Sie vertrat den
gr&ouml;&szlig;ten Teil der Departements, sie &uuml;bertrieb ihren Einflu&szlig; in der Armee,
sie verf&uuml;gte &uuml;ber den demokratischen Teil der Nationalgarde, sie hatte die moralische
Macht der Boutique hinter sich. Wider ihren Willen in diesem Augenblick die Insurrektion
beginnen, das hie&szlig; f&uuml;r das Proletariat - &uuml;berdem dezimiert durch die Cholera, in
bedeutender Masse aus Paris durch die Arbeitslosigkeit verjagt - die Junitage von 1848 nutzlos
wiederholen, ohne die Situation, welche zu dem verzweifelten Kampfe gedr&auml;ngt hatte. Die
proletarischen Delegierten taten das einzig Rationelle. Sie verpflichteten die Montagne, sich zu
<i>kompromittieren</i>, d.h. aus den Grenzen des parlamentarischen Kampfes herauszutreten
f&uuml;r den Fall, da&szlig; ihr Anklageakt verworfen w&uuml;rde. W&auml;hrend des ganzen 13.
Juni behauptete das Proletariat dieselbe skeptisch beobachtende Stellung und wartete ein
ernstlich engagiertes, unwiderrufliches Handgemenge zwischen der demokratischen Nationalgarde und
der Armee ab, um sich dann in den Kampf, und die Revolution &uuml;ber das ihr gesteckte
kleinb&uuml;rgerliche Ziel hinaus zu st&uuml;rzen. F&uuml;r den Fall des Sieges war die
proletarische Kommune schon gebildet, die neben die offizielle Regierung treten sollte. Die
Pariser Arbeiter hatten gelernt in der blutigen Schule des Juni 1848.</p>
<p>Am 12. Juni stellte der Minister Lacrosse selbst in der legislativen Versammlung den Antrag,
sofort zur Diskussion des Anklageaktes &uuml;berzugehen. Die Regierung hatte w&auml;hrend der
Nacht alle Vorkehrungen zur Verteidigung und zum Angriffe getroffen; die Majorit&auml;t der
Nationalversammlung war entschlossen, die rebellische Minorit&auml;t auf die Stra&szlig;e
hinauszutreiben, die Minorit&auml;t selbst konnte nicht mehr zur&uuml;cktreten, die W&uuml;rfel
waren gefallen, 377 Stimmen gegen 8 verwarfen den Anklageakt, der Berg, der sich der Abstimmung
enthalten hatte, st&uuml;rzte grollend in die Propagandahallen der "friedfertigen Demokratie", in
die Zeitungsb&uuml;ros der "D&eacute;mocratie pacifique".</p>
<p>Die Entfernung aus dem Parlamentsgeb&auml;ude brach seine Kraft, wie die Entfernung von der
Erde die Kraft des Ant&auml;us brach, ihres Riesensohnes. Simsons in den R&auml;umen der
gesetzgebenden Versammlung, waren sie nur noch Philister in den R&auml;umen der "friedfertigen
Demokratie". Eine lange, ger&auml;uschvolle, haltlose Debatte entspann sich. Die Montagne war
entschlossen, der Konstitution Achtung zu erzwingen mit allen Mitteln, <i>"nur nicht durch die
Gewalt der Waffen"</i>. In diesem Entschlu&szlig; wurde sie unterst&uuml;tzt durch ein Manifest
und durch eine Deputation der "Verfassungsfreunde". "Freunde der Verfassung", so nannten sich die
Tr&uuml;mmer der Koterie des "National", <a name="S68"><b>&lt;68&gt;</b></a> der
bourgeoisrepublikanischen Partei. W&auml;hrend von ihren &uuml;briggebliebenen parlamentarischen
Repr&auml;sentanten sechs <i>gegen</i>, die anderen insgesamt <i>f&uuml;r</i> die Verwerfung des
Anklageakts gestimmt hatten, w&auml;hrend <i>Cavaignac</i> der Partei der Ordnung seinen
S&auml;bel zur Verf&uuml;gung stellte, ergriff der gr&ouml;&szlig;ere au&szlig;erparlamentarische
Teil der Koterie gierig den Anla&szlig;, aus seiner politischen Pariastellung herauszutreten und
sich in die Reihen der demokratischen Partei zu dr&auml;ngen. Erschienen sie nicht als die
nat&uuml;rlichen Schildhalter dieser Partei, die sich unter ihren Schild versteckte, unter ihr
<i>Prinzip</i>, unter die <i>Konstitution</i>?</p>
<p>Bis Tagesanbruch krei&szlig;te der "Berg". Er gebar <i>"eine Proklamation an das Volk"</i>,
die am Morgen des 13. Juni in zwei sozialistischen Journalen eine mehr oder minder
versch&auml;mte Stelle einnahm. Sie erkl&auml;rte den Pr&auml;sidenten, die Minister, die
Majorit&auml;t der gesetzgebenden Versammlung <i>"au&szlig;erhalb der Konstitution"</i> (hors la
constitution) und rief die Nationalgarde, die Armee und schlie&szlig;lich auch das Volk auf,
"sich zu erheben". <i>"Es lebe die Konstitution!"</i> war die Parole, die sie austeilte, Parole,
die nichts anderes hie&szlig;, als <i>"Nieder mit der Revolution!"</i></p>
<p>Der konstitutionellen Proklamation des Berges entsprach am 13. Juni eine sogenannte
<i>friedliche Demonstration</i> der Kleinb&uuml;rger, d.h. eine Stra&szlig;enprozession vom
Ch&acirc;teau d'Eau durch die Boulevards, 30.000 Mann, meist Nationalgarden, unbewaffnet,
untermischt mit Mitgliedern der geheimen Arbeitersektionen, sich hinw&auml;lzend unter dem Rufe:
<i>"Es lebe die Konstitution!"</i>, mechanisch, eiskalt, mit b&ouml;sem Gewissen
ausgesto&szlig;en von den Mitgliedern des Zuges selbst, vom Echo des Volkes, das auf den
Trottoirs wogte, ironisch zur&uuml;ckgeworfen, statt donnerartig aufzuschwellen. Es fehlte dem
vielstimmigen Gesang die Bruststimme. Und als der Zug vor dem Sitzungsgeb&auml;ude der
"Verfassungsfreunde" vorbeischwankte und auf dem Giebel des Hauses ein gedungener
Verfassungsherold erschien, der mit seinem Claqueurhut gewaltig die L&uuml;fte durchs&auml;gte
und aus einer ungeheuren Lunge das Stichwort <i>"Es lebe die Konstitution"</i> hageldick auf die
K&ouml;pfe der Wallfahrer niederplumpen lie&szlig;, schienen sie selbst einen Augenblick von der
Komik der Situation &uuml;berw&auml;ltigt. Es ist bekannt, wie der Zug, angekommen an der
M&uuml;ndung der rue de la Paix, in den Boulevards von den Dragonern und J&auml;gern Changarniers
durchaus unparlamentarisch empfangen, in einem Nu nach allen Seiten hin auseinanderstob und den
sp&auml;rlichen Ruf "zu den Waffen" nur noch hinter sich warf, damit der parlamentarische
Waffenruf vom 11. Juni sich erf&uuml;lle.</p>
<p>Die Mehrzahl der in der rue du Hasard versammelten Montagne verlief sich, als diese gewaltsame
Zersprengung der friedlichen Prozession, als dumpfe Ger&uuml;chte vom Morde unbewaffneter
B&uuml;rger auf den Boulevards, als der wach- <a name="S69"><b>&lt;69&gt;</b></a> sende
Stra&szlig;entumult das Herannahen einer Emeute zu verk&uuml;nden schienen. <i>Ledru-Rollin</i>,
an der Spitze einer kleinen Schar von Deputierten, rettete die Ehre des Berges. Unter dem Schutze
der Pariser Artillerie, die sich im Palais National versammelt hatte, begaben sie sich nach dem
Conservatoire des arts et m&eacute;tiers &lt;Kunst- und Gewerbemuseum&gt;, wo die 5. und 6.
Legion der Nationalgarde eintreffen sollte. Aber die Montagnards harrten vergeblich auf die 5.
und 6. Legion; diese vorsichtigen Nationalgarden lie&szlig;en ihre Repr&auml;sentanten im Stich,
die Pariser Artillerie selbst verhinderte das Volk, Barrikaden aufzuwerfen, ein chaotisches
Durcheinander machte jeden Beschlu&szlig; unm&ouml;glich, die Linientruppen r&uuml;ckten an mit
gef&auml;lltem Bajonett, ein Teil der Repr&auml;sentanten wurde gefangengenommen, ein anderer
entkam. So endete der 13. Juni.</p>
<p>Wenn der 23. Juni 1848 die Insurrektion des revolution&auml;ren Proletariats, war der 13. Juni
1849 die Insurrektion der demokratischen Kleinb&uuml;rger, jede dieser beiden Insurrektionen der
<i>klassisch-reine</i> Ausdruck der Klasse, von der sie getragen wurde.</p>
<p>Nur zu Lyon kam es zu einem hartn&auml;ckigen, blutigen Konflikt. Hier, wo sich die
industrielle Bourgeoisie und das industrielle Proletariat unvermittelt gegen&uuml;berstehen, wo
die Arbeiterbewegung nicht wie in Paris von der allgemeinen Bewegung eingefa&szlig;t und bestimmt
ist, verlor der 13. Juni im R&uuml;ckschlage den urspr&uuml;nglichen Charakter. Wo er sonst in
die Provinzen einschlug, z&uuml;ndete er nicht - ein <i>kalter Blitz</i>.</p>
<p>Der 13. Juni schlie&szlig;t die erste <i>Lebensperiode der konstitutionellen Republik</i>, die
am 28. Mai 1849 mit dem Zusammentritt der legislativen Versammlung ihre normale Existenz gewonnen
hatte. Die ganze Dauer dieses Prologs ist erf&uuml;llt von dem ger&auml;uschvollen Kampfe
zwischen der Partei der Ordnung und der Montagne, zwischen der Bourgeoisie und dem
Kleinb&uuml;rgertum, das sich vergebens gegen die Festsetzung der Bourgeoisrepublik str&auml;ubt,
f&uuml;r welche es selbst in der provisorischen Regierung, in der Exekutivkommission
ununterbrochen konspiriert, f&uuml;r welche es w&auml;hrend der Junitage sich fanatisch gegen das
Proletariat geschlagen hatte. Der 13. Juni bricht seinen Widerstand und macht die <i>legislative
Diktatur</i> der vereinigten Royalisten zu einem fait accompli &lt;zu einer vollendeten
Tatsache&gt;. Von diesem Augenblick an ist die Nationalversammlung nur noch ein
<i>Wohlfahrtsausschu&szlig; der Partei der Ordnung</i>.</p>
<p>Paris hatte den Pr&auml;sidenten, die Minister und die Majorit&auml;t der Nationalversammlung
in <i>"Anklagezustand"</i> versetzt, sie versetzten Paris in <i>"Belagerungszustand"</i>. Der
Berg hatte die Majorit&auml;t der legislativen Versammlung <i>"au&szlig;erhalb der
Konstitution"</i> erkl&auml;rt, wegen Verletzung der Konstitution &uuml;ber- <a name=
"S70"><b>&lt;70&gt;</b></a> antwortete die Majorit&auml;t den Berg der haute-cour &lt;dem
Hochgericht&gt; und proskribierte alles, was noch Lebenskraft in ihm besa&szlig;. Bis auf einen
kopf- und herzlosen Rumpf wurde er dezimiert. Die Minorit&auml;t war bis zum Versuche einer
<i>parlamentarischen Insurrektion</i> gegangen, die Majorit&auml;t erhob ihren
<i>parlamentarischen Despotismus</i> zum Gesetz. Sie dekretierte eine neue
<i>Gesch&auml;ftsordnung</i>, welche die Freiheit der Trib&uuml;ne vernichtet und den
Pr&auml;sidenten der Nationalversammlung befugt, wegen Verletzung der Ordnung die
Repr&auml;sentanten mit Zensur, mit Geldstrafen, mit Entziehung der Indemnit&auml;tsgelder, mit
zeitweiliger Expulsion, mit dem Karzer zu bestrafen. &Uuml;ber den Rumpf des Berges hing sie
statt des Schwertes die Rute. Der Rest der Bergdeputierten h&auml;tte seiner Ehre geschuldet, in
Masse auszutreten. Durch einen solchen Akt wurde die Aufl&ouml;sung der Partei der Ordnung
beschleunigt. Sie mu&szlig;te in ihre urspr&uuml;nglichen Bestandteile zerfallen von dem
Augenblick, wo auch nicht mehr der Schein eines Gegensatzes sie zusammenhielt.</p>
<p>Gleichzeitig mit ihrer <i>parlamentarischen</i>, wurden die demokratischen Kleinb&uuml;rger
ihrer <i>bewaffneten</i> Macht beraubt durch Aufl&ouml;sung der Pariser Artillerie wie der 8., 9.
und 12. Legion der Nationalgarde. Die Legion der hohen Finanz dagegen, welche am 13. Juni die
Druckereien von Boul&eacute; und Roux &uuml;berfallen, die Pressen zertr&uuml;mmert, die
B&uuml;ros der republikanischen Journale verw&uuml;stet, Redakteure, Setzer, Drucker,
Expedienten, Laufburschen willk&uuml;rlich verhaftet hatte, erhielt von der Trib&uuml;ne der
Nationalversammlung herab ermunternden Zuspruch. Auf der ganzen Oberfl&auml;che von Frankreich
wiederholte sich die Aufl&ouml;sung der des Republikanismus verd&auml;chtigen Nationalgarden.</p>
<p>Neues <i>Pre&szlig;gesetz</i>, neues <i>Assoziationsgesetz</i>, neues
<i>Belagerungszustandsgesetz</i>, die Gef&auml;ngnisse von Paris &uuml;berf&uuml;llt, die
politischen Fl&uuml;chtlinge verjagt, alle Journale, die &uuml;ber die Grenzen des "National"
hinausgehen, suspendiert, Lyon und die f&uuml;nf umliegenden Departements den brutalen Schikanen
des Milit&auml;rdespotismus preisgegeben, die Parketts allgegenw&auml;rtig, das so oft gereinigte
Heer der Beamten noch einmal gereinigt - es waren dies die unvermeidlichen, die stets
wiederkehrenden <i>Gemeinpl&auml;tze</i> der siegreichen Reaktion, nach den Massacres und den
Deportationen des Juni nur noch erw&auml;hnenswert, weil sie diesmal nicht nur gegen Paris,
sondern auch gegen die Departements, nicht nur gegen das Proletariat, sondern vor allem gegen die
Mittelklassen gerichtet waren.</p>
<p>Die Repressionsgesetze, wodurch die Verh&auml;ngung des Belagerungszustandes dem Gutachten der
Regierung anheimgestellt, die Presse noch fester <a name="S71"><b>&lt;71&gt;</b></a> geknebelt
und das Assoziationsrecht vernichtet wurde, absorbierten die ganze legislative T&auml;tigkeit der
Nationalversammlung w&auml;hrend der Monate Juni, Juli und August.</p>
<p>Indes wird diese Epoche charakterisiert nicht durch die <i>tats&auml;chliche</i>, sondern
durch die <i>prinzipielle</i> Ausbeutung des Sieges, nicht durch die Beschl&uuml;sse der
Nationalversammlung, sondern durch die Motivierung dieser Beschl&uuml;sse, nicht durch die Sache,
sondern durch die Phrase, nicht durch die Phrase, sondern durch den Akzent und die Geste, welche
die Phrase beleben. Das r&uuml;cksichtslos unversch&auml;mte Aussprechen der <i>royalistischen
Gesinnung</i>, der ver&auml;chtlich vornehme Insult gegen die Republik, das kokettierend frivole
Ausplaudern der Restaurationszwecke, mit einem Wort, die renommistische Verletzung des
<i>republikanischen Anstandes</i> geben dieser Periode eigent&uuml;mlichen Ton und F&auml;rbung.
Es lebe die Konstitution! war der Schlachtruf der <i>Besiegten</i> des 13. Juni. Die
<i>Sieger</i> waren also entbunden von der Heuchelei der konstitutionellen, d.h. der
republikanischen Sprache. Die Kontrerevolution unterwarf Ungarn, Italien, Deutschland, und sie
glaubten die Restauration schon vor den Toren von Frankreich. Es entspann sich eine wahre
Konkurrenz unter den Reigenf&uuml;hrern der Ordnungsfraktionen, ihren Royalismus durch den
"Moniteur" zu dokumentieren und ihre etwaigen unter der Monarchie begangenen liberalen
S&uuml;nden zu beichten, zu bereuen, vor Gott und vor den Menschen abzubitten. Kein Tag verging,
ohne da&szlig; die Februarrevolution auf der Trib&uuml;ne der Nationalversammlung f&uuml;r ein
&ouml;ffentliches Ungl&uuml;ck erkl&auml;rt wurde, ohne da&szlig; ein beliebiger legitimistischer
Provinzialkrautjunker feierlich konstatierte, die Republik niemals anerkannt zu haben, ohne
da&szlig; einer der feigen Ausrei&szlig;er und Verr&auml;ter der Julimonarchie die
nachtr&auml;glichen Heldentaten erz&auml;hlte, an deren Vollbringung ihn nur die Philanthropie
Louis-Philippes oder andere Mi&szlig;verst&auml;ndnisse verhindert hatten. Was an den
Februartagen zu bewundern, es war nicht die Gro&szlig;mut des siegreichen Volkes, sondern die
Selbstaufopferung und M&auml;&szlig;igung der Royalisten, welche ihm erlaubt hatten zu siegen.
Ein Volksrepr&auml;sentant schlug vor, einen Teil der f&uuml;r die Februarverwundeten bestimmten
Unterst&uuml;tzungsgelder den <i>Munizipalgarden</i> zuzuwenden, die sich allein an jenen Tagen
um das Vaterland verdient gemacht. Ein anderer wollte dem Herzog von Orl&eacute;ans eine
Reiterstatue auf dem Karussellplatz dekretiert wissen. Thiers nannte die Konstitution ein
schmutziges St&uuml;ck Papier. Der Reihe nach erschienen auf der Trib&uuml;ne Orleanisten, um
ihre Konspiration gegen das legitime K&ouml;nigtum zu bereuen, Legitimisten, die sich vorwarfen,
durch Auflehnen gegen das illegitime K&ouml;nigtum den Sturz des K&ouml;nigtums &uuml;berhaupt
beschleunigt, Thiers, der bereute, gegen Mol&eacute;, Mol&eacute;, der bereute gegen Guizot,
Barrot, der bereute, gegen alle drei intrigiert <a name="S72"><b>&lt;72&gt;</b></a> zu haben. Der
Ruf: "Es lebe die sozial-demokratische Republik!" wurde f&uuml;r unkonstitutionell erkl&auml;rt;
der Ruf: "Es lebe die Republik!" als sozial-demokratisch verfolgt. An dem Jahrestage der Schlacht
von Waterloo erkl&auml;rte ein Repr&auml;sentant: "Ich f&uuml;rchte weniger die Invasion der
Preu&szlig;en als den Eintritt der revolution&auml;ren Fl&uuml;chtlinge in Frankreich." Den
Klagen &uuml;ber den Terrorismus, der in Lyon und in den benachbarten Departements organisiert
sei, antwortete Baraguey-d'Hilliers: "Ich ziehe den blassen Schrecken dem roten Schrecken vor."
(J'aime mieux la terreur blanche que la terreur rouge). Und die Versammlung klatschte jedesmal
frenetischen Beifall, sooft ein Epigramm gegen die Republik, gegen die Revolution, gegen die
Konstitution, f&uuml;r das K&ouml;nigtum, f&uuml;r die Heilige Allianz von den Lippen ihrer
Redner fiel. Jede Verletzung der kleinsten republikanischen Formalit&auml;ten, z.B. der Anrede
der Repr&auml;sentanten mit "Citoyens" enthusiasmierte die Ritter von der Ordnung.</p>
<p>Die Pariser Nachwahlen vom 8. Juli, vorgenommen unter dem Einflu&szlig; des
Belagerungszustandes und der Enthaltung eines gro&szlig;en Teiles des Proletariats von der
Stimmurne, die Einnahme Roms durch die franz&ouml;sische Armee, der Einzug der roten Eminenzen
und in ihrem Gefolge die Inquisition und der M&ouml;nchsterrorismus in Rom f&uuml;gten neue Siege
dem Siege vom Juni hinzu und steigerten den Rausch der Ordnungspartei.</p>
<p>Endlich Mitte August, halb in der Absicht, den eben versammelten Departementsr&auml;ten
beizuwohnen, halb erm&uuml;det von der vielmonatlichen Tendenzorgie, dekretierten die Royalisten
eine zweimonatliche Vertagung der Nationalversammlung. Eine Kommission von 25
Repr&auml;sentanten, die Creme der Legitimisten und Orleanisten, einen Mol&eacute;, Changarnier
lie&szlig;en sie mit durchsichtiger Ironie als Stellvertreter der Nationalversammlung und als
<i>W&auml;chter der Republik</i> zur&uuml;ck. Die Ironie war tiefer als sie ahnten. Sie, von der
Geschichte verurteilt, das K&ouml;nigtum, das sie liebten, st&uuml;rzen zu helfen, waren von ihr
bestimmt, die Republik, die sie ha&szlig;ten, zu konservieren.</p>
<p>Mit der <i>Vertagung</i> der legislativen Versammlung <i>schlie&szlig;t die zweite
Lebensperiode der konstitutionellen Republik</i>, ihre <i>royalistische Flegelperiode</i>.</p>
<p>Der Belagerungszustand von Paris war wieder aufgehoben, die Aktion der Presse hatte wieder
begonnen. W&auml;hrend der Suspension der sozialdemokratischen Bl&auml;tter, w&auml;hrend der
Periode der Repressivgesetzgebung und der royalistischen Poltereien <i>republikanisierte</i> sich
der "Si&egrave;cle", der alte literarische Repr&auml;sentant der <i>monarchisch-konstitutionellen
Kleinb&uuml;rger</i>, <i>demokratisierte</i> sich die "Presse", der alte literarische Ausdruck
der <i>b&uuml;rgerlichen Reformers</i>, sozialisierte sich der "National", das alte klassische
Organ der <i>republikanischen Bourgeois</i>.</p>
<p><b><a name="S73">&lt;73&gt;</a></b> Die <i>geheimen Gesellschaften</i> wuchsen an Ausdehnung
und Intensit&auml;t in dem Ma&szlig;e, als die <i>&ouml;ffentlichen Klubs</i> unm&ouml;glich
wurden. Die industriellen <i>Arbeiterassoziationen</i>, als reine Handelskompanien geduldet,
&ouml;konomisch nichtig, wurden politisch ebenso viele Bindemittel des Proletariats. Der 13. Juni
hatte den verschiedenen halbrevolution&auml;ren Parteien die offiziellen K&ouml;pfe abgeschlagen,
die &uuml;brigbleibenden Massen gewannen ihren eigenen Kopf. Die Ordnungsritter hatten mit den
geweissagten Schrecken der roten Republik eingesch&uuml;chtert, die gemeinen Exzesse, die
hyperboreischen Greuel der siegreichen Kontrerevolution in Ungarn, in Baden, in Rom wuschen die
<i>"rote Republik"</i> wei&szlig;. Und die malkontenten Zwischenklassen der franz&ouml;sischen
Gesellschaft begannen die Verhei&szlig;ungen der roten Republik mit ihren problematischen
Schrecken, den Schrecken der roten Monarchie mit ihrer tats&auml;chlichen Hoffnungslosigkeit
vorzuziehen. Kein Sozialist machte in Frankreich mehr revolution&auml;re Propaganda als
<i>Haynau</i>. A chaque capacit&eacute; selon ses &#339;uvres. &lt;Jedem nach seinen
Taten.&gt;</p>
<p>Unterdessen beutete Louis Bonaparte die Ferien der Nationalversammlung aus, um prinzliche
Reisen in den Provinzen zu machen, die hei&szlig;bl&uuml;tigsten Legitimisten pilgrimten nach Ems
zu dem Enkel des heiligen Ludwig, und die Masse der ordnungsfreundlichen Volksrepr&auml;sentanten
intrigierte in den Departementsr&auml;ten, die eben zusammengekommen waren. Es galt, sie
aussprechen zu machen, was die Majorit&auml;t der Nationalversammlung noch nicht auszusprechen
wagte, den <i>Dringlichkeitsantrag auf unmittelbare Revision der Verfassung</i>. Der Konstitution
gem&auml;&szlig; konnte die Verfassung erst 1852 revidiert werden durch eine eigens zu diesem
Behufe zusammengerufene Nationalversammlung. Wenn aber die Mehrzahl der Departementsr&auml;te in
diesem Sinne sich aussprach, mu&szlig;te die Nationalversammlung nicht der Stimme Frankreichs die
Jungfr&auml;ulichkeit der Konstitution opfern? Die Nationalversammlung hegte dieselben Hoffnungen
von diesen Provinzialversammlungen, welche die Nonnen in Voltaires "Henriade" von den Panduren
hegten. Aber die Potiphars der Nationalversammlung hatten es, einige Ausnahmen abgerechnet, mit
ebenso vielen Josephs der Provinzen zu tun. Die ungeheure Mehrzahl wollte die zudringliche
Insinuation nicht verstehen. Die Revision der Verfassung wurde vereitelt durch die Werkzeuge
selbst, wodurch sie ins Leben gerufen werden sollte, durch die Abstimmungen der
Departementsr&auml;te. Die Stimme Frankreichs, und zwar des b&uuml;rgerlichen Frankreichs, hatte
gesprochen und hatte gegen die Revision gesprochen.</p>
<p>Anfang Oktober trat die legislative Nationalversammlung wieder zusammen - tantum mutatus ab
illo &lt;wie anders seit damals&gt;. Ihre Physiognomie war durchaus ver&auml;ndert. <a name=
"S74"><b>&lt;74&gt;</b></a> Die unerwartete Verwerfung der Revision von seiten der
Departementsr&auml;te hatte sie in die Grenzen der Konstitution zur&uuml;ck und auf die Grenzen
ihrer Lebensdauer hingewiesen. Die Orleanisten waren mi&szlig;trauisch geworden durch die
Wallfahrten der Legitimisten nach Ems, die Legitimisten hatten Verdacht gesch&ouml;pft aus den
Verhandlungen der Orleanisten mit London, die Journale beider Fraktionen hatten das Feuer
gesch&uuml;rt und die wechselseitigen Anspr&uuml;che ihrer Pr&auml;tendenten abgewogen.
Orleanisten und Legitimisten vereint grollten &uuml;ber die Umtriebe der Bonapartisten, die in
den prinzlichen Reisen hervortraten, in den mehr oder minder durchsichtigen
Emanzipationsversuchen des Pr&auml;sidenten, in der anspruchsvollen Sprache der bonapartistischen
Zeitungen; Louis Bonaparte grollte &uuml;ber eine Nationalversammlung, die nur die
legitimistisch-orleanistische Konspiration gerecht erfand, &uuml;ber ein Ministerium, das ihn
best&auml;ndig an diese Nationalversammlung verriet. Das Ministerium endlich war in sich selbst
gespalten &uuml;ber die r&ouml;mische Politik und &uuml;ber die von dem Minister <i>Passy</i>
vorgeschlagene, von den Konservativen als sozialistisch verschriene <i>Einkommensteuer</i>.</p>
<p>Eine der ersten Vorlagen des Ministeriums Barrot an die wiederversammelte Legislative war eine
Kreditforderung von 300.000 frs. zur Zahlung des Witwengehaltes der <i>Herzogin von
Orl&eacute;ans</i>. Die Nationalversammlung bewilligte es und f&uuml;gte dem Schuldregister der
franz&ouml;sischen Nation eine Summe von 7 Millionen frs. hinzu. W&auml;hrend so Louis-Philippe
mit Erfolg die Rolle des "pauvre honteux", des versch&auml;mten Bettlers fortspielte, wagte das
Ministerium weder die Gehaltszulage f&uuml;r Bonaparte zu beantragen, noch schien die Versammlung
geneigt, sie zu geben. Und Louis Bonaparte schwankte wie von jeher im Dilemma: <i>Aut Caesar aut
Clichy!</i> &lt;<i>Entweder C&auml;sar oder Clichy!</i> (<i>Clichy -</i> Pariser Gef&auml;ngnis
f&uuml;r bankrotte, zahlungsunf&auml;hige Schuldner)&gt;</p>
<p>Die zweite Kreditforderung des Ministers von 9 Millionen frs. f&uuml;r <i>die Kosten der
r&ouml;mischen Expedition</i> vermehrte die Spannung zwischen Bonaparte einerseits und den
Ministern und der Nationalversammlung andererseits. Louis Bonaparte hatte einen Brief an seinen
Ordonnanzoffizier Edgar Ney in den "Moniteur" einger&uuml;ckt, worin er die p&auml;pstliche
Regierung an konstitutionelle Garantien band. Der Papst seinerseits hatte eine Ansprache
erlassen: "motu proprio", worin er jede Beschr&auml;nkung der restaurierten Herrschaft
zur&uuml;ckwies. Der Brief Bonapartes l&uuml;ftete mit absichtlicher Indiskretion den Vorhang
seines Kabinetts, um sich selbst als wohlwollendes, aber im eigenen Hause verkanntes und
gefesseltes Genie den Blicken der Galerie auszusetzen. Er kokettierte nicht das erstemal mit den
"verstohlenen Fl&uuml;gel- <a name="S75"><b>&lt;75&gt;</b></a> schl&auml;gen einer freien Seele".
<i>Thiers</i>, der Berichterstatter der Kommission, ignorierte vollst&auml;ndig Bonapartes
Fl&uuml;gelschlag und begn&uuml;gte sich, die p&auml;pstliche Allokution franz&ouml;sisch zu
verdolmetschen. Nicht das Ministerium, sondern <i>Victor Hugo</i> suchte den Pr&auml;sidenten zu
retten durch eine Tagesordnung, worin die Nationalversammlung ihre Zustimmung zu dem Briefe
Napoleons aussprechen sollte. <i>Allons donc! Allons donc!</i> &lt;<i>Ach gehn Sie! Ach gehn
Sie!</i>&gt; Unter dieser unehrerbietig leichtfertigen Interjektion begrub die Majorit&auml;t den
Antrag Hugos. Die Politik des Pr&auml;sidenten? Der Brief des Pr&auml;sidenten? Der
Pr&auml;sident selbst? <i>Allons donc! Allons donc!</i> Wer Teufel nimmt denn Monsieur Bonaparte
au serieux &lt;ernst&gt; ? Glauben Sie, Monsieur Victor Hugo, da&szlig; wir Ihnen glauben,
da&szlig; Sie an den Pr&auml;sidenten glauben? <i>Allons donc! Allons donc!</i></p>
<p>Endlich wurde der Bruch zwischen Bonaparte und der Nationalversammlung beschleunigt durch die
Diskussion &uuml;ber die <i>R&uuml;ckberufung der Orl&eacute;ans und Bourbons</i>. In Ermangelung
des Ministeriums hatte der Vetter des Pr&auml;sidenten, der Sohn des Exk&ouml;nigs von Westfalen,
diesen Antrag gestellt, der nichts anderes bezweckte, als die legitimistischen und
orleanistischen Pr&auml;tendenten auf gleiche Stufe oder vielmehr <i>unter</i> den
bonapartistischen Pr&auml;tendenten herabzudr&uuml;cken, der wenigstens faktisch auf dem Gipfel
des Staates stand.</p>
<p>Napoleon Bonaparte war unehrerbietig genug, die <i>Zur&uuml;ckberufung der verjagten
K&ouml;nigsfamilien</i> und die <i>Amnestie der Juniinsurgenten</i> zu Gliedern eines und
desselben Antrages zu machen. Die Indignation der Majorit&auml;t n&ouml;tigte ihn sofort, diese
frevelhafte Verkettung des Heiligen und des Verruchten, der K&ouml;nigsracen und der
proletarischen Brut, der Fixsterne der Gesellschaft und ihrer Sumpflichter abzubitten und jedem
der beiden Antr&auml;ge den ihm geb&uuml;hrenden Rang anzuweisen. Energisch stie&szlig; sie die
Zuruckrufung der k&ouml;niglichen Familie zur&uuml;ck, und <i>Berryer,</i> der Demosthenes der
Legitimisten, lie&szlig; keinen Zweifel &uuml;ber den Sinn dieses Votums. Die b&uuml;rgerliche
Degradation der Pr&auml;tendenten, das ist es, was man bezweckt! Man will sie des Heiligenscheins
berauben, der letzten Majest&auml;t, die ihnen geblieben ist, der <i>Majest&auml;t des Exils</i>!
Was, rief Berryer aus, w&uuml;rde man von dem unter den Pr&auml;tendenten denken, der, seinen
erlauchten Ursprung vergessend, hierher k&auml;me, um als einfacher Privatmann zu leben!
Deutlicher konnte dem Louis Bonaparte nicht gesagt werden, da&szlig; er durch seine Gegenwart
nicht gewonnen hatte, da&szlig;, wenn die koalisierten Royalisten ihn hier in Frankreich als
<i>neutralen Mann</i> auf dem Pr&auml;sidentenstuhl brauchten, die ernsthaften
Kronpr&auml;tendenten durch die Nebel des Exils den profanen Blicken entr&uuml;ckt bleiben
mu&szlig;ten.</p>
<p>Am 1. November antwortete Louis Bonaparte der legislativen Versamm- <a name=
"S76"><b>&lt;76&gt;</b></a> lung durch eine Botschaft, welche in ziemlich barschen Worten die
Entlassung des Ministeriums Barrot und die Bildung eines neuen Ministeriums anzeigte. Das
Ministerium Barrot-Falloux war das Ministerium der royalistischen Koalition, das Ministerium
d'Hautpoul war das Ministerium Bonapartes, das Organ des Pr&auml;sidenten gegen&uuml;ber der
legislativen Versammlung, das <i>Ministerium der Kommis</i>.</p>
<p>Bonaparte war nicht mehr der blo&szlig; <i>neutrale Mann</i> des 10. Dezembers 1848. Der
Besitz der exekutiven Gewalt hatte eine Anzahl von Interessen um ihn gruppiert, der Kampf mit der
Anarchie zwang die Partei der Ordnung selbst, seinen Einflu&szlig; zu vermehren, und wenn er
<i>nicht mehr</i> popul&auml;r war, war sie <i>unpopul&auml;r</i>. Die Orleanisten und
Legitimisten, konnte er nicht hoffen, durch ihre Rivalit&auml;t wie durch die Notwendigkeit
irgendeiner monarchischen Restauration sie zur Anerkennung des <i>neutralen Pr&auml;tendenten</i>
zu zwingen?</p>
<p>Vom 1. November 1849 datiert die dritte Lebensperiode der konstitutionellen Republik, Periode,
die mit dem 10. M&auml;rz 1850 schlie&szlig;t. Nicht nur beginnt das regelm&auml;&szlig;ige Spiel
der konstitutionellen Institutionen, das Guizot so sehr bewundert, der Krakeel zwischen der
exekutiven und gesetzgebenden Gewalt. Den Restaurationsgel&uuml;sten der vereinigten Orleanisten
und Legitimisten gegen&uuml;ber vertritt Bonaparte den Titel seiner tats&auml;chlichen Macht, die
Republik; den Restaurationsgel&uuml;sten Bonapartes gegen&uuml;ber vertritt die Partei der
Ordnung den Titel ihrer gemeinsamen Herrschaft, die Republik; den Orleanisten gegen&uuml;ber
vertreten die Legitimisten, den Legitimisten gegen&uuml;ber vertreten die Orleanisten den Status
quo, die Republik. Alle diese Fraktionen der Ordnungspartei, deren jede ihren eigenen K&ouml;nig
und ihre eigene Restauration in petto hat, machen wechselseitig den Usurpations- und
Erhebungsgel&uuml;sten ihrer Rivalen gegen&uuml;ber die gemeinsame Herrschaft der Bourgeoisie,
die Form geltend, worin die besonderen Anspr&uuml;che neutralisiert und vorbehalten bleiben -
<i>die Republik</i>.</p>
<p>Wie Kant die Republik als einzig rationelle Staatsform zu einem Postulat der praktischen
Vernunft macht, deren Verwirklichung nie erreicht wird, deren Erreichung aber stets als Ziel
angestrebt und in der Gesinnung festgehalten werden mu&szlig;, so diese Royalisten <i>das
K&ouml;nigtum</i>.</p>
<p>So wurde de konstitutionelle Republik, als hohle ideologische Formel aus den H&auml;nden der
Bourgeoisrepublikaner hervorgegangen, in den H&auml;nden der koalisierten Royalisten zur
inhaltsvollen lebendigen Form. Und Thiers sprach wahrer, als er ahnte, wenn er sagte: "Wir, die
Royalisten, sind die wahren St&uuml;tzen der konstitutionellen Republik."</p>
<p>Der Sturz des Ministeriums der Koalition, das Erscheinen des Ministeriums der Kommis hat eine
zweite Bedeutung. Sein Finanzminister hie&szlig; <a name="S77"><b>&lt;77&gt;</b></a>
<i>Fould</i>. Fould Finanzminister, das ist die offizielle Preisgebung des franz&ouml;sischen
Nationalreichtums an die B&ouml;rse, die Verwaltung des Staatsverm&ouml;gens durch die B&ouml;rse
und im Interesse der B&ouml;rse. Mit der Ernennung Foulds zeigte die Finanzaristokratie ihre
Restauration im "Moniteur" an. Diese Restauration erg&auml;nzte notwendig die &uuml;brigen
Restaurationen, die ebenso viele Ringe an der Kette der konstitutionellen Republik bilden.</p>
<p>Louis-Philippe hatte nie gewagt, einen wirklichen loup-cervier (B&ouml;rsenwolf) zum
Finanzminister zu machen. Wie sein K&ouml;nigtum der ideale Name f&uuml;r die Herrschaft der
hohen Bourgeoisie war, mu&szlig;ten in seinen Ministerien die privilegierten Interessen
ideologisch-uninteressierte Namen tragen. Die Bourgeoisrepublik trieb &uuml;berall in den
Vordergrund, was die verschiedenen Monarchien, die legitimistische wie die orleanistische, im
Hintergrund versteckt hielten. Sie verirdischte, was jene verhimmelt hatten. An die Stelle der
Heiligennamen setzte sie die b&uuml;rgerlichen Eigennamen der herrschenden Klasseninteressen.</p>
<p>Unsere ganze Darstellung hat gezeigt, wie die Republik vom ersten Tage ihres Bestehens an die
Finanzaristokratie nicht st&uuml;rzte, sondern befestigte. Aber die Konzessionen, die man ihr
machte, waren ein Schicksal, dem man sich unterwarf, ohne es herbeif&uuml;hren zu wollen. Mit
Fould fiel die Regierungsinitiative an die Finanzaristokratie zur&uuml;ck.</p>
<p>Man wird fragen, wie die koalisierte Bourgeoisie die Herrschaft der Finanz ertragen und dulden
konnte, die unter Louis-Philippe auf der Ausschlie&szlig;ung oder Unterordnung der &uuml;brigen
Bourgeoisfraktionen beruhte?</p>
<p>Die Antwort ist einfach.</p>
<p>Zun&auml;chst bildet die Finanzaristokratie selbst einen ma&szlig;gebend gewichtigen Teil der
royalistischen Koalition, deren gemeinsame Regierungsgewalt Republik hei&szlig;t. Sind nicht die
Wortf&uuml;hrer und Kapazit&auml;ten der Orleanisten die alten Verb&uuml;ndeten und Mitschuldigen
der Finanzaristokratie? Ist sie selbst nickt die goldene Phalanx des Orleanismus? Was die
Legitimisten betrifft, schon unter Louis-Philippe hatten sie sich praktisch an allen Orgien der
B&ouml;rsen-, Minen- und Eisenbahnspekulationen beteiligt. &Uuml;berhaupt ist die Verbindung des
gro&szlig;en Grundeigentums mit der hohen Finanz ein <i>normales Faktum</i>. Beweis:
<i>England</i>, Beweis: selbst <i>&Ouml;sterreich</i>.</p>
<p>In einem Lande wie Frankreich, wo die Gr&ouml;&szlig;e der nationalen Produktion in
unverh&auml;ltnism&auml;&szlig;ig untergeordnetem Ma&szlig;e zur Gr&ouml;&szlig;e der
Nationalschuld steht, wo die Staatsrente den bedeutendsten Gegenstand der Spekulation und die
B&ouml;rse den Hauptmarkt f&uuml;r die Anlegung des Kapitals bildet, das sich auf eine
unproduktive Weise verwerten will, in einem solchen Land mu&szlig; eine zahllose Masse von Leuten
aus allen b&uuml;rgerlichen oder halbb&uuml;rgerlichen Klas- <a name="S78"><b>&lt;78&gt;</b></a>
sen an der Staatsschuld, am B&ouml;rsenspiel, an der Finanz beteiligt sein. Alle diese
subalternen Beteiligten, finden sie nicht ihre nat&uuml;rlichen St&uuml;tzen und Befehlshaber in
der Fraktion, die dieses Interesse in den kolossalsten Umrissen, die es im gro&szlig;en und
ganzen vertritt?</p>
<p>Das Heimfallen des Staatsverm&ouml;gens an die hohe Finanz, wodurch ist es bedingt? Durch die
best&auml;ndig anwachsende Verschuldung des Staates. Und die Verschuldung des Staates? Durch das
best&auml;ndige &Uuml;bergewicht seiner Ausgaben &uuml;ber seine Einnahmen, ein
Mi&szlig;verh&auml;ltnis, welches zugleich die Ursache und die Wirkung des Systems der
Staatsanleihen ist.</p>
<p>Um dieser Verschuldung zu entgehen, mu&szlig; der Staat entweder seine Ausgaben
einschr&auml;nken, d.h. den Regierungsorganismus vereinfachen, verk&uuml;rzen, m&ouml;glichst
wenig regieren, m&ouml;glichst wenig Personal besch&auml;ftigen, m&ouml;glichst wenig in
Beziehung zur b&uuml;rgerlichen Gesellschaft treten. Dieser Weg war unm&ouml;glich f&uuml;r die
Partei der Ordnung, deren Repressionsmittel, deren offizielle Einmischung von Staats wegen, deren
allseitige Gegenwart durch Staatsorgane in demselben Ma&szlig;e zunehmen mu&szlig;ten, als ihre
Herrschaft und die Lebensbedingungen ihrer Klasse vielseitiger bedroht wurden. Man kann die
Gendarmerie nicht in demselben Ma&szlig;e vermindern, als die Angriffe auf Personen und Eigentum
sich vermehren.</p>
<p>Oder der Staat mu&szlig; die Schulden zu umgehen suchen und ein augenblickliches, aber
vor&uuml;bergehendes Gleichgewicht in dem Budget hervorbringen dadurch, da&szlig; er
<i>au&szlig;erordentliche Steuern</i> auf die Schultern der reichsten Klassen w&auml;lzt. Um den
Nationalreichtum der B&ouml;rsenexploitation zu entziehen, sollte die Partei der Ordnung ihren
eigenen Reichtum auf dem Altare des Vaterlandes opfern? Pas si b&ecirc;te! &lt;So dumm ist sie
nicht!&gt;</p>
<p>Also ohne g&auml;nzliche Umw&auml;lzung des franz&ouml;sischen Staats keine Umw&auml;lzung des
franz&ouml;sischen Staatshaushaltes. Mit diesem Staatshaushalt notwendig die Staatsverschuldung,
und mit der Staatsverschuldung notwendig die Herrschaft des Staatsschuldenhandels, der
Staatsgl&auml;ubiger, der Bankiers, der Geldh&auml;ndler, der B&ouml;rsenw&ouml;lfe. Nur eine
Fraktion der Ordnungspartei war direkt am Sturze der Finanzaristokratie beteiligt, die
<i>Fabrikanten</i>. Wir sprechen nicht von den mittleren, von den kleineren Industriellen, wir
sprechen von den Regenten des Fabrikinteresses, die unter Louis-Philippe die breite Basis der
dynastischen Opposition gebildet hatten. Ihr Interesse ist unzweifelhaft Verminderung der
Produktionskosten, also Verminderung der Steuern, die in die Produktion, also Verminderung der
Staatsschulden, deren Zinsen in die Steuern eingehen, also Sturz der Finanzaristokratie.</p>
<p><b><a name="S79">&lt;79&gt;</a></b> In England - und die gr&ouml;&szlig;ten franz&ouml;sischen
Fabrikanten sind Kleinb&uuml;rger gegen ihre englischen Rivalen - finden wir wirklich die
Fabrikanten, einen Cobden, einen Bright, an der Spitze des Kreuzzuges gegen die Bank und die
B&ouml;rsenaristokratie. Warum nicht in Frankreich? In England herrscht die Industrie, in
Frankreich die Agrikultur vor. In England bedarf die Industrie des free trade
&lt;Freihandels&gt;, in Frankreich des Schutzzolls, des nationalen Monopols neben den anderen
Monopolen. Die franz&ouml;sische Industrie beherrscht nicht die franz&ouml;sische Produktion, die
franz&ouml;sischen Industriellen beherrschen daher nicht die franz&ouml;sische Bourgeoisie. Um
ihr Interesse gegen die &uuml;brigen Fraktionen der Bourgeoisie durchzusetzen, k&ouml;nnen sie
nicht wie die Engl&auml;nder an die Spitze der Bewegung treten und gleichzeitig ihr
Klasseninteresse auf die Spitze treiben; sie m&uuml;ssen in das Gefolge der Revolution treten und
Interessen dienen, die den Gesamtinteressen ihrer Klasse entgegenstehen. Im Februar hatten sie
ihre Stellung verkannt, der Februar witzigte sie. Und wer ist direkter bedroht von den Arbeitern
als der Arbeitgeber, der industrielle Kapitalist? Der Fabrikant wurde daher notwendig in
Frankreich zum fanatischsten Gliede der Ordnungspartei. Die Schm&auml;lerung seines
<i>Profits</i> durch die Finanz, <i>was ist sie gegen die Aufhebung des Profits durch das
Proletariat</i>?</p>
<p>In Frankreich tut der Kleinb&uuml;rger, was normalerweise der industrielle Bourgeois tun
m&uuml;&szlig;te; der Arbeiter tut, was normalerweise die Aufgabe des Kleinb&uuml;rgers
w&auml;re, und die Aufgabe des Arbeiters, wer l&ouml;st sie? Niemand. Sie wird nicht in
Frankreich gel&ouml;st, sie wird in Frankreich proklamiert. Sie wird nirgendwo gel&ouml;st
innerhalb der nationalen W&auml;nde, der Klassenkrieg innerhalb der franz&ouml;sischen
Gesellschaft schl&auml;gt um in einen Weltkrieg, worin sich die Nationen gegen&uuml;bertreten.
Die L&ouml;sung, sie beginnt erst in dem Augenblick, wo durch den Weltkrieg das Proletariat an
die Spitze des Volks getrieben wird, das den Weltmarkt beherrscht, an die Spitze Englands. Die
Revolution, die hier nicht ihr Ende, sondern ihren organisatorischen Anfang findet, ist keine
kurzatmige Revolution. Das jetzige Geschlecht gleicht den Juden, die Moses durch die W&uuml;ste
f&uuml;hrt. Es hat nicht nur eine neue Welt zu erobern, es mu&szlig; untergehen, um den Menschen
Platz zu machen, die einer neuen Welt gewachsen sind.</p>
<p>Kommen wir auf Fould zur&uuml;ck.</p>
<p>Am 14. November 1849 bestieg Fould die Trib&uuml;ne der Nationalversammlung und setzte sein
Finanzsystem auseinander: Apologie des alten Steuersystems! Beibehaltung der Weinsteuer!
Zur&uuml;ckziehen der Einkommensteuer Passys!</p>
<p><b><a name="S80"></a><a name="S81">&lt;80&gt;</a></b> Auch Passy war kein Revolution&auml;r,
er war ein alter Minister Louis-Philippes. Er geh&ouml;rte zu den Puritanern von der Force
Dufaures und zu den intimsten Vertrauten Testes, des S&uuml;ndenbocks der Julimonarchie <a name=
"Z1"></a><a href="me07_064.htm#M1">(1)</a>. Auch Passy hatte das alte Steuersystem gelobt, die Beibehaltung
der Weinsteuer empfohlen, aber er hatte gleichzeitig den Schleier vom Staatsdefizit weggerissen.
Er hatte die Notwendigkeit einer neuen Steuer, der Einkommensteuer erkl&auml;rt, wolle man nicht
den Staatsbankerott. Fould, der Ledru-Rollin den Staatsbankerott empfahl, empfahl der Legislative
das Staatsdefizit. Er versprach Ersparungen, deren Geheimnis sich sp&auml;ter dahin
enth&uuml;llte, da&szlig; sich z.B. die Ausgaben um 60 Millionen verminderten und die schwebende
Schuld sich um 200 Millionen vermehrte - Taschenspielerk&uuml;nste in der Gruppierung der Zahlen,
in der Aufstellung der Rechnungsablage, die alle schlie&szlig;lich auf neue Anleihen
hinausliefen.</p>
<p>Unter Fould trat die Finanzaristokratie, neben den &uuml;brigen eifers&uuml;chtigen
Bourgeoisfraktionen, nat&uuml;rlich nicht so schamlos korrupt auf wie unter Louis-Philippe. Aber
einmal war das System dasselbe, stete Vermehrung der Schulden, Verkleidung des Defizits. Und mit
der Zeit trat die alte B&ouml;rsenschwindelei unverh&uuml;llter hervor. Beweis: das Gesetz
&uuml;ber die Eisenbahn von Avignon, die mysteri&ouml;sen Schwankungen der Staatspapiere, einen
Augenblick das Tagesgespr&auml;ch von ganz Paris, endlich die mi&szlig;gl&uuml;ckten
Spekulationen Foulds und Bonapartes auf die Wahlen vom 10. M&auml;rz.</p>
<p>Mit der offiziellen Restauration der Finanzaristokratie mu&szlig;te das franz&ouml;sische Volk
bald wieder vor einem 24. Februar ankommen.</p>
<p>Die Konstituante, in einem Anfall von Misanthropie gegen ihre Erbin, hatte die Weinsteuer
abgeschafft f&uuml;r das Jahr des Herrn 1850. Mit der Abschaffung alter Steuern konnten neue
Schulden nicht bezahlt werden. <i>Creton</i>, ein Kretin der Ordnungspartei, hatte die
Beibehaltung der Weinsteuer schon vor Vertagung der legislativen Versammlung beantragt. Fould
nahm diesen Antrag auf, im Namen des bonapartistischen Ministeriums, und am 20. Dezember 1849, am
Jahrestage der Proklamation Bonapartes zum Pr&auml;sidenten, dekretierte die Nationalversammlung
die <i>Restauration der Weinsteuer</i>.</p>
<p>Der Vorredner dieser Restauration war kein Finanzier, es war der Jesuiten- <b>&lt;81&gt;</b>
chef <i>Montalembert</i>. Seine Deduktion war schlagend einfach: Die Steuer, das ist die
Mutterbrust, woran sich die Regierung stillt. Die Regierung, das sind die Werkzeuge der
Repression, das sind die Organe der Autorit&auml;t, das ist die Armee, das ist die Polizei, das
sind die Beamten, die Richter, die Minister, das sind die <i>Priester</i>. Der Angriff auf die
Steuer, das ist der Angriff der Anarchisten auf die Schildwachen der Ordnung, die die materielle
und geistige Produktion der b&uuml;rgerlichen Gesellschaft vor den Eingriffen der proletarischen
Vandalen besch&uuml;tzen. Die Steuer, das ist der f&uuml;nfte Gott, neben dem Eigentum, der
Familie, der Ordnung und der Religion. Und die Weinsteuer ist unstreitig eine Steuer, und zudem
keine gew&ouml;hnliche, sondern eine altherk&ouml;mmliche, eine monarchisch gesinnte, eine
respektable Steuer. Vive I'imp&ocirc;t des boissons! Three cheers and one cheer more! &lt;Es lebe
die Getr&auml;nkesteuer! Dreimal Hoch und noch einmal Hoch!&gt;</p>
<p>Der franz&ouml;sische Bauer, wenn er sich den Teufel an die Wand malt, malt ihn unter der
Gestalt des Steuerexekutors. Von dem Augenblick an, wo Montalembert die Steuer zum Gott erhob,
wurde der Bauer gottlos, Atheist, und warf sich dem Teufel in die Arme, dem <i>Sozialismus</i>.
Die Religion der Ordnung hatte ihn verscherzt, die Jesuiten hatten ihn verscherzt, Bonaparte
hatte ihn verscherzt. Der 20. Dezember 1849 hatte den 20. Dezember 1848 unwiderruflich
kompromittiert. Der "Neffe seines Onkels" war nicht der erste seiner Familie, den die Weinsteuer
schlug, diese Steuer, die nach dem Ausdruck Montalemberts das Revolutionsunwetter wittert. Der
wirkliche, der gro&szlig;e Napoleon erkl&auml;rte auf St. Helena, da&szlig; die
Wiedereinf&uuml;hrung der Weinsteuer mehr zu seinem Sturze beigetragen als alles andere, indem
sie ihm die Bauern S&uuml;dfrankreichs entfremdet habe. Schon unter Louis XIV. die Favoritin des
Volkshasses (siehe die Schriften von Boisguillebert und Vauban), von der ersten Revolution
abgeschafft, hatte Napoleon sie 1808 unter modifizierter Form wieder eingef&uuml;hrt. Als die
Restauration in Frankreich einzog, trabten vor ihr her nicht allein die Kosaken, sondern auch die
Verhei&szlig;ungen von der Abschaffung der Weinsteuer. Die gentilhommene &lt;Der Adel&gt;
brauchte nat&uuml;rlich der gent taillable &agrave; merci et misericorde &lt;dem auf Gnade und
Ungnade steuerpflichtigen Volk&gt; nicht Wort zu halten. 1830 versprach die Abschaffung der
Weinsteuer. Es war nicht seine Art, zu tun, was es sagte, und zu sagen, was es tat. 1848
versprach die Abschaffung der Weinsteuer, wie es alles versprach. Die Konstituante endlich, die
nichts versprach, machte, wie erw&auml;hnt, eine testamentarische Verf&uuml;gung, wonach die
Weinsteuer am 1. Januar 1850 verschwinden sollte. Und gerade 10 Tage vor dem 1. Januar 1850
f&uuml;hrte die Legislative sie wieder ein, so da&szlig; das franz&ouml;sische Volk ihr <a name=
"S82"><b>&lt;82&gt;</b></a> best&auml;ndig nachjagte, und wenn es sie zur T&uuml;re
hinausgeworfen hatte, sie durch das Fenster wieder hereinkommen sah.</p>
<p>Der popul&auml;re Ha&szlig; gegen die Weinsteuer erkl&auml;rt sich daraus, da&szlig; sie alle
Geh&auml;ssigkeiten des franz&ouml;sischen Steuersystems in sich vereinigt. Die Weise ihrer
Erhebung ist geh&auml;ssig, die Weise ihrer Verteilung ist aristokratisch, denn die
Steuerprozente sind dieselben f&uuml;r die gew&ouml;hnlichsten, wie f&uuml;r die kostbarsten
Weine. Sie nimmt also in geometrischem Verh&auml;ltnis zu, wie das Verm&ouml;gen der Konsumenten
abnimmt, eine umgekehrte Progressivsteuer. Sie provoziert daher direkt die Vergiftung der
arbeitenden Klassen als Pr&auml;mie auf verf&auml;lschte und nachgemachte Weine. Sie vermindert
die Konsumtion, indem sie an den Toren aller St&auml;dte &uuml;ber 4.000 Einwohner Oktrois
errichtet und jede Stadt in ein fremdes Land mit Schutzz&ouml;llen gegen den franz&ouml;sischen
Wein verwandelt. Die gro&szlig;en Weinh&auml;ndler, noch mehr aber die kleinen, die marchands de
vins, die Weinschenken, deren Erwerb von dem Konsum des Weins unmittelbar abh&auml;ngt, sind
ebenso viele erkl&auml;rte Gegner der Weinsteuer. Und endlich, indem sie den Konsum vermindert,
schneidet die Weinsteuer der Produktion den Absatzmarkt ab. W&auml;hrend sie die st&auml;dtischen
Arbeiter unf&auml;hig macht, den Wein zu bezahlen, macht sie die Weinbauern unf&auml;hig, ihn zu
verkaufen. Und Frankreich z&auml;hlt eine weinbauende Bev&ouml;lkerung von ungef&auml;hr 12
Millionen. Man begreift daher den Ha&szlig; des Volks im allgemeinen, man begreift namentlich den
Fanatismus der Bauern gegen die Weinsteuer. Und zudem sahen sie in ihrer Restauration kein
vereinzeltes, mehr oder minder zuf&auml;lliges Ereignis. Die Bauern haben eine eigene Art
historischer &Uuml;berlieferung, die vom Vater auf den Sohn vererbt, und in dieser historischen
Schule munkelte es, da&szlig; jede Regierung, solange sie die Bauern betr&uuml;gen will, die
Abschaffung der Weinsteuer verspricht, und sobald sie die Bauern betrogen hat, die Weinsteuer
beibeh&auml;lt oder wieder einf&uuml;hrt. An der Weinsteuer erprobt der Bauer das Bukett der
Regierung, ihre Tendenz. Die Restauration der Weinsteuer am 20. Dezember hie&szlig;: <i>Louis
Bonaparte ist wie die anderen</i>; aber er war nicht wie die anderen, er war eine
<i>Bauernerfindung</i>, und in den Millionen Unterschriften z&auml;hlenden Petitionen gegen die
Weinsteuer nahmen sie die Stimmen zur&uuml;ck, die sie ein Jahr vorher dem "Neffen seines Onkels"
gegeben hatten.</p>
<p>Die Landbev&ouml;lkerung, &uuml;ber zwei Dritteile der franz&ouml;sischen
Gesamtbev&ouml;lkerung, besteht gr&ouml;&szlig;tenteils aus sogenannten freien
<i>Grundeigent&uuml;mern</i>. Die erste Generation, durch die Revolution von 1789 unentgeltlich
von den Feudallasten befreit, hatte keinen Preis f&uuml;r die Erde gezahlt. Aber die folgenden
Generationen zahlten unter der Gestalt des <i>Bodenpreises</i>, was ihre halbleibeigenen
Vorfahren unter der Form der Rente, der Zehnten, der Fron- <a name="S83"><b>&lt;83&gt;</b></a>
dienste usw. gezahlt hatten. Je mehr einerseits die Bev&ouml;lkerung wuchs, je mehr andererseits
die Teilung der Erde stieg - um so teurer wurde der Preis der Parzelle, denn mit ihrer Kleinheit
nahm der Umfang der Nachfrage f&uuml;r sie zu. In dem Verh&auml;ltnis aber, worin der Preis
stieg, den der Bauer f&uuml;r die Parzelle zahlte, sei es, da&szlig; er sie direkt kaufte oder
da&szlig; er sie von seinen Miterben sich als Kapital anrechnen lie&szlig;, in demselben
Verh&auml;ltnisse stieg notwendig die <i>Verschuldung des Bauern</i>, d.h. die <i>Hypothek</i>.
Der auf dem Grund und Boden haftende Schuldtitel hei&szlig;t n&auml;mlich <i>Hypotheke</i>,
Pfandzettel auf den Grund und Boden. Wie auf dem mittelaltrigen Grundst&uuml;cke die
<i>Privilegien</i>, akkumulieren sich auf der modernen Parzelle <i>die Hypotheken</i>. -
Andererseits: In dem Regime der Parzellierung ist die Erde f&uuml;r ihren Eigent&uuml;mer ein
reines <i>Produktionsinstrument</i>. In demselben Ma&szlig;e nun, worin der Grund und B&ouml;den
geteilt wird, nimmt seine Fruchtbarkeit ab. Die Anwendung der Maschinerie auf Grund und Boden,
die Teilung der Arbeit, die gro&szlig;en Veredlungsmittel der Erde, wie Anlegung von Abzugs- und
Bew&auml;sserungskan&auml;len u.dgl., werden mehr und mehr unm&ouml;glich, w&auml;hrend die
<i>falschen Kosten</i> der Bebauung in demselben Verh&auml;ltnisse wachsen wie die Teilung des
Produktionsinstrumentes selbst. Alles dies, abgesehen davon, ob der Besitzer der Parzelle Kapital
besitzt oder nicht. Aber je mehr die Teilung steigt, um so mehr bildet das Grundst&uuml;ck mit
dem allerj&auml;mmerlichsten Inventarium das ganze Kapital des Parzellenbauers, um so mehr
f&auml;llt die Kapitalanlage auf Grund und Boden weg, um so mehr fehlen dem Kotsassen Erde, Geld
und Bildung, um die Fortschritte der Agronomie anzuwenden, um so mehr macht die Bodenbebauung
R&uuml;ckschritte. Endlich vermindert sich <i>der Reinertrag</i> in demselben Verh&auml;ltnis,
als der <i>Bruttokonsum</i> w&auml;chst, als die ganze Familie des Bauern durch ihren Besitz von
anderen Besch&auml;ftigungen zur&uuml;ckgehalten wird und doch nicht bef&auml;higt ist, von ihm
zu leben.</p>
<p>In demselben Ma&szlig;e also, worin die Bev&ouml;lkerung und mit ihr die Teilung des Grund und
Bodens zunimmt, in demselben Ma&szlig;e <i>verteuert sich das Produktionsinstrument</i>, die
Erde, und nimmt <i>ihre Fruchtbarkeit</i> ab, in demselben Ma&szlig;e <i>verf&auml;llt der
Ackerbau und verschuldet sich der Bauer</i>. Und was Wirkung war, wird seinerseits zur Ursache.
Jede Generation l&auml;&szlig;t die andere verschuldeter zur&uuml;ck, jede neue Generation
beginnt unter ung&uuml;nstigeren und erschwerenderen Bedingungen, die Hypothezierung erzeugt die
Hypothezierung, und wenn es dem Bauer unm&ouml;glich wird, in seiner Parzelle ein Unterpfand
f&uuml;r <i>neue Schulden</i> zu bieten, d.h. sie mit neuen Hypotheken zu belasten, verf&auml;llt
er direkt dem <i>Wucher</i>, um so enormer werden die <i>Wucherzinsen</i>.</p>
<p>So kam es, da&szlig; der franz&ouml;sische Bauer unter der Form von <i>Zinsen</i> f&uuml;r die
auf der Erde haftenden <i>Hypotheken</i>, unter der Form von Zinsen f&uuml;r <i>nicht ver</i>-
<a name="S84"><b>&lt;84&gt;</b></a> <i>hypothezierte Vorsch&uuml;sse des Wuchers</i>, nicht nur
eine Grundrente, nicht nur den industriellen Profit, mit einem Wort, nicht nur den <i>ganzen
Reingewinn</i> an den Kapitalisten abtritt, sondern selbst <i>einen Teil des Arbeitslohnes</i>,
da&szlig; er also auf die Stufe des <i>irischen P&auml;chters</i> herabsank - und alles unter dem
Vorwande, <i>Privateigent&uuml;mer</i> zu sein.</p>
<p>Dieser Proze&szlig; wurde in Frankreich beschleunigt durch die stets wachsende
<i>Steuerlast</i> und durch die <i>Gerichtskosten,</i> teils direkt hervorgerufen durch die
Formalit&auml;ten selbst, womit die franz&ouml;sische Gesetzgebung das Grundeigentum umgibt,
teils durch die unz&auml;hligen Konflikte der &uuml;berall sich begrenzenden und durchkreuzenden
Parzellen, teils durch die Proze&szlig;wut der Bauern, deren Eigentumsgenu&szlig; sich auf die
fanatische Geltendmachung des vorgestellten Eigentums, des <i>Eigentumsrechts</i>
beschr&auml;nkt.</p>
<p>Nach einer statistischen Aufstellung von 1840 betrug das Bruttoprodukt des franz&ouml;sischen
Grund und Bodens 5.237.178.000 frs. Es gehn hiervon ab 3.552.000.000 frs. f&uuml;r Kosten der
Bearbeitung, eingeschlossen den Konsum der arbeitenden Menschen. Bleibt ein Nettoprodukt von
1.685.178.000 frs., wovon 550 Millionen f&uuml;r Hypothekenzinsen, 100 Millionen f&uuml;r
Justizbeamte, 350 Millionen f&uuml;r Steuern und 107 Millionen f&uuml;r Einschreibungsgeld,
Stempelgeld, Hypothezierungsgeb&uuml;hren usw. abzuziehen. Bleibt der dritte Teil des
Nettoprodukts, 538 Millionen, auf den Kopf der Bev&ouml;lkerung verteilt, noch nicht 25 frs.
Nettoprodukt. In dieser Rechnung findet nat&uuml;rlich weder der au&szlig;erhypothekarische
Wucher sich aufgef&uuml;hrt, noch die Kosten f&uuml;r Advokaten usw.</p>
<p>Man begreift die Lage der franz&ouml;sischen Bauern, als die Republik ihren alten Lasten noch
neue hinzugef&uuml;gt hatte. Man sieht, da&szlig; ihre Exploitation von der Exploitation des
industriellen Proletariats sich nur durch die <i>Form</i> unterscheidet. Der Exploiteur ist
derselbe: <i>das Kapital</i>. Die einzelnen Kapitalisten exploitieren die einzelnen Bauern durch
die <i>Hypotheke</i> und den <i>Wucher</i>, die Kapitalistenklasse exploitiert die Bauernklasse
durch die <i>Staatssteuer</i>. Der Eigentumstitel der Bauern ist der Talisman, womit das Kapital
ihn bisher bannte, der Vorwand, unter dem es ihn gegen das industrielle Proletariat auf hetzte.
Nur der Fall des Kapitals kann den Bauern steigen machen, nur eine antikapitalistische, eine
proletarische Regierung kann sein &ouml;konomisches Elend, seine gesellschaftliche Degradation
brechen. Die <i>konstitutionelle Republik</i>, das ist die Diktatur seiner vereinigten
Exploiteurs; <i>die sozial-demokratische</i>, <i>die rote</i> Republik, das ist die Diktatur
seiner Verb&uuml;ndeten. Und die Waage steigt oder f&auml;llt je nach den Stimmen, welche der
Bauer in die Wahlurne wirft. Er selbst hat &uuml;ber sein Schicksal zu entscheiden. - So sprachen
die Sozialisten in Pamphlets, in Almanachs, in Kalendern, in Flugschriften aller <a name=
"S85"><b>&lt;85&gt;</b></a> Art. Verst&auml;ndlicher wurde ihm diese Sprache durch die
Gegenschriften der Partei der Ordnung, die sich ihrerseits an ihn wandte und durch die grobe
&Uuml;bertreibung, durch die brutale Auffassung und Darstellung der Absichten und Ideen der
Sozialisten den wahren Bauernton traf und seine L&uuml;sternheit nach der verbotenen Frucht
&uuml;berreizte. Am verst&auml;ndlichsten aber sprachen die Erfahrungen selbst, welche die
Bauernklasse von dem Gebrauch des Stimmrechts gemacht hatte, und die in revolution&auml;rer Hast
Schlag auf Schlag ihn &uuml;berst&uuml;rzenden Entt&auml;uschungen. <i>Die Revolutionen sind die
Lokomotiven der Geschichte.</i></p>
<p>Die allm&auml;hliche Umw&auml;lzung der Bauern trat in verschiedenen Symptomen hervor. Sie
zeigte sich schon in den Wahlen zur legislativen Versammlung, sie zeigte sich in dem
Belagerungszustand der f&uuml;nf Lyon begrenzenden Departements, sie zeigte sich einige Monate
nach dem 13. Juni in der Wahl eines Montagnards an der Stelle des ehemaligen Pr&auml;sidenten der
Chambre introuvable <a name="Z2"></a><a href="me07_064.htm#M2">(2)</a> durch das Departement der Gironde, sie
zeigte sich am 20. Dezember 1849 in der Wahl eines Roten an der Stelle eines verstorbenen
legitimistischen Deputierten im Departement <i>du Gard</i>, diesem gelobten Lande der
Legitimisten, der Szene der furchtbarsten Schandtaten gegen die Republikaner 1794 und 1795, dem
Zentralsitz der terreur blanche &lt;des wei&szlig;en Terrors&gt; von 1815, wo Liberale und
Protestanten &ouml;ffentlich gemordet wurden. Diese Revolutionierung der station&auml;rsten
Klasse tritt am augenscheinlichsten hervor nach der Wiedereinf&uuml;hrung der Weinsteuer. Die
Regierungsma&szlig;regeln und Gesetze w&auml;hrend des Januars und Februars 1850 sind fast
ausschlie&szlig;lich gegen die <i>Departemente</i> und die <i>Bauern</i> gerichtet. Schlagendster
Beweis ihres Fortschrittes.</p>
<p><i>Zirkular Hautpouls</i>, wodurch der Gendarm zum Inquisitoren des Pr&auml;fekten, des
Unterpr&auml;fekten und vor allem des Maire ernannt, wodurch die Spionage bis in die
Schlupfwinkel der entlegensten Dorfgemeinde organisiert wurde; <i>Gesetz gegen die
Schulmeister</i>, wodurch sie, die Kapazit&auml;ten, die Wortf&uuml;hrer, die Erzieher und die
Dolmetscher der Bauernklasse, der Willk&uuml;r der Pr&auml;fekten unterworfen, sie, die
Proletarier der Gelehrtenklasse, gleich gehetztem Wild aus einer Gemeinde in die andere gejagt
wurden; <i>Gesetzesvorschlag gegen die Maires</i>, wodurch das Damoklesschwert der Absetzung
&uuml;ber ihre H&auml;upter verh&auml;ngt und sie, die Pr&auml;sidenten der Bauerngemeinden,
jeden Augenblick dem Pr&auml;sidenten der Republik und der Ordnungspartei gegen- <a name=
"S86"><b>&lt;86&gt;</b></a> &uuml;bergestellt wurden; <i>Ordonnanz</i>, welche die 17
Milit&auml;rdivisionen Frankreichs in vier Paschaliks verwandelte und die Kaserne und das Biwak
den Franzosen als Nationalsalon oktroyierte; <i>Unterrichtsgesetz</i>, wodurch die Ordnungspartei
die Bewu&szlig;tlosigkeit und die gewaltsame Verdummung Frankreichs als ihre Lebensbedingung
unter dem Regime des allgemeinen Wahlrechts proklamierte - was waren alle diese Gesetze und
Ma&szlig;regeln? Verzweifelte Versuche, die Departemente und die Bauern der Departemente der
Partei der Ordnung wieder zu erobern.</p>
<p>Als <i>Repression</i> betrachtet, j&auml;mmerliche Mittel, die ihrem eigenen Zweck den Hals
umdrehten. Die gro&szlig;en Ma&szlig;regeln, wie die Beibehaltung der Weinsteuer, der
45-Centimes-Steuer, die h&ouml;hnische Verwerfung der Bauernpetitionen um R&uuml;ckzahlung der
Milliarde usw., alle diese gesetzgeberischen Donnerschl&auml;ge trafen die Bauernklasse nur
einmal, im gro&szlig;en, vom Zentralsitz aus; die angef&uuml;hrten Gesetze und Ma&szlig;regeln
machten den Angriff und den Widerstand <i>allgemein</i>, zum Tagesgespr&auml;ch jeder H&uuml;tte,
sie inokulierten die Revolution jedem Dorf, sie <i>lokalisierten und verbauerten die
Revolution</i>.</p>
<p>Andererseits, beweisen nicht diese Vorschl&auml;ge Bonapartes, ihre Annahme von der
Nationalversammlung, die Einigkeit der beiden Gewalten der konstitutionellen Republik, soweit es
sich um Repression der Anarchie handelt, d.h. aller Klassen, die sich gegen die Bourgeoisdiktatur
auflehnen? Hatte <i>Soulouque</i> nicht gleich nach seiner barschen Botschaft die Legislative
seines D&eacute;vouements f&uuml;r die Ordnung versichert durch die unmittelbar nachfolgende
Botschaft <i>Carliers</i>, dieser schmutzig-gemeinen Karikatur Fouch&eacute;s, wie Louis
Bonaparte selbst die plattgedr&uuml;ckte Karikatur Napoleons war?</p>
<p>Das <i>Unterrichtsgesetz</i> zeigt uns die Allianz der jungen Katholiken und der alten
Voltairianer. Die Herrschaft der vereinigten Bourgeois, konnte sie etwas anderes sein als der
koalisierte Despotismus der jesuitenfreundlichen Restauration und der freigeistigtuenden
Julimonarchie? Die Waffen, welche die eine Bourgeoisfraktion gegen die andere unter das Volk
verteilt hatte in ihrem wechselseitigen Ringen um die Oberherrschaft, mu&szlig;ten sie dem Volke
nicht wieder entrissen werden, seitdem es ihrer vereinigten Diktatur gegen&uuml;berstand? Nichts
hat den Pariser Boutiquier mehr emp&ouml;rt als diese kokette Etalage des <i>Jesuitismus</i>,
selbst nicht die Verwerfung der concordats &agrave; l'amiable.</p>
<p>Unterdessen gingen die Kollisionen fort zwischen den verschiedenen Fraktionen der
Ordnungspartei wie zwischen der Nationalversammlung und Bonaparte. Wenig gefiel der
Nationalversammlung, da&szlig; Bonaparte gleich nach seinem coup d'&eacute;tat, nach seiner
Beschaffung eines eigenen bonapartistischen Ministeriums die neu zu Pr&auml;fekten ernannten
Invaliden der Monarchie vor <a name="S87"><b>&lt;87&gt;</b></a> sich beschied und ihre
konstitutionswidrige Agitation f&uuml;r seine Wiederw&auml;hlung als Pr&auml;sident zur Bedingung
ihres Amtes machte, da&szlig; Carlier seine Inauguration feierte mit der Aufhebung eines
legitimistischen Klubs, da&szlig; Bonaparte ein eigenes Journal "Le Napoleon" stiftete, das die
geheimen Gel&uuml;ste des Pr&auml;sidenten dem Publikum verriet, w&auml;hrend seine Minister auf
der B&uuml;hne der Legislativen sie verleugnen mu&szlig;ten; wenig gefiel ihr die trotzige
Beibehaltung des Ministeriums, ungeachtet ihrer verschiedenen Mi&szlig;trauensvota, wenig der
Versuch, die Gunst der Unteroffiziere durch eine t&auml;gliche Zulage von vier Sous und die Gunst
des Proletariats durch ein Plagiat aus den "Myst&egrave;res" Eug&egrave;ne Sues zu gewinnen,
durch eine Ehrenleihbank, wenig endlich die Unversch&auml;mtheit, womit man die Deportation der
&uuml;brigbleibenden Juniinsurgenten nach Algier durch die Minister beantragen lie&szlig;, um der
Legislativen die Unpopularit&auml;t en gros aufzuw&auml;lzen, w&auml;hrend der Pr&auml;sident
sich selbst die Popularit&auml;t en detail vorbehielt durch einzelne Begnadigungsakte.
<i>Thiers</i> lie&szlig; drohende Worte fallen von "coups d'&eacute;tat" und "coups de
t&ecirc;te" &lt;"Staatsstreichen" und "un&uuml;berlegten Streichen"&gt;, und die Legislative
r&auml;chte sich an Bonaparte, indem sie jeden Gesetzesvorschlag, den er f&uuml;r sich selbst
stellte, verwarf, jeden, den er im gemeinsamen Interesse vorschlug,
ger&auml;uschvoll-mi&szlig;trauisch untersuchte, ob er durch die Vermehrung der Exekutivgewalt
nicht der pers&ouml;nlichen Gewalt Bonapartes zu profitieren strebe. In einem Worte, sie
<i>r&auml;chte sich durch die Konspiration der Verachtung</i>.</p>
<p>Die Legitimistenpartei ihrerseits sah mit Verdru&szlig; die bef&auml;higteren Orleanisten sich
fast aller Posten wieder bem&auml;chtigen und die <i>Zentralisation</i> wachsen, w&auml;hrend sie
ihr Heil prinzipiell in der <i>Dezentralisation</i> suchte. Und wirklich. Die Kontrerevolution
<i>zentralisierte gewaltsam</i>, d.h., sie bereitete den Mechanismus der Revolution vor. Sie
<i>zentralisierte</i> sogar durch den Zwangskurs der Banknoten das Gold und Silber Frankreichs in
der Pariser Bank und schuf so den <i>fertigen Kriegsschatz</i> der Revolution.</p>
<p>Die Orleanisten endlich sahen mit Verdru&szlig; das auftauchende Prinzip der Legitimit&auml;t
ihrem Bastardprinzip entgegengehalten und sich selbst jeden Augenblick zur&uuml;ckgesetzt und
maltr&auml;tiert als b&uuml;rgerliche Mesalliance von dem adeligen Gatten.</p>
<p>Nach und nach sahen wir Bauern, Kleinb&uuml;rger, die Mittelst&auml;nde &uuml;berhaupt, neben
das Proletariat treten, gegen die offizielle Republik in offenen Gegensatz getrieben, als Gegner
von ihr behandelt. <i>Auflehnung gegen die Bourgeoisdiktatur, Bed&uuml;rfnis einer
Ver&auml;nderung der Gesellschaft, Festhaltung der demokratisch- republikanischen Institutionen
als ihrer Bewegungsorgane, Grup-</i> <a name="S88"><b>&lt;88&gt;</b></a> <i>pierung um das
Proletariat als die entscheidende revolution&auml;re Macht -</i> das sind die gemeinschaftlichen
Charakterz&uuml;ge der <i>sogenannten Partei der Sozialdemokratie, der Partei der roten
Republik</i>. Diese <i>Partei der Anarchie</i>, wie ihre Gegner sie taufen, ist nicht minder eine
Koalition verschiedener Interessen als <i>die Partei der Ordnung</i>. Von der kleinsten Reform
der alten gesellschaftlichen Unordnung bis zur Umw&auml;lzung der alten gesellschaftlichen
Ordnung, von dem b&uuml;rgerlichen Liberalismus bis zum revolution&auml;ren Terrorismus, so weit
liegen die Extreme auseinander, welche den Ausgangspunkt und den Endpunkt der Partei der
"Anarchie" bilden.</p>
<p>Abschaffung der Schutzz&ouml;lle - Sozialismus! denn sie greift das Monopol der
<i>industriellen</i> Fraktion der Ordnungspartei an. Regelung des Staatshaushaltes - Sozialismus!
denn sie greift das Monopol der <i>finanziellen</i> Fraktion der Ordnungspartei an. Freie
Einlassung von fremdem Fleisch und Getreide - Sozialismus! denn sie greift das Monopol der
dritten Fraktion der Ordnungspartei an, des <i>gro&szlig;en Grundeigentums</i>. Die Forderungen
der Freetrader-Partei, d.h. der fortgeschrittensten englischen Bourgeoispartei, sie erscheinen in
Frankreich als ebenso viele sozialistische Forderungen. Voltairianismus - Sozialismus! denn er
greift eine vierte Fraktion der Ordnungspartei an, die <i>katholische</i>. Pre&szlig;freiheit,
Assoziationsrecht, allgemeiner Volksunterricht - Sozialismus, Sozialismus! Sie greifen das
Gesamtmonopol der Ordnungspartei an.</p>
<p>So rasch hatte der Gang der Revolution die Zust&auml;nde gereift, da&szlig; die Reformfreunde
aller Schattierungen, da&szlig; die bescheidensten Anspr&uuml;che der Mittelklassen gezwungen
waren, sich um die Fahne der &auml;u&szlig;ersten Umsturzpartei zu gruppieren, um die <i>rote
Fahne</i>.</p>
<p>So mannigfaltig indes der <i>Sozialismus</i> der verschiedenen gro&szlig;en Glieder der Partei
der Anarchie war, je nach den &ouml;konomischen Bedingungen und den daraus hervorflie&szlig;enden
revolution&auml;ren Gesamtbed&uuml;rfnissen ihrer Klasse oder Klassenfraktion, in <i>einem</i>
Punkte kommt er &uuml;berein: sich als <i>Mittel der Emanzipation des Proletariats</i> und die
Emanzipation desselben als seinen <i>Zweck</i> zu verk&uuml;nden. Absichtliche T&auml;uschung der
einen, Selbstt&auml;uschung der anderen, die die nach ihren Bed&uuml;rfnissen umgewandelte Welt
als die beste Welt f&uuml;r alle ausgeben, als die Verwirklichung aller revolution&auml;ren
Anspr&uuml;che und die Aufhebung aller revolution&auml;ren Kollisionen.</p>
<p>Unter den ziemlich gleichlautenden <i>allgemeinen</i> sozialistischen Phrasen der <i>"Partei
der Anarchie"</i> verbirgt sich <i>der Sozialismus des "National"</i>, <i>der "Presse" und des
"Si&egrave;cle"</i>, der mehr oder minder konsequent die Herrschaft der Finanzaristokratie
st&uuml;rzen und Industrie und Verkehr von ihren bisherigen Fesseln befreien will. Es ist dies
der Sozialismus der Industrie, des Handels und der <a name="S89"><b>&lt;89&gt;</b></a>
Agrikultur, deren Regenten in der Partei der Ordnung diese Interessen verleugnen, soweit sie
nicht mehr mit ihren Privatmonopolen zusammenfallen. Von diesem <i>b&uuml;rgerlichen
Sozialismus</i>, der nat&uuml;rlich, wie jede der Abarten des Sozialismus, einen Teil der
Arbeiter und Kleinb&uuml;rger ralliiert, scheidet sich der eigentliche, der
<i>kleinb&uuml;rgerliche Sozialismus</i>, der Sozialismus par excellence &lt;schlechthin&gt;. Das
Kapital hetzt diese Klasse haupts&auml;chlich als <i>Gl&auml;ubiger</i>, sie verlangt
<i>Kreditinstitute</i>; es ekrasiert sie durch die <i>Konkurrenz</i>, sie verlangt
<i>Assoziationen</i> vom Staate unterst&uuml;tzt; es &uuml;berw&auml;ltigt sie durch die
<i>Konzentration</i>, sie verlangt <i>Progressivsteuern</i>, Erbschaftsbeschr&auml;nkungen,
&Uuml;bernahme der gro&szlig;en Arbeiten durch den Staat und andere Ma&szlig;regeln, die das
<i>Wachstum des Kapitals gewaltsam aufhalten</i>. Da sie die friedliche Durchf&uuml;hrung ihres
Sozialismus tr&auml;umt - abgerechnet etwa eine kurzt&auml;gige zweite Februarrevolution -,
erscheint ihr nat&uuml;rlich der kommende geschichtliche Proze&szlig; als die <i>Anwendung von
Systemen</i>, welche die Denker der Gesellschaft, sei es in Kompanie, sei es als einzelne
Erfinder, aussinnen oder ausgesonnen haben. So werden sie die Eklektiker oder Adepten der
vorhandenen sozialistischen <i>Systeme</i>, des <i>doktrin&auml;ren Sozialismus</i>, der nur so
lange der theoretische Ausdruck des Proletariats war, als es noch nicht zur freien
geschichtlichen Selbstbewegung sich fortentwickelt hatte.</p>
<p>W&auml;hrend so die <i>Utopie</i>, der <i>doktrin&auml;re Sozialismus</i>, der die
Gesamtbewegung einem ihrer Momente unterordnet, der an die Stelle der gemeinschaftlichen,
gesellschaftlichen Produktion die Hirnt&auml;tigkeit des einzelnen Pedanten setzt und vor allem
den revolution&auml;ren Kampf der Klassen mit seinen Notwendigkeiten durch kleine
Kunstst&uuml;cke oder gro&szlig;e Sentimentalit&auml;ten wegphantasiert, w&auml;hrend dieser
doktrin&auml;re Sozialismus, der im Grunde nur die jetzige Gesellschaft idealisiert, ein
schattenloses Bild von ihr aufnimmt und sein Ideal gegen ihre Wirklichkeit durchsetzen will,
w&auml;hrend dieser Sozialismus von dem Proletariat an das Kleinb&uuml;rgertum abgetreten wird,
w&auml;hrend der Kampf der verschiedenen Sozialistenchefs unter sich selbst jedes der sogenannten
Systeme als anspruchsvolle Festhaltung des einen der Durchgangspunkte der sozialen Umw&auml;lzung
gegen den anderen herausstellt - gruppiert sich das <i>Proletariat</i> immer mehr um den
<i>revolution&auml;ren Sozialismus</i>, um den <i>Kommunismus</i>, f&uuml;r den die Bourgeoisie
selbst den Namen <i>Blanqui</i> erfunden hat. Dieser Sozialismus ist die
<i>Permanenzerkl&auml;rung der Revolution</i>, die <i>Klassendiktatur</i> des Proletariats als
notwendiger Durchgangspunkt zur <i>Abschaffung der Klassenunterschiede &uuml;berhaupt</i>, zur
Abschaffung s&auml;mtlicher Produktionsverh&auml;ltnisse, worauf sie beruhen, zur Abschaffung
s&auml;mtlicher gesell- <a name="S90"><b>&lt;90&gt;</b></a> schaftlichen Beziehungen, die diesen
Produktionsverh&auml;ltnissen entsprechen, zur Umw&auml;lzung s&auml;mtlicher Ideen, die aus
diesen gesellschaftlichen Beziehungen hervorgehen.</p>
<p>Der Raum dieser Darstellung erlaubt nicht, diesen Gegenstand weiter auszuf&uuml;hren.</p>
<p>Wir haben gesehen: wie in der Partei der <i>Ordnung</i> die <i>Finanzaristokratie</i>
notwendig an die Spitze trat, so in der Partei der <i>"Anarchie"</i> das <i>Proletariat</i>.
W&auml;hrend die verschiedenen zu einer revolution&auml;ren Ligue verbundenen Klassen sich um das
Proletariat gruppierten, w&auml;hrend die Departemente immer unsicherer wurden und die
legislative Versammlung selbst immer m&uuml;rrischer gegen die Pr&auml;tensionen des
franz&ouml;sischen Soulouque, nahten die lange aufgeschobenen und hingehaltenen Ersatzwahlen
f&uuml;r die proskribierten Montagnards des 13. Juni heran.</p>
<p>Die Regierung, verachtet von ihren Feinden, mi&szlig;handelt und t&auml;glich gedem&uuml;tigt
von ihren angeblichen Freunden, sah nur <i>ein</i> Mittel, aus der widerlichen und unhaltbaren
Situation herauszutreten - die <i>Emeute</i>. Eine Emeute zu Paris h&auml;tte erlaubt, den
Belagerungszustand &uuml;ber Paris und die Departemente zu verh&auml;ngen und so die Wahlen zu
kommandieren. Andererseits waren die Freunde der Ordnung, einer Regierung gegen&uuml;ber, die den
Sieg &uuml;ber die Anarchie erfochten, zu Konzessionen gezwungen, wollten sie nicht selbst als
Anarchisten erscheinen.</p>
<p>Die Regierung begab sich ans Werk. Anfang Februar 1850 Provokationen des Volks durch
Niedermetzeln der Freiheitsb&auml;ume. Vergeblich. Wenn die Freiheitsb&auml;ume ihren Platz
verloren, verlor sie selbst den Kopf und trat erschrocken vor ihrer eigenen Provokation
zur&uuml;ck. Die Nationalversammlung aber nahm diesen ungeschickten Emanzipationsversuch
Bonapartes mit eiskaltem Mi&szlig;trauen auf. Nicht erfolgreicher die Entfernung der
Immortellenkr&auml;nze von der Julis&auml;ule. Sie gab einem Teil der Armee zu
revolution&auml;ren Demonstrationen Anla&szlig; und der Nationalversammlung zu einem mehr oder
minder versteckten Mi&szlig;trauensvotum gegen das Ministerium. Vergebens die Drohung der
Regierungspresse mit Abschaffung des allgemeinen Wahlrechts, mit der Invasion der Kosaken.
Vergebens die direkte Aufforderung d'Hautpouls, mitten in der Legislative an die Linke, sich auf
die Stra&szlig;e zu begeben, und seine Erkl&auml;rung, die Regierung sei bereit, sie zu
empfangen. Hautpoul empfing nichts als einen Ordnungsruf des Pr&auml;sidenten, und die
Ordnungspartei lie&szlig; mit stiller Schadenfreude einen Deputierten der Linken die
usurpatorischen Gel&uuml;ste Bonapartes persiflieren. Vergebens endlich die Prophezeiung einer
Revolution f&uuml;r den 24. Februar. Die Regierung machte, da&szlig; der 24. Februar vom Volk
ignoriert wurde.</p>
<p><b><a name="S91">&lt;91&gt;</a></b> Das Proletariat lie&szlig; sich zu keiner <i>Emeute</i>
provozieren. weil es im Begriff war, eine <i>Revolution</i> zu machen.</p>
<p>Ungehindert durch die Provokationen der Regierung, die nur die allgemeine Gereiztheit gegen
den bestehenden Zustand erh&ouml;hten, stellte das Wahlkomitee, ganz unter dem Einflusse der
Arbeiter, drei Kandidaten f&uuml;r Paris auf: <i>de Flotte, Vidal</i> und <i>Carnot</i>. <i>De
Flotte</i> war ein Junideportierter, amnestiert durch einen der Popularit&auml;tseinf&auml;lle
Bonapartes, er war ein Freund Blanquis und hatte sich an dem Attentat vom 15. Mai beteiligt.
<i>Vidal</i>, als kommunistischer Schriftsteller bekannt durch sein Buch "&Uuml;ber die
Verteilung des Reichtums", ehemaliger Sekret&auml;r Louis Blancs in der Kommission des
Luxembourg; <i>Carnot</i>, Sohn des Konventsmannes, der den Sieg organisiert hatte, das wenigst
kompromittierte Glied der Nationalpartei, Unterrichtsminister in der provisorischen Regierung und
Exekutivkommission, durch seine demokratische Gesetzvorlage &uuml;ber den Volksunterricht ein
lebendiger Protest gegen das Unterrichtsgesetz der Jesuiten. Diese drei Kandidaten
repr&auml;sentierten die drei verb&uuml;ndeten Klassen: an der Spitze der Juniinsurgent, der
Vertreter des revolution&auml;ren Proletariats, neben ihm der doktrin&auml;re Sozialist, der
Vertreter der sozialistischen Kleinb&uuml;rgerschaft, der dritte endlich Vertreter der
republikanischen Bourgeoispartei, deren demokratische Formeln der Ordnungspartei gegen&uuml;ber
einen sozialistischen Sinn gewonnen und ihren eigenen Sinn l&auml;ngst verloren hatten. Es war
dies eine <i>allgemeine Koalition gegen die Bourgeoisie und die Regierung</i>, <i>wie im
Februar</i>. Aber diesmal war das <i>Proletariat der Kopf der revolution&auml;ren Ligue</i>.</p>
<p>Allen Anstrengungen zum Trotz siegten die sozialistischen Kandidaten. Die Armee selbst stimmte
f&uuml;r den Juniinsurgenten gegen ihren eigenen Kriegsminister La Hitte. Die Ordnungspartei war
wie vom Donner ger&uuml;hrt. Die Departementswahlen tr&ouml;steten sie nicht, sie ergaben eine
Majorit&auml;t von Montagnards.</p>
<p><i>Die Wahl vom 10. M&auml;rz 1850! Es war die Zur&uuml;cknahme des Juni 1848:</i> Die
Massacreurs und Deporteurs der Juniinsurgenten kehrten in die Nationalversammlung zur&uuml;ck,
aber gebeugt, im Gefolge der Deportierten, und ihre Prinzipien auf den Lippen. <i>Es war die
Zur&uuml;cknahme des 13. Juni 1849:</i> Die von der Nationalversammlung proskribierte Montagne
kehrte in die Nationalversammlung zur&uuml;ck, aber als vorgeschobene Trompeter der Revolution,
nicht mehr als ihre Kommandeure. <i>Es war die Zur&uuml;cknahme des 10. Dezember:</i> Napoleon
war durchgefallen mit seinem Minister La Hitte. Die parlamentarische Geschichte Frankreichs kennt
nur ein Analogon: das Durchfallen d'Haussez', Ministers Karls X., 1830. Die Wahl vom 10.
M&auml;rz 1850 war endlich die Kassation der Wahl vom 13. Mai, welche der Partei der Ordnung die
Majorit&auml;t <a name="S92"><b>&lt;92&gt;</b></a> gegeben hatte. Die Wahl vom 10. M&auml;rz
protestierte gegen die Majorit&auml;t vom 13. Mai. Der 10. M&auml;rz war eine Revolution. Hinter
den Wahlzetteln liegen die Pflastersteine.</p>
<p>"Das Votum des 10. M&auml;rz ist der Krieg", rief S&eacute;gur d'Aguesseau aus, eines der
fortgeschrittensten Glieder der Ordnungspartei.</p>
<p>Mit dem 10. M&auml;rz 1850 tritt die konstitutionelle Republik in eine neue Phase, <i>in die
Phase ihrer Aufl&ouml;sung</i>. Die verschiedenen Fraktionen der Majorit&auml;t sind wieder unter
sich und mit Bonaparte vereinigt, sie sind wieder die Retter der Ordnung, er wieder ihr
<i>neutraler Mann</i>. Wenn sie sich erinnern, Royalisten zu sein, so geschieht es nur noch aus
Verzweiflung an der M&ouml;glichkeit der Bourgeoisrepublik, wenn er sich erinnert,
Pr&auml;tendent zu sein, so geschieht es nur noch, weil er verzweifelt, Pr&auml;sident zu
bleiben.</p>
<p>Die Wahl <i>de Flottes</i>, des Juniinsurgenten, beantwortet Bonaparte aufs Kommando der
Ordnungspartei durch die Ernennung <i>Baroches</i> zum Minister des Innern, Baroches, des
Ankl&auml;gers von Blanqui und Barb&eacute;s, von Ledru-Rollin und Guinard. Die Wahl
<i>Carnots</i> beantwortet die Legislative durch die Annahme des Unterrichtsgesetzes, die Wahl
<i>VidaIs</i> durch die Unterdr&uuml;ckung der sozialistischen Presse. Durch den
Trompetensto&szlig; ihrer Presse sucht die Partei der Ordnung ihre eigene Furcht wegzuschmettern.
"Das Schwert ist heilig", ruft eines ihrer Organe; "die Verteidiger der Ordnung m&uuml;ssen die
Offensive gegen die rote Partei ergreifen", ein anderes; "zwischen dem Sozialismus und der
Soziet&auml;t existiert ein Duell auf den Tod, ein rastlos unbarmherziger Krieg; in diesem Duell
der Verzweiflung mu&szlig; der eine oder der andere untergehen; wenn die Gesellschaft den
Sozialismus nicht vernichtet, vernichtet der Sozialismus die Gesellschaft", kr&auml;ht ein
dritter Ordnungshahn. Werft die Barrikaden der Ordnung, die Barrikaden der Religion, die
Barrikaden der Familie auf! Es mu&szlig; geendet werden mit den 127.000 W&auml;hlern von Paris!
Bartholom&auml;usnacht der Sozialisten! Und die Partei der Ordnung glaubt einen Augenblick an
ihre eigene Siegesgewi&szlig;heit.</p>
<p>Am fanatischsten ergehen sich ihre Organe gegen die <i>"Boutiquiers von Paris"</i>. Der
Juniinsurgent von Paris als Repr&auml;sentant erw&auml;hlt von den Boutiquiers von Paris! das
hei&szlig;t, ein zweiter Juni 1848 ist unm&ouml;glich, das hei&szlig;t, ein zweiter 13. Juni 1849
ist unm&ouml;glich, das hei&szlig;t, der moralische Einflu&szlig; des Kapitals ist gebrochen,
d.h., die Bourgeoisversammlung vertritt nur noch die Bourgeoisie, d.h., das gro&szlig;e Eigentum
ist verloren, weil sein Lehenstr&auml;ger, das kleine, im Lager der Eigentumslosen seine Rettung
sucht.</p>
<p>Die Partei der Ordnung kehrt nat&uuml;rlich zu ihrem unvermeidlichen <i>Gemeinplatze</i>
zur&uuml;ck. <i>"Mehr Repression!"</i> ruft sie, " <i>Verzehnfachte Repression!"</i>, aber ihre
Repressionskraft hat sich um das Zehnfache vermindert, w&auml;hrend <a name=
"S93"><b>&lt;93&gt;</b></a> der Widerstand sich verhundertfacht hat. Das Hauptwerkzeug der
Repression selbst, die Armee, mu&szlig; sie nicht reprimiert werden? Und die Partei der Ordnung
spricht ihr letztes Wort: "Der eiserne Ring einer erstickenden Legalit&auml;t mu&szlig; gebrochen
werden. Die <i>konstitutionelle Republik</i> ist <i>unm&ouml;glich</i>. Wir m&uuml;ssen mit
unseren wahren Waffen k&auml;mpfen, wir haben seit Februar 1848 die Revolution mit <i>ihren</i>
Waffen und auf <i>ihrem</i> Terrain bek&auml;mpft, wir haben <i>ihre</i> Institutionen
akzeptiert, die Konstitution ist eine Festung, die nur die Belagernden besch&uuml;tzt, nicht die
Belagerten! Indem wir uns im Bauche des trojanischen Pferdes in das heilige Ilion
einschmuggelten, haben wir ungleich unseren Vorfahren, den <i>Grecs</i> <a name="Z3"></a><a href=
"me07_064.htm#M3">(3)</a>, nicht die feindliche Stadt erobert, sondern uns selbst zu Gefangenen gemacht."</p>
<p>Die Grundlage der Konstitution ist aber das <i>allgemeine Wahlrecht</i>. <i>Die Vernichtung
des allgemeinen Wahlrechts</i>, es ist das letzte Wort der Partei der Ordnung, der
Bourgeoisdiktatur.</p>
<p>Das allgemeine Wahlrecht gab ihnen recht am 4. Mai 1848, am 20. Dezember 1848, am 13. Mai
1849, am 8. Juli 1849. Das allgemeine Wahlrecht hat sich selbst unrecht gegeben am 10. M&auml;rz
1850. Die Bourgeoisherrschaft als Ausflu&szlig; und Resultat des allgemeinen Stimmrechts, als
ausgesprochener Akt des souver&auml;nen Volkswillens, das ist der Sinn der Bourgeoiskonstitution.
Aber von dem Augenblick an, wo der Inhalt dieses Stimmrechts, dieses souver&auml;nen Willens
nicht mehr die Bourgeoisherrschaft ist, hat die Konstitution noch einen Sinn? Ist es nicht die
Pflicht der Bourgeoisie, das Stimmrecht so zu regeln, da&szlig; es das Vern&uuml;nftige will,
ihre Herrschaft? Das allgemeine Wahlrecht, indem es die vorhandene Staatsmacht best&auml;ndig
wieder aufhebt und von neuem aus sich erschafft, hebt es nicht alle Stabilit&auml;t auf, stellt
es nicht jeden Augenblick alle bestehenden Gewalten in Frage, vernichtet es nicht die
Autorit&auml;t, droht es nicht die Anarchie selbst zur Autorit&auml;t zu erheben? Nach dem 10.
M&auml;rz 1850, wer sollte noch zweifeln?</p>
<p>Die Bourgeoisie, indem sie das allgemeine Wahlrecht, mit dem sie sich bisher drapiert hatte,
aus dem sie ihre Allmacht saugte, verwirft, gesteht unverhohlen: <i>"Unsere Diktatur hat bisher
bestanden durch den Volkswillen, sie mu&szlig; jetzt befestigt werden wider den Volkswillen."</i>
Und konsequenterweise sucht sie ihre St&uuml;tzen nicht mehr in <i>Frankreich</i>, sondern
au&szlig;erhalb, in der Fremde, in der <i>Invasion</i>.</p>
<p>Mit der Invasion ruft sie, ein zweites Koblenz, das seinen Sitz in Frankreich selbst
aufgeschlagen hat, alle nationalen Leidenschaften gegen sich <a name="S94"><b>&lt;94&gt;</b></a>
wach. Mit dem Angriff auf das allgemeine Stimmrecht gibt sie der neuen Revolution einen
<i>allgemeinen Vorwand</i>, und die Revolution bedarf eines solchen Vorwandes. Jeder
<i>besondere</i> Vorwand w&uuml;rde die Fraktionen der revolution&auml;ren Ligue trennen und ihre
Unterschiede hervortreten lassen. Der <i>allgemeine</i> Vorwand, er bet&auml;ubt die
halbrevolution&auml;ren Klassen, er erlaubt ihnen, sich selbst zu t&auml;uschen &uuml;ber den
<i>bestimmten Charakter</i> der kommenden Revolution, &uuml;ber die Konsequenzen ihrer eigenen
Tat. Jede Revolution bedarf einer Bankettfrage. Das allgemeine Stimmrecht, es ist die
Bankettfrage der neuen Revolution.</p>
<p>Die koalisierten Bourgeoisfraktionen aber sind schon verurteilt, indem sie von der einzig
m&ouml;glichen Form ihrer <i>vereinten</i> Macht, von der gewaltigsten und vollst&auml;ndigsten
Form ihrer <i>Klassenherrschaft</i>, der <i>konstitutionellen Republik</i>
zur&uuml;ckfl&uuml;chten zu der untergeordneten, unvollst&auml;ndigen, schw&auml;cheren Form der
<i>Monarchie</i>. Sie gleichen jenem Greise, der, um seine Jugendkraft wiederzugewinnen, seinen
Kinderstaat hervorholte und seinen welken Gliedern anzuqu&auml;len suchte. Ihre Republik hatte
nur <i>ein</i> Verdienst, das <i>Treibhaus der Revolution zu sein</i>.</p>
<p>Der 10. M&auml;rz 1850 tr&auml;gt die Inschrift:</p>
<p><i>Apr&egrave;s moi le d&eacute;luge, nach mir die S&uuml;ndflut!</i></p>
<hr>
<p>[Anmerkung von Engels zur Ausgabe von 1895.]</p>
<p><a name="M1">(1)</a> Am 8. Juli 1847 begann vor der Pairskammer in Paris der Proze&szlig;
gegen Parmentier und General Cubi&egrave;res wegen Beamtenbestechung behufs Erlangung einer
Salzwerkskonzession, und gegen den damaligen Minister der &ouml;ffentlichen Arbeiten, Teste,
wegen Annahme solcher Bestechungsgelder. Letzterer machte w&auml;hrend des Prozesses einen
Selbstmordversuch. Alle wurden zu schweren Geldstrafen verurteilt, Teste au&szlig;erdem noch zu
drei Jahren Gef&auml;ngnis. <a href="me07_064.htm#Z1">&lt;=</a></p>
<p><a name="M2">(2)</a> So hei&szlig;t in der Geschichte die unmittelbar nach dem zweiten Sturz
Napoleons 1815 gew&auml;hlte, fanatisch ultaroyalistische und reaktion&auml;re Deputiertenkammer.
<a href="me07_064.htm#Z2">&lt;=</a></p>
<p><a name="M3">(3)</a> <i>Grecs -</i> Wortspiel: Griechen, aber auch: Falschspieler von
Profession. <a href="me07_064.htm#Z3">&lt;=</a></p>
</body>
</html>