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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<TITLE>Friedrich Engels - Freiwilligen-Offiziere</TITLE>
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<P ALIGN="CENTER"><A HREF="../me_ak61.htm"><FONT SIZE=2>Inhaltsverzeichnis Artikel und Korrespondenzen 1861</FONT></A></P>
<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 15, 4. Auflage 1972, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 384-388.</P>
<P>1. Korrektur.<BR>
Erstellt am 25.10.1998.</P>
</FONT><H2>Friedrich Engels </H2>
<H1>Freiwilligen-Offiziere </H1>
<FONT SIZE=2><P>Geschrieben Mitte November 1861.<BR>
Aus dem Englischen.</P>
</FONT><P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["The Volunteer Journal, for Lancashire and Cheshire" Nr. 64 vom 22. November 1861] </P>
</FONT><B><P><A NAME="S384">|384|</A></B> "Leutnant A. B. in Unehren entlassen; Sekondeleutnant C. D. aus den Listen gestrichen; Hauptmann E. F. vom Dienst in den Vereinigten Staaten verabschiedet" - das sind einige Proben aus den neuesten milit&auml;rischen Nachrichten, die wir in Massen aus Amerika erhalten. </P>
<P>Die Vereinigten Staaten haben in den letzten acht Monaten eine sehr gro&szlig;e Freiwilligen-Armee im Felde gehabt; sie haben weder M&uuml;he noch Kosten gescheut, um diese Armee leistungsf&auml;hig zu machen, und au&szlig;erdem hatte diese Armee den Vorteil, fast die ganze Zeit in Sichtweite der vorgeschobenen Posten eines Feindes postiert zu sein, der niemals wagte, sie in Masse anzugreifen oder nach einer Niederlage zu verfolgen. Diese g&uuml;nstigen Umst&auml;nde sollten eigentlich in sehr gro&szlig;em Ma&szlig;e einen Ausgleich schaffen f&uuml;r die Schwierigkeiten, unter denen die Freiwilligen der Vereinigten Staaten organisiert wurden, f&uuml;r die k&auml;rgliche Unterst&uuml;tzung, die ihnen durch eine sehr kleine, ihren Kern bildende regul&auml;re Armee zuteil wurde und f&uuml;r den Mangel an erfahrenen Adjutanten und Exerzierinstruktoren. Wir d&uuml;rfen nicht vergessen, da&szlig; es in Amerika viele M&auml;nner gab, die sowohl geeignet als auch bereit waren, bei der Organisierung der Freiwilligen zu helfen - teils deutsche Offiziere und Soldaten, die eine regul&auml;re Ausbildung durchgemacht und in den Feldz&uuml;gen 1848/49 mitgefochten hatten, teils englische Soldaten, die w&auml;hrend der letzten zehn Jahre ausgewandert sind. </P>
<P>Wenn nun unter diesen Umst&auml;nden eine regelrechte S&auml;uberung unter den Offizieren notwendig wird, mu&szlig; eine Schw&auml;che vorhanden sein, die nicht im Freiwilligen-System selbst liegt, sondern in dem System der Ernennung solcher M&auml;nner zu Freiwilligen-Offizieren, die ausnahmslos von <A NAME="S385"><B>|385|</A></B> den Soldaten aus den eigenen Reihen gew&auml;hlt wurden. Erst nach einem Feldzug von acht Monaten im Angesicht des Feindes wagt es die Regierung der Vereinigten Staaten, die Freiwilligen-Offiziere aufzufordern, sich einigerma&szlig;en f&uuml;r die Pflichten zu qualifizieren, die zu erf&uuml;llen sie &uuml;bernommen haben, als sie die Offiziersstelle akzeptierten; und nun - welche Zahl von freiwilligen oder erzwungenen Abschieden, welche Menge von mehr oder weniger unehrenhaften Entlassungen ist die Folge! Kein Zweifel, wenn die Potomac-Armee der Vereinigten Staaten einer durch einen angemessenen Anteil von Berufssoldaten gefestigten und zusammengehaltenen Streitkraft gegen&uuml;berstehen w&uuml;rde, w&auml;re sie trotz ihres Umfangs und der unzweifelhaften pers&ouml;nlichen Tapferkeit ihrer Soldaten l&auml;ngst vertrieben worden. </P>
<P>Diese Tatsachen m&ouml;gen den englischen Freiwilligen eine gute Lehre sein. Einige unserer Leser werden sich erinnern, da&szlig; wir vom ersten Erscheinen des "Volunteer Journal" an <A HREF="me15_137.htm#S142">behaupteten</A>, da&szlig; die Offiziere die schwache Seite des Freiwilligen-Systems sind, und auf einer Pr&uuml;fung bestanden, zu der die Offiziere nach einer bestimmten Zeit aufgefordert w&uuml;rden, um nachzuweisen, da&szlig; sie wenigstens auf dem besten Wege sind, der Erf&uuml;llung der von ihnen &uuml;bernommenen Pflichten gewachsen zu sein. Die meisten der Herren, die es &uuml;bernommen hatten, zu kommandieren und Soldaten auf einem Gebiet zu instruieren, auf dem sie zu der Zeit selbst ebenso v&ouml;llig unwissend waren wie die Soldaten - die meisten dieser Herren betrachteten die Idee geringsch&auml;tzig. Das war die Zeit, in der alle Unterst&uuml;tzung und alles Eingreifen der Regierung gleichfalls gering gesch&auml;tzt wurden. Aber seitdem sind die Forderungen an die Geldb&ouml;rse dieser selben Herren stark genug geworden, sie zu veranlassen, finanzielle Unterst&uuml;tzung von der Regierung zu erbitten, und wie das gew&ouml;hnlich bei Regierungen ist, bedeutet es gleichzeitig eine Aufforderung an die Regierung, einzugreifen. &Uuml;berdies hat eine zweij&auml;hrige Erfahrung ziemlich deutlich die M&auml;ngel des gegenw&auml;rtigen Systems, wie man die Freiwilligen-Korps mit Offizieren versorgt, aufgedeckt, und wir werden jetzt von einem kommandierenden Londoner Offizier, und zwar offenbar offiziell, dahingehend informiert, da&szlig; binnen kurzem die Freiwilligen-Offiziere aufgefordert werden, ihre Eignung f&uuml;r ein Kommando vor einem Pr&uuml;fungsausschu&szlig; nachzuweisen. </P>
<P>Wir w&uuml;nschen aufrichtig, da&szlig; dies der Fall sein m&ouml;ge. Tatsache ist, da&szlig; die englischen Freiwilligen-Offiziere ebenfalls eine S&auml;uberung in <A NAME="S386"><B>|386|</A></B> gewissen Grenzen fordern. Man betrachte ein Linienregiment beim Exerzieren und vergleiche es mit einem Freiwilligen-Bataillon! Wozu die Freiwilligen anderthalb Stunden brauchen, das erledigen die Linientruppen in weniger als einer halben Stunde. Wir haben einen Teil der Karreebildung bei einigen der besten Freiwilligen-Regimenter im Lande gesehen, und wir m&uuml;ssen leider sagen, es m&uuml;&szlig;te eine erb&auml;rmliche Kavallerie sein, die diese Karrees nicht jedesmal vernichtet h&auml;tte, bevor ihre Seiten feuerbereit waren. Das war nicht der Fehler der Soldaten. Sie schienen ihre Pflicht, so gut man erwarten konnte, zu kennen und ihre Aufgabe bisweilen sogar so mechanisch auszuf&uuml;hren, wie man es in einem Linienregiment sieht. Aber die Soldaten mu&szlig;ten auf die Kompanieoffiziere warten, die &uuml;ber das zu gebende Kommando und auch &uuml;ber den Augenblick, in dem es zu geben war, unschl&uuml;ssig zu sein schienen. So wurde Unschl&uuml;ssigkeit und bisweilen Verwirrung in einer Formation hervorgerufen, welche vor allem Schnelligkeit in Kommando und Ausf&uuml;hrung erfordert, die nur durch lange &Uuml;bung erworben wird. Wenn dies nach nunmehr zweij&auml;hriger Praxis vorkommt, ist das nicht Beweis genug, da&szlig; es eine Anzahl von Freiwilligen-Offizieren gibt, welche verantwortliche Stellen innehaben, denen sie nicht gewachsen sind? </P>
<P>Wiederum sind die Bataillonskommandeure k&uuml;rzlich durch eine hoch kompetente Autorit&auml;t sehr gelobt worden. Es wurde gesagt, da&szlig; sie ihrer Aufgabe voll gewachsen scheinen, w&auml;hrend die Kompanieoffiziere das nicht immer w&auml;ren. Wir sind keineswegs geneigt. wie man oben bemerkt haben wird, die letztere Feststellung zu bezweifeln, aber wir m&uuml;ssen sagen, da&szlig; die erw&auml;hnte hohe Autorit&auml;t, wenn sie die Oberstleutnants und Majore nicht bei einer gro&szlig;en Revue, sondern beim einfachen Bataillonsexerzieren gesehen h&auml;tte, wahrscheinlich eine etwas andere Meinung ge&auml;u&szlig;ert haben w&uuml;rde. Bei einer gro&szlig;en Revue wird kein Stabsoffizier, der ein Bataillon f&uuml;hrt, versuchen, wenn er nicht seiner Sache voll gewachsen ist, auf eigene Verantwortung zu handeln. Er hat seinen Adjutanten als Souffleur, der wei&szlig;, was zu tun ist. Es wird von ihm entsprechend vorgesagt, und der Stabsoffizier f&uuml;hrt seine Sache gut durch, w&auml;hrend sich der arme Hauptmann durch seine Aufgabe ganz ohne Souffleur durchst&uuml;mpern mu&szlig;. Aber man schaue sich denselben Stabsoffizier beim Bataillonsexerzieren an! Da beobachten ihn keines aufmerksamen Generals Blicke; da f&uuml;hrt er die Oberherrschaft; und da mu&szlig; der Adjutant oft genug den Platz einnehmen, der ihm im Reglement der K&ouml;nigin vorgeschrieben wird, und mu&szlig; seine Ratschl&auml;ge f&uuml;r sich behalten, bis er danach gefragt wird oder bis die Verwirrung komplett ist. Das ist der Platz, wo man den Freiwilligen-Stabs- <A NAME="S387"><B>|387| </A></B>offizier im rechten Lichte sieht. Er ist da, um seine Soldaten im Bataillonsexerzieren auszubilden, aber da er in dieser Wissenschaft selbst nicht perfekt ist, so profitiert er von der Existenz der Soldaten, um sich selbst darin auszubilden. Wie die Alten sagten: docendo discimus |lehrend lernen wir|. Aber wenn der Lehrer in der Sache, die er zu lehren hat, nicht auf festen F&uuml;&szlig;en steht, entstehen leicht Fehler und Verwirrungen, und das kommt ungl&uuml;cklicherweise oft genug vor. Das wird weder dazu beitragen, Fertigkeiten beim Exerzieren eines Freiwilligen-Bataillons zu erlangen, noch dazu, das Vertrauen in seinen Kommandeur zu erh&ouml;hen, wenn die Soldaten herausfinden, da&szlig; das Bataillonsexerzieren f&uuml;r sie nichts weiter bedeutet, als ihrem kommandierenden Stabsoffizier Gelegenheit zu geben, das Exerzieren selbst erst einmal zu lernen. Dabei werden sie oftmals ohne Zweck hierhin und dorthin gesto&szlig;en, und man erwartet von den Soldaten, da&szlig; sie durch ihr h&ouml;heres Wissen die Fehler des vorgesetzten Offiziers korrigieren. </P>
<P>Wir wollen nicht behaupten, da&szlig; sich die kommandierenden Freiwilligen-Offiziere nicht bem&uuml;ht h&auml;tten, milit&auml;rische Kenntnisse zu erlernen, aber wir sagen mit voller &Uuml;berzeugung, da&szlig;, wenn Zivilisten nicht so leicht Kompanieoffiziere werden k&ouml;nnen wie gemeine Soldaten, es f&uuml;r sie weit schwieriger ist, Stabsoffiziere zu werden. Wir m&uuml;ssen auf Grund der blo&szlig;en Erfahrung beim Bataillonsexerzieren zu dem Schlu&szlig; kommen, da&szlig; nur Berufssoldaten imstande sind, Bataillone zu kommandieren. Und wenn wir in Betracht ziehen, da&szlig; das Exerzieren nur ein Teil der Pflichten eines Stabsoffiziers ist, da&szlig; der Kommandeur eines Bataillons, der f&uuml;r selbst&auml;ndige Aufgaben detachiert werden kann, wo er auf eigene Verantwortung zu agieren hat, die Kenntnis h&ouml;herer Taktik braucht, so m&uuml;ssen wir sagen, da&szlig; wir sehr bedauern w&uuml;rden, das Leben von 600 oder 1.000 Mann der F&uuml;hrung solcher Zivilisten anvertraut zu sehen, die jetzt die gro&szlig;e Mehrheit der Bataillonskommandeure bilden. </P>
<P>Wenn die englischen Freiwilligen jemals einem Feinde gegen&uuml;berst&auml;nden, so gesch&auml;he es sicherlich nicht unter den g&uuml;nstigen Umst&auml;nden, die es jetzt der amerikanischen Regierung erlauben, die Reihen ihrer Freiwilligen-Offiziere von den unf&auml;higsten Personen zu s&auml;ubern. Wenn die englischen Freiwilligen einberufen werden, geschieht es nicht, um gegen eine Freiwilligen-Armee zu k&auml;mpfen, wie sie es selbst sind, sondern gegen die h&ouml;chstdisziplinierte und aktivste Armee in Europa. Gleich die ersten Treffen werden entscheidend sein; und wenn Unschl&uuml;ssigkeit oder Ver- <A NAME="S388"><B>|388|</A></B> wirrung entsteht, sei es durch falsche Kommandos der Obersten oder durch die Unsicherheit der Hauptleute, so wird das mit Sicherheit sofort ausgenutzt werden. Es wird keine Zeit sein zum S&auml;ubern, wenn man erst vor dem Feind steht; und darum hoffen wir, da&szlig; es geschieht, solange noch Zeit dazu ist.<I> </P>
<P ALIGN="RIGHT">F. E.</P>
</BODY>
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