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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<TITLE>Friedrich Engels - Anti-D&uuml;hring - Taktik der Infanterie aus den materiellen Ursachen abgeleitet</TITLE>
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<TD ALIGN="center" width="32%" height=20 valign=middle><A href="../default.htm"><SMALL>Marx/Engels</SMALL></A></TD>
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<HR size="1">
<P><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/ Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 20. Berlin/DDR.
1962.
S. 597-603.<BR>
1. Korrektur<BR>
Erstellt am 10.10.1999</SMALL></P>
<H2>Friedrich Engels</H2>
<H1>Taktik der Infanterie aus den materiellen Ursachen abgeleitet</H1>
<H3>1700-1870</H3>
<P>
<HR size="1">
<P></P>
<P><B>|597|</B> Im 14. Jahrhundert wurden Schie&szlig;pulver und Feuerwaffen in West- und Mitteleuropa bekannt, und jedes Schulkind wei&szlig;, da&szlig; diese rein technischen Fortschritte die ganze Kriegf&uuml;hrung revolutionierten. Aber diese Revolution ging sehr langsam vor sich. Die ersten Feuerwaffen waren sehr roh, namentlich die Handb&uuml;chsen. Und wenn auch schon fr&uuml;h eine Menge einzelner Verbesserungen erfunden wurden - der gezogene Lauf, die Hinterladung, das Radschlo&szlig; etc., so dauerte es doch &uuml;ber 300 Jahre, bis Ende des 17. Jahrhunderts ein Gewehr zustande gebracht wurde, das zur Bewaffnung der gesamten Infanterie geeignet war.</P>
<P>Das Fu&szlig;volk des 16. und 17. Jahrhunderts bestand teils aus Pikentr&auml;gern, teils aus B&uuml;chsensch&uuml;tzen. Anfangs waren die Pikeniere zur Entscheidung mit der blanken Waffe bestimmt, w&auml;hrend das Feuer der Sch&uuml;tzen die Verteidigung &uuml;bernahm. Die Pikeniere fochten deshalb in tiefen Massen, &auml;hnlich der altgriechischen Phalanx; die Sch&uuml;tzen standen acht bis zehn Mann tief, weil soviel nacheinander abfeuern konnten, ehe einer geladen hatte; wer schu&szlig;fertig war, sprang vor, feuerte und ging dann ins letzte Glied, um wieder zu laden.</P>
<P>Die allm&auml;hliche Vervollkommnung der Feuerwaffen &auml;nderte dies Verh&auml;ltnis. Das Luntenschlo&szlig;gewehr wurde endlich so rasch ladbar, da&szlig; nur noch f&uuml;nf Mann, also Rotten von f&uuml;nf Mann Tiefe, zur Unterhaltung eines ununterbrochenen Feuers erforderlich waren. Man konnte also jetzt mit derselben Anzahl Musketiere eine fast doppelt so lange Front besetzen wie vorher. Die Pikeniere wurden, wegen der weit verheerender gewordenen Wirkung des Gesch&uuml;tzfeuers auf tiefe Massen, jetzt auch nur in sechs bis acht Gliedern aufgestellt, und so n&auml;herte sich die Schlachtordnung allm&auml;hlich der Linienstellung, in der die Entscheidung nunmehr durch das Gewehrfeuer herbeigef&uuml;hrt wurde, und die Pikeniere nicht mehr zum Angriff, sondern nur noch zur Deckung der Sch&uuml;tzen gegen Reiterei bestimmt blieben. <A NAME="S598"></A><B>|598|</B> Am Ende dieser Periode finden wir eine Schlachtordnung in zwei Treffen und einer Reserve, jedes Treffen in Linie aufmarschiert, meist 6 Mann tief, Gesch&uuml;tze und Reiterei teils in den Intervallen der Bataillone, teils auf den Fl&uuml;geln; jedes Infanteriebataillon bestehend aus h&ouml;chstens <SPAN class="top">1</SPAN>/<SPAN class="bottom">3</SPAN> Pikenieren und mindestens <SPAN class="top">2</SPAN>/<SPAN class="bottom">3</SPAN> Musketieren.</P>
<P>Ende des 17. Jahrhunderts kam endlich das Steinschlo&szlig;gewehr mit Bajonett und die Ladung vermittelst fertiger Patronen zustande. Damit verschwand die Pike endg&uuml;ltig aus der Infanterie. Das Laden wurde weniger zeitraubend, das raschere Feuer sch&uuml;tzte sich selbst, das Bajonett ersetzte f&uuml;r den Notfall die Pike. Somit konnte die Tiefe der Linie von sechs auf vier, sp&auml;ter auf drei, endlich hier und da auf zwei Mann verringert werden; die Linie verl&auml;ngerte sich also, bei gleicher Anzahl der Leute, immer mehr, es kamen immer mehr Gewehre gleichzeitig in T&auml;tigkeit. Aber diese langen, d&uuml;nnen Linien wurden damit auch immer unhandlicher, sie konnten nur auf ebnem, hindernisfreiem Gel&auml;nde sich mit Ordnung, und dazu nur langsam, 70-75 Schritt in der Minute, bewegen; und in der Ebene grade boten sie, namentlich auf den Flanken, der Reiterei Aussicht auf erfolgreichen Angriff. Teils um diese Flanken zu sch&uuml;tzen, teils um die entscheidungbringende Feuerlinie st&auml;rker zu machen, zog man die Reiterei ganz auf die Fl&uuml;gel, so da&szlig; die eigentliche Schlachtlinie nur aus dem Fu&szlig;volk mit seinen leichten Bataillonsgesch&uuml;tzen bestand. Das &auml;u&szlig;erst plumpe, schwere Gesch&uuml;tz stand vor den Fl&uuml;geln und ver&auml;nderte w&auml;hrend der Schlacht h&ouml;chstens einmal seine Stellung. Das Fu&szlig;volk war in zwei Treffen aufmarschiert, deren Flanken durch Infanterie in Hakenstellung gedeckt wurde, so da&szlig; seine Aufstellung ein einziges, sehr langes, hohles Viereck bildete. Diese unbeh&uuml;lfliche Masse, wenn sie nicht als Ganzes sich bewegen sollte, war nur in drei Teile, Zentrum und beide Fl&uuml;gel zerlegbar, und die ganze Teilbewegung bestand darin, den einen Fl&uuml;gel, der den des Feindes &uuml;berragte, zur Umgehung vorzuschieben, w&auml;hrend man den andern drohend zur&uuml;ckhielt, um den Feind an einer entsprechenden Frontver&auml;nderung zu hindern. Die Gesamtaufstellung w&auml;hrend der Schlacht zu &auml;ndern war so zeitraubend und bot dem Gegner solche Bl&ouml;&szlig;en, da&szlig; der Versuch fast immer der Niederlage gleichkam. Der urspr&uuml;ngliche Aufmarsch blieb also f&uuml;r die ganze Schlacht ma&szlig;gebend, und die Entscheidung fiel, sobald das Fu&szlig;volk einmal im Feuer war, mit Einem unwiederbringlichen Schlag. Und diese ganze, von Friedrich II. aufs h&ouml;chste entwickelte Kampfweise war das unvermeidliche Ergebnis zweier zusammenwirkender materieller Faktoren: des Menschenmaterials der damaligen stramm exerzierenden, aber ganz unzuverl&auml;ssigen, nur mit dem Stock zusammengehaltenen, teilweise aus feind- <A NAME="S599"></A><B>|599|</B> lichen Kriegsgefangnen gepre&szlig;ten, f&uuml;rstlichen Werbeheere, und zweitens des Waffenmaterials - der unbeh&uuml;lflichen schweren Gesch&uuml;tze und der glattl&auml;ufigen, rasch, aber schlecht schie&szlig;enden Steinschlo&szlig;flinte mit Bajonett.</P>
<P>Diese Kampfweise hielt vor, solange beide Gegner in Beziehung auf Menschenmaterial und Bewaffnung auf demselben Stand blieben, und es daher jedem von ihnen pa&szlig;te, sich an die vorgeschriebne Regel zu binden. Als aber der amerikanische Unabh&auml;ngigkeitskrieg losbrach, traten den wohlgedrillten Werbesoldaten pl&ouml;tzlich Insurgentenhaufen entgegen, die zwar nicht exerzieren, aber desto besser schie&szlig;en konnten, die gro&szlig;enteils sichertreffende B&uuml;chsen f&uuml;hrten und die in eigner Sache k&auml;mpften, also nicht desertierten. Diese Insurgenten taten den Engl&auml;ndern nicht den Gefallen, in freier Ebene, nach allen hergebrachten Regeln der kriegerischen Etikette das bekannte Schlachtmenuett im langsamen Schritt mit ihnen abzutanzen, sie zogen den Gegner in dichte W&auml;lder, wo seine langen Marschkolonnen wehrlos dem Feuer zerstreuter, unsichtbarer Sch&uuml;tzen ausgesetzt waren, sie benutzten, in losen Schw&auml;rmen formiert, jede Terraindeckung, um dem Feind Abbruch zu tun, und blieben dazu, bei ihrer gro&szlig;en Beweglichkeit, seinen schwerf&auml;lligen Massen doch immer unerreichbar. Das Feuergefecht zerstreuter Sch&uuml;tzen, das schon bei Einf&uuml;hrung der Handfeuerwaffen eine Rolle gespielt hatte, zeigte sich hier also, in gewissen F&auml;llen, namentlich im kleinen Krieg, der Linienordnung &uuml;berlegen.</P>
<P>Pa&szlig;ten schon die Soldaten der europ&auml;ischen Werbeheere nicht zum zerstreuten Gefecht, so noch weniger ihre Bewaffnung. Man stemmte zwar nicht mehr das Gewehr beim Abfeuern gegen die Brust, wie die alten Luntenschlo&szlig;-Musketiere getan; man schlug an die Achsel an, wie jetzt; aber von Zielen war noch immer keine Rede, da bei der ganz geraden, in der Verl&auml;ngerung des Laufs liegenden Sch&auml;ftung das Auge nicht an den Lauf gelegt werden konnte. Erst 1777 wurde in Frankreich die geschweifte Sch&auml;ftung des Jagdgewehrs auch beim Infanteriegewehr adoptiert, und damit ein wirksames Tirailleurfeuer m&ouml;glich. Eine zweite zu erw&auml;hnende Verbesserung war die, Mitte des 18. Jahrhunderts von Gribeauval konstruierte leichtere und doch solide Lafettierung der Gesch&uuml;tze, wodurch allein die der Artillerie sp&auml;ter zugemutete gr&ouml;&szlig;ere Beweglichkeit m&ouml;glich wurde.</P>
<P>Diese beiden technischen Fortschritte auf dem Schlachtfeld auszunutzen, war der franz&ouml;sischen Revolution vorbehalten. Sie stellte, als das verb&uuml;ndete Europa sie angriff, der Regierung die ganze waffenf&auml;hige Nation zur Verf&uuml;gung. Aber diese Nation hatte nicht die Zeit, sich die k&uuml;nstlichen <A NAME="S600"></A><B>|600|</B> Man&ouml;ver der Lineartaktik so weit einzu&uuml;ben, da&szlig; sie der altgedienten preu&szlig;ischen und &ouml;sterreichischen Infanterie in gleicher Formation entgegentreten konnte. In Frankreich aber fehlten nicht nur die amerikanischen Urw&auml;lder, sondern auch die praktisch grenzenlose Gebietsausdehnung f&uuml;r den R&uuml;ckzug. Es galt, den Feind zwischen der Grenze und Paris zu schlagen, also ein bestimmtes Gebiet zu verteidigen, und das konnte schlie&szlig;lich nur in offener Massenfeldschlacht geschehn. Es galt also, neben dem Sch&uuml;tzenschwarm noch eine andre Form zu finden, in der die schlecht ge&uuml;bten franz&ouml;sischen Massen den stehenden Heeren Europas mit einiger Aussicht auf Erfolg entgegentreten konnten. Die Form fand man in der bereits f&uuml;r gewisse F&auml;lle, aber meist nur auf dem Exerzierplatz angewandten, geschlossenen Kolonne. Die Kolonne war leichter in Ordnung zu halten als die Linie; selbst wenn sie in einige Unordnung kam, leistete sie als dichter Haufe immer noch - wenigstens passiven - Widerstand; sie war leichter zu handhaben, blieb mehr in der Hand des F&uuml;hrers und konnte sich rascher bewegen; die Marschgeschwindigkeit stieg auf 100 und mehr Schritt in der Minute. Was aber das wichtigste Ergebnis war: die Anwendung der Kolonne als ausschlie&szlig;licher Kampfform der Massen gestattete, das schwerf&auml;llige, einheitliche Ganze der alten Linienschlachtordnung in einzelne, mit einer gewissen Selbst&auml;ndigkeit begabte, ihre allgemeine Instruktion den vorgefundnen Umst&auml;nden anpassende Teile zu zerlegen, deren jeder aus allen drei Waffen zusammengesetzt sein konnte; sie war elastisch genug, um jede nur m&ouml;gliche Kombination der Truppenverwendung zuzulassen; sie gestattete die, noch von Friedrich II. streng verbotene, Benutzung von D&ouml;rfern und Geh&ouml;ften, die von nun an in jeder Schlacht die Hauptst&uuml;tzpunkte bildeten; sie war in jedem Terrain verwendbar; und sie konnte endlich der alles auf einen Wurf setzenden Linientaktik mit einer Kampfweise entgegentreten, in der die Linie durch Sch&uuml;tzenschw&auml;rme und durch allm&auml;hliche, das Gefecht hinhaltende Verwendung der Truppen ermattet und so weit aufgerieben wurde, da&szlig; sie dem Sto&szlig; der bis zuletzt in Reserve gehaltenen frischen Streitkr&auml;fte nicht mehr standhielt. W&auml;hrend die Linienstellung auf allen Punkten gleich stark war, konnte der in Kolonnen fechtende Gegner einen Teil der Linie durch Scheinangriffe schwacher Kr&auml;fte besch&auml;ftigen, und seine Hauptmassen zum Angriff auf den entscheidenden Punkt der Stellung konzentrieren. - Das Feuergefecht wurde nun vorzugsweise durch aufgel&ouml;ste Sch&uuml;tzenschw&auml;rme gef&uuml;hrt, w&auml;hrend die Kolonnen den Bajonettangriff durchf&uuml;hren sollten. Es war also wieder ein &auml;hnliches Verh&auml;ltnis wie zwischen Sch&uuml;tzenschw&auml;rmen und Pikeniermassen am Anfang des 16. Jahrhunderts, nur da&szlig; die modernen Kolonnen sich jeden <A NAME="S601"></A><B>|601|</B> Augenblick in Sch&uuml;tzen aufl&ouml;sen, und diese sich ebenso wieder in Kolonnen zusammenziehn konnten.</P>
<P>Die neue Kampfweise, deren Ausnutzung durch Napoleon auf die h&ouml;chste Spitze entwickelt wurde, war der alten so &uuml;berlegen, da&szlig; diese rettungslos und h&uuml;lflos vor ihr in St&uuml;cke brach - zuletzt bei Jena, wo die unbeh&uuml;lflichen, gr&ouml;&szlig;tenteils zum zerstreuten Gefecht unverwendbaren, langsamen preu&szlig;ischen Linien vor dem franz&ouml;sischen Tirallleurfeuer, dem sie mit Pelotonfeuer antworten mu&szlig;ten, buchst&auml;blich zerschmolzen. Wenn aber auch die Linienschlachtordnung erlag, so doch keineswegs die Linie als Gefechtsformation. Wenige Jahre nachdem die Preu&szlig;en mit ihren Linien bei Jena so schlechte Gesch&auml;fte gemacht, f&uuml;hrte Wellington seine Engl&auml;nder den franz&ouml;sischen Kolonnen in Linie gegen&uuml;ber und schlug sie regelm&auml;&szlig;ig. Aber Wellington hatte eben die ganze franz&ouml;sische Taktik angenommen, nur mit der Ausnahme, da&szlig; er seine geschlossene Infanterie, statt in Kolonne, in Linie fechten lie&szlig;. Er hatte dabei den Vorteil, im Feuer s&auml;mtliche Gewehre, und in der Attacke s&auml;mtliche Bajonette gleichzeitig zur Verwendung zu bringen. In dieser Schlachtordnung haben die Engl&auml;nder bis vor wenigen Jahren gefochten und sowohl im Angriff (Albuera) wie in der Verteidigung (Inkerman) bedeutender &Uuml;berzahl gegen&uuml;ber Vorteile errungen. Bugeaud, der diesen englischen Linien gegen&uuml;bergestanden hatte, zog sie der Kolonne bis zuletzt vor.</P>
<P>Bei alledem war das Infanteriegewehr herzlich schlecht, so schlecht, da&szlig; man damit auf 100 Schritt nur selten einen einzelnen Mann, und auf 300 Schritt ebenso selten ein ganzes Bataillon treffen konnte. Als daher die Franzosen nach Algier kamen, erlitten sie von den langen Flinten der Beduinen starke Verluste auf Entfernungen, auf die ihre Gewehre wirkungslos waren. Hier konnte nur die gezogene B&uuml;chse helfen; aber grade in Frankreich hatte man sich, wegen ihrer langsamen Ladbarkeit und raschen Verschleimung, stets gegen die B&uuml;chse, selbst als Ausnahmewaffe, gestr&auml;ubt. Jetzt aber, als das Bed&uuml;rfnis einer leicht ladbaren B&uuml;chse sich geltend machte, wurde es auch sofort erf&uuml;llt. Den Vorarbeiten Delvignes folgten Thouvenins Dornb&uuml;chse und Mini&eacute;s Expansionsgescho&szlig;, welches letztere das gezogne Gewehr dem glattl&auml;ufigen in bezug auf Ladbarkeit vollkommen gleichstellte; so da&szlig; von da an die ganze Infanterie mit weittragenden und genau schie&szlig;enden gezognen Gewehren bewaffnet werden konnte. Aber ehe der gezogne Vorderlader sich die ihm angeme&szlig;ne Taktik schaffen konnte, wurde er schon verdr&auml;ngt durch die neueste Kriegswaffe, den gezognen Hinterlader, mit dem gleichzeitig sich die gezognen Gesch&uuml;tze zu immer h&ouml;herer Kriegsbrauchbarkeit entwickelten.</P>
<P><B><A NAME="S602">|602|</A></B> Die durch die Revolution geschaffne Bewaffnung der ganzen Nation hatte bald bedeutende Einschr&auml;nkungen erfahren. Man hob nur einen Teil der dienstpflichtigen jungen Leute vermittelst Auslosung zum Dienst im stehenden Heer aus und bildete h&ouml;chstens aus einem gr&ouml;&szlig;eren oder geringern Teil der &uuml;brigen B&uuml;rger eine unge&uuml;bte Nationalgarde. Oder aber, wo man die allgemeine Dienstpflicht wirklich streng durchf&uuml;hrte, bildete man h&ouml;chstens ein nur wenige Wochen unter den Fahnen ge&uuml;btes Milizheer, wie in der Schweiz. Finanzielle R&uuml;cksichten n&ouml;tigten zur Wahl zwischen Konskription oder Milizheer. Nur ein Land Europas, und noch dazu eins der &auml;rmsten, versuchte allgemeine Wehrpflicht und stehende Armee miteinander zu vereinigen; es war dies Preu&szlig;en. Und wenn auch die allgemeine Verpflichtung zum Dienst im stehenden Heer nie anders als ann&auml;hernd durchgef&uuml;hrt wurde, ebenfalls aus zwingenden Finanzr&uuml;cksichten, so stellte doch das preu&szlig;ische Landwehrsystem der Regierung eine so bedeutende Anzahl ge&uuml;bter und in fertigen Cadres organisierter Leute zur Verf&uuml;gung, da&szlig; Preu&szlig;en jedem andern Land von gleicher Volkszahl entschieden &uuml;berlegen war.</P>
<P>Im Deutsch-Franz&ouml;sischen Kriege 1870 erlag das franz&ouml;sische Konskriptionssystem dem preu&szlig;ischen Landwehrsystem. In diesem Krieg waren aber auch zum erstenmal beide Teile mit Hinterladern bewaffnet, w&auml;hrend die reglementarischen Formen, in denen die Truppen sich bewegten und schlugen, im wesentlichen dieselben geblieben waren, wie zur Zeit des alten Steinschlo&szlig;gewehrs. H&ouml;chstens, da&szlig; man die Tirailleurschw&auml;rme etwas dichter machte. Im &uuml;brigen fochten die Franzosen noch immer in den alten Bataillonskolonnen, zuweilen auch in Linie, w&auml;hrend bei den Deutschen durch Einf&uuml;hrung der Kompaniekolonne wenigstens ein Versuch gemacht war, eine der neuen Waffe angemessenere Kampfform zu finden. So behalf man sich in den ersten Schlachten. Als aber beim Sturm auf Saint-Privat (18. August) drei Brigaden preu&szlig;ischer Garde mit der Kompaniekolonne Ernst zu machen versuchten, zeigte sich die niederschmetternde Gewalt des Hinterladers. Von den f&uuml;nf am meisten beteiligten Regimentern (15.000 Mann) fielen fast alle Offiziere (176) und 5.114 Mann, also &uuml;ber ein Drittel. Die ganze Garde-Infanterie, die in der St&auml;rke von 28.160 Mann ins Gefecht ger&uuml;ckt war, verlor an jenem Tage 8.230 Mann, worunter 307 Offiziere. Von da an war die Kompaniekolonne als Kampfform gerichtet, nicht minder als die Bataillonsmasse oder die Linie; jeder Versuch wurde aufgegeben, fernerhin irgendwelche geschlossene Trupps dem feindlichen Gewehrfeuer auszusetzen; der Kampf wurde deutscherseits nur noch in jenen dichten Tirailleurschw&auml;rmen gef&uuml;hrt, in die sich die Kolonnen bisher schon regel- <A NAME="S603"></A><B>|603|</B> m&auml;&szlig;ig von selbst unter dem einschlagenden Kugelhagel aufgel&ouml;st, die man aber von oben herab als ordnungswidrig bek&auml;mpft hatte. Der Soldat war wieder einmal kl&uuml;ger gewesen als der Offizier; die einzige Gefechtsform, die bis jetzt im Feuer des gezognen Hinterladers sich bew&auml;hrt, hatte er instinktm&auml;&szlig;ig gefunden und setzte sie trotz des Str&auml;ubens der F&uuml;hrer erfolgreich durch. Ebenso wurde nun im Bereich des feindlichen Gewehrfeuers nur noch der <I>Laufschritt</I> angewandt.</P>
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<P><SMALL>Pfad: &raquo;../me/me20&laquo;</SMALL></P>
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