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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<TITLE>Friedrich Engels - Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten</TITLE>
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<TD ALIGN="center" width="199" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A HREF="http://www.mlwerke.de/index.shtml"><FONT size="2" color="#006600">MLWerke</A></FONT></TD>
<TD ALIGN="center" width="200" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A href="../default.htm"><FONT size=2 color="#006600">Marx/Engels - Werke</A></TD>
<TD ALIGN="center" width="199" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A HREF="../me_ak85.htm"><FONT size=2 color="#006600">Artikel und Korrespondenzen 1885</A></TD>
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<TD valign="top"><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: </SMALL></TD>
<TD><SMALL>&nbsp;&nbsp;</SMALL></TD>
<TD><SMALL>Karl Marx/Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 21, 5. Auflage 1975, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 206-224.</SMALL></TD>
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<TD><SMALL>Korrektur:</SMALL></TD>
<TD><SMALL>&nbsp;&nbsp;</SMALL></TD>
<TD><SMALL>2</SMALL></TD>
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<TD><SMALL>Erstellt:</SMALL></TD>
<TD><SMALL>&nbsp;&nbsp;</SMALL></TD>
<TD><SMALL>20.03.1999</SMALL></TD>
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<H2>Friedrich Engels</H2>
<H1>Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten</H1>
<FONT SIZE=2><P>Erstmalig erschienen im "Sozialdemokrat Nr. 46, 47 und 48 vom 12. 19. und 29. November 1885, ferner in der Brosch&uuml;re:<BR>
Karl Marx, "Enth&uuml;llungen &uuml;ber den Kommunisten-Proze&szlig; zu K&ouml;ln", Neuer Abdruck mit Einleitung von Friedrich Engels und Dokumenten, Hottingen-Z&uuml;rich 1885. </P>
</FONT><P><A NAME="S206"><HR size="1"></P>
<B><P>|206|</A></B> Mit der Verurteilung der K&ouml;lner Kommunisten 1852 f&auml;llt der Vorhang &uuml;ber die erste Periode der deutschen selbst&auml;ndigen Arbeiterbewegung. Diese Periode ist heute fast vergessen. Und doch w&auml;hrte sie von 1836 bis 1852, und die Bewegung spielte, bei der Verbreitung der deutschen Arbeiter im Ausland, in fast allen Kulturl&auml;ndern. Und damit nicht genug. Die heutige internationale Arbeiterbewegung ist der Sache nach eine direkte Fortsetzung der damaligen deutschen, welche die <I>erste internationale Arbeiterbewegung </I>&uuml;berhaupt war und aus der viele der Leute hervorgingen, die in der Internationalen Arbeiterassoziation die leitende Rolle &uuml;bernahmen. Und die theoretischen Grunds&auml;tze, die der Bund der Kommunisten im "Kommunistischen Manifest" von 1847 auf die Fahne schrieb, bilden heute das st&auml;rkste internationale Bindemittel der gesamten proletarischen Bewegung Europas wie Amerikas.</P>
<P>Bis jetzt gibt es f&uuml;r die zusammenh&auml;ngende Geschichte jener Bewegung nur eine Hauptquelle. Es ist das sogenannte Schwarze Buch: "Die Communisten-Verschw&ouml;rungen des 19. Jahrhunderts". Von Wermuth und Stieber. Berlin. 2 Theile, 1853 und 1854. Dies von zwei der elendesten Polizeilumpen unsres Jahrhunderts zusammengelogne, von absichtlichen F&auml;lschungen strotzende Machwerk dient noch heute allen nichtkommunistischen Schriften &uuml;ber jene Zeit als letzte Quelle.</P>
<P>Was ich hier geben kann, ist nur eine Skizze, und auch diese nur, soweit der Bund selbst in Betracht kommt; nur das zum Verst&auml;ndnis der "Enth&uuml;llungen" absolut Notwendige. Es wird mir hoffentlich noch verg&ouml;nnt sein, das von Marx und mir gesammelte reichhaltige Material zur Geschichte jener ruhmvollen Jugendzeit der internationalen Arbeiterbewegung einmal zu verarbeiten.</P>
<P ALIGN="CENTER"><EFBFBD><EFBFBD><EFBFBD><EFBFBD><EFBFBD></P>
<P>Aus dem im Jahr 1834 in Paris von deutschen Fl&uuml;chtlingen gestifteten demokratisch-republikanischen Geheimbund der "Ge&auml;chteten" sonderten <A NAME="S207"><B>|207|</A></B> sich 1836 die extremsten, meist proletarischen Elemente aus und bildeten den neuen geheimen <I>Bund der Gerechten</I>. Der Mutterbund, worin nur die schlafm&uuml;tzigsten Elemente &agrave; la Jacobus Venedey zur&uuml;ckgeblieben, schlief bald ganz ein: Als die Polizei 1840 einige Sektionen in Deutschland aufschn&uuml;ffelte, war er kaum noch ein Schatten. Der neue Bund dagegen entwickelte sich verh&auml;ltnism&auml;&szlig;ig rasch. Urspr&uuml;nglich war er ein deutscher Ableger des an babouvistische Erinnerungen ankn&uuml;pfenden franz&ouml;sischen Arbeiterkommunismus, der sich um dieselbe Zeit in Paris ausbildete; die G&uuml;tergemeinschaft wurde gefordert als notwendige Folgerung der "Gleichheit". Die Zwecke waren die der gleichzeitigen Pariser geheimen Gesellschaften: halb Propagandaverein, halb Verschw&ouml;rung, wobei jedoch Paris immer als Mittelpunkt der revolution&auml;ren Aktion galt, obgleich die Vorbereitung gelegentlicher Putsche in Deutschland keineswegs ausgeschlossen war. Da aber Paris das entscheidende Schlachtfeld blieb, war der Bund damals tats&auml;chlich nicht viel mehr als der deutsche Zweig der franz&ouml;sischen geheimen Gesellschaften, namentlich der von Blanqui und Barb&egrave;s geleiteten Soci&eacute;t&eacute; des saisons |Gesellschaft der Jahreszeiten|, mit der enger Zusammenhang bestand. Die Franzosen schlugen los am 12. Mai 1839; die Sektionen des Bundes marschierten mit und wurden so in die gemeinsame Niederlage verwickelt.</P>
<P>Von den Deutschen waren namentlich <I>Karl Schapper </I>und <I>Heinrich Bauer </I>ergriffen worden; die Regierung Louis-Philippes begn&uuml;gte sich damit, sie nach l&auml;ngerer Haft auszuweisen. Beide gingen nach London. Schapper aus Weilburg in Nassau, als Student der Forstwissenschaft in Gie&szlig;en 1832 Mitglied der von Georg B&uuml;chner gestifteten Verschw&ouml;rung, machte am 3. April 1833 den Sturm auf die Frankfurter Konstablerwache mit, entkam ins Ausland und beteiligte sich im Februar 1834 an Mazzinis Zug nach Savoyen. Ein H&uuml;ne von Gestalt, resolut und energisch, stets bereit, b&uuml;rgerliche Existenz und Leben in die Schanze zu schlagen, war er das Musterbild des Revolution&auml;rs von Profession, wie er in den drei&szlig;iger Jahren eine Rolle spielte. Bei einer gewissen Schwerf&auml;lligkeit des Denkens war er keineswegs besserer theoretischer Einsicht unzug&auml;nglich, wie schon seine Entwicklung vom "Demagogen" zum Kommunisten beweist, und hielt dann um so starrer am einmal Erkannten. Ebendeshalb ging seine revolution&auml;re Leidenschaft zuweilen mit seinem Verstande durch; aber er hat stets seinen Fehler nachher eingesehn und offen bekannt. Er war ein ganzer Mann, und was er zur Begr&uuml;ndung der deutschen Arbeiterbewegung getan, bleibt unverge&szlig;lich.</P>
<B><P><A NAME="S208">|208|</A></B> Heinrich Bauer aus Franken war Schuhmacher; ein lebhaftes, aufgewecktes, witziges M&auml;nnchen, in dessen kleinem K&ouml;rper aber ebenfalls viel Schlauheit und Entschlossenheit steckte.</P>
<P>In London angekommen, wo Schapper, der in Paris Schriftsetzer gewesen, nun als Sprachlehrer seinen Unterhalt suchte, kn&uuml;pften beide die abgerissenen Bundesf&auml;den wieder zusammen und machten nun London zum Zentrum des Bundes. Zu ihnen gesellte sich hier, wenn nicht schon fr&uuml;her in Paris, <I>Joseph Moll</I>, Uhrmacher aus K&ouml;ln, ein mittelgro&szlig;er Herkules - er und Schapper haben, wie oft! eine Saalt&uuml;re gegen Hunderte andringender Gegner siegreich behauptet -, ein Mann, der seinen beiden Genossen an Energie und Entschlossenheit mindestens gleichkam, sie aber geistig beide &uuml;bertraf. Nicht nur, da&szlig; er geborner Diplomat war, wie die Erfolge seiner zahlreichen Missionsreisen bewiesen; er war auch theoretischer Einsicht leichter zug&auml;nglich. Ich lernte sie alle drei 1843 in London kennen; es waren die ersten revolution&auml;ren Proletarier, die ich sah; und soweit auch im einzelnen damals unsre Ansichten auseinandergingen - denn ich trug ihrem bornierten Gleichheitskommunismus <A NAME="Z1"><A HREF="me21_206.htm#M1"><SMALL><SUP>(1)</SUP></SMALL></A></A> damals noch ein gut St&uuml;ck ebenso bornierten philosophischen Hochmuts entgegen -, so werde ich doch nie den imponierenden Eindruck vergessen, den diese drei wirklichen M&auml;nner auf mich machten, der ich damals eben erst ein Mann werden wollte.</P>
<P>In London, wie in geringerm Ma&szlig;e in der Schweiz, kam ihnen die Vereins- und Versammlungsfreiheit zugut. Schon am 7. Februar 1840 wurde der &ouml;ffentliche Deutsche Arbeiterbildungsverein gestiftet, der heute noch besteht. Dieser Verein diente dem Bund als Werbebezirk neuer Mitglieder, und da, wie immer, die Kommunisten die t&auml;tigsten und intelligentesten Vereinsmitglieder waren, verstand es sich von selbst, da&szlig; seine Leitung ganz in den H&auml;nden des Bundes lag. Der Bund hatte bald mehrere Gemeinden oder, wie sie damals noch hie&szlig;en, "H&uuml;tten" in London. Dieselbe auf der Hand liegende Taktik wurde in der Schweiz und anderswo befolgt. Wo man Arbeitervereine gr&uuml;nden konnte, wurden sie in derselben Weise benutzt. Wo die Gesetze dies verboten, ging man in Gesangvereine, Turnvereine u.dgl. Die Verbindung wurde gro&szlig;enteils durch die fortw&auml;hrend ab- und zureisenden Mitglieder aufrechterhalten, die auch, wo erforderlich, als Emiss&auml;re fungierten. In beiden Hinsichten wurde der Bund lebhaft unterst&uuml;tzt durch die Weisheit der Regierungen, die jeden <A NAME="S209"><B>|209|</A></B> mi&szlig;liebigen Arbeiter - und das war in neun F&auml;llen aus zehn ein Bundesglied - durch Ausweisung in einen Emiss&auml;r verwandelten.</P>
<P>Die Ausbreitung des wiederhergestellten Bundes war eine bedeutende. Namentlich in der Schweiz hatten <I>Weitling</I>, <I>August Becker </I>(ein h&ouml;chst bedeutender Kopf, der aber an innerer Haltlosigkeit zugrunde ging wie so viele Deutsche) und andre eine starke, mehr oder weniger auf Weitlings kommunistisches System vereidigte Organisation geschaffen. Es ist hier nicht der Ort, den Weitlingschen Kommunismus zu kritisieren. Aber f&uuml;r seine Bedeutung als erste selbst&auml;ndige theoretische Regung des deutschen Proletariats unterschreibe ich noch heute Marx' Worte im Pariser "Vorw&auml;rts" von 1844: "Wo h&auml;tte die" (deutsche) "Bourgeoisie - ihre Philosophen und Schriftgelehrten eingerechnet - ein &auml;hnliches Werk wie Weitlings 'Garantien der Harmonie und Freiheit' <I>in bezug auf die Emanzipation der Bourgeoisie - </I>die politische Emanzipation - aufzuweisen? Vergleicht man die n&uuml;chterne, kleinlaute Mittelm&auml;&szlig;igkeit der deutschen politischen Literatur mit diesem ma&szlig;losen und brillanten Deb&uuml;t der deutschen Arbeiter; vergleicht man diese <I>riesenhaften Kinderschuhe des Proletariats </I>mit der Zwerghaftigkeit der ausgetretenen politischen Schuhe der Bourgeoisie, so mu&szlig; man dem Aschenbr&ouml;del eine Athletengestalt prophezeien." Diese Athletengestalt steht heute vor uns, obwohl noch lange nicht ausgewachsen.</P>
<P>Auch in Deutschland bestanden zahlreiche Sektionen, der Natur der Sache nach von verg&auml;nglicherer Natur; aber die entstehenden wogen die eingehenden mehr als auf. Die Polizei entdeckte erst nach sieben Jahren, Ende 1846, in Berlin (Mentel) und Magdeburg (Beck) eine Spur des Bundes, ohne imstande zu sein, sie weiter zu verfolgen.</P>
<P>In Paris hatte der noch 1840 dort befindliche Weitling ebenfalls die zersprengten Elemente wieder gesammelt, ehe er in die Schweiz ging.</P>
<P>Die Kerntruppe des Bundes waren die Schneider. Deutsche Schneider waren &uuml;berall, in der Schweiz, in London, in Paris. In letzterer Stadt war das Deutsche so sehr herrschende Sprache des Gesch&auml;ftszweigs, da&szlig; ich 1846 dort einen norwegischen, direkt zur See von Drontheim nach Frankreich gefahrnen Schneider kannte, der w&auml;hrend 18 Monaten fast kein Wort Franz&ouml;sisch, aber vortrefflich Deutsch gelernt hatte. Von den Pariser Gemeinden bestanden 1847 zwei vorwiegend aus Schneidern, eine aus M&ouml;belschreinern.</P>
<P>Seit der Schwerpunkt von Paris nach London verlegt, trat ein neues Moment in den Vordergrund: Der Bund wurde aus einem deutschen allm&auml;hlich ein <I>internationaler</I>. Im Arbeiterverein fanden sich au&szlig;er Deutschen und Schweizern auch Mitglieder aller jener Nationalit&auml;ten ein, denen die <A NAME="S210"><B>|210|</A></B> deutsche Sprache vorwiegend als Verst&auml;ndigungsmittel mit Ausl&auml;ndern diente, also namentlich Skandinavier, Holl&auml;nder, Ungarn, Tschechen, S&uuml;dslawen, auch Russen und Els&auml;sser. 1847 war unter andern auch ein englischer Gardegrenadier in Uniform regelm&auml;&szlig;iger Stammgast. Der Verein nannte sich bald: <I>Kommunistischer </I>Arbeiterbildungsverein, und auf den Mitgliedskarten stand der Satz: "Alle Menschen sind Br&uuml;der" in wenigstens zwanzig Sprachen, wenn auch hie und da nicht ohne Sprachfehler. Wie der &ouml;ffentliche Verein, so nahm auch der geheime Bund bald einen mehr internationalen Charakter an; zun&auml;chst noch in einem beschr&auml;nkten Sinn, praktisch durch die verschiedene Nationalit&auml;t der Mitglieder, theoretisch durch die Einsicht, da&szlig; jede Revolution, um siegreich zu sein, europ&auml;isch sein m&uuml;sse. Weiter ging man noch nicht; aber die Grundlage war gegeben.</P>
<P>Mit den franz&ouml;sischen Revolution&auml;ren hielt man durch die Londoner Fl&uuml;chtlinge, die Kampfgenossen vom 12. Mai 1839, enge Verbindung. Desgleichen mit den radikaleren Polen. Die offizielle polnische Emigration, wie auch Mazzini, waren selbstverst&auml;ndlich mehr Gegner als Bundesgenossen. Die englischen Chartisten wurden wegen des spezifisch englischen Charakters ihrer Bewegung als unrevolution&auml;r beiseite gelassen. Mit ihnen kamen die Londoner Leiter des Bundes erst sp&auml;ter durch mich in Verbindung.</P>
<P>Auch sonst hatte sich der Charakter des Bundes mit den Ereignissen ge&auml;ndert. Obwohl man noch immer - und damals mit vollem Recht - auf Paris als die revolution&auml;re Mutterstadt blickte, war man doch aus der Abh&auml;ngigkeit von den Pariser Verschw&ouml;rern herausgekommen. Die Ausbreitung des Bundes hob sein Selbstbewu&szlig;tsein. Man f&uuml;hlte, da&szlig; man in der deutschen Arbeiterklasse mehr und mehr Wurzel fa&szlig;te und da&szlig; diese deutschen Arbeiter geschichtlich berufen seien, den Arbeitern des europ&auml;ischen Nordens und Ostens die Fahne voranzutragen. Man hatte in Weitling einen kommunistischen Theoretiker, den man seinen damaligen franz&ouml;sischen Konkurrenten k&uuml;hn an die Seite setzen durfte. Endlich war man durch die Erfahrung vom 12. Mai belehrt worden, da&szlig; es mit den Putschversuchen vorderhand nichts mehr sei. Und wenn man auch fortfuhr, jedes Ereignis sich als Anzeichen des hereinbrechenden Sturms auszulegen, wenn man die alten, halb konspiratorischen Statuten im ganzen aufrechthielt, so war das mehr die Schuld des alten revolution&auml;ren Trotzes, der schon anfing, mit der sich aufdringenden bessern Einsicht in Kollision zu kommen.</P>
<P>Dagegen hatte die gesellschaftliche Doktrin des Bundes, so unbestimmt sie war, einen sehr gro&szlig;en, aber in den Verh&auml;ltnissen selbst begr&uuml;ndeten <A NAME="S211"><B>|211|</A></B> Fehler. Die Mitglieder, soweit sie &uuml;berhaupt Arbeiter, waren fast ausschlie&szlig;lich eigentliche Handwerker. Der Mann, der sie ausbeutete, war selbst in den gro&szlig;en Weltst&auml;dten meist nur ein kleiner Meister. Die Ausbeutung selbst der Schneiderei auf gro&szlig;em Fu&szlig;, der jetzt sogenannten Konfektion, durch Verwandlung des Schneiderhandwerks in Hausindustrie f&uuml;r Rechnung eines gro&szlig;en Kapitalisten, war damals sogar in London erst im Aufkeimen. Einerseits war der Ausbeuter dieser Handwerker ein kleiner Meister, andrerseits hofften sie alle schlie&szlig;lich selbst kleine Meister zu werden. Und dabei klebten dem damaligen deutschen Handwerker noch eine Masse vererbter Zunftvorstellungen an. Es gereicht ihnen zur h&ouml;chsten Ehre, da&szlig; sie, die selbst noch nicht einmal vollg&uuml;ltige Proletarier waren, sondern nur ein im &Uuml;bergang ins moderne Proletariat begriffener Anhang des Kleinb&uuml;rgertums, der noch nicht in direktem Gegensatz gegen die Bourgeoisie, d.h. das gro&szlig;e Kapital, stand - da&szlig; diese Handwerker imstande waren, ihre k&uuml;nftige Entwicklung instinktiv zu antizipieren und, wenn auch noch nicht mit vollem Bewu&szlig;tsein, sich als Partei des Proletariats zu konstituieren. Aber es war auch unvermeidlich, da&szlig; ihre alten Handwerkervorurteile ihnen jeden Augenblick ein Bein stellten, sobald es darauf ankam, die bestehende Gesellschaft im einzelnen zu kritisieren, d.h. &ouml;konomische Tatsachen zu untersuchen. Und ich glaube nicht, da&szlig; im ganzen Bund damals ein einziger Mann war, der je ein Buch &uuml;ber &Ouml;konomie gelesen hatte. Das verschlug aber wenig; die "Gleichheit", die "Br&uuml;derlichkeit" und die "Gerechtigkeit" halfen einstweilen &uuml;ber jeden theoretischen Berg.</P>
<P>Inzwischen hatte sich neben dem Kommunismus des Bundes und Weitlings ein zweiter, wesentlich verschiedner herausgebildet. Ich war in Manchester mit der Nase darauf gesto&szlig;en worden, da&szlig; die &ouml;konomischen Tatsachen, die in der bisherigen Geschichtsschreibung gar keine oder nur eine verachtete Rolle spielen, wenigstens in der modernen Welt eine entscheidende geschichtliche Macht sind; da&szlig; sie die Grundlage bilden f&uuml;r die Entstehung der heutigen Klassengegens&auml;tze; da&szlig; diese Klassengegens&auml;tze in den L&auml;ndern, wo sie verm&ouml;ge der gro&szlig;en Industrie sich voll entwickelt haben, also namentlich in England, wieder die Grundlage der politischen Parteibildung, der Parteikampfe und damit der gesamten politischen Geschichte sind. Marx war nicht nur zu derselben Ansicht gekommen, sondern hatte sie auch schon in den "Deutsch-Franz&ouml;sischen Jahrb&uuml;chern" (1844) dahin verallgemeinert, da&szlig; &uuml;berhaupt nicht der Staat die b&uuml;rgerliche Gesellschaft, sondern die b&uuml;rgerliche Gesellschaft den Staat bedingt und regelt, da&szlig; also die Politik und ihre Geschichte aus den &ouml;konomischen <A NAME="S212"><B>|212|</A></B> Verh&auml;ltnissen und ihrer Entwicklung zu erkl&auml;ren ist, nicht umgekehrt. Als ich Marx im Sommer 1844 in Paris besuchte, stellte sich unsere vollst&auml;ndige &Uuml;bereinstimmung auf allen theoretischen Gebieten heraus, und von da an datiert unsre gemeinsame Arbeit. Als wir im Fr&uuml;hjahr 1845 in Br&uuml;ssel wieder zusammenkamen, hatte Marx aus den obigen Grundlagen schon seine materialistische Geschichtstheorie in den Hauptz&uuml;gen fertig herausentwickelt, und wir setzten uns nun daran, die neugewonnene Anschauungsweise nach den verschiedensten Richtungen hin im einzelnen auszuarbeiten.</P>
<P>Diese die Geschichtswissenschaft umw&auml;lzende Entdeckung, die, wie man sieht, wesentlich das Werk von Marx ist und an der ich mir nur einen sehr geringen Anteil zuschreiben kann, war aber von unmittelbarer Wichtigkeit f&uuml;r die gleichzeitige Arbeiterbewegung. Kommunismus bei Franzosen und Deutschen, Chartismus bei den Engl&auml;ndern erschien nun nicht mehr als etwas Zuf&auml;lliges, das ebensogut auch h&auml;tte nicht dasein k&ouml;nnen. Diese Bewegungen stellten sich nun dar als eine Bewegung der modernen unterdr&uuml;ckten Klasse, des Proletariats, als mehr oder minder entwickelte Formen ihres geschichtlich notwendigen Kampfs gegen die herrschende Klasse, die Bourgeoisie; als Formen des Klassenkampfs, aber unterschieden von allen fr&uuml;heren Klassenk&auml;mpfen durch dies eine: da&szlig; die heutige unterdr&uuml;ckte Klasse, das Proletariat, seine Emanzipation nicht durchf&uuml;hren kann, ohne gleichzeitig die ganze Gesellschaft von der Scheidung in Klassen und damit von den Klassenk&auml;mpfen zu emanzipieren. Und Kommunismus hie&szlig; nun nicht mehr: Ausheckung, vermittelst der Phantasie, eines m&ouml;glichst vollkommenen Gesellschaftsideals, sondern: Einsicht in die Natur, die Bedingungen und die daraus sich ergebenden allgemeinen Ziele des vom Proletariat gef&uuml;hrten Kampfs.</P>
<P>Wir waren nun keineswegs der Absicht, die neuen wissenschaftlichen Resultate in dicken B&uuml;chern ausschlie&szlig;lich der "gelehrten" Welt zuzufl&uuml;stern. Im Gegenteil. Wir sa&szlig;en beide schon tief in der politischen Bewegung, hatten unter der gebildeten Welt, namentlich Westdeutschlands, einen gewissen Anhang und reichliche F&uuml;hlung mit dem organisierten Proletariat. Wir waren verpflichtet, unsre Ansicht wissenschaftlich zu begr&uuml;nden; ebenso wichtig aber war es auch f&uuml;r uns, das europ&auml;ische und zun&auml;chst das deutsche Proletariat f&uuml;r unsere &Uuml;berzeugung zu gewinnen. Sobald wir erst mit uns selbst im reinen, ging's an die Arbeit. In Br&uuml;ssel stifteten wir einen deutschen Arbeiterverein und bem&auml;chtigten uns der "Deutschen-Br&uuml;sseler-Zeitung", in der wir bis zur Februarrevolution ein Organ hatten. Mit dem revolution&auml;ren Teil der englischen Chartisten verkehrten wir durch Julian Harney, den Redakteur des Zentralorgans der Bewegung, "The <A NAME="S213"><B>|213|</A></B> Northern Star", dessen Mitarbeiter ich war. Ebenso standen wir in einer Art Kartell mit den Br&uuml;sseler Demokraten (Marx war Vizepr&auml;sident der Demokratischen Gesellschaft) und den franz&ouml;sischen Sozial-Demokraten von der "R&eacute;forme", der ich Nachrichten &uuml;ber die englische und deutsche Bewegung lieferte. Kurz, unsre Verbindungen mit den radikalen und proletarischen Organisationen und Pre&szlig;organen waren ganz nach Wunsch.</P>
<P>Mit dem Bund der Gerechten standen wir folgenderma&szlig;en. Die Existenz des Bundes war uns nat&uuml;rlich bekannt; 1843 hatte mir Schapper den Eintritt angetragen, den ich damals selbstredend ablehnte. Wir blieben aber nicht nur mit den Londonern in fortw&auml;hrender Korrespondenz, sondern in noch engerm Verkehr mit Dr. Ewerbeck, dem jetzigen Leiter der Pariser Gemeinden. Ohne uns um die innern Bundesangelegenheiten zu k&uuml;mmern, erfuhren wir doch von jedem wichtigen Vorgang. Andrerseits wirkten wir m&uuml;ndlich, brieflich und durch die Presse auf die theoretischen Ansichten der bedeutendsten Bundesmitglieder ein. Hierzu dienten auch verschiedne lithographierte Zirkulare, die wir bei besondern Gelegenheiten, wo es sich um Interna der sich bildenden kommunistischen Partei handelte, an unsre Freunde und Korrespondenten in die Welt sandten. Bei diesen kam der Bund zuweilen selbst ins Spiel. So war ein junger westf&auml;lischer Studiosus, Hermann Kriege, der nach Amerika ging, dort als Bundesemiss&auml;r aufgetreten, hatte sich mit dem verr&uuml;ckten Harro Harring assoziiert, um vermittelst des Bundes S&uuml;damerika aus den Angeln zu heben, und hatte ein Blatt gegr&uuml;ndet, worin er einen auf "Liebe" beruhenden, von Liebe &uuml;berflie&szlig;enden, &uuml;berschwenglichen Kommunismus der Liebesduselei im Namen des Bundes predigte. Hiergegen fuhren wir los in einem <A HREF="../me04/me04_003.htm">Zirkular</A>, das seine Wirkung nicht verfehlte. Kriege verschwand von der Bundesb&uuml;hne.</P>
<P>Sp&auml;ter kam Weitling nach Br&uuml;ssel. Aber er war nicht mehr der naive junge Schneidergeselle, der, &uuml;ber seine eigene Begabung erstaunt, sich klar dar&uuml;ber zu werden sucht, wie denn eine kommunistische Gesellschaft wohl aussehen m&ouml;ge. Er war der wegen seiner &Uuml;berlegenheit von Neidern verfolgte gro&szlig;e Mann, der &uuml;berall Rivalen, heimliche Feinde, Fallstricke witterte; der von Land zu Land gehetzte Prophet, der ein Rezept zur Verwirklichung des Himmels auf Erden fertig in der Tasche trug und sich einbildete, jeder gehe darauf aus, es ihm zu stehlen. Er hatte sich in London schon mit den Leuten des Bundes &uuml;berworfen, und auch in Br&uuml;ssel, wo besonders Marx und seine Frau ihm mit fast &uuml;bermenschlicher Geduld entgegen- <A NAME="S214"><B>|214|</A></B> kamen, konnte er mit niemand auskommen. So ging er bald darauf nach Amerika, um es dort mit dem Prophetentum zu versuchen.</P>
<P>Alle diese Umst&auml;nde trugen bei zu der stillen Umw&auml;lzung, die sich im Bund und namentlich unter den Londoner Leitern vollzog. Die Unzul&auml;nglichkeit der bisherigen Auffassung des Kommunismus, sowohl des franz&ouml;sischen einfachen Gleichheitskommunismus wie des Weitlingschen, wurde ihnen mehr und mehr klar. Die von Weitling eingeleitete Zur&uuml;ckf&uuml;hrung des Kommunismus auf das Urchristentum - so geniale Einzelheiten sich in seinem "Evangelium des armen S&uuml;nders" finden - hatte in der Schweiz dahin gef&uuml;hrt, die Bewegung gro&szlig;enteils in die H&auml;nde zuerst von Narren wie Albrecht und dann von ausbeutenden Schwindelpropheten wie Kuhlmann zu liefern. Der von einigen Belletristen vertriebne "wahre Sozialismus", eine &Uuml;bersetzung franz&ouml;sischer sozialistischer Wendungen in verdorbenes Hegeldeutsch und sentimentale Liebesduselei (siehe den <A HREF="../me04/me04_459.htm#S485">Abschnitt &uuml;ber den deutschen oder "wahren" Sozialismus im "Kommunistischen Manifest"</A>), den Kriege und die Lekt&uuml;re der betreffenden Schriften in den Bund eingef&uuml;hrt, mu&szlig;te schon seiner speichelflie&szlig;enden Kraftlosigkeit wegen den alten Revolution&auml;ren des Bundes zum Ekel werden. Gegen&uuml;ber der Unhaltbarkeit der bisherigen theoretischen Vorstellungen, gegen&uuml;ber den daraus sich herleitenden praktischen Abirrungen sah man in London mehr und mehr ein, da&szlig; Marx und ich mit unsrer neuen Theorie recht hatten. Diese Einsicht wurde unzweifelhaft dadurch bef&ouml;rdert, da&szlig; sich unter den Londoner F&uuml;hrern jetzt zwei M&auml;nner befanden, die den Genannten an Bef&auml;higung zu theoretischer Erkenntnis bedeutend &uuml;berlegen waren: der Miniaturmaler Karl Pf&auml;nder aus Heilbronn und der Schneider Georg Eccarius aus Th&uuml;ringen.<A NAME="Z2"><A HREF="me21_206.htm#M2"><SMALL><SUP>(2)</SUP></SMALL></A></A></P>
<P>Genug, im Fr&uuml;hjahr 1847 erschien Moll in Br&uuml;ssel bei Marx und gleich darauf in Paris bei mir, um uns im Namen seiner Genossen mehrmals zum Eintritt in den Bund aufzufordern. Sie seien von der allgemeinen Richtigkeit unserer Auffassungsweise ebensosehr &uuml;berzeugt wie von der Notwendigkeit, den Bund von den alten konspiratorischen Traditionen und <A NAME="S215"><B>|215|</A></B> Formen zu befreien. Wollten wir eintreten, so sollte uns Gelegenheit gegeben werden, auf einem Bundeskongre&szlig; unsren kritischen Kommunismus in einem Manifest zu entwickeln, das sodann als Manifest des Bundes ver&ouml;ffentlicht w&uuml;rde; und ebenso w&uuml;rden wir das Unsrige beitragen k&ouml;nnen, da&szlig; die veraltete Organisation des Bundes durch eine neue zeit- und zweckgem&auml;&szlig;e ersetzt werde.</P>
<P>Da&szlig; eine Organisation innerhalb der deutschen Arbeiterklasse schon der Propaganda wegen notwendig sei und da&szlig; diese Organisation, soweit sie nicht blo&szlig; lokaler Natur, selbst au&szlig;erhalb Deutschlands nur eine geheime sein k&ouml;nne, dar&uuml;ber waren wir nicht im Zweifel. Nun bestand aber grade im Bund bereits eine solche Organisation. Das, was wir bisher an diesem Bund auszusetzen gehabt, wurde jetzt von den Vertretern des Bundes selbst als fehlerhaft preisgegeben; wir selbst wurden aufgefordert, zur Reorganisation mitzuarbeiten. Konnten wir nein sagen? Sicher nicht. Wir traten also in den Bund; Marx bildete in Br&uuml;ssel aus unsern n&auml;heren Freunden eine Bundesgemeinde, w&auml;hrend ich die drei Pariser Gemeinden besuchte.</P>
<P>Im Sommer 1847 fand der erste Bundeskongre&szlig; in London statt, wo W. Wolff die Br&uuml;sseler und ich die Pariser Gemeinden vertrat. Hier wurde zun&auml;chst die Reorganisation des Bundes durchgef&uuml;hrt. Was noch von den alten mystischen Namen aus der Konspirationszeit &uuml;brig, wurde jetzt auch abgeschafft; der Bund organisierte sich in Gemeinden, Kreise, leitende Kreise, Zentralbeh&ouml;rde und Kongre&szlig; und nannte sich von nun an: "Bund der Kommunisten". "Der Zweck des Bundes ist der Sturz der Bourgeoisie, die Herrschaft des Proletariats, die Aufhebung der alten, auf Klassengegens&auml;tzen beruhenden b&uuml;rgerlichen Gesellschaft und die Gr&uuml;ndung einer neuen Gesellschaft ohne Klassen und ohne Privateigentum" - so lautet der erste Artikel. Die Organisation selbst war durchaus demokratisch, mit gew&auml;hlten und stets absetzbaren Beh&ouml;rden und hiedurch allein allen Konspirationsgel&uuml;sten, die Diktatur erfordern, ein Riegel vorgeschoben und der Bund - f&uuml;r gew&ouml;hnliche Friedenszeiten wenigstens - in eine reine Propagandagesellschaft verwandelt. Diese neuen Statuten - so demokratisch wurde jetzt verfahren - wurden den Gemeinden zur Diskussion vorgelegt, dann auf dem zweiten Kongre&szlig; nochmals durchberaten und von ihm definitiv am 8. Dezember 1847 angenommen. Sie stehn abgedruckt bei Wermuth und Stieber, I, S. 239, Anl. X.</P>
<P>Der zweite Kongre&szlig; fand statt Ende November und Anfang Dezember desselben Jahres. Hier war auch Marx anwesend und vertrat in l&auml;ngerer Debatte - der Kongre&szlig; dauerte mindestens zehn Tage - die neue Theorie. Aller Widerspruch und Zweifel wurde endlich erledigt, die neuen Grund- <A NAME="S216"><B>|216|</A></B> s&auml;tze einstimmig angenommen und Marx und ich beauftragt, das Manifest auszuarbeiten. Dies geschah unmittelbar nachher. Wenige Wochen vor der Februarrevolution wurde es nach London zum Druck geschickt. Seitdem hat es die Reise um die Welt gemacht, ist in fast alle Sprachen &uuml;bersetzt worden und dient noch heute in den verschiedensten L&auml;ndern als Leitfaden der proletarischen Bewegung. An die Stelle des alten Bundesmottos: "Alle Menschen sind Br&uuml;der", trat der neue Schlachtruf: "Proletarier aller L&auml;nder, vereinigt euch!", der den internationalen Charakter des Kampfes offen proklamierte. Siebzehn Jahre sp&auml;ter durchhallte dieser Schlachtruf die Welt als Feldgeschrei der Internationalen Arbeiterassoziation, und heute hat ihn das streitbare Proletariat aller L&auml;nder auf seine Fahne geschrieben.</P>
<P>Die Februarrevolution brach aus. Sofort &uuml;bertrug die bisherige Londoner Zentralbeh&ouml;rde ihre Befugnisse an den leitenden Kreis Br&uuml;ssel. Aber dieser Beschlu&szlig; traf ein zu einer Zeit, wo in Br&uuml;ssel schon ein tats&auml;chlicher Belagerungszustand herrschte und namentlich die Deutschen sich nirgends mehr versammeln konnten. Wir waren eben alle auf dem Sprung nach Paris, und so beschlo&szlig; die neue Zentralbeh&ouml;rde, sich ebenfalls aufzul&ouml;sen, ihre s&auml;mtlichen Vollmachten an Marx zu &uuml;bertragen und ihn zu bevollm&auml;chtigen, in Paris sofort eine neue Zentralbeh&ouml;rde zu konstituieren. Kaum waren die f&uuml;nf Leute, die diesen Beschlu&szlig; (3. M&auml;rz 1848) gefa&szlig;t, auseinandergegangen, als die Polizei in Marx' Wohnung drang, ihn verhaftete und am n&auml;chsten Tage nach Frankreich abzureisen zwang, wohin er grade gehn wollte.</P>
<P>In Paris fanden wir uns bald alle wieder zusammen. Dort wurde auch das folgende, von den Mitgliedern der neuen Zentralbeh&ouml;rde unterzeichnete Dokument |Engels zitiert die "Forderungen" hier nur auszugsweise und nicht w&ouml;rtlich| verfa&szlig;t, das in ganz Deutschland verbreitet wurde und woraus auch heute mancher noch etwas lernen kann:</P>
<H4 ALIGN="CENTER"><A HREF="../me05/me05_003.htm">"Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland"</A></H4>
<P>1. Ganz Deutschland wird zu einer einigen, unteilbaren Republik erkl&auml;rt.</P>
<P>3. Die Volksvertreter werden besoldet, damit auch der Arbeiter im Parlament des deutschen Volkes sitzen k&ouml;nne.</P>
<P>4. Allgemeine Volksbewaffnung.</P>
<B><P><A NAME="S217">|217|</A></B> 7. Die f&uuml;rstlichen und andern feudalen Landg&uuml;ter, alle Bergwerke, Gruben usw. werden in Staatseigentum umgewandelt. Auf diesen Landg&uuml;tern wird der Ackerbau im gro&szlig;en und mit den modernsten Hilfsmitteln der Wissenschaft zum Vorteile der Gesamtheit betrieben.</P>
<P>8. Die Hypotheken auf den Bauerng&uuml;tern werden f&uuml;r Staatseigentum erkl&auml;rt. Die Interessen f&uuml;r jene Hypotheken werden von den Bauern an den Staat gezahlt.</P>
<P>9. In den Gegenden, wo das Pachtwesen entwickelt ist, wird die Grundrente oder der Pachtschilling als Steuer an den Staat gezahlt.</P>
<P>11. Alle Transportmittel: Eisenbahnen, Kan&auml;le, Dampfschiffe, Wege, Posten etc. nimmt der Staat in seine Hand. Sie werden in Staatseigentum umgewandelt und der unbemittelten Klasse zur unentgeltlichen Verf&uuml;gung gestellt.</P>
<P>14. Beschr&auml;nkung des Erbrechts.</P>
<P>15. Einf&uuml;hrung von starken Progressivsteuern und Abschaffung der Konsumtionssteuern.</P>
<P>16. Errichtung von Nationalwerkst&auml;tten. Der Staat garantiert allen Arbeitern ihre Existenz und versorgt die zur Arbeit Unf&auml;higen.</P>
<P>17. Allgemeine, unentgeltliche Volkserziehung.</P>
<P>Es liegt im Interesse des deutschen Proletariats, des kleinen B&uuml;rger- und Bauernstandes, mit aller Energie an der Durchsetzung obiger Ma&szlig;regeln zu arbeiten. Denn nur durch Verwirklichung derselben k&ouml;nnen die Millionen, die bisher in Deutschland von einer kleinen Zahl ausgebeutet wurden und die man weiter in Unterdr&uuml;ckung zu erhalten suchen wird, zu ihrem Rechte und zu derjenigen Macht gelangen, die ihnen, als den Hervorbringern alles Reichtums, geb&uuml;hrt. </P>
<I><P ALIGN="CENTER">Das Komitee:<BR>
Karl Marx - Karl Schapper - H. Bauer - F. Engels - J. Moll - W. Wolff</P>
</I><P>In Paris herrschte damals die Manie der revolution&auml;ren Legionen. Spanier, Italiener, Belgier, Holl&auml;nder, Polen, Deutsche taten sich in Haufen zusammen, um ihre respektiven Vaterl&auml;nder zu befreien. Die deutsche Legion wurde gef&uuml;hrt von Herwegh, Bornstedt, B&ouml;rnstein. Da sofort nach der Revolution alle ausl&auml;ndischen Arbeiter nicht nur besch&auml;ftigungslos, sondern auch noch vom Publikum drangsaliert wurden, fanden diese Legionen starken Zulauf. Die neue Regierung sah in ihnen ein Mittel, die fremden <A NAME="S218"><B>|218|</A></B> Arbeiter loszuwerden, und bewilligte ihnen l'&eacute;tape du soldat, d.h. Marschquartiere und die Marschzulage von 50 Centimen per Tag bis an die Grenze; wo dann der stets zu Tr&auml;nen ger&uuml;hrte Minister des Ausw&auml;rtigen, der Sch&ouml;nredner Lamartine, schon Gelegenheit fand, sie an ihre respektiven Regierungen zu verraten.</P>
<P>Wir widersetzten uns dieser Revolutionsspielerei aufs entschiedenste. Mitten in die damalige G&auml;rung Deutschlands eine Invasion hineintragen, die die Revolution zwangsm&auml;&szlig;ig von au&szlig;en importieren sollte, das hie&szlig; der Revolution in Deutschland selbst ein Bein stellen, die Regierungen st&auml;rken und die Legion&auml;re selbst - daf&uuml;r b&uuml;rgte Lamartine - den deutschen Truppen wehrlos in die H&auml;nde liefern. Als dann in Wien und Berlin die Revolution siegte, wurde die Legion erst recht zwecklos; aber man hatte einmal angefangen, und so wurde weitergespielt.</P>
<P>Wir stifteten einen deutschen kommunistischen Klub, worin wir den Arbeitern rieten, der Legion fernzubleiben, dagegen einzeln nach der Heimat zur&uuml;ckzukehren und dort f&uuml;r die Bewegung zu wirken. Unser alter Freund Flocon, der in der provisorischen Regierung sa&szlig;, erwirkte f&uuml;r die von uns fortgeschickten Arbeiter dieselben Reisebeg&uuml;nstigungen, die den Legion&auml;ren zugesagt waren. So bef&ouml;rderten wir drei- bis vierhundert Arbeiter nach Deutschland zur&uuml;ck, darunter die gro&szlig;e Mehrzahl der Bundesglieder.</P>
<P>Wie leicht vorherzusehn, erwies sich der Bund, gegen&uuml;ber der jetzt losgebrochnen Bewegung der Volksmassen, als ein viel zu schwacher Hebel. Drei Viertel der Bundesglieder, die fr&uuml;her im Ausland wohnten, hatten durch R&uuml;ckkehr in die Heimat ihren Wohnsitz gewechselt; ihre bisherigen Gemeinden waren damit gro&szlig;enteils aufgel&ouml;st, alle F&uuml;hlung mit dem Bund ging f&uuml;r sie verloren. Ein Teil der Ehrgeizigeren unter ihnen suchte sie auch nicht wieder zu gewinnen, sondern fing, jeder in seiner Lokalit&auml;t, eine kleine Separatbewegung auf eigne Rechnung an. Und endlich lagen die Verh&auml;ltnisse in jedem einzelnen Kleinstaat, jeder Provinz, jeder Stadt wieder so verschieden, da&szlig; der Bund au&szlig;erstand gewesen w&auml;re, mehr als ganz allgemeine Direktiven zu geben; diese waren aber viel besser durch die Presse zu verbreiten. Kurz, mit dem Augenblick, wo die Ursachen aufh&ouml;rten, die den geheimen Bund notwendig gemacht hatten, h&ouml;rte auch der geheime Bund auf, als solcher etwas zu bedeuten. Das aber konnte am wenigsten die Leute &uuml;berraschen, die soeben erst demselben geheimen Bund den letzten Schatten konspiratorischen Charakters abgestreift.</P>
<P>Da&szlig; aber der Bund eine vorz&uuml;gliche Schule der revolution&auml;ren T&auml;tigkeit gewesen, bewies sich jetzt. Am Rhein, wo die "Neue Rheinische Zeitung" einen festen Mittelpunkt bot, in Nassau, Rheinhessen etc. standen &uuml;berall <A NAME="S219"><B>|219|</A></B> Bundesglieder an der Spitze der extrem-demokratischen Bewegung. Desgleichen in Hamburg. In S&uuml;ddeutschland stand das Vorherrschen der kleinb&uuml;rgerlichen Demokratie im Weg. In Breslau war Wilhelm Wolff bis in den Sommer 1848 hinein mit gro&szlig;em Erfolg t&auml;tig; er erhielt auch ein schlesisches Mandat als Stellvertreter zum Frankfurter Parlament. Endlich in Berlin stiftete der Schriftsetzer Stephan Born, der in Br&uuml;ssel und Paris als t&auml;tiges Bundesmitglied gewirkt hatte, eine "Arbeiterverbr&uuml;derung", die eine ziemliche Verbreitung erhielt und bis 1850 bestand. Born, ein sehr talentvoller junger Mann, der es aber mit seiner Verwandlung in eine politische Gr&ouml;&szlig;e etwas zu eilig hatte, "verbr&uuml;derte" sich mit den verschiedenartigsten Krethi und Plethi, um nur einen Haufen zusammenzubekommen, und war keineswegs der Mann, der Einheit in die widerstrebenden Tendenzen, Licht in das Chaos bringen konnte. In den amtlichen Ver&ouml;ffentlichungen des Vereins laufen daher auch die im "Kommunistischen Manifest" vertretenen Ansichten kunterbunt durcheinander mit Zunfterinnerungen und Zunftw&uuml;nschen, Abf&auml;llen von Louis Blanc und Proudhon, Schutzz&ouml;llnerei usw., kurz, man wollte allen alles sein. Speziell wurden Streiks, Gewerksgenossenschaften, Produktivgenossenschaften ins Werk gesetzt und vergessen, da&szlig; es sich vor allem darum handelte, durch politische Siege sich erst das Gebiet zu erobern, worauf allein solche Dinge auf die Dauer durchf&uuml;hrbar waren. Als dann die Siege der Reaktion den Leitern der Verbr&uuml;derung die Notwendigkeit f&uuml;hlbar machten, direkt in den Revolutionskampf einzutreten, wurden sie von der verworrenen Masse, die sie um sich gruppiert, selbstredend im Stich gelassen. Born beteiligte sich am Dresdner Mai-Aufstand 1849 und entkam gl&uuml;cklich. Die "Arbeiterverbr&uuml;derung" aber hatte sich, gegen&uuml;ber der gro&szlig;en politischen Bewegung des Proletariats, als ein reiner Sonderbund bew&auml;hrt, der gro&szlig;enteils nur auf dem Papier bestand und eine so untergeordnete Rolle spielte, da&szlig; die Reaktion ihn erst 1850 und seine fortbestehenden Ableger erst mehrere Jahre nachher zu unterdr&uuml;cken f&uuml;r n&ouml;tig fand. Born, der eigentlich Buttermilch hei&szlig;t, wurde keine politische Gr&ouml;&szlig;e, sondern ein kleiner Schweizer Professor, der nicht mehr den Marx ins Z&uuml;nftlerische, sondern den sanften Renan in sein eignes s&uuml;&szlig;liches Deutsch &uuml;bersetzt.</P>
<P>Mit dem 13. Juni 1849 in Paris, mit der Niederlage der deutschen Maiaufst&auml;nde und der Niederwerfung der ungarischen Revolution durch die Russen war eine gro&szlig;e Periode der 1848er Revolution abgeschlossen. Aber der Sieg der Reaktion war soweit noch keineswegs endg&uuml;ltig. Eine Neuorganisation der zersprengten revolution&auml;ren Kr&auml;fte war geboten und damit auch die des Bundes. Die Verh&auml;ltnisse verboten wieder, wie vor 1848, <A NAME="S220"><B>|220|</A></B> jede &ouml;ffentliche Organisation des Proletariats; man mu&szlig;te also sich von neuem geheim organisieren.</P>
<P>Im Herbst 1849 fanden sich die meisten Mitglieder der fr&uuml;hern Zentralbeh&ouml;rden und Kongresse wieder in London zusammen. Es fehlte nur noch Schapper, der in Wiesbaden sa&szlig;, aber nach seiner Freisprechung im Fr&uuml;hjahr 1850 ebenfalls kam, und Moll, der, nachdem er eine Reihe der gef&auml;hrlichsten Missions- und Agitationsreisen erledigt - zuletzt warb er mitten unter der preu&szlig;ischen Armee in der Rheinprovinz Fahrkanoniere f&uuml;r die pf&auml;lzische Artillerie -, in die Besan&ccedil;oner Arbeiterkompanie des Willichschen Korps eintrat und im Gefecht an der Murg, vorw&auml;rts der Rotenfelser Br&uuml;cke, durch einen Schu&szlig; in den Kopf get&ouml;tet wurde. Dagegen trat nun Willich ein. Willich war einer der seit 1845 im westlichen Deutschland so h&auml;ufigen Gem&uuml;tskommunisten, also schon deshalb in instinktivem, geheimem Gegensatz gegen unsre kritische Richtung. Er war aber mehr, er war vollst&auml;ndiger Prophet, von seiner pers&ouml;nlichen Mission als pr&auml;destinierter Befreier des deutschen Proletariats &uuml;berzeugt und als solcher direkter Pr&auml;tendent auf die politische nicht minder als auf die milit&auml;rische Diktatur. Dem fr&uuml;her von Weitling gepredigten urchristlichen Kommunismus trat somit eine Art von kommunistischem Islam zur Seite. Doch blieb die Propaganda dieser neuen Religion zun&auml;chst auf die von Willich befehligte Fl&uuml;chtlingskaserne beschr&auml;nkt.</P>
<P>Der Bund wurde also neu organisiert, die im Anhang (IX, Nr. 1) abgedruckte <A HREF="../me07/me07_244.htm">Ansprache vom M&auml;rz 1850</A> erlassen und Heinrich Bauer als Emiss&auml;r nach Deutschland geschickt. Die von Marx und mir redigierte Ansprache ist noch heute von Interesse, weil die kleinb&uuml;rgerliche Demokratie auch jetzt noch diejenige Partei ist, welche bei der n&auml;chsten europ&auml;ischen Ersch&uuml;tterung, die nun bald f&auml;llig wird (die Verfallzeit der europ&auml;ischen Revolutionen, 1815, 1830, 1848-1852, 1870, w&auml;hrt in unserm Jahrhundert 15 bis 18 Jahre), in Deutschland unbedingt zun&auml;chst ans Ruder kommen mu&szlig;, als Retterin der Gesellschaft vor den kommunistischen Arbeitern. Manches von dem dort Gesagten pa&szlig;t also noch heute. Die Missionsreise Heinrich Bauers war von vollst&auml;ndigem Erfolg gekr&ouml;nt. Der kleine fidele Schuhmacher war ein geborner Diplomat. Er brachte die teils l&auml;ssig gewordnen, teils auf eigne Rechnung operierenden ehemaligen Bundesglieder wieder in die aktive Organisation, namentlich auch die jetzigen F&uuml;hrer der "Arbeiterverbr&uuml;derung". Der Bund fing an, in den Arbeiter-, Bauern- und Turnvereinen in weit gr&ouml;&szlig;erem Ma&szlig; als vor 1848 die dominierende Rolle zu spielen, so da&szlig; schon die n&auml;chste viertelj&auml;hrliche <A HREF="../me07/me07_306.htm">Ansprache an die Gemeinden vom Juni 1850</A> konstatieren konnte, der im Interesse der klein- <A NAME="S221"><B>|221|</A></B> b&uuml;rgerlichen Demokratie Deutschland bereisende Studiosus Schurz aus Bonn (der sp&auml;tere amerikanische Exminister) "habe alle brauchbaren Kr&auml;fte schon in den H&auml;nden des Bundes gefunden" (s. Anhang, IX, Nr. 2). Der Bund war unbedingt die einzige revolution&auml;re Organisation, die in Deutschland eine Bedeutung hatte.</P>
<P>Wozu diese Organisation aber dienen sollte, das hing sehr wesentlich davon ab, ob die Aussichten auf einen erneuten Aufschwung der Revolution sich verwirklichten. Und dies wurde im Lauf des Jahres 1850 immer unwahrscheinlicher, ja unm&ouml;glicher. Die industrielle Krisis von 1847, die die Revolution von 1848 vorbereitet hatte, war &uuml;berwunden; eine neue, bisher unerh&ouml;rte Periode der industriellen Prosperit&auml;t war angebrochen; wer Augen hatte zu sehn, und sie gebrauchte, f&uuml;r den mu&szlig;te es klar sein, da&szlig; der Revolutionssturm von 1848 sich allm&auml;hlich ersch&ouml;pfte.</P>
<P>"Bei dieser allgemeinen Prosperit&auml;t, worin die Produktivkr&auml;fte der b&uuml;rgerlichen Gesellschaft sich so &uuml;ppig entwickeln, wie dies innerhalb der b&uuml;rgerlichen Verh&auml;ltnisse &uuml;berhaupt m&ouml;glich ist, <I>kann von einer wirklichen Revolution keine Rede sein</I>. Eine solche Revolution ist nur in den Perioden m&ouml;glich, wo diese beiden Faktoren, die modernen Produktivkr&auml;fte und die b&uuml;rgerlichen Produktionsformen, miteinander in Widerspruch geraten. Die verschiedenen Z&auml;nkereien, in denen sich jetzt die Repr&auml;sentanten der einzelnen Fraktionen der kontinentalen Ordnungspartei ergehn und gegenseitig kompromittieren, weit entfernt zu neuen Revolutionen Anla&szlig; zu geben, sind im Gegenteil nur m&ouml;glich, weil die Grundlage der Verh&auml;ltnisse momentan so sicher und, was die Reaktion nicht wei&szlig;, so <I>b&uuml;rgerlich </I>ist. An ihr werden alle die b&uuml;rgerliche Entwicklung aufhaltenden Reaktionsversuche <I>ebenso sicher </I>|in der "N.Rh.Ztg" Polit.-&ouml;kon. Revue": ebensosehr; Engels Hervorhebungen weichen vom Text von 1850 ab.| <I>abprallen wie alle sittliche Entr&uuml;stung und alle begeisterten Proklamationen der Demokraten</I>." So schrieb Marx und ich in der <A HREF="../me07/me07_421.htm#S440">"Revue von Mai bis Oktober 1850"</A> in der "Neuen Rheinischen Zeitung, Politisch-&ouml;konomische Revue", V. und VI. Heft, Hamburg 1850, S.153.</P>
<P>Diese k&uuml;hle Auffassung der Lege war aber f&uuml;r viele Leute eine Ketzerei zu einer Zeit, wo Ledru-Rollin, Louis Blanc, Mazzini, Kossuth, und von kleineren deutschen Lichtern Ruge, Kinkel, Goegg und wie sie alle hei&szlig;en, sich in London haufenweise zu provisorischen Zukunftsregierungen, nicht nur f&uuml;r ihre respektiven Vaterl&auml;nder, sondern auch f&uuml;r ganz Europa zusammentaten und wo es nur noch darauf ankam, das n&ouml;tige Geld als Revolutionsanleihe in Amerika aufzunehmen, um die europ&auml;ische Revolution benebst den damit selbstverst&auml;ndlichen verschiednen Republiken im Nu <A NAME="S222"><B>|222|</A></B> zu verwirklichen. Da&szlig; ein Mann wie Willich hier hineinfiel und da&szlig; auch Schapper aus altem Revolutionsdrang sich bet&ouml;ren lie&szlig;, da&szlig; die Mehrzahl der Londoner Arbeiter, gro&szlig;enteils selbst Fl&uuml;chtlinge, ihnen in das Lager der b&uuml;rgerlich-demokratischen Revolutionsmacher folgte, wen kann es wundern? Genug, die von uns verteidigte Zur&uuml;ckhaltung war nicht nach dem Sinn dieser Leute; es sollte in die Revolutionsmacherei eingetreten werden; wir weigerten uns aufs entschiedenste. Die Spaltung erfolgte; das Weitere ist in den "Enth&uuml;llungen" zu lesen. Dann kam die Verhaftung zuerst Nothjungs, dann Haupts in Hamburg, der zum Verr&auml;ter wurde, indem er die Namen der K&ouml;lner Zentralbeh&ouml;rde angab und im Proze&szlig; als Hauptzeuge dienen sollte; aber seine Verwandten wollten diese Schande nicht erleben und bef&ouml;rderten ihn nach Rio de Janeiro, wo er sich sp&auml;ter als Kaufmann etablierte und in Anerkennung seiner Verdienste erst preu&szlig;ischer und dann deutscher Generalkonsul wurde. Er ist jetzt wieder in Europa.<A NAME="Z3"><A HREF="me21_206.htm#M3"><SMALL><SUP>(3)</SUP></SMALL></A></A></P>
<P>Zum besseren Verst&auml;ndnis des Folgenden gebe ich die Liste der K&ouml;lner Angeklagten: 1. P. G. R&ouml;ser, Zigarrenarbeiter; 2. Heinrich B&uuml;rgers, sp&auml;ter verstorbener fortschrittlicher Landtagsabgeordneter; 3. Peter Nothjung, Schneider, vor wenigen Jahren als Photograph in Breslau gestorben; 4. W. J. Reiff; 5. Dr. Hermann Becker, jetzt Oberb&uuml;rgermeister von K&ouml;ln und Mitglied des Herrenhauses; 6. Dr. Roland Daniels, Arzt, wenige Jahre nach dem Proze&szlig; an der im Gef&auml;ngnis erworbenen Schwindsucht gestorben; 7. Karl Otto, Chemiker; 8. Dr. Abraham Jacobi, jetzt Arzt in New York; 9. Dr. J. J. Klein, jetzt Arzt und Stadtverordneter in K&ouml;ln; 10. Ferdinand Freiligrath, der aber damals schon in London war; 11. J. L. Ehrhard, Kommis; 12. Friedrich Le&szlig;ner, Schneider, jetzt in London. Von diesen wurden, nachdem die &ouml;ffentlichen Verhandlungen vor den Geschwornen vom 4. Oktober bis 12. November 1852 gedauert, wegen versuchten Hochverrats verurteilt: R&ouml;ser, B&uuml;rgers und Nothjung zu 6, Reiff, Otto, Becker zu 5, Le&szlig;ner zu 3 Jahren Festungshaft, Daniels, Klein, Jacobi und Ehrhard wurden freigesprochen.</P>
<P>Mit dem K&ouml;lner Proze&szlig; schlie&szlig;t diese erste Periode der deutschen kommunistischen Arbeiterbewegung. Unmittelbar nach der Verurteilung l&ouml;sten <A NAME="S223"><B>|223|</A></B> wir unsern Bund auf; wenige Monate nachher ging auch der Willich-Schappersche Sonderbund ein zur ewigen Ruhe.</P>
<P ALIGN="CENTER"><EFBFBD><EFBFBD><EFBFBD><EFBFBD><EFBFBD></P>
<P>Zwischen damals und jetzt liegt ein Menschenalter. Damals war Deutschland ein Land des Handwerks und der auf Handarbeit beruhenden Hausindustrie; jetzt ist es ein noch in fortw&auml;hrender industrieller Umw&auml;lzung begriffnes gro&szlig;es Industrieland. Damals mu&szlig;te man die Arbeiter einzeln zusammensuchen, die Verst&auml;ndnis hatten f&uuml;r ihre Lage als Arbeiter und ihren geschichtlich-&ouml;konomischen Gegensatz gegen das Kapital, weil dieser Gegensatz selbst erst im Entstehen begriffen war. Heute mu&szlig; man das gesamte deutsche Proletariat unter Ausnahmsgesetze stellen, um nur den Proze&szlig; seiner Entwicklung zum vollen Bewu&szlig;tsein seiner Lage als unterdr&uuml;ckte Klasse um ein geringes zu verlangsamen. Damals mu&szlig;ten sich die wenigen Leute, die zur Erkenntnis der geschichtlichen Rolle des Proletariats durchgedrungen, im geheimen zusammentun, in kleinen Gemeinden von drei bis zwanzig Mann verstohlen sich versammeln. Heute braucht das deutsche Proletariat keine offizielle Organisation mehr, weder &ouml;ffentliche noch geheime; der einfache, sich von selbst verstehende Zusammenhang gleichgesinnter Klassengenossen reicht hin, um ohne alle Statuten, Beh&ouml;rden, Beschl&uuml;sse und sonstige greifbare Formen das gesamte Deutsche Reich zu ersch&uuml;ttern. Bismarck ist Schiedsrichter in Europa, drau&szlig;en jenseits der Grenze; aber drinnen w&auml;chst t&auml;glich drohender jene Athletengestalt des deutschen Proletariats empor, die Marx schon 1844 vorhersah, der Riese, dem das auf den Philister bemessene enge Reichsgeb&auml;ude schon zu knapp wird und dessen gewaltige Statur und breite Schultern dem Augenblick entgegenwachsen, wo sein blo&szlig;es Aufstehn vom Sitz den ganzen Reichsverfassungsbau in Tr&uuml;mmer sprengt. Und mehr noch. Die internationale Bewegung des europ&auml;ischen und amerikanischen Proletariats ist jetzt so erstarkt, da&szlig; nicht nur ihre erste enge Form - der geheime Bund -, sondern selbst ihre zweite, unendlich umfassendere Form - die &ouml;ffentliche Internationale Arbeiterassoziation - eine Fessel f&uuml;r sie geworden und da&szlig; das einfache, auf der Einsicht in die Dieselbigkeit der Klassenlage beruhende Gef&uuml;hl der Solidarit&auml;t hinreicht, unter den Arbeitern aller L&auml;nder und Zungen eine und dieselbe gro&szlig;e Partei des Proletariats zu schaffen und zusammenzuhalten. Die Lehren, die der Bund von 1847 bis 1852 vertrat und die damals als die Hirngespinste extremer Tollk&ouml;pfe, als Geheimlehre einiger zersprengten Sektierer vom weisen Philisterium mit Achselzucken behandelt werden durften, sie haben jetzt zahllose Anh&auml;nger in allen zivili- <A NAME="S224"><B>|224|</A></B> sierten L&auml;ndern der Welt, unter den Verdammten der sibirischen Bergwerke wie unter den Goldgr&auml;bern Kaliforniens; und der Begr&uuml;nder dieser Lehre, der bestgeha&szlig;te, bestverleumdete Mann seiner Zeit, Karl Marx, war, als er starb, der stets gesuchte und stets willige Ratgeber des Proletariats beider Welten.</P>
<I><P>London</I>, 8. Oktober 1885</P>
<I><P ALIGN="RIGHT">Friedrich Engels</P>
</I><P><HR size="1"></P>
<P>Fu&szlig;noten von Friedrich Engels</P>
<SMALL><SUP><P><A NAME="M1">(1)</A></SUP></SMALL> Unter Gleichheitskommunismus verstehe ich, wie gesagt, lediglich den Kommunismus, der sich ausschlie&szlig;lich oder vorwiegend auf die Gleichheitsforderung st&uuml;tzt. <A HREF="me21_206.htm#Z1">&lt;=</A></P>
<SMALL><SUP><P><A NAME="M2">(2)</A></SUP></SMALL> Pf&auml;nder ist vor ungef&auml;hr acht Jahren in London gestorben. Er war ein eigent&uuml;mlich feindenkender Kopf, witzig ironisch, dialektisch. Eccarius war bekanntlich sp&auml;ter langj&auml;hriger Generalsekret&auml;r der Internationalen Arbeiterassoziation, in deren Generalrat unter andern folgende alte Bundesmitglieder sa&szlig;en: Eccarius, Pf&auml;nder, Le&szlig;ner, Lochner, Marx, ich. Eccarius hat sich sp&auml;ter ausschlie&szlig;lich der englischen Gewerkschaftsbewegung zugewandt. <A HREF="me21_206.htm#Z2">&lt;=</A></P>
<SMALL><SUP><P><A NAME="M3">(3)</A></SUP></SMALL> Schapper starb Ende der sechziger Jahre in London. Willich machte den amerikanischen B&uuml;rgerkrieg mit Auszeichnung mit; er erhielt in der Schlacht bei Murfreesboro (Tennessee) als Brigadegeneral einen Schu&szlig; durch die Brust, wurde aber geheilt und starb vor etwa zehn Jahren in Amerika. - Von andern oben erw&auml;hnten Personen will ich noch bemerken, da&szlig; Heinrich Bauer in Australien verschollen ist, Weitling und Ewerbeck in Amerika gestorben sind. <A HREF="me21_206.htm#Z3">&lt;=</A></P>
<HR size="1"><P>
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<TD ALIGN="center" width="199" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A HREF="http://www.mlwerke.de/index.shtml"><FONT size="2" color="#006600">MLWerke</A></FONT></TD>
<TD ALIGN="center" width="200" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A href="../default.htm"><FONT size=2 color="#006600">Marx/Engels - Werke</A></TD>
<TD ALIGN="center" width="199" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A HREF="../me_ak85.htm"><FONT size=2 color="#006600">Artikel und Korrespondenzen 1885</A></TD>
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