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<TITLE>Leo Trotzki: Wer trägt die Schuld am Beginn des 2. Weltkrieges? [5.9.1939]</TITLE>
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<TD ALIGN="center" width="49%" height=20 valign=middle><A href="../../index.shtml.html"><SMALL>Gesamtübersicht "MLWerke"</SMALL></A></TD>
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<TD ALIGN="center" width="49%" height=20 valign=middle><A href="../default.htm"><SMALL>Übersicht Leo Trotzki</SMALL></A></TD>
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<H2>Leo Trotzki</H2>
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<H1>Wer trägt die Schuld am Beginn des 2. Weltkrieges?</H1>
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<P>5.9.1939</P>
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<P>Dieser Artikel erschien zuerst in »Socialist Appeal« vom 11. September 1939
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<P>Gestern sprach ich über die unmittelbare Verantwortung am
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Krieg<A NAME="ZAnm1" HREF="390905a.htm#Anm1"><SUP>Anm1</SUP></A>. Hitler <EM>begann</EM> blutige, militärische Operationen, Stalin
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<EM>half</EM> Hitler sie zu beginnen. Diesmal nimmt die un<brk>mittelbare,
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sozusagen »juristische« Verantwortung für den <EM>Beginn</EM> militärischer
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Aktivitäten eine klarere Form als im letzten Krieg an, Es ist
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bekannt, daß die Frage der Verant<brk>wortung eine große
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Rolle in der Propaganda der beiden kriegführendem Lager spielt.
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Jeder der an dem Krieg beteiligten Staaten versucht, die
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Verantwortung auf den Feind zu schieben.
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</P>
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<P>Vom historischen und
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politischen Standpunkt aus ist dieses juristische (oder
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diplomatische) Kriterium jedoch von völlig zweitrangiger
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Bedeutung.
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Es gibt progressive, gerechte Kriege und reaktionäre,
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ungerechte Kriege, unabhängig von der Frage, wer zuerst
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»angefangen« hat. Vom wissenschaftlichen, histori<brk>schen Standpunkt
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aus sind progressive, gerechte Kriege solche, die der Befreiung
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unterdrückter Klassen oder unterdrückter Nationen dienen
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und so die menschliche Kultur vorwärtstreiben. Andererseits sind
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jene Kriege reaktionär, die der Erhaltung einer antiquierten
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sozialen Ordnung dienen, die der Versklavung der Arbeiterklasse und
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der zurückgebliebenen oder schwachen Nationen dienen.
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Konsequenterweise ist nicht die Frage, wer zuerst »angefangen« hat, wer
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als »Aggressor« erscheint, von entscheidender Bedeutung, sondern
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die, welche Klasse den Krieg führt und zugunsten welcher
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historischer Ziele. Wenn die unterdrückte Klasse oder eine
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unterdrückte Na<brk>tion mit dem Ziel ihrer Befreiung als
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»Aggressor« erscheint, so werden wir eine solche Aggression immer
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befürworten.</P>
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<P>Die Versuche, den nächsten Krieg als einen Krieg zwischen
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De<brk>mokratien und Faschismus darzustellen, zerbrachen am realen
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Gang der Ereignisse. Der gegenwärtige Krieg, den die
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Beteilig<brk>ten begannen, bevor sie den Versailler Vertrag
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unterzeichneten, erwuchs aus den imperialistischen Widersprüchen.
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Er war unver<brk>meidlich wie der Zusammenstoß von Zügen,
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die auf demselben Gleis gegeneinander losgelassen werden.
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<P>Die
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Hauptgegner auf dem europäischen Kontinent sind Deutsch<brk>land
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und Frankreich. Im Kampf um die Hegemonie in Europa und seine
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kolonialen Besitzungen versuchte Frankreich, Deutschland (nicht das
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faschistische, sondern das demokratische) in einem Zustand der
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Zersplitterung und Schwäche zu halten. In diesem Sinne war der
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französische Imperialismus der Geburtshelfer des deutschen
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Nationalsozialismus. England hingegen, das daran interessiert
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war, die europäische Hegemonie von Frank-reich und seine
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internationalen Ansprüche zu brechen, begann bald nach
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Versailles, Berlin gegen Paris zu unterstützen. <EM>Die
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Wiederbewaffnung von Nazi-Deutschland wäre ohne die direkte
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Hilfe Englands unmöglich gewesen.</EM> Auf diese Art waren die
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ver<brk>steckten, aber tiefen Antagonismen zwischen den Demokratien
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das Sprungbrett für Hitler.</P>
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<P>England unterstützte Hitler in München mit der Hoffnung,
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daß er sich mit Mitteleuropa zufriedengeben würde. Aber
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einige Wochen später hatte England »endlich entdeckt« daß
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der deutsche Imperialismus die Weltherrschaft anstrebte. In seiner
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Rolle als Weltkolonialmacht konnte Großbritannien nicht umhin,
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die schrankenlosen Ansprüche Hitlers mit Krieg zu beantworten.</P>
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<P> Diplomatische Machenschaften, die mit der Formel »Demokratie gegen
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Faschismus« jonglieren, sind Sophismen zum Thema Verantwortung
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und können uns nicht vergessen lassen, daß der <EM>Kampf
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zwischen den imperialistischen Sklavenhaltern der ver<brk>schiedenen
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Lager um eine Neuaufteilung der Welt</EM> geführt wird. Seinen Zielen
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und Methoden nach ist der gegenwärtige Krieg eine direkte
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Fortsetzung des vorangegangenen großen Krieges, nur mit viel
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größerer Fäulnis der kapitalistischen Wirtschaft und
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mit viel schrecklicheren Methoden der Zerstörung und
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Aus<brk>rottung.</P>
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<P>Konsequenterweise sehe ich daher nicht den geringsten Grund, jene
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Prinzipien inbezug auf den Krieg zu ändern, die zwischen
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1914 und 1917 von den besten Vertretern der
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Arbeiterbewegung unter der Führung von Lenin ausgearbeitet
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wurden. Der gegen<brk>wärtige Krieg hat auf beiden Seiten einen
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reaktionären Charak<brk>ter. Welches Lager auch immer siegen
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wird, die Menschheit wird weit zurückgeworfen werden.</P>
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<P>Die Aufgabe der wahren Vertreter der Arbeiterklasse und der
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unterdrückten Nationen besteht nicht darin, einem
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imperialistischen Lager gegen ein anderes zu helfen, sondern darin,
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die arbeitenden Massen aller Länder zu lehren, die reaktionäre
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Bedeutung des gegenwärtigen Krieges zu verstehen, ihr eigenes
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Programm aufzustellen — <EM>die Vereinigten Sozialistischen Staaten
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der Welt</EM> — und sich darauf vorzubereiten, das Ausbeuterregime
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durch die Herrschaftsform der allgemeinen Koope<brk>ration zu
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ersetzen.</P>
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<P>Das ist das Programm der IV. Internationale. Es erscheint den
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sogenannten Realisten, die die Logik der historischen Entwicklung
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nicht verstehen, utopisch. Die IV. Internationale umfaßt jetzt
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nur eine kleine Minderheit. Aber auch die Partei Lenins
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repräsentierte zu Beginn des letzten Krieges eine unbedeutende
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Minderheit und erntete nichts als Boshaftigkeiten von den billigen
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Maulhelden.</P>
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<P>Der Krieg ist eine harte Schule. In seinem Feuer werden die alten
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Vorurteile und Sklavengewohnheiten ausgelöscht werden. Die
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Nationen werden aus diesem Krieg anders herauskommen als sie
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hineingegangen sind und werden unseren Planeten nach den Gesetzen der
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Vernunft wiederaufbauen.</P>
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Anmerkungen
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<P><A NAME="Anm1" HREF="390905a.htm#ZAnm1"><SUP>Anm1</SUP></A>Trotzki bezieht sich hier auf seinen Artikel »Das deutsch-sowjetische Bündnis« vom 4. September 1939. Siehe Trotzki <I>Writings 1939-40</I>, S. 81ff
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<TR>
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<TD ALIGN="center" width="49%" height=20 valign=middle><A href="../../index.shtml.html"><SMALL>Gesamtübersicht "MLWerke"</SMALL></A></TD>
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<TD ALIGN="center">|</TD>
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<TD ALIGN="center" width="49%" height=20 valign=middle> <A href="../default.htm"><SMALL>Lew Trotzki</SMALL></A></TD>
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<SMALL>Verwendung zur Herstellung von Druckwerken oder für andere elektronische Publikationen auf Datenträgern oder im Netz nur nach Rücksprache. <A HREF="../../ies/kontakt.htm">Kontakt</A>
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