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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<TITLE>Friedrich Engels - &Uuml;ber den Krieg - XXXVIII</TITLE>
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<P ALIGN="CENTER"><A HREF="me17_243.htm"><FONT SIZE=2>&Uuml;ber den Krieg - XXXVII</FONT></A><FONT SIZE=1> </FONT><FONT SIZE=2>| </FONT><A HREF="me17_udk.htm"><FONT SIZE=2>Inhalt</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="me17_250.htm"><FONT SIZE=2>&Uuml;ber den Krieg - XXXIX</FONT></A></P>
<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 17, 5. Auflage 1973, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 247-249.</P>
<P>Erstellt am 13.12.1998.<BR>
1. Korrektur.</P>
</FONT><H2>Friedrich Engels</H2>
<H1>&Uuml;ber den Krieg - XXXVIII</H1>
<P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["The Pall Mall Gazette" Nr. 1858 vom 26. Januar 1871]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S247">|247|</A></B> Wir sind wieder in einer kritischen Periode des Krieges, die sich als <I>die </I>kritische Periode erweisen kann. Von dem Augenblick an, als bekannt wurde, da&szlig; die Regierung in Paris das Brot rationiert hat, konnte es keinen Zweifel mehr geben, da&szlig; der Anfang vom Ende gekommen war. Wie rasch daraufhin das Angebot der &Uuml;bergabe folgen werde, war eine untergeordnete Frage. Wir nehmen demnach an, da&szlig; die Absicht besteht, den etwa 220.000 Belagerern ein belagertes Heer von etwa 500.000 Bewaffneten zu &uuml;bergeben, und zwar zu allen Bedingungen, die die Belagerer vorzuschreiben belieben. Ob es m&ouml;glich sein wird, das ohne neuen Kampf auszuf&uuml;hren, bleibt abzuwarten; auf keinen Fall k&ouml;nnte ein solcher Kampf die Lage der Dinge wesentlich &auml;ndern. Ob Paris noch weitere vierzehn Tage aush&auml;lt oder ob es einem Teil dieser 500.000 Bewaffneten gelingt, sich einen Weg durch den Belagerungsring zu erzwingen, das wird den weiteren Kriegsverlauf nicht sehr beeinflussen.</P>
<P>Wir k&ouml;nnen nicht umhin, in erster Linie General Trochu f&uuml;r diesen Ausgang der Belagerung verantwortlich zu machen. Er war gewi&szlig; nicht der Mann, aus den zweifellos ausgezeichnet geeigneten Leuten, die ihm unterstellt waren, eine Armee zu formen. Er hatte fast f&uuml;nf Monate Zeit, aus seinen M&auml;nnern Soldaten zu machen; aber sie scheinen am Ende der Belagerung nicht besser zu k&auml;mpfen als zu ihrem Beginn. Der letzte Ausfall vom Val&eacute;rien wurde mit weit weniger Schneid ausgef&uuml;hrt als der fr&uuml;here &uuml;ber die Marne; viel davon war theatralische Aufmachung und nur wenig wahre Wut der Verzweiflung. Man wende nicht ein, die Truppen seien nicht f&auml;hig gewesen, die von kriegserprobten deutschen Soldaten bemannten Brustwehren zu st&uuml;rmen. Warum waren sie es nicht? F&uuml;nf Monate sind gen&uuml;gend Zeit, um aus den M&auml;nnern, die Trochu unterstanden, recht beachtliche Soldaten zu machen; es gibt f&uuml;r diesen Zweck keine besseren <A NAME="S248"><B>|248|</A></B> Bedingungen als die Belagerung eines gro&szlig;en verschanzten Lagers. Ohne Zweifel hatten die Soldaten nach den Ausf&auml;llen im November und Dezember den Mut verloren - aber etwa darum, weil sie ihre Unterlegenheit gegen&uuml;ber ihren Gegnern erkannten oder vielmehr darum, weil sie jedes Vertrauen in Trochus vorgebliche Entschlossenheit, den Kampf auszutragen, verloren hatten? Alle Berichte aus Paris schreiben den Mangel an Erfolgen &uuml;ber einstimmend dem fehlenden Vertrauen der Soldaten zum Oberkommando zu. Das ist berechtigt. Wir d&uuml;rfen nicht vergessen, da&szlig; Trochu Orl&eacute;anist ist und als solcher in best&auml;ndiger Furcht vor La Villette, Belleville und den anderen "revolution&auml;ren" Stadtvierteln von Paris lebt, die er mehr als die Preu&szlig;en f&uuml;rchtet. Das ist keine blo&szlig;e Vermutung oder Schlu&szlig;folgerung unsererseits. Wir wissen es aus einer Quelle, die keinen Zweifel zul&auml;&szlig;t: aus einem Brief, den ein Mitglied der Regierung aus Paris abgesandt hat und in dem festgestellt wird, Trochu sei von allen Seiten gedr&auml;ngt worden, die Offensive energisch aufzunehmen, er habe sich aber beharrlich geweigert, weil ein solcher Weg Paris den "Demagogen" h&auml;tte in die H&auml;nde liefern k&ouml;nnen.</P>
<P>Demnach scheint der Fall von Paris jetzt fast sicher zu sein. Es wird ein harter Schlag f&uuml;r die franz&ouml;sische Nation sein, unmittelbar nach St. Quentin, Le Mans und Hericourt, und seine moralische Wirkung wird unter diesen Umst&auml;nden sehr gro&szlig; sein. Au&szlig;erdem stehen im S&uuml;dosten Ereignisse bevor, die diesen Schlag zu einem moralisch vernichtenden machen k&ouml;nnen. Bourbaki scheint in der Umgegend von Belfort in einer Weise zu z&ouml;gern, die vermuten l&auml;&szlig;t, da&szlig; er die Lage, in der er sich befindet, durchaus nicht begreift. Das XXIV. Korps unter Bressolles war am 24. Januar noch in Blamont, etwa zw&ouml;lf Meilen s&uuml;dlich von Montb&eacute;liard, dicht an der Schweizer Grenze; und selbst wenn wir annehmen, da&szlig; das Bourbakis Nachhut war, so ist nicht zu vermuten, da&szlig; die beiden anderen Korps, die er bei sich hatte, weit davon entfernt waren. Inzwischen h&ouml;ren wir, da&szlig; preu&szlig;ische Detachements schon am 21. in D&ocirc;le die Eisenbahnlinie zwischen Besan&ccedil;on und Dijon unterbrochen haben, da&szlig; sie seitdem St. Vit - eine andere, Besan&ccedil;on n&auml;here Station auf derselben Linie - besetzt haben und so Bourbakis R&uuml;ckzug nach Lyon auf den schmalen Streifen zwischen dem Doubs und der Schweizer Grenze beschr&auml;nken. Dies ist ein Gebiet von parallel verlaufenden Bergketten und T&auml;lern, wo eine verh&auml;ltnism&auml;&szlig;ig kleine Truppe viele Positionen finden kann, um den R&uuml;ckzug einer derartigen Armee wie der Bourbakis aufzuhalten. Diese Detachements am Doubs sind vermutlich die 13. Division von Zastrows VII. Armeekorps oder <A NAME="S249"><B>|249|</A></B> vielleicht ein Teil von Franseckys II. Korps, das am 23. bei Dijon auftauchte. Das 60. Regiment, das mit dem 21. die 8. Brigade (oder 4. Brigade des II. Korps) bildet, wurde vor dieser Stadt von Garibaldi zur&uuml;ckgedr&auml;ngt und verlor seine Fahnen. Da Garibaldi jedoch h&ouml;chstens 15.000 Mann hat, wird er die Stadt nicht gegen die &uuml;berlegenen Kr&auml;fte halten k&ouml;nnen, die sicher inzwischen dort angekommen sind. Er wird zur&uuml;ckgetrieben werden, und der preu&szlig;ische Vormarsch wird bis zum Doubs und dar&uuml;ber hinaus fortgesetzt werden. Wenn Bourbaki nicht inzwischen von den Beinen seiner Soldaten guten Gebrauch gemacht hat, wird er entweder mit seiner ganzen Armee in die Festung Besan&ccedil;on getrieben werden und dort das Spiel von Metz wiederholen, oder er wird in eine Ecke des Jura nahe der Schweizer Grenze gedr&auml;ngt werden und sich gezwungen sehen, die Waffen diesseits oder jenseits der Grenze niederzulegen. Und sollte er auch mit dem Gro&szlig;teil seiner Truppen entkommen, so ist es doch fast sicher, da&szlig; zahlreiche Nachz&uuml;gler, viel Gep&auml;ck und vielleicht auch Artillerie geopfert werden m&uuml;&szlig;ten.</P>
<P>Nach dem dreit&auml;gigen Kampf bei Hericourt hatte Bourbaki keine Veranlassung, auch nur einen Tag l&auml;nger in dieser ungedeckten Stellung nahe der Grenze zu bleiben, zumal preu&szlig;ische Verst&auml;rkungen gegen seine Verbindungen im Anmarsch waren. Seine Versuche, Belfort zu entsetzen, waren fehlgeschlagen; jede g&uuml;nstige Aussicht auf eine weitere Offensivbewegung in dieser Richtung war entschwunden; seine Stellung wurde t&auml;glich gef&auml;hrdetet, und nichts als ein schneller R&uuml;ckzug konnte ihn retten. Allem Anschein nach hat er auch das vernachl&auml;ssigt, und wenn seine Unvorsichtigkeit zu einem zweiten Sedan f&uuml;hren sollte, w&auml;re dieser Schlag f&uuml;r das franz&ouml;sische Volk moralisch vernichtend.</P>
<P>Wir sagen moralisch, denn materiell mu&szlig; es nicht sein. Deutschland ist gewi&szlig; nicht so ersch&ouml;pft, wie Gambetta vorgibt; immerhin aber entfaltet Deutschland in diesem Augenblick eine gr&ouml;&szlig;ere absolute und relative St&auml;rke, als es sie in den kommenden Monaten von neuem entfalten kann. F&uuml;r einige Zeit m&uuml;ssen die deutschen Kr&auml;fte abnehmen, w&auml;hrend die franz&ouml;sischen Kr&auml;fte sogar nach der &Uuml;bergabe der Pariser Garnison und der Armee Bourbakis, falls es dazu kommen sollte, nichts daran hindert, wieder zuzunehmen. Die Preu&szlig;en selbst scheinen jede Hoffnung aufgegeben zu haben, ganz Frankreich erobern und besetzen zu k&ouml;nnen; und solange der kompakte Block im S&uuml;den frei bleibt und im Norden der passive und gelegentlich auch aktive Widerstand (wie die Sprengung der Moselbr&uuml;cke bei Toul) nicht aufgegeben wird, sehen wir nicht, wie Frankreich gezwungen werden k&ouml;nnte, sich zu ergeben - es sei denn, es w&auml;re kriegsm&uuml;de geworden.</P>
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