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<meta name="Author" content="Karl Marx">
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<meta name="Description" content="Dies ist die 1888 von Engels ver<65>ffentlichte Fassung">
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<title>Karl Marx: Thesen über Feuerbach (Fassung 1888)</title>
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Seitenzahlen verweisen auf: Marx-Engels
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Werke, Band 3, Seite 533 ff. Dietz Verlag Berlin, 1969
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<p>Karl Marx
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<h1>
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Thesen über Feuerbach</h1>
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Dies ist die 1888 von Engels als Anhang zu <a href="../me21/me21_263.htm">"Ludwig
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Feuerbach und der Ausgang der deutschen Philosophie" </a>publizierte Fassung
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<br><a href="me03_005.htm">Hier findet sich der Text, wie er 1845 von Marx
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niedergeschrieben wurde</a>
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<p>1
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<p>Der Hauptmangel alles bisherigen Materialismus - den Feuerbachschen
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mit eingerechnet - ist, daß der Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit,
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nur unter der Form des <i>Objekts </i>oder der <i>Anschauung </i>gefaßt
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wird; nicht aber als <i>menschliche sinnliche Tätigkeit, Praxis</i>,
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nicht subjektiv. Daher geschah es, daß die <i>tätige </i>Seite,
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im Gegensatz zum Materialismus, vom Idealismus entwickelt wurde - aber
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nur abstrakt, da der Idealismus natürlich die wirkliche, sinnliche
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Tätigkeit als solche nicht kennt. Feuerbach will sinnliche, von den
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Gedankenobjekten wirklich unterschiedene Objekte; aber er faßt die
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menschliche Tätigkeit selbst nicht als <i>gegenständliche </i>Tätigkeit.
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Er betrachtet daher im "Wesen des Christenthums" nur das theoretische Verhalten
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als das echt menschliche, während die Praxis nur in ihrer schmutzig-jüdischen
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Erscheinungsform gefaßt und fixiert wird. Er begreift daher nicht
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die Bedeutung der "revolutionären", der praktisch-kritischen Tätigkeit.
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<p>2
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<p>Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit
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zukomme, ist keine Frage der Theorie, sondern eine <i>praktische </i>Frage.
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In der Praxis muß der Mensch die Wahrheit, d. h. die Wirklichkeit
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und Macht, die Diesseitigkeit seines Denkens beweisen. Der Streit über
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die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit eines Denkens, das sich von der
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Praxis isoliert, ist eine rein <i>scholastische </i>Frage.
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<p>3
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<p>Die materialistische Lehre, daß die Menschen Produkte der Umstände
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und der Erziehung, veränderte Menschen also Produkte anderer Umstände
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und geänderter Erziehung sind, vergißt, daß die Umstände
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eben von den Menschen verändert werden und daß der Erzieher
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selbst erzogen werden muß. Sie kommt daher mit Notwendigkeit dahin,
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die Gesellschaft in zwei Teile zu sondern, von denen der eine über
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der Gesellschaft erhaben ist. (Z. B. bei Robert Owen.)
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<p>Das Zusammenfallen des Änderns der Umstände und der menschlichen
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Tätigkeit kann nur als <i>umwälzende Praxis </i>gefaßt
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und rationell verstanden werden.
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<p>4
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<p>Feuerbach geht aus von dem Faktum der religiösen Selbstentfremdung,
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der Verdopplung der Welt in eine religiöse, vorgestellte und eine
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wirkliche Welt. Seine Arbeit besteht darin, die religiöse Welt in
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ihre weltliche Grundlage aufzulösen. Er übersieht, daß
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nach Vollbringung dieser Arbeit die Hauptsache noch zu tun bleibt. Die
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Tatsache nämlich, daß die weltliche Grundlage sich von sich
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selbst abhebt und sich, ein selbständiges Reich, in den Wolken fixiert,
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ist eben nur aus der Selbstzerrissenheit und dem Sich-selbst-widersprechen
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dieser weltlichen Grundlage zu erklären. Diese selbst muß also
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erstens in ihrem Widerspruch verstanden und sodann durch Beseitigung des
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Widerspruchs praktisch revolutioniert werden. Also z. B., nachdem die irdische
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Familie als das Geheimnis der heiligen Familie entdeckt ist, muß
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nun erstere selbst theoretisch kritisiert und praktisch umgewälzt
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werden.
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<p>5
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<p>Feuerbach, mit dem <i>abstrakten </i>Denken nicht zufrieden, appelliert
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an die <i>sinnliche Anschauung</i>; aber er faßt die Sinnlichkeit
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nicht als <i>praktische </i>menschlich-sinnliche Tätigkeit.
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<p>6
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<p>Feuerbach löst das religiöse Wesen in das <i>menschliche </i>Wesen
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auf. Aber das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum innewohnendes
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Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das Ensemble der gesellschaftlichen
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Verhältnisse.
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<p>Feuerbach, der auf die Kritik dieses wirklichen Wesens nicht eingeht,
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ist daher gezwungen:
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<p>1. von dem geschichtlichen Verlauf zu abstrahieren und das religiöse
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Gemüt für sich zu fixieren und ein abstrakt - <i>isoliert </i>-
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menschliches Individuum vorauszusetzen;
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<p>2. kann bei ihm daher das menschliche Wesen nur als <i>"Gattung",</i>
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als innere, stumme, die vielen Individuen bloß <i>natürlich
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</i>verbindende
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Allgemeinheit gefaßt werden.
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<p>7
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<p>Feuerbach sieht daher nicht, daß das "religiöse Gemüt"
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selbst ein <i>gesellschaftliches Produkt </i>ist und daß das abstrakte
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Individuum, das er analysiert, in Wirklichkeit einer bestimmten Gesellschaftsform
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angehört.
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<p>8
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<p>Das gesellschaftliche Leben ist wesentlich <i>praktisch</i>. Alle Mysterien,
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welche die Theorie zum Mystizismus verleiten, finden ihre rationelle Lösung
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in der menschlichen Praxis und im Begreifen dieser Praxis.
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<p>9
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<p>Das Höchste, wozu der <i>anschauende </i>Materialismus es bringt,
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d. h. der Materialismus, der die Sinnlichkeit nicht als praktische Tätigkeit
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begreift, ist die Anschauung der einzelnen Individuen in der "bürgerlichen
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Gesellschaft".
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<p>10
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<p>Der Standpunkt des alten Materialismus ist die <i>"bürgerliche"</i>
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Gesellschaft; der Standpunkt des neuen die <i>menschliche </i>Gesellschaft,
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oder die vergesellschaftete Menschheit.
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<p>11
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<p>Die Philosophen haben die Welt nur verschieden <i>interpretiert</i>;
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es kommt aber darauf an, sie zu <i>verändern</i>.
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<p>
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<hr>
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<br>
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