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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<TITLE>August Bebel - Die Frau und der Sozialismus - 12. Kapitel</TITLE>
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<P ALIGN="CENTER"><A HREF="beaa_185.htm"><FONT SIZE=2>11. Kapitel</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="beaa_000.htm"><FONT SIZE=2>Inhalt</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="beaa_243.htm"><FONT SIZE=2>13. Kapitel</FONT></A></P>
<FONT SIZE=2><P>August Bebel - "Die Frau und der Sozialismus" - 62. Auflage, Berlin/DDR, 1973, S. 207-242.</P>
<P>1. Korrektur.<BR>
Erstellt am 31.1.1999.</P>
</FONT><I><P ALIGN="CENTER">Zw&ouml;lftes Kapitel<FONT SIZE=4> <BR>
</I>Die Prostitution - eine notwendige soziale Institution der b&uuml;rgerlichen Welt </P>
</FONT><I><P ALIGN="CENTER">1. Prostitution und Gesellschaft</P>
</I><B><P><A NAME="S207">|207|</A></B> Die Ehe stellt eine Seite des Geschlechtslebens der b&uuml;rgerlichen Welt dar, die Prostitution die andere. Die Ehe ist der Avers, die Prostitution der Revers der Medaille. Findet die M&auml;nnerwelt in der Ehe keine Befriedigung, so sucht sie dieselbe in der Regel bei der Prostitution. Und wer von der M&auml;nnerwelt aus irgendeinem Grunde auf die Ehe verzichtet, sucht ebenfalls in der Regel Befriedigung bei der Prostitution. F&uuml;r die freiwillig oder gezwungen in Ehelosigkeit lebenden M&auml;nner wie f&uuml;r jene, denen die Ehe das Erwartete nicht bietet, liegen also die Verh&auml;ltnisse f&uuml;r Befriedigung des Geschlechtstriebs ungleich g&uuml;nstiger als f&uuml;r die Frauen. </P>
<P>Die M&auml;nnerwelt hat stets die Benutzung der Prostitution als ein ihr von "Rechts wegen" zukommendes Privilegium betrachtet. Um so h&auml;rter und strenger wacht und urteilt sie, wenn eine Frau, die keine Prostituierte ist, einen "Fehltritt" begeht. Da&szlig; die Frau die gleichen Triebe hat wie der Mann, ja da&szlig; diese in gewissen Zeiten ihres Lebens sich heftiger als sonst geltend machen, beirrt sie nicht. Kraft seiner Herrschaftsstellung zwingt sie der Mann, ihre heftigsten Triebe gewaltsam zu unterdr&uuml;cken und macht von ihrer Keuschheit ihr gesellschaftliches Ansehen und die Eheschlie&szlig;ung abh&auml;ngig. Durch nichts kann drastischer, aber auch in emp&ouml;renderer Weise die Abh&auml;ngigkeit der Frau von dem Manne dargetan werden als durch diese grundverschiedene Auffassung und Beurteilung der Befriedigung desselben Naturtriebs. Die Verh&auml;ltnisse liegen f&uuml;r den Mann besonders g&uuml;nstig. Die Natur hat die Folgen des Zeugungsaktes der Frau zugewiesen, der Mann hat au&szlig;er dem Genu&szlig; weder M&uuml;he noch Verantwortung. Diese vorteilhafte Stellung gegen&uuml;ber der Frau hat jene Z&uuml;gellosigkeit in den ge- <A NAME="S208"><B>|208|</A></B> schlechtlichen Anforderungen gef&ouml;rdert, durch die sich ein gro&szlig;er Teil der M&auml;nnerwelt auszeichnet. Da aber viele Ursachen vorhanden sind, welche die legitime Befriedigung des Geschlechtstriebs verhindern oder ungen&uuml;gend erreichen lassen, ist die Folge Befriedigung desselben in der Wildnis. </P>
<I><P>Die Prostitution wird also zu einer notwendigen sozialen Institution f&uuml;r die b&uuml;rgerliche Gesellschaft, ebenso wie Polizei, stehendes Heer, Kirche, Unternehmerschaft. </P>
</I><P>Das ist nicht &uuml;bertrieben, es soll bewiesen werden. </P>
<P>Es wurde dargelegt, wie die alte Welt die Prostitution ansah und f&uuml;r notwendig hielt, ja sie staatlich organisierte, und zwar sowohl in Griechenland als in Rom. Welche Ansichten dar&uuml;ber im christlichen Mittelalter bestanden, ist ebenfalls vorgef&uuml;hrt worden. Sogar der heilige Augustin, der nach Paulus als die bedeutendste St&uuml;tze des Christentums gelten mu&szlig; und die Aszese eifrig predigte, konnte sich nicht enthalten, auszurufen: "Unterdr&uuml;ckt die &ouml;ffentlichen Dirnen, und die Gewalt der Leidenschaften wird alles &uuml;ber den Haufen werfen." Und der heilige Thomas Aquin, der bis jetzt als die gr&ouml;&szlig;te Autorit&auml;t auf dem Gebiet der Theologie gilt, hat es noch drastischer ausgesprochen: "Die Prostitution in den St&auml;dten gleicht der Kloake im Palast; schafft die Kloake ab, und der Palast wird ein unreiner und stinkender Ort werden." Das Provinzialkonzil zu Mailand im Jahre 1665 sprach sich im gleichen Sinne aus. </P>
<P>H&ouml;ren wir, was die Modernen sagen. </P>
<P>Dr. F . S. H&uuml;gel sagt: "Die fortschreitende Zivilisation wird die Prostitution allm&auml;hlich in gef&auml;lligere Formen h&uuml;llen, aber nur mit dem <I>Untergang der Welt </I>wird sie vom Erdball vertilgt werden k&ouml;nnen."<A NAME="ZF1"><A HREF="beaa_207.htm#F1">(1)</A></A> Das ist eine k&uuml;hne Behauptung, aber wer nicht &uuml;ber die b&uuml;rgerliche Form der Gesellschaft hinausdenken kann, nicht anerkennt, da&szlig; sich die Gesellschaft umwandeln wird, um zu gesunden und nat&uuml;rlichen Zust&auml;nden zu kommen, mu&szlig; Dr. H&uuml;gel zustimmen. </P>
<P>&Auml;hnlich &auml;u&szlig;ert sich der ber&uuml;hmte Hygieniker M. Rubner, Professor an der Berliner Universit&auml;t und Direktor des Hygienischen Instituts: "Die Prostitution beim Weibe hat zu allen Zeiten und bei allen V&ouml;lkern der Erde bestanden, sie ist etwas Unzerst&ouml;rbares, weil sie dem Geschlechtsverkehr dient, aus der Natur des Menschen sich ableitet <A NAME="S209"><B>|209|</A></B> und weil der Trieb zur Prostitution in vielen F&auml;llen sozusagen auf ungeborene Fehler mancher Frauen zur&uuml;ckzuf&uuml;hren ist. Gerade wie in einer Bev&ouml;lkerung das Genie und der Bl&ouml;dsinn, das Riesen- und Zwergwachstum und andere Abweichungen von dem allgemeinen Mittel, dem gew&ouml;hnlichen, vertreten zu sein pflegen, ebenso treten durch das Spiel der Geburt auch jene Abnormit&auml;ten zutage, welche zur Prostitution f&uuml;hren m&uuml;ssen."<A NAME="ZF2"><A HREF="beaa_207.htm#F2">(2)</A></A> </P>
<P>Keinem der Genannten kommt der Gedanke, da&szlig; durch eine andere gesellschaftliche Ordnung die Ursachen f&uuml;r die Prostitution verschwinden k&ouml;nnten, keiner versucht, die Ursachen derselben zu untersuchen. Wohl d&auml;mmert diesem und jenem, der sich mit dieser Frage besch&auml;ftigt, da&szlig; die traurigen sozialen Zust&auml;nde, unter denen zahlreiche Frauen leiden, die Hauptursache sein m&ouml;chten, warum so viele ihren Leib verkaufen, aber dieser Gedanke ringt sich nicht zu der Konsequenz durch, da&szlig; alsdann notwendig sei, andere soziale Zust&auml;nde zu schaffen. Zu den wenigen, die erkennen, da&szlig; die Hauptursache der Prostitution die wirtschaftlichen Verh&auml;ltnisse sind, geh&ouml;rt Th. Bade <A NAME="ZF3"><A HREF="beaa_207.htm#F3">(3)</A></A>: "Die Ursachen der bodenlosen moralischen Versunkenheit, aus der das prostituierte M&auml;dchen hervorgeht, liegen in den dermaligen sozialen Zust&auml;nden ... <I>Es ist namentlich die b&uuml;rgerliche Aufl&ouml;sung der Mittelklassen und ihrer Existenz</I>, <I>insbesondere des Handwerkerstandes</I>, der heute nur noch zu einem kleinen Bruchteil eine selbst&auml;ndige, gewerbsm&auml;&szlig;ige Arbeit betreibt." Bade schlie&szlig;t seine Betrachtungen damit, da&szlig; er sagt: "Die Not der materiellen Existenz, welche die Familien der Mittelklasse teils schon aufgerieben hat, teils noch aufreiben wird, f&uuml;hrt auch zur moralischen Zerr&uuml;ttung der Familie und im besonderen zu der des weiblichen Geschlechts."<A NAME="ZF4"><A HREF="beaa_207.htm#F4">(4)</A></A> </P>
<P>Aber die Prostitution ist nicht nur eine von der Natur geschaffene Institution, die, wie sich R. Schm&ouml;lder ausdr&uuml;ckt, "nach mensch- <A NAME="S210"><B>|210|</A></B> lichem Ermessen <I>ein steter Begleiter der Menschheit bleiben wird</I>"<A NAME="ZF5"><A HREF="beaa_207.htm#F5">(5)</A></A>. Sie ist auch eine soziale Institution, ohne welche die b&uuml;rgerliche Gesellschaft undenkbar w&auml;re. </P>
<P>Der Leipziger Polizeiarzt Dr. J. K&uuml;hn sagt: "Die Prostitution ist nicht blo&szlig; ein zu duldendes, <I>sondern ein notwendiges &Uuml;bel</I>, denn sie sch&uuml;tzt die Weiber vor Untreue (die nur die M&auml;nner zu begehen ein Recht haben. D. Verf.) und die Tugend (nat&uuml;rlich die weibliche, die M&auml;nner bed&uuml;rfen derselben nicht. D. Verf.) vor Angriffen (sic!) und somit vor dem Falle."<A NAME="ZF6"><A HREF="beaa_207.htm#F6">(6)</A></A> Diese Worte charakterisieren in der unverh&uuml;lltesten Form den krassen Egoismus der M&auml;nnerwelt. K&uuml;hn nimmt den korrekten Standpunkt eines Polizeiarztes ein, der die Aufgabe hat, durch &Uuml;berwachung der Prostitution die M&auml;nnerwelt vor unangenehmen Krankheiten zu retten. Man denkt nur an den Mann, dem das z&ouml;libat&auml;re Leben ein Greuel und eine Marter ist; aber die Millionen z&ouml;libat&auml;rer Frauen haben sich zu bescheiden. Was bei den M&auml;nnern Recht ist, ist bei den Frauen Unrecht, Unmoralit&auml;t und Verbrechen. </P>
<P>Ein anderer interessanter Herr ist Dr. Fock, der die Prostitution als "ein notwendiges Korrelat unserer zivilisierten Einrichtungen"<A NAME="ZF7"><A HREF="beaa_207.htm#F7">(7)</A></A> betrachtet. Er f&uuml;rchtet &Uuml;berproduktion an Menschen, wenn nach Erlangung der Zeugungsf&auml;higkeit alle heirateten, und darum h&auml;lt er f&uuml;r wichtig, die Prostitution staatlich zu "regulieren". Er findet es gerechtfertigt, da&szlig; der Staat die Prostitution regelt und &uuml;berwacht und die Sorge f&uuml;r Lieferung syphilisfreier Dirnen an die M&auml;nner &uuml;bernimmt. Er erkl&auml;rt sich f&uuml;r sch&auml;rfste &Uuml;berwachung aller Frauenzimmer, denen ein liederlicher Lebenswandel nachgewiesen wird. Auch dann, wenn die Damen mit "liederlichem Lebenswandel" den vornehmen Klassen angeh&ouml;ren? Es ist das alte Lied. Dr. Fock verlangt auch die Besteuerung der Prostituierten und die Konzentration der Prostituierten <I>in bestimmten Stra&szlig;en</I>. Mit anderen Worten, der <I>christliche Staat</I> soll sich aus der Prostitution eine Geldeinnahme schaffen, indem er zum Besten der M&auml;nnerwelt die Prostitution staatlich orga- <A NAME="S211"><B>|211|</A></B> nisiert und sch&uuml;tzt. Wie sagte Kaiser Vespasian in einem &auml;hnlichen Falle? Non olet! (Es riecht nicht.) Einen eigenartigen Standpunkt nimmt ein Dr. Heinrich Severus <A NAME="ZF8"><A HREF="beaa_207.htm#F8">(8)</A></A> ein, der sich ebenfalls f&uuml;r die gesetzliche Anerkennung der Prostitution erkl&auml;rt. Er sieht eben in dieser eine sehr <I>n&uuml;tzliche </I>Einrichtung, weil sie eine notwendige Begleiterscheinung der Ehe sei, ohne welche die Freiheit der Entschlie&szlig;ung zur Ehe verk&uuml;mmern w&uuml;rde. Die Prostitution ist ihm zufolge eine Art Sicherheitsventil f&uuml;r die b&uuml;rgerliche Gesellschaft. Er behauptet: "Ein gro&szlig;er Teil der Not, deren Vorhandensein heute so mi&szlig;liche soziale Zust&auml;nde schafft, ist darauf zur&uuml;ckzuf&uuml;hren, da&szlig; Ehen un&uuml;berlegt, ohne Pr&uuml;fung der Frage, woher der n&ouml;tige Lebensunterhalt beschafft werden soll, geschlossen worden sind. Der Staat hat ein Interesse daran, da&szlig; derartige Ehen nicht zustande kommen, denn die daraus hervorgehenden Kinder, f&uuml;r deren Unterhalt von den Eltern nicht gen&uuml;gend gesorgt werden kann, die aber als eheliche auch nicht ins Findelhaus geh&ouml;ren, bedrohen die <I>Sicherheit der Gesellschaft</I>." Die Prostitution verh&uuml;te aber, da&szlig; "unter dem Zwange des Naturgesetzes Ehen geschlossen werden, die zu einer <I>Vermehrung des Volkes um Elemente f&uuml;hren</I>, deren aus Not unterbliebene Erziehung und aus einer freudlosen lugend entspringende <I>staatsfeindliche Gesinnung sie zu Gegnern der Gesellschaft</I> macht". Damit w&auml;re also in der staatlich regulierten Prostitution sogar ein Heil- und Schutzmittel gegen die Sozialdemokratie gefunden, eine Ansicht, die wenigstens Originalit&auml;t beanspruchen kann. </P>
<P>Also! Es bleibt dabei: Die Prostitution ist eine notwendige soziale Institution der b&uuml;rgerlichen Welt, ebenso wie Polizei, stehendes Heer, Kirche und Unternehmerschaft! </P>
<I><P ALIGN="CENTER"><A NAME="Kap_12_2">2. Die Prostitution und der Staa</A>t</P>
</I><P>Im Deutschen Reiche ist die Prostitution nicht wie in Frankreich staatlich organisiert und &uuml;berwacht, sondern nur geduldet. Die offiziellen &ouml;ffentlichen H&auml;user sind von Gesetzes wegen verboten, und die Kuppelei wird mit schwerer Strafe bedroht. Das verhinderte aber bisher nicht, da&szlig; in einer gro&szlig;en Anzahl deutscher St&auml;dte, unter anderem in Mainz, Magdeburg, Altona, Kiel, N&uuml;rnberg, Worms, Freiburg <A NAME="S212"><B>|212|</A></B> i.Br., Leipzig, Regensburg, Hamburg, Augsburg, W&uuml;rzburg usw., nach wie vor &ouml;ffentliche H&auml;user bestehen, welche die Polizei duldet.<A NAME="ZF9"><A HREF="beaa_207.htm#F9">(9)</A></A> Ein kaum fa&szlig;barer Zustand, dessen Widerspruch mit dem Gesetz unseren Staatenlenkern wohlbekannt ist. Das deutsche Strafgesetz bedroht auch die Gew&auml;hrung von Wohnung an eine Prostituierte mit Strafe. Andererseits aber sieht sich die Polizei gezwungen, Tausende von Frauen als Prostituierte zu dulden und sie in ihrem Gewerbe zu sch&uuml;tzen, sobald sich dieselben in die Polizeiregister als Prostituierte eintragen lassen und sich den f&uuml;r die Prostituierten vorgeschriebenen Regeln - zum Beispiel der periodisch wiederkehrenden Untersuchung durch einen Arzt usw. - unterwerfen. Konzessioniert aber der Staat Prostituierte und unterst&uuml;tzt er damit die Aus&uuml;bung ihres Gewerbes, so m&uuml;ssen sie auch eine Wohnung haben; ja, es liegt sogar im Interesse der &ouml;ffentlichen Gesundheit und Ordnung, da&szlig; sie eine solche besitzen, in der sie ihr Gewerbe aus&uuml;ben k&ouml;nnen. Welche Widerspr&uuml;che! Auf der einen Seite erkennt der Staat offiziell an: die Prostitution ist notwendig, auf der anderen verfolgt und bestraft er die Prostituierten und die Kuppelei. Au&szlig;erdem best&auml;tigt diese Haltung des Staates, da&szlig; die Prostitution f&uuml;r die moderne Gesellschaft eine Sphinx ist, deren R&auml;tsel sie nicht l&ouml;sen kann. Die herrschende Religion und Moral verurteilen die Prostitution, die Gesetze bestrafen ihre Beg&uuml;nstigung, und doch duldet und sch&uuml;tzt sie der Staat. Mit anderen Worten, unsere mit ihrer Sittlichkeit, ihrer Religiosit&auml;t, ihrer Zivilisation und Kultur sich br&uuml;stende Gesellschaft mu&szlig; dulden, da&szlig; Sittenlosigkeit und Korruption wie schleichendes Gift ihren K&ouml;rper durchw&uuml;hlen. Aber noch eins geht aus diesem Zustand hervor. <I>Der christliche Staat gibt zu, da&szlig; die Ehe ungen&uuml;gend ist und der Mann ein Recht hat, die illegitime Befriedigung des Geschlechtstriebs zu beanspruchen.</I> Bei demselben Staat z&auml;hlt die Frau nur insofern, als sie sich den illegitimen m&auml;nnlichen Begierden hingeben will, das hei&szlig;t Prostituierte wird. Auch trifft die von den staatlichen Organen ausge&uuml;bte &Uuml;berwachung und Kontrolle der eingeschriebenen Prostituierten nicht auch den Mann, der die Prostituierte sucht, was, wenn die polizei&auml;rztliche Kontrolle einen Sinn und halbwegs Erfolg haben sollte, selbstverst&auml;ndlich w&auml;re - davon abgesehen, da&szlig; die Gerechtigkeit die gleiche Anwendung des Gesetzes auf beide Geschlechter erfordert.</P>
<B><P><A NAME="S213">|213|</A></B> Dieser Schutz des Mannes vor der Frau durch den Staat stellt die Natur der Verh&auml;ltnisse auf den Kopf. <I>Es sieht aus, als seien die M&auml;nner das schw&auml;chere und die Frauen das st&auml;rkere Geschlecht, als sei die Frau die Verf&uuml;hrerin und der arme, schwache Mann der Verf&uuml;hrte.</I> Die Verf&uuml;hrungsmythe zwischen Adam und Eva im Paradies wirkt in unseren Anschauungen und Gesetzen fort und gibt dem Christentum recht: "Die Frau ist die gro&szlig;e Verf&uuml;hrerin, das Gef&auml;&szlig; der S&uuml;nde." Die M&auml;nnerwelt sollte sich dieser traurigen und unw&uuml;rdigen Rolle sch&auml;men. Aber sie gef&auml;llt sich in dieser Rolle des "Schwachen" und "Verf&uuml;hrten", <I>denn je mehr sie gesch&uuml;tzt wird</I>, <I>um so mehr kann sie s&uuml;ndigen</I>. </P>
<P>Wo M&auml;nner in Masse zusammenkommen, scheinen sie ohne Prostituierte sich nicht vergn&uuml;gen zu k&ouml;nnen. Das zeigten unter anderem die Vorg&auml;nge auf dem deutschen Sch&uuml;tzenfest in Berlin im Sommer 1890, Vorg&auml;nge, die 2.500 Frauen veranla&szlig;ten, sich also in einer Petition an den Oberb&uuml;rgermeister der deutschen Reichshauptstadt auszulassen: "Gestatten Ew. Hochwohlgeboren allerg&uuml;tigst, da&szlig; wir &uuml;ber das diesj&auml;hrige, bei Pankow vom 6. bis 13. Juli abgehaltene deutsche Bundesschie&szlig;en dasjenige erw&auml;hnen, was durch die Presse und andere Mitteilungen &uuml;ber jenes Fest in die Provinzen gedrungen ist. Die Berichte, welche wir dar&uuml;ber mit tiefster Entr&uuml;stung und mit Abscheu vernommen haben, f&uuml;hrten unter anderem die Schaustellungen jenes Festes also auf: 'Erster deutscher Herold, gr&ouml;&szlig;tes Chantant der Welt.' 'Hundert Damen und vierzig Herren.' Daneben kleinere Tingeltangel und Schie&szlig;buden, aus denen &uuml;beraus zudringliche Frauenzimmer der M&auml;nnerwelt sich anwarfen. Ferner 'Freikonzert', dessen luftigst gekleidete Kellnerinnen frech und ungehindert den Gymnasiasten wie den Familienvater, den J&uuml;ngling wie den Mann verf&uuml;hrerisch l&auml;chelnd zur 'Sch&uuml;tzenruh' einluden ... Allein die kaum bekleidete 'Dame', welche zum Besuch der Bude 'Die Geheimnisse Hamburgs oder eine Nacht in St. Pauli' einlud, h&auml;tte doch wohl f&uuml;glich von Polizei wegen beseitigt werden k&ouml;nnen. Und dann das Entsetzliche, was einfache B&uuml;rger und B&uuml;rgerinnen der Provinz von der so viel ger&uuml;hmten Reichshauptstadt kaum zu fassen verm&ouml;gen, die verlautende Kunde: Da&szlig; die Festleitung es zugelassen haben soll, anstatt der sich anbietenden Kellner 'junge Frauenzimmer' in gro&szlig;er Zahl als Schenkm&auml;dchen ohne Bezahlung anzustellen ... Wir deutschen Frauen haben als Gattinnen, M&uuml;tter und als Schwestern unsere Ehem&auml;nner, Kinder, <A NAME="S214"><B>|214|</A></B> T&ouml;chter und Br&uuml;der in tausendfacher Veranlassung zum Dienst des Vaterlandes nach Berlin zu schicken, und so bitten wir Ew. Hochwohlgeboren in aller Untert&auml;nigkeit und in zuversichtlichem Vertrauen, bei dem gro&szlig;en, schwerwiegenden Einflu&szlig;, welchen Sie als oberster Beamter der Reichshauptstadt in H&auml;nden haben, &uuml;ber jene unw&uuml;rdigen Vorg&auml;nge derartige Untersuchungen anordnen zu wollen oder sonstige Ew. Hochwohlgeboren zweckdienlich erscheinende Verordnungen zu treffen, welche eine Wiederkehr jener Orgien, namentlich auch auf dem bevorstehenden <I>Sedanfeste</I>, keinesfalls bef&uuml;rchten lassen ..." (!!!) </P>
<P>Bei allen gro&szlig;en, auch sogenannten nationalen Festen, bei denen M&auml;nner in gr&ouml;&szlig;erer Zahl zusammenkommen, wiederholt sich &auml;hnliches.<A NAME="ZF10"><A HREF="beaa_207.htm#F10">(10)</A></A> </P>
<P>Die deutschen Regierungen machten wiederholt den Versuch, aus dem Widerspruch herauszukommen, in dem sich in bezug auf die Prostitution die Praxis der Staatsgewalt mit der Strafgesetzgebung befindet. Sie brachten Gesetzentw&uuml;rfe ein, die unter anderem die Polizei bevollm&auml;chtigten, den Prostituierten bestimmte Wohnpl&auml;tze anzuweisen. Man gab zu, da&szlig; die Prostitution nicht unterdr&uuml;ckt werden k&ouml;nne und es deshalb am praktischsten sei, sie an bestimmten Orten zu dulden und zu kontrollieren. Ein solches Gesetz w&uuml;rde - dar&uuml;ber war alle Welt einig - die Bordelle wieder ins Leben gerufen haben, die in den vierziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts offiziell in Preu&szlig;en aufgehoben wurden. Diese Gesetzesversuche verursachten gro&szlig;e Erregung und eine Menge Proteste, in welchen Verwahrung dagegen eingelegt wurde, da&szlig; der Staat sich zum Besch&uuml;tzer der Prostitution aufwerfe und damit den Glauben hervorrufe, die Benutzung der Prostitution sei nicht wider die Moral und sie sei ein staatlich gebilligtes Gewerbe. Diese Gesetzentw&uuml;rfe, die im Plenum und in der Kommission des Reichstags den heftigsten Widerspruch fanden, blieben bisher unerledigt. Aber da&szlig; solche vorgelegt werden konnten, zeigt die Verlegenheit, in der man sich befindet. </P>
<P>Die staatliche Regulierung und Kontrolle der Prostitution erzeugt nicht nur den Glauben bei der M&auml;nnerwelt, der Staat beg&uuml;nstige die Prostitution, sondern die staatliche Kontrolle sch&uuml;tze sie auch vor Er- <A NAME="S215"><B>|215|</A></B> krankung, und dieser Glaube bef&ouml;rdert die Benutzung der Prostitution und den Leichtsinn der M&auml;nner. Die Bordelle vermindern nicht die Geschlechtskrankheiten, sie f&ouml;rdern sie, <I>die M&auml;nner werden leichtsinniger und unachtsamer</I>. Welche Auffassung der staatliche Schutz der Bordelle hervorruft, daf&uuml;r spricht, da&szlig; sich die auf Grund der Prostitutionsakte in England eingeschriebenen Prostituierten scherzhaft die <I>Frauen der K&ouml;nigin </I>nannten, weil sie durch ein von der K&ouml;nigin verk&uuml;ndetes Gesetz privilegiert worden waren. </P>
<P>Die Erfahrung hat gelehrt, da&szlig; weder die Errichtung polizeilich kontrollierter Prostitutionsanstalten (Toleranzh&auml;user, Bordelle) noch auch die polizeilich angeordnete &auml;rztliche Untersuchung Sicherheit vor Ansteckung gibt. So schrieb der Geheime Medizinalrat Dr. Albert Eulenburg im Jahre 1898 auf eine Anfrage an das Wiener Frauenkomitee zur Bek&auml;mpfung der Kasernierung der Prostitution: "In der Frage der polizeilichen &Uuml;berwachung der Prostituierten stehe ich - ohne nat&uuml;rlich die praktischen Schwierigkeiten sofortiger Durchf&uuml;hrung zu verkennen - prinzipiell voll und ganz auf dem Standpunkt Ihrer Petition und betrachte die in den meisten L&auml;ndern seither &uuml;bliche Praxis als ungerecht, unw&uuml;rdig und &uuml;berdies ganz ungeeignet, den angef&uuml;hrten Zweck mit einiger Sicherheit zu erreichen." </P>
<P>Am 20. Juli 1892 sprach sich die Berliner Medizinische Gesellschaft dahin aus, da&szlig; die Wiedereinf&uuml;hrung von Bordellen weder vom hygienischen noch vom moralischen Standpunkt zu empfehlen sei. Die Natur dieser Krankheiten ist vielfach derart, da&szlig; sie nicht leicht und nicht sofort sich erkennen l&auml;&szlig;t, und sollte einige Sicherheit vorhanden sein, so m&uuml;&szlig;te eine mehrmalige t&auml;gliche Untersuchung eintreten. Diese ist aber bei der Zahl der in Frage kommenden Frauen und in R&uuml;cksicht auf die Kosten unm&ouml;glich. Wo drei&szlig;ig bis vierzig Prostituierte in einer Stunde "abgefertigt" werden m&uuml;ssen, ist die Untersuchung kaum mehr als eine blo&szlig;e Farce, und ebenso ist die Zahl von ein oder zwei Untersuchungen in der Woche g&auml;nzlich unzul&auml;nglich. So sagt Dr. Blaschko <A NAME="ZF11"><A HREF="beaa_207.htm#F11">(11)</A></A>: "Die Annahme, da&szlig; die Kontrolle der Prostituierten einen Schutz gegen Ansteckung gew&auml;hrt, ist ein leider sehr verbreiteter und verh&auml;ngnisvoller Irrtum. Man kann viel- <A NAME="S216"><B>|216|</A></B> mehr sagen, da&szlig; jeder, der mit einer Prostituierten oder mit einem leichtsinnigen M&auml;dchen verkehrt, sich jedesmal in eine gro&szlig;e Gefahr begibt." </P>
<P>Der Erfolg dieser Ma&szlig;regeln scheitert aber auch daran, da&szlig; die M&auml;nner, die den Krankheitsstoff von einer Frau auf die andere &uuml;bertragen, von jeder Bel&auml;stigung befreit bleiben. Eine Prostituierte, die eben untersucht und gesund befunden wurde, wird in derselben Stunde von einem geschlechtskranken Manne angesteckt und &uuml;bertr&auml;gt den Ansteckungsstoff bis zum n&auml;chsten Kontrolltag, oder bis sie selbst die Krankheit gewahr wird, auf eine Reihe anderer Besucher. Die Kontrolle ist nicht blo&szlig; illusorisch, es kommt hinzu, da&szlig; diese auf Kommando erfolgenden Untersuchungen durch m&auml;nnliche &Auml;rzte, statt durch weibliche, das Schamgef&uuml;hl aufs tiefste verletzen und zu seiner g&auml;nzlichen Vernichtung beitragen. Das wird von einer gro&szlig;en Zahl &Auml;rzte, die mit dieser Kontrolle zu tun haben, best&auml;tigt.<A NAME="ZF12"><A HREF="beaa_207.htm#F12">(12)</A></A> Das gesteht sogar der offizielle Verwaltungsbericht des Berliner Polizeipr&auml;sidiums ein, in dem es hei&szlig;t: "Es mag auch zugegeben werden, <I>da&szlig; die Einschreibung die von ihr Betroffenen moralisch noch tiefer sinken l&auml;&szlig;t</I>."<A NAME="ZF13"><A HREF="beaa_207.htm#F13">(13)</A></A> Die Prostituierten bieten auch alles auf, sich dieser Kontrolle zu entziehen. Eine weitere Folge dieser polizeilichen Ma&szlig;regeln ist, da&szlig; den Prostituierten au&szlig;erordentlich erschwert, ja unm&ouml;glich gemacht wird, wieder zu einem anst&auml;ndigen Erwerb zur&uuml;ckzukehren. <I>Eine der polizeilichen Kontrolle verfallene Frau ist f&uuml;r die Gesellschaft verloren; sie geht meist in wenig Jahren elend zugrunde.</I> Zutreffend und ersch&ouml;pfend sprach sich der f&uuml;nfte Kongre&szlig; zur Bek&auml;mpfung der Unsittlichkeit wider die polizeiliche Regelung der Prostitution zu Genf aus, indem er erkl&auml;rte: "Die obligatorische &auml;rztliche Untersuchung der Prostituierten ist eine um so grausamere Strafe f&uuml;r die Frau, als sie die ihr gewaltsam unterworfenen Ungl&uuml;cklichen vollends in das Verderben rei&szlig;t, indem sie den Rest von Schamgef&uuml;hl zerst&ouml;rt, der noch <A NAME="S217"><B>|217|</A></B> bei den Verworfensten vorhanden sein kann. Der Staat, der die Prostitution polizeilich regeln will, vergi&szlig;t, da&szlig; er beiden Geschlechtern gleichen Schutz schuldet, er verdirbt moralisch und entw&uuml;rdigt die Frau. Jedes System offizieller Regelung der Prostitution hat Polizeiwillk&uuml;r zur Folge sowie Verletzung gerichtlicher Garantien, die jedem Individuum, selbst dem gr&ouml;&szlig;ten Verbrecher, gegen willk&uuml;rliche Verhaftung und Einsperrung zugesichert sind. Da diese Rechtsverletzung nur zum Nachteil der Frau geschieht, so folgt daraus eine widernat&uuml;rliche Ungleichheit zwischen ihr und dem Manne. Die Frau wird zum blo&szlig;en Mittel herabgew&uuml;rdigt und nicht mehr als Person behandelt. <I>Sie steht au&szlig;erhalb des Gesetzes.</I>" </P>
<P>Wie wenig die polizei&auml;rztliche Kontrolle n&uuml;tzt, daf&uuml;r liefert England ein schlagendes Beispiel. Vor Beginn der gesetzlichen Reglementierung im Jahre 1867 betrugen die F&auml;lle von geschlechtlichen Infektionskrankheiten beim Milit&auml;r laut Armeebericht 91 pro 1.000. Im Jahre 1886, also nach neunzehnj&auml;hrigem Bestand der Reglementierung, 110 pro 1.000, aber im Jahre 1892, sechs Jahre nach Aufhebung der Reglementierung, nur 79 pro 1.000. In der Zivilbev&ouml;lkerung betrugen in den Jahren 1879 bis 1882 - also w&auml;hrend der Reglementierung - die F&auml;lle von Syphilis 10 pro 1.000, in den Jahren 1885 bis 1889, also nach Aufhebung derselben, 8,1 pro 1.000. </P>
<P>Auf die der Untersuchungsakte unterworfenen Prostituierten wirkte aber das Gesetz ganz anders als auf die Truppen: 1866 kamen auf je 1.000 Prostituierte 121 Erkrankungen, 1868, als das Gesetz zwei Jahre bestanden hatte, 202, sie sanken dann allm&auml;hlich, sie &uuml;berschritten aber 1874 immer noch um 16 F&auml;lle die Zahl von 1866. Auch die Todesf&auml;lle bei den Prostituierten vermehrten sich unter der Herrschaft des Gesetzes erschreckend. 1865 betrugen diese auf 1000 Prostituierte 9,8, dagegen im Jahre 1874 25. Als gegen Ende der sechziger Jahre die englische Regierung den Versuch machte, die Untersuchungsakte auf alle englischen St&auml;dte auszudehnen, erhob sich ein Sturm der Entr&uuml;stung in der englischen Frauenwelt. Sie betrachteten das Gesetz als eine Beleidigung f&uuml;r das ganze Geschlecht. Die Habeaskorpusakte, jenes Grundgesetz, hie&szlig; es, das den englischen B&uuml;rger vor den &Uuml;bergriffen der Polizei sch&uuml;tze, solle f&uuml;r die Frauen aufgehoben sein; es solle jedem rohen, rachs&uuml;chtigen oder von anderen niederen Motiven getriebenen Polizeibeamten gestattet sein, die ehrbarste Frau anzugreifen, wenn er gegen sie den Verdacht habe, eine Prostituierte zu <A NAME="S218"><B>|218|</A></B> sein, wohingegen die Z&uuml;gellosigkeit der M&auml;nner unbehelligt bleibe, ja durch das Gesetz gesch&uuml;tzt und gen&auml;hrt w&uuml;rde. </P>
<P>Obgleich dieses Eintreten der englischen Frauen, unter der F&uuml;hrung der Josephine Hutler, f&uuml;r den Auswurf ihres Geschlechts sie Mi&szlig;deutungen und herabw&uuml;rdigenden Bemerkungen beschr&auml;nkter M&auml;nner aussetzte, lehnten sie sich mit gro&szlig;er Energie gegen die Einf&uuml;hrung desselben auf. In Zeitungsartikeln und Brosch&uuml;ren wurde das "F&uuml;r" und "Wider" er&ouml;rtert und seine Ausdehnung verhindert, dem 1886 die Aufhebung folgte.<A NAME="ZF14"><A HREF="beaa_207.htm#F14">(14)</A></A> </P>
<P>Die deutsche Polizei besitzt eine &auml;hnliche Gewalt, und h&auml;ufige in die &Ouml;ffentlichkeit gedrungene F&auml;lle aus Berlin, Leipzig, K&ouml;ln, Hannover und vielen anderen Orten beweisen, da&szlig; Mi&szlig;brauch oder "Mi&szlig;verst&auml;ndnisse" leicht sind bei Aus&uuml;bung dieser Gewalt, aber man vernimmt bei uns wenig von einer energischen Opposition gegen solche Befugnisse.<A NAME="ZF15"><A HREF="beaa_207.htm#F15">(15)</A></A> Sogar im kleinb&uuml;rgerlichen Norwegen wurden 1884 die Bordelle <I>verboten </I>und 1888 in der Hauptstadt Christiania die zwangsweise Eintragung der Prostituierten und die damit verbundene Untersuchung <I>aufgehoben</I>. <I>Im Januar 1893 wurde die gleiche Verordnung f&uuml;r das ganze Land erlassen.</I> Sehr richtig sagt Frau Guillaume- <A NAME="S219"><B>|219|</A></B> Schack mit Bezug auf die "Schutzma&szlig;regeln" des Staates f&uuml;r die M&auml;nner: "Wozu lehren wir unsere S&ouml;hne Tugend und Sitte achten, wenn der Staat die Unsittlichkeit als ein notwendiges &Uuml;bel erkl&auml;rt? Wenn er dem jungen Manne, ehe er &uuml;berhaupt noch zu geistiger Reife gelangt ist, die Frau, von der Obrigkeit zur Ware gestempelt, als ein Spielzeug seiner Leidenschaft zuf&uuml;hrt?" </P>
<P>Mag ein geschlechtlich kranker Mann in seiner Z&uuml;gellosigkeit noch so viele dieser armen Wesen anstecken, die meist aus bitterer Not oder durch Verf&uuml;hrung dieses schmachvolle Handwerk treiben, der r&auml;udige Mann bleibt unbehelligt, aber wehe der kranken Prostituierten, die sich nicht sofort &auml;rztlicher Behandlung unterworfen hat. Die Garnisons- und Universit&auml;tsst&auml;dte, Seest&auml;dte usw. mit ihrer Anh&auml;ufung kr&auml;ftiger, gesunder M&auml;nner sind die Hauptherde der Prostitution und ihrer gef&auml;hrlichen Krankheiten, die von hier in die entferntesten Winkel des Landes getragen werden und &uuml;berall Verderben verbreiten. Wie moralisch qualifiziert ein gro&szlig;er Teil unserer Studierenden ist, dar&uuml;ber &auml;u&szlig;ert sich das "Korrespondenzblatt zur Bek&auml;mpfung der &ouml;ffentlichen Sittenlosigkeit" <A NAME="ZF16"><A HREF="beaa_207.htm#F16">(16)</A></A> also: <I>"Im weitaus gr&ouml;&szlig;ten Teile der Studentenschaft sind heute die Anschauungen &uuml;ber sittliche Dinge erschreckend niedrig, ja geradezu verlumpt."</I> Und aus diesen Kreisen, die sich mit ihrem Deutschtum und "deutscher Sitte" br&uuml;sten, rekrutieren sich unsere Verwaltungsbeamten, unsere Staatsanw&auml;lte und Richter. Wie schlimm die Zust&auml;nde speziell unter der Studentenschaft geworden sein m&uuml;ssen, geht daraus hervor, da&szlig; im Herbst 1901 eine gr&ouml;&szlig;ere Anzahl Professoren und &Auml;rzte, darunter die ersten Namen des Faches, sich in einem Aufruf an die deutsche Studentenschaft wandten, indem sie nachdr&uuml;cklich auf die traurigen Folgen geschlechtlicher Ausschweifungen aufmerksam machten und auch vor dem &Uuml;berma&szlig; des Alkoholgenusses warnten, der in so vielen F&auml;llen stimulierend auf geschlechtliche Ausschweifungen wirkt. Man begreift endlich, da&szlig; es mit dem Vertuschen nicht mehr geht, sondern da&szlig; man die Dinge beim rechten Namen nennen mu&szlig;, um einigerma&szlig;en unabsehbarem Unheil zu steuern. Auch in anderen Klassen darf man sich diese Mahnungen zu Herzen nehmen. "Du sollst f&uuml;r die S&uuml;nde heimgesucht werden an deinen Nachkommen bis ins dritte und vierte Glied." Dieser Ausspruch der Bibel trifft den ausschweifenden, geschlechtskranken Menschen in vollstem Sinne <A NAME="S220"><B>|220|</A></B> des Wortes, leider auch die unschuldige Ehefrau. "Die Schlaganf&auml;lle jugendlicher M&auml;nner und auch Frauen, Formen von R&uuml;ckenmarksschwindsucht und Gehirnerweichung, Nervenleiden verschiedener Art, Sehst&ouml;rungen, Knochenfra&szlig; und Darmentz&uuml;ndung, Sterilit&auml;t und Siechtum beruhen vielfach auf nichts anderem, als veralteter, verkannter, aus naheliegenden Gr&uuml;nden mit Stillschweigen &uuml;bergangener Syphilis ... Wie die Sache jetzt liegt, so f&uuml;hren Ignoranz und Leichtsinn dazu, aus bl&uuml;henden T&ouml;chtern des Landes sieche, lebenswelke Gesch&ouml;pfe zu machen, die unter der Last ihrer chronischen Beckenentz&uuml;ndungen f&uuml;r die vor- und au&szlig;erehelichen Extravaganzen ihrer Gatten b&uuml;&szlig;en m&uuml;ssen."<A NAME="ZF17"><A HREF="beaa_207.htm#F17">(17)</A></A> Und Dr. A Blaschko sagt u.a.: "Epidemien wie Cholera und Pocken, Diphtheritis und Typhus, deren vorhandene Wirkung in ihrer Pl&ouml;tzlichkeit sich einem jeden unmittelbar aufdr&auml;ngt, sind, obwohl sie an B&ouml;sartigkeit der Syphilis kaum gleich, an Verbreitung sich mit ihr entfernt nicht vergleichen lassen, der Schrecken der Bev&ouml;lkerung ... Der Syphilis hingegen steht die Gesellschaft mit, man m&ouml;chte sagen erschreckender Gleichg&uuml;ltigkeit gegen&uuml;ber."<A NAME="ZF18"><A HREF="beaa_207.htm#F18">(18)</A></A> Die Schuld liegt daran, da&szlig; es f&uuml;r "unanst&auml;ndig" gehalten wird, &uuml;ber solche Dinge &ouml;ffentlich zu sprechen. Hat doch nicht einmal der deutsche Reichstag sich entschlie&szlig;en k&ouml;nnen, im Gesetz daf&uuml;r zu sorgen, da&szlig; Geschlechtskranke gleich anderen Kranken durch die Krankenkassen behandelt werden m&uuml;ssen.<A NAME="ZF19"><A HREF="beaa_207.htm#F19">(19)</A></A> </P>
<P>Das syphilitische Gift ist in seiner Wirkung das z&auml;heste und am schwersten ausrottbare aller Gifte. Viele Jahre, nachdem eine Krankheit &uuml;berstanden ist und der Genesene jede Spur vernichtet w&auml;hnt, zeigen sich h&auml;ufig die Folgen bei der Frau in der Ehe oder bei den Neugeborenen, und ein Heer von Krankheiten bei Ehefrauen und Kindern verdankt ehem&auml;nnlichen beziehungsweise elterlichen Geschlechtskrankheiten seinen Ursprung. In einer Petition, die der Verein Jugendschutz im Herbst 1899 an den Reichstag richtete, wird an- <A NAME="S221"><B>|221|</A></B> gegeben, da&szlig; in Deutschland zirka 50.000 Kinder infolge von Ansteckung durch Gonorrh&ouml;e (Tripper) von Geburt erblindet seien und da&szlig; bei 50 Prozent der kinderlosen Ehefrauen dieselbe Ursache ihre Unfruchtbarkeit verschuldete.<A NAME="ZF20"><A HREF="beaa_207.htm#F20">(20)</A></A> Tats&auml;chlich ist es erschreckend, wie gro&szlig; die Zahl der kinderlosen Ehen ist, und dieselben nehmen zu. Auch schwachsinnige oder bl&ouml;dsinnige Kinder haben h&auml;ufig ihr Gebrechen derselben Ursache zuzuschreiben, und was f&uuml;r Unheil durch ein winziges Tr&ouml;pfchen syphilitischen Blutes bei der Pockenimpfung angerichtet werden kann, daf&uuml;r gibt es krasse Beispiele. </P>
<P>Die gro&szlig;e Zahl der an Geschlechtskrankheiten Leidenden hat wiederholt Anregungen veranla&szlig;t, ein Reichsgesetz zu erlassen, das speziell die Behandlung Geschlechtskranker vorschreibt. Bis jetzt hat man sich zu einem solchen Schritte noch nicht entschlie&szlig;en k&ouml;nnen, wahrscheinlich aus Furcht vor der Gr&ouml;&szlig;e der dann zutage tretenden &Uuml;bel. In den fachm&auml;nnischen Kreisen ist man allgemein zu der &Uuml;berzeugung gekommen, da&szlig; der fr&uuml;her als harmlos angesehene Tripper mit die gef&auml;hrlichste Krankheitserscheinung ist. Scheinbar geheilt, wirkt derselbe im menschlichen K&ouml;rper fort, so da&szlig;, wie Dr. Blaschko in einem Vortrag in Berlin am 20. Februar 1898 mitteilte, bei den sittenpolizeilichen Untersuchungen in Berlin nur ein Viertel bis h&ouml;chstens ein Drittel der tripperkranken Prostituierten als solche erkannt werden. Tats&auml;chlich ist aber der weitaus &uuml;berwiegende Teil der Prostituierten tripperkrank, was also bei der Kontrolle nur bei einem kleinen Bruchteil festgestellt wird. Und da von diesem letzteren wiederum nur ein kleiner Teil geheilt wird, so befindet sich die Gesellschaft hier einem &Uuml;bel gegen&uuml;ber, f&uuml;r das sie vorl&auml;ufig kein Heilmittel hat, das aber namentlich den weiblichen Teil der Bev&ouml;lkerung mit schweren Gefahren bedroht. </P>
<I><P ALIGN="CENTER"><A NAME="Kap_12_3">3. Der M&auml;dchenhandel</A></P>
</I><P>In dem Ma&szlig;e, wie die M&auml;nnerwelt, freiwillig oder gezwungen, auf die Ehe verzichtet und die Befriedigung des Geschlechtstriebs in der Wildnis sucht, in dem Ma&szlig;e steigen auch die verf&uuml;hrerischen Ge <A NAME="S222"><B>|222|</A></B> legenheiten dazu. Der gro&szlig;e Gewinn, den alle auf die Unsittlichkeit berechneten Unternehmungen abwerfen, lockt zahlreiche, nicht skrupul&ouml;se Gesch&auml;ftsleute an, mit Aufbietung aller Raffinements die Kunden anzulocken. Da wird jedem Bed&uuml;rfnis der Kundschaft nach Rang und Stellung, jeder materiellen Leistungs- und Opferf&auml;higkeit Rechnung getragen. K&ouml;nnten die "&ouml;ffentlichen H&auml;user" ihre Geheimnisse ausplaudern, es zeigte sich, da&szlig; ihre Bewohnerinnen, die oft ohne Herkunft und ohne h&ouml;here Bildung und Erziehung sind, aber um so gr&ouml;&szlig;ere k&ouml;rperliche Reize besitzen, in den intimsten Beziehungen mit Spitzen der Gesellschaft, mit M&auml;nnern von hoher Intelligenz und Bildung stehen. Da gehen Minister, hohe Milit&auml;rs, Geheimr&auml;te, Volksvertreter, Richter usw. neben den Repr&auml;sentanten der Geburts-, Finanz-, Handels- und Industriearistokratie aus und ein, M&auml;nner, die am Tage und in der Gesellschaft als "Vertreter und W&auml;chter von Moral, Ordnung, Ehe und Familie" gar w&uuml;rdevoll und ernst einherschreiten und an der Spitze christlicher Wohlt&auml;tigkeitsanstalten und Vereine zur "Unterdr&uuml;ckung der Prostitution" stehen. Der Inhaber eines dieser der Gelegenheitsmacherei dienenden Lokale in der ... stra&szlig;e in Berlin gibt sogar ein eigenes illustriertes Blatt heraus, in dem das Treiben der dort verkehrenden Gesellschaft geschildert wird. Das Lokal verf&uuml;gt &uuml;ber 400 Sitzpl&auml;tze, in dem allabendlich ein elegantes Publikum, das als Stammpublikum - wie es in dem Blatt hei&szlig;t - der h&ouml;chsten Geburts- und Finanzaristokratie angeh&ouml;rt, verkehrt. Der Trubel und Jubel nehme geradezu be&auml;ngstigende Dimensionen an, wenn, wie fast t&auml;glich, zahlreiche Damen der Theaterwelt und bekannte Beaut&eacute;s der Lebewelt anwesend sind und wenn die findige Direktion, um der Heiterkeit die Krone aufzusetzen, in vorger&uuml;ckter Morgenstunde ein Aalgreifen veranstaltet ... Rings um das Bassin herum kauern mit hochgesch&uuml;rzten Kleidern die sch&ouml;nen Besucherinnen der Bar und haschen nach dem Aal. Und so weiter. Die Polizei kennt dieses Treiben genau, aber sie h&uuml;tet sich, die vornehme Gesellschaft in ihren Vergn&uuml;gungen zu st&ouml;ren. Nichts als Kuppelei gemeinster Art ist es auch, wenn ein Berliner Ball-Etablissement folgende Einladung an die vornehme M&auml;nnerwelt versendet: "Die unterzeichnete Jagdsaalverwaltung, deren Direktion Sie, hochgeehrter Herr, als passionierter J&auml;ger empfohlen worden, gibt sich die hohe Ehre, Ew. Hochwohlgeboren auf ein neuerschlossenes, herrlichen Jagdterrain mit reichem, vorz&uuml;glichem Wildstand aufmerksam zu machen und zur <A NAME="S223"><B>|223|</A></B> ersten Edelwildjagd am 26. August a.c. in den Jagds&auml;len h&ouml;flichst einzuladen. Ein besonderer Umstand l&auml;&szlig;t unser neues Forstrevier in hervorragender Weise angenehm und bequem erscheinen: die Jagdgr&uuml;nde befinden sich im Mittelpunkt der Residenz, das Wild ist keinerlei Schonung unterworfen." Unsere b&uuml;rgerliche Gesellschaft gleicht einer gro&szlig;en Karnevalsgesellschaft, in der einer den anderen zu t&auml;uschen und zum Narren zu halten sucht. Jeder tr&auml;gt seine offizielle Verkleidung mit W&uuml;rde, um nachher inoffiziell um so ungez&uuml;gelter seinen Neigungen und Leidenschaften zu fr&ouml;nen. Und <I>&auml;u&szlig;erlich</I> trieft alles von Moral, Religion und Sittlichkeit. In keinem Zeitalter war die Heuchelei gr&ouml;&szlig;er als in dem unseren. Die Zahl der Auguren wachst t&auml;glich. </P>
<P>Das Angebot von Frauen zu Lustzwecken steigt rascher als die Nachfrage. Die immer mi&szlig;licher werdenden sozialen Verh&auml;ltnisse, Not, Verf&uuml;hrung, Gefallen an einem &auml;u&szlig;erlich gl&auml;nzenden, scheinbar freien Leben liefern aus allen Gesellschaftsschichten die Kandidatinnen. Charakteristisch schildert die Zust&auml;nde in der deutschen Reichshauptstadt ein Roman von Hans Wachenhusen.<A NAME="ZF21"><A HREF="beaa_207.htm#F21">(21)</A></A> Der Verfasser l&auml;&szlig;t sich &uuml;ber den Zweck seines Romans also aus: "Mein Buch spricht namentlich von den Opfern des weiblichen Geschlechtes und der zunehmenden Entwertung desselben durch <I>die Unnatur unserer gesellschaftlichen und b&uuml;rgerlichen Verh&auml;ltnisse</I>, durch eigene Schuld, durch Vernachl&auml;ssigung der Erziehung, durch das Bed&uuml;rfnis nach Luxus und das steigende, leichtfertige Angebot auf dem Markte des Lebens. Es spricht von der wachsenden &Uuml;berz&auml;hligkeit dieses Geschlechtes, die t&auml;glich hoffnungsloser macht, was geboren wird, aussichtsloser, was heranw&auml;chst ... Ich schrieb, wie etwa der Staatsanwalt den Lebenslauf eines Verbrechers zusammenstellt, um daraus die Schuld desselben zu resumieren. Versteht man also unter dem Roman etwas Erfundenes, das straffreie Gegenteil der Wahrheit, so ist in diesem Sinne das Nachfolgende kein Roman, sondern ein wahres Lebensbild ohne Retusche." In Berlin sind die Verh&auml;ltnisse nicht besser und nicht schlechter als in anderen Gro&szlig;st&auml;dten. Ob mehr das griechisch-orthodoxe Petersburg oder das katholische Rom, das christlich-germanische Berlin oder das heidnische Paris, das puritanische London oder das lebenslustige Wien dem alten Babylon gleicht, ist schwer zu entscheiden. Die gleichen sozialen Zust&auml;nde erzeugen die gleichen Erschei- <A NAME="S224"><B>|224|</A></B> nungen. "Die Prostitution besitzt ihre geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze, ihre Hilfsquellen, ihre Rekrutierungsorte (various resorts) von der &auml;rmsten H&uuml;tte bis zum gl&auml;nzendsten Palast; ihre zahllosen Grade, und zwar vom niedrigsten bis zum verfeinertsten und kultiviertesten; sie hat ihre speziellen Vergn&uuml;gungen und &ouml;ffentlichen Zusammenkunftsorte: ihre Polizei, ihre Hospit&auml;ler, ihre Gef&auml;ngnisse und ihre Literatur."<A NAME="ZF22"><A HREF="beaa_207.htm#F22">(22)</A></A> "Wir feiern nicht mehr die Feste des Osiris, die Bacchanalien und die indischen Orgien im Fr&uuml;hlingsmonat, aber in Paris und anderen gro&szlig;en St&auml;dten &uuml;berl&auml;&szlig;t man sich im Dunkel der Nacht, hinter den Mauern der &ouml;ffentlichen und der Privath&auml;user Orgien und Bacchanalien, welche die k&uuml;hnste Feder nicht zu beschreiben wagt."<A NAME="ZF23"><A HREF="beaa_207.htm#F23">(23)</A></A> </P>
<P>Unter solchen Verh&auml;ltnissen hat der Handel mit Frauenfleisch gro&szlig;artige Dimensionen angenommen. Er wird in der bestorganisiertesten Weise auf gr&ouml;&szlig;ter Stufenleiter, und selten von den Augen der Polizei bemerkt, mitten in den St&auml;tten der Zivilisation und Kultur betrieben. Ein Heer von Maklern, Agenten und Transporteuren m&auml;nnlichen und weiblichen Geschlechts betreiben das Gesch&auml;ft mit derselben Kaltbl&uuml;tigkeit, als handle es sich um den Vertrieb irgendeiner Ware, Legitimationen werden gef&auml;lscht und Zertifikate ausgestellt, die eine genaue Beschreibung der Qualifikation der einzelnen "St&uuml;cke" enthalten, und werden an die Transporteure beh&auml;ndigt zur Anweisung f&uuml;r die K&auml;ufer. Der Preis richtet sich, wie bei jeder Ware, nach der Qualit&auml;t, und die Ware wird nach dem Geschmack und den Anforderungen der Kundschaft in den verschiedenen Orten und L&auml;ndern assortiert und expediert. Durch die raffiniertesten Manipulationen sucht man der Aufmerksamkeit und den Nachstellungen der Polizei zu entgehen, nicht selten werden aber auch gro&szlig;e Summen angewandt, um das Auge der W&auml;chter des Gesetzes zu schlie&szlig;en. Eine Anzahl solcher F&auml;lle sind namentlich in Paris konstatiert worden.<A NAME="ZF24"><A HREF="beaa_207.htm#F24">(24)</A></A> </P>
<B><P><A NAME="S225">|225|</A></B> Deutschland genie&szlig;t mit den traurigen Ruhm, Frauenmarkt f&uuml;r die halbe Welt zu sein. Der dem Deutschen innewohnende Drang zum Wandern scheint auch einen Teil der deutschen Frauen zu beseelen, so da&szlig; sie mehr als die Frauen anderer V&ouml;lker, das &ouml;sterreichisch-ungarische ausgenommen, f&uuml;r die Versorgung der internationalen Prostitution ihr Kontingent stellen. Deutsche Frauen bev&ouml;lkern die Harems der T&uuml;rken wie die &ouml;ffentlichen H&auml;user im Innern Sibiriens bis nach Bombay, Singapore, San Franzisko und Chikago. In seinem Reisewerk "Aus Japan nach Deutschland durch Sibirien" spricht sich der Verfasser W. Joest &uuml;ber den deutschen M&auml;dchenhandel also aus: "Man ereifert sich in unserem moralischen Deutschland oft &uuml;ber den Sklavenhandel, den irgendein westafrikanischer Negerf&uuml;rst treibt, oder &uuml;ber die Zust&auml;nde in Kuba und Brasilien und sollte sich lieber doch des Balkens im eigenen Auge erinnern, <I>denn in keinem Lande wird mit wei&szlig;en Sklavinnen in solcher Weise gehandelt</I>, <I>aus keinem Lande wird so viel dieser lebenden Ware expediert</I>, <I>wie gerade aus Deutschland und &Ouml;sterreich</I>. Der Weg, den diese M&auml;dchen nehmen, l&auml;&szlig;t sich ganz genau verfolgen. Von Hamburg werden dieselben nach S&uuml;damerika verschifft, Bahia, Rio de Janeiro erh&auml;lt seine Quote, der gr&ouml;&szlig;te Teil aber ist f&uuml;r Montevideo und Buenos Aires bestimmt, w&auml;hrend ein kleiner Rest durch die Magellanstra&szlig;e bis Valparaiso geht. Ein anderer Strom wird &uuml;ber England oder direkt nach Nordamerika dirigiert, kann aber hier nur schwer mit dem einheimischen Produkt konkurrieren, er verteilt sich daher den Mississippi hinab bis nach New Orleans und Texas oder gen Westen nach Kalifornien. Von dort wird die K&uuml;ste bis Panama hinunter versorgt, w&auml;hrend Kuba, Westindien und Mexiko ihren Bedarf von New Orleans beziehen. Unter dem Titel 'B&ouml;hminnen' werden weitere Scharen deutscher M&auml;dchen &uuml;ber die Alpen nach Italien exportiert und dann weiter s&uuml;dlich nach Alexandrien, Suez, Bombay, Kalkutta bis Singapore, ja nach Hongkong bis Schanghai hin. Holl&auml;ndisch-Indien und Ostasien, zumal Japan, sind schlechte M&auml;rkte, da Holland in seinen Kolonien keine wei&szlig;en M&auml;dchen dieser Sorte duldet und in Japan die T&ouml;chter des Landes selbst zu h&uuml;bsch und billig sind; auch verdirbt die amerikanische Konkurrenz von San Franzisko aus die g&uuml;nstige Konjunktur. Ru&szlig;land wird von Ostpreu&szlig;en, Pommern und Polen aus versorgt. Die erste <A NAME="S226"><B>|226|</A></B> Station ist meistens Riga. Hier assortieren sich die Petersburger und Moskauer H&auml;ndler und schicken ihre Ware in gro&szlig;en Quantit&auml;ten nach Nishni Nowgorod bis &uuml;ber den Ural nach Irbit und Krestowsky, ja bis in das innerste Sibirien hinein; so traf ich zum Beispiel ein deutsches auf diese Weise verhandeltes M&auml;dchen in Tschita. Dieser gro&szlig;artige Handel ist vollkommen organisiert, er wird durch Agenten und Handlungsreisende vermittelt, und <I>wenn das ausw&auml;rtige Amt des deutschen Reiches einmal hier&uuml;ber Berichte seiner Konsuln verlangen w&uuml;rde</I>, <I>so lie&szlig;en sich recht interessante statistische Tabellen feststellen</I>." </P>
<P>Dieser Handel bl&uuml;ht in vollem Ma&szlig;e, wie wiederholt durch sozialdemokratische Abgeordnete im deutschen Reichstag konstatiert wurde. </P>
<P>Besonders stark wird der Frauenfleischhandel von Galizien und Ungarn aus nach Konstantinopel und den &uuml;brigen St&auml;dten der T&uuml;rkei betrieben. Namentlich sind es viele J&uuml;dinnen, die man sonst selten in &ouml;ffentlichen H&auml;usern trifft, die dorthin verschachert wurden. Das Geld f&uuml;r die Reise und die Auslagen wird dem Agenten meistens schon im voraus eingesandt. Um die Beh&ouml;rden zu t&auml;uschen und irrezuleiten, werden unauff&auml;llige Telegramme an den Besteller aufgegeben. </P>
<P>Einige solcher Depeschen lauten: <I>"5 Fa&szlig; Ungarwein langen dann und dann in Varna an"</I>, womit f&uuml;nf sehr sch&ouml;ne M&auml;dchen gemeint sind; oder: <I>"3 Sack Kartoffeln abgeschickt per Dampfer Lloyd Minerva"</I>. Hier handelt es sich um drei minder sch&ouml;ne M&auml;dchen oder um "gew&ouml;hnliche Ware". Eine andere Depesche lautet: <I>"Treffe am Freitag mit der Kobra ein. Habe zwei Ballen feine Seide an Bord.</I>" </P>
<I><P ALIGN="CENTER"><A NAME="Kap_12_4">4. Das Wachstum der Prostitution. Uneheliche M&uuml;tter</A></P>
</I><P>Die Zahl der Prostituierten l&auml;&szlig;t sich schwer sch&auml;tzen, genau gar nicht angeben. Die Polizei kann ann&auml;hernd die Zahl derjenigen feststellen, deren haupts&auml;chlichster Erwerb die Prostitution ist, sie vermag dies aber nicht von der viel gr&ouml;&szlig;eren Zahl jener, die sie als teilweisen Erwerb benutzen. Immerhin sind die ann&auml;hernd bekannten Zahlen erschreckend hoch. Nach von &Ouml;ttingen wurde schon Ende der sechziger Jahre die Zahl der Prostituierten in London auf 80.000 gesch&auml;tzt. In Paris belief sich die Zahl der eingeschriebenen Prostituierten am 1. Januar 1906 auf 6.196, aber von diesen entzieht sich mehr als ein Drittel der polizei&auml;rztlichen Kontrolle.</P>
<B><P><A NAME="S227">|227|</A></B> In ganz Paris gab es 1892 zirka 60 Bordelle mit 600 bis 700 Prostituierten, im Jahre 1900 42. Diese Zahl ist best&auml;ndig in der <I>Abnahme</I> begriffen (im Jahre 1852 gab es 217 Bordelle). Dagegen ist die Zahl der heimlichen Prostituierten viel gr&ouml;&szlig;er geworden. Auf Grund einer Untersuchung, die im Jahre 1889 der Munizipalrat von Paris veranstaltete, ist die Zahl der Frauen, die sich prostituieren, auf die enorme Ziffer von 120.000 angegeben. Der Polizeipr&auml;fekt von Paris, L&eacute;frine, sch&auml;tzt die Zahl der eingeschriebenen auf 6.000 durchschnittlich und bis 70.000 heimliche Prostituierten. Im Laufe der Jahre 1871 bis 1903 hat die Polizei 725.000 Dirnen sistiert, und 150.000 wurden ins Gef&auml;ngnis gesteckt. Im Jahre 1906 betrug die Zahl der Sistierten nicht weniger als 56.196.<A NAME="ZF25"><A HREF="beaa_207.htm#F25">(25)</A></A> </P>
<P>In Berlin betrug die Zahl der bei der Polizei eingeschriebenen Prostituierten: 1886 3.006, 1890 4.039, 1895 4.663, 1897 5.098, 1899 4.544, 1905 3.287. </P>
<P>Im Jahre 1890 waren sechs &Auml;rzte angestellt, die t&auml;glich jeder zwei Stunden Untersuchungen vorzunehmen hatten. Seitdem wurde die Zahl der &Auml;rzte auf zw&ouml;lf vermehrt, auch ist seit einigen Jahren gegen den Widerspruch vieler m&auml;nnlicher &Auml;rzte f&uuml;r diese Untersuchungen ein weiblicher Arzt angestellt worden. Die polizeilich eingeschriebenen Prostituierten bilden auch in Berlin nur einen sehr <I>kleinen</I> Bruchteil der Prostituierten, die von sachkundiger Seite auf <I>mindestens</I> 50.000 gesch&auml;tzt werden. (Andere, wie Lesser, rechnen 24.000 bis 25.000 und Raumer 30.000.) Es gab im Jahre 1890 allein in Berliner Schanklokalen 2.022 Kellnerinnen, die fast s&auml;mtlich sich der Prostitution ergaben. Auch zeigt die von Jahr zu Jahr gestiegene Zahl der wegen &Uuml;bertretung der sittenpolizeilichen Vorschriften sistierten Dirnen, da&szlig; die Prostitution in Berlin stetig im Wachsen ist. Die Zahl dieser Sistierten betrug im Jahre 1881 10.878, 1890 16.605, 1896 26.703, 1897 22.915. Von den im Jahre 1897 sistierten Dirnen wurden 17.018 dem Amtsrichter zur Aburteilung vorgef&uuml;hrt - es kamen demnach auf jeden Gerichtstag zirka 57. </P>
<P>Wie gro&szlig; ist die Zahl der Prostituierten in ganz Deutschland? Manche behaupten, da&szlig; diese Zahl auf ungef&auml;hr 200.000 sich belaufen d&uuml;rfte. Str&ouml;hmberg sch&auml;tzt die Zahl der &ouml;ffentlichen und geheimen Prostituierten Deutschlands auf 92.200 oder zwischen 75.000 und 100.000. Kamillo K. Schneider machte im Jahre 1908 den Versuch, <A NAME="S228"><B>|228|</A></B> die Zahl der eingeschriebenen Prostituierten genau zu ermitteln. Seine Tabelle umfa&szlig;t f&uuml;r das Jahr 1905 79 St&auml;dte. "Da gro&szlig;e Orte, in denen eine bedeutendere Zahl M&auml;dchen noch zu erwarten w&auml;re, nicht fehlen, so glaube er, w&uuml;rde mit 15.000 die Gesamtzahl ziemlich genau angegeben sein. Das ergibt im Durchschnitt bei einer Einwohnerzahl von rund 60.600.000 eine Eingeschriebene auf 4.040 Einwohner." In Berlin kommt eine Prostituierte auf 608, in Breslau 514, Hannover 529, Kiel 527, Danzig 487, K&ouml;ln 369, Braunschweig 363 Einwohner. Die Zahl der kontrollierten Prostituierten geht konstant zur&uuml;ck.<A NAME="ZF26"><A HREF="beaa_207.htm#F26">(26)</A></A> Nach verschiedenen Rechnungen verh&auml;lt sich die Zahl der offiziellen Prostituierten zur Zahl der heimlichen wie 1 zu 5 bis 10. Man hat es also mit einer gro&szlig;en Armee zu tun, welche die Prostitution als Lebensunterhalt betrachtet, und dementsprechend ist die Zahl der Opfer, die Krankheit und Tod erfordert.<A NAME="ZF27"><A HREF="beaa_207.htm#F27">(27)</A></A> </P>
<P>Da&szlig; die &Uuml;berzahl der Prostituierten ihre Lebensweise herzlich satt hat, ja dieselbe sie anekelt, ist eine Erfahrung, die alle Sachverst&auml;ndigen zugeben. Doch einmal der Prostitution verfallen, bietet sich f&uuml;r die wenigsten Gelegenheit, sich aus derselben zu retten. Der Hamburger Zweigverein der britischen, kontinentalen und allgemeinen F&ouml;deration veranstaltete 1899 eine Enquete unter den Prostituierten. Obgleich nur wenige die gestellten Fragen beantworteten, sind diese doch sehr charakteristisch. Auf die Frage: W&uuml;rden Sie dieses Gewerbe beibehalten, wenn Sie sich anders ern&auml;hren k&ouml;nnten? antwortete eine: Was soll man anfangen, wenn einen die Menschen alle verachten? Eine andere antwortete: Ich habe vom Krankenhaus aus um Hilfe gebeten. Eine dritte: Mein Freund hat mich dadurch ausgel&ouml;st, da&szlig; er meine Schulden bezahlte. Unter der Schuldsklaverei der Bordellwirte leiden alle. Eine teilt mit, da&szlig; sie ihrer Wirtin 700 Mark schulde. Kleider, W&auml;sche, Putzgegenst&auml;nde, alles liefere der <A NAME="S229"><B>|229|</A></B> Wirt zu horrenden Preisen, ebenso wird ihnen Essen und Trinken zu den h&ouml;chsten Preisen angerechnet. Au&szlig;erdem haben sie noch einen bestimmten Satz pro Tag f&uuml;r Wohnung an den Wirt abzugeben. Diese Miete bel&auml;uft sich auf 6, 8, 10 Mark und mehr f&uuml;r den Tag; eine schreibt, sie habe ihrem Louis t&auml;glich 20 bis 25 Mark zu bezahlen. Ohne da&szlig; die Schulden bezahlt werden, entl&auml;&szlig;t sie kein Wirt; auch werden in den Aussagen allerlei Streiflichter auf das Verhalten der Polizei geworfen, die mehr auf Seite der Wirte als der hilflosen M&auml;dchen steht. Kurz, wir haben hier mitten in der christlichen Zivilisation eine Sklaverei schlimmster Art. Und um ihre <I>Standesinteressen</I> besser wahren zu k&ouml;nnen, gr&uuml;ndeten sogar die Bordellwirte ein Fachorgan, das einen internationalen Charakter tr&auml;gt. </P>
<P>Die Zahl der Prostituierten w&auml;chst in dem Ma&szlig;e, wie die Zahl der Frauen w&auml;chst; die in den verschiedensten Industrie- und Gewerbezweigen als Arbeiterinnen besch&auml;ftigt und oft mit L&ouml;hnen abgefunden werden, die zum Sterben zu hoch, zum Leben zu niedrig sind. Die Prostitution wird gef&ouml;rdert durch die in der b&uuml;rgerlichen Welt zur Notwendigkeit gewordenen industriellen Krisen, die Not und Elend in Hunderttausende von Familien tragen. Nach einem Briefe des Oberkonstablers Bolton an einen Fabrikinspektor vom 31. Oktober 1865 hatte sich w&auml;hrend der englischen Baumwollenkrise, hervorgerufen durch den nordamerikanischen Sklavenbefreiungskrieg, die Zahl der jungen Prostituierten mehr als in den letzten 25 Jahren vermehrt.<A NAME="ZF28"><A HREF="beaa_207.htm#F28">(28)</A></A> Aber nicht nur fallen die Arbeiterinnen der Prostitution zum Opfer, diese findet auch in den "h&ouml;heren Berufen" ihr Rekrutierungsgebiet. Lombroso und Ferrero zitieren Mac&eacute; <A NAME="ZF29"><A HREF="beaa_207.htm#F29">(29)</A></A>, der von Paris sagt, "da&szlig; das Gouvernantenzeugnis h&ouml;heren oder niederen Grades weniger eine Anweisung auf Brot, als auf <I>Selbstmord</I>, <I>Diebstahl und Prostitution ist</I>". </P>
<P>Parent-Duch&acirc;telet hat seinerzeit eine Statistik aufgestellt, nach der unter 5.180 Prostituierten sich 1.441 befanden, die aus Mangel und Elend sich prostituierten, 1.255 waren eltern- und mittellos, 86 prostituierten sich, um arme Eltern, Geschwister oder Kinder zu ern&auml;hren, 1.425 waren von ihren Liebhabern verlassene Konkubinen, 404 waren von Offizieren und Soldaten verf&uuml;hrte und nach Paris verschleppte M&auml;dchen, 289 waren durch den Hausherrn verf&uuml;hrte und entlassene <A NAME="S230"><B>|230|</A></B> Dienstm&auml;dchen, 280 &uuml;bersiedelten nach Paris, um dort einen Broterwerb zu finden. </P>
<P>Mrs. Butler, die so eifrige Vork&auml;mpferin f&uuml;r die &Auml;rmsten und Elendesten ihres Geschlechts, sagt: "Zuf&auml;llige Umst&auml;nde, der Tod eines Vaters, einer Mutter, Arbeitslosigkeit, unzul&auml;nglicher Lohn, Elend, tr&uuml;gerische Versprechungen, Verf&uuml;hrung, gestellte Netze haben sie ins Verderben gef&uuml;hrt." Sehr lehrreich sind die Mitteilungen, die Karl Schneidt in einer Brosch&uuml;re "Das Kellnerinnenelend in Berlin"<A NAME="ZF30"><A HREF="beaa_207.htm#F30">(30)</A></A> &uuml;ber die Ursachen macht, die jene der Prostitution so h&auml;ufig in die Arme f&uuml;hren. Auffallend sei die gro&szlig;e Zahl der Dienstm&auml;dchen, die Kellnerinnen, und das hei&szlig;e fast immer Prostituierte, w&uuml;rden. In den Antworten, die Schneidt auf seine Fragebogen an die Kellnerinnen empfing, hei&szlig;t es zum Beispiel: "Weil ich von meinem Herrn ein Kind bekam und verdienen mu&szlig;te." Andere geben an: "Weil mir mein Buch verdorben wurde", wieder andere: "Weil mit Hemdenn&auml;hen und dergleichen zuwenig verdient wird", oder: "Weil ich, als Arbeiterin aus der Fabrik entlassen, keine Arbeit mehr bekam", oder: "Weil der Vater gestorben und noch vier kleine Geschwister da waren." Da&szlig; besonders Dienstm&auml;dchen, nachdem sie der Verf&uuml;hrung ihrer <I>Dienstherren </I>zum Opfer fielen, ein gro&szlig;es Kontingent zu den Prostituierten stellen, ist bekannt. &Uuml;ber die auff&auml;llig gro&szlig;e Zahl der Verf&uuml;hrungen von Dienstm&auml;dchen durch ihre <I>Dienstherren </I>oder deren S&ouml;hne &auml;u&szlig;ert sich sehr anklagend Dr. Max Taube in einer Schrift.<A NAME="ZF31"><A HREF="beaa_207.htm#F31">(31)</A></A> Aber auch die h&ouml;heren Klassen liefern ihr Kontingent zur Prostitution, nur ist es nicht die Not, sondern Verf&uuml;hrung und Neigung zu einem leichtfertigen Leben, zu Putz und Vergn&uuml;gungen. Dar&uuml;ber hei&szlig;t es in einer Schrift "Die gefallenen M&auml;dchen und die Sittenpolizei"<A NAME="ZF32"><A HREF="beaa_207.htm#F32">(32)</A></A>: </P>
<P>"Starr vor Schreck, vor Entsetzen, h&ouml;rt so mancher brave B&uuml;rger, so mancher Pastor, Lehrer, hochgestellte Beamte und hochgestellte Milit&auml;r unter anderem, da&szlig; seine Tochter heimlich sich der Prostitution ergeben hat, <I>und w&auml;re es statthaft</I>, <I>alle diese T&ouml;chter namhaft zu machen</I>, <I>es m&uuml;&szlig;te dann entweder eine soziale Revolution vor sich gehen</I>, <I>oder die Begriffe von Ehre und Tugend im Volke w&uuml;rden schweren Schaden leiden</I>." </P>
<B><P><A NAME="S231">|231|</A></B> Es sind namentlich die feineren Prostituierten, die Hautevolee unter ihnen, die sich aus diesen Kreisen rekrutieren. Auch ein gro&szlig;er Teil der Schauspielerinnen, deren Garderobekosten zu ihrem Gehalt im krassesten Mi&szlig;verh&auml;ltnis stehen <A NAME="ZF33"><A HREF="beaa_207.htm#F33">(33)</A></A>, ist auf eine solche schmutzige Erwerbsquelle angewiesen. Das gleiche gilt von zahlreichen M&auml;dchen, die sich als Verk&auml;uferinnen und dergleichen vermieten. Es gibt auch Unternehmer in Menge, die ehrlos genug sind, mit dem Hinweis auf die Unterst&uuml;tzung durch "Freunde" die Niedrigkeit des Lohnes zu rechtfertigen. </P>
<P>N&auml;herinnen, Schneiderinnen, Modistinnen, Fabrikarbeiterinnen, in der Kopfzahl von Hunderttausenden, befinden sich in &auml;hnlicher Lage. Arbeitgeber und ihre Beamte, Kaufleute, Gutsbesitzer usw. betrachten es h&auml;ufig als eine Art Privilegium, weibliche Arbeiter und Bedienstete ihren L&uuml;sten dienstbar zu sehen. Unsere frommen Konservativen lieben es, die Verh&auml;ltnisse auf dem Lande in sittlicher Beziehung als eine Art Idylle gegen&uuml;ber den Gro&szlig;st&auml;dten und Industriebezirken auszuspielen. Wer die Verh&auml;ltnisse kennt, wei&szlig;, da&szlig; sie das nicht sind. Das best&auml;tigt auch ein Vortrag, den ein Rittergutsbesitzer im Herbst 1889 hielt, &uuml;ber den s&auml;chsische Bl&auml;tter also berichteten: </P>
<P>"<I>Grimma.</I> Der Rittergutsbesitzer Dr. <I>v. W&auml;chter </I>auf R&ouml;cknitz hat k&uuml;rzlich in einer Di&ouml;zesanversammlung, welche hierselbst stattfand, einen Vortrag gehalten &uuml;ber die <I>geschlechtliche Unsittlichkeit </I>in unseren <I>Landgemeinden </I>und dabei die hiesigen Verh&auml;ltnisse nicht gerade rosig geschildert. Mit gro&szlig;er Offenheit erkannte der Vortragende bei dieser Gelegenheit an, da&szlig; vielfach auch die <I>Arbeitgeber</I>, selbst die <I>verheirateten</I>, mit ihrem weiblichen Gesinde in <I>sehr intimen Beziehungen stehen</I>, deren Folgen dann entweder durch <I>Zahlung an Geld </I>beglichen oder durch ein <I>Verbrechen </I>dem Auge der Welt entzogen w&uuml;rden. Leider d&uuml;rfe man es nicht verhehlen, da&szlig; die Unsittlichkeit in den Landgemeinden nicht allein durch M&auml;dchen, die als Ammen in der Stadt das Gift in sich aufgenommen haben, und durch Burschen, die es beim Milit&auml;rdienst kennengelernt, gro&szlig;gezogen wurde, sondern da&szlig; leider auch durch die <I>gebildeten</I> Kreise, durch <A NAME="S232"><B>|232|</A></B> <I>Verwalter</I> auf den Ritterg&uuml;tern und durch <I>Offiziere</I> bei Gelegenheit der Truppen&uuml;bungen die Sittenlosigkeit auch auf das Land hinausgetragen werde. Wie Herr Dr. v. W&auml;chter mitteilte, soll es tats&auml;chlich <I>hier auf dem Lande nur wenig M&auml;dchen geben</I>, <I>die 17 Jahre alt werden</I>, <I>ohne gefallen zu sein</I>." Der offenherzige Vortragende hat seine Wahrheitsliebe mit einem gesellschaftlichen Boykott beantwortet bekommen, den die sich beleidigt f&uuml;hlende Offizierswelt &uuml;ber ihn verh&auml;ngte. &Auml;hnlich erging es dem Pastor Wagner in Pritzerbe in der Mark, der in seiner Schrift "Die Sittlichkeit auf dem Lande" den Herren Gro&szlig;grundbesitzern unangenehme Wahrheiten sagte.<A NAME="ZF34"><A HREF="beaa_207.htm#F34">(34)</A></A> </P>
<P>Die Mehrzahl der Prostituierten wird diesem Gewerbe in einem Alter in die Arme getrieben, in dem sie kaum als urteilsf&auml;hig angesehen werden kann. Von den in den Jahren 1878 bis 1887 in Paris arretierten heimlichen Prostituierten waren 12.615 = 46,7 Prozent minorenn, in den Jahren 1888 bis 1898 waren minorenn 14.072 = 48,8 Prozent. "Eine ebenso lakonische wie traurige Zusammenfassung Le Pileurs stellt f&uuml;r die Mehrzahl der Pariser Dirnen das Schema auf: defloriert mit 16 Jahren, prostituiert mit 17 Jahren, syphilitisch mit 18 Jahren."<A NAME="ZF35"><A HREF="beaa_207.htm#F35">(35)</A></A> In Berlin fanden sich 1898 unter den 846 neu eingeschriebenen Prostituierten 229 Minderj&auml;hrige, und zwar: </P>
<P ALIGN="CENTER"><CENTER><TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=2 WIDTH=398>
<TR><TD WIDTH="48%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT"><FONT SIZE=2>7 im Alter von 15 Jahren</FONT></TD>
<TD WIDTH="52%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">59 im Alter von 18 Jahren</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="48%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">21 im Alter von 16 Jahren</FONT></TD>
<TD WIDTH="52%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">49 im Alter von 19 Jahren</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="48%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">33 im Alter von 17 Jahren</FONT></TD>
<TD WIDTH="52%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT"><A NAME="ZF36"><A HREF="beaa_207.htm#F36"><FONT SIZE=2>(36)</FONT></A></A><FONT SIZE=2> 66 im Alter von 20 Jahren</FONT></TD>
</TR>
</TABLE>
</CENTER></P>
<P>Im September 1894 spielte sich in Budapest eine Skandalaff&auml;re ersten Ranges ab, bei der sich herausstellte, da&szlig; an 400 zw&ouml;lf bis f&uuml;nfzehn Jahre alte M&auml;dchen einer Schar reicher W&uuml;stlinge zum Opfer fielen. Auch die S&ouml;hne unserer "besitzenden und gebildeten Klassen" sehen es vielfach als ein ihnen zustehendes Recht an, die T&ouml;chter des Volkes zu verf&uuml;hren, und lassen sie dann im Stiche. Nur zu leicht fallen die leicht vertrauenden, lebens- und erfahrungsunkundigen, meist freud- und freundlosen T&ouml;chter des Volkes der Verf&uuml;h- <A NAME="S233"><B>|233|</A></B> rung zum Opfer, die sich ihnen in gl&auml;nzender, einschmeichelnder Gestalt naht. Entt&auml;uschungen und Jammer und schlie&szlig;lich Verbrechen sind die Folgen. Unter 2.060.973 im Jahre 1907 in Deutschland geborenen Kindern waren 179.178 unehelich geboren. Man stelle sich das Ma&szlig; von Sorge und Herzeleid vor, das einem gro&szlig;en Teil dieser M&uuml;tter die Geburt ihres unehelichen Kindes bereitet, auch wenn man annimmt, da&szlig; sp&auml;ter ein Teil dieser Kinder durch ihre V&auml;ter legitimiert wird. <I>Die Frauenselbstmorde und Kindermorde sind vielfach in der Not und dem Elend verlassener Frauen zu suchen.</I> Die Gerichtsverhandlungen wegen Kindesmord geben dar&uuml;ber ein d&uuml;steres, lehrreiches Bild. So wurde im Herbst 1894 vom Schwurgericht in Krems (Nieder&ouml;sterreich) ein junges M&auml;dchen, das acht Tage nach seiner Entbindung aus der Entbindungsanstalt in Wien mit seinem Kinde mittellos auf die Stra&szlig;e gestellt worden war und dieses in seiner Verzweiflung t&ouml;tete, <I>zum Tode mit dem Strange verurteilt</I>. Von dem Schuft von Vater vernahm man nichts. Und im Fr&uuml;hjahr 1899 wurde aus Posen gemeldet: "Unter der Anklage des Mordes stand am Montag die <I>22j&auml;hrige Arbeiterin Katharina Gorbacki </I>aus Alexanderruh bei Neustadt a.W. vor dem Schwurgericht zu <I>Posen</I>. Die Angeklagte war in den Jahren 1897 und 1898 bei dem <I>Probst Merkel in Neustadt bedienstet</I>. Aus dem intimen Umgang mit jenem genas sie im Juni vorigen Jahres eines M&auml;dchens, das bei Verwandten in Pflege gegeben wurde. Der <I>Probst </I>zahlte die beiden ersten Monate je 7<FONT SIZE="-1"><SUP>1</FONT></SUP>/<FONT SIZE="-2">2</FONT> Mark Kostgeld f&uuml;r das Kind, wollte aber anscheinend weitere Aufwendungen nicht machen, wenigstens stellte es die Gorbacki so dar. Da diese f&uuml;r das Kind die W&auml;sche waschen mu&szlig;te, auch Ausgaben hatte, beschlo&szlig; sie, <I>das Kind zu beseitigen</I>. Eines Sonntags im September vorigen Jahres <I>erstickte sie das Kind in einem Kissen</I>. <I>Die Geschworenen erkl&auml;rten sie der vors&auml;tzlichen T&ouml;tung ohne &Uuml;berlegung f&uuml;r schuldig und billigten mildernde Umst&auml;nde zu.</I> Der Staatsanwalt beantragte die h&ouml;chste Strafe <I>von f&uuml;nf Jahren Gef&auml;ngnis</I>. Der Gerichtshof erkannte wegen Totschlags auf drei Jahre Gef&auml;ngnis." So greift das verf&uuml;hrte, schm&auml;hlich verlassene, in Verzweiflung und Schande hilflos gesto&szlig;ene Weib zum &Auml;u&szlig;ersten, es t&ouml;tet seine Leibesfrucht, wird prozessiert und erh&auml;lt Zuchthaus oder wird mit dem Tode bestraft. Der gewissenlose eigentliche M&ouml;rder - geht straflos aus, er heiratet vielleicht kurz darauf die Tochter einer "honetten, rechtschaffenen" Familie und wird ein sehr geehrter und frommer Mann. Es l&auml;uft man- <A NAME="S234"><B>|234|</A></B> cher in Ehren und W&uuml;rden umher, der in solcher Weise seine Ehre und sein Gewissen besudelte. H&auml;tten die Frauen ein Wort in der Gesetzgebung mitzusprechen, in dieser Richtung w&uuml;rde manches anders. Offenbar werden viele Kindesmorde gar nicht entdeckt. Ende Juli 1899 wurde in Frankenthal a.Rh. ein Dienstm&auml;dchen unter Anklage gestellt, ihr neugeborenes uneheliches Kind im Rhein ertr&auml;nkt zu haben. Die Staatsanwaltschaft forderte s&auml;mtliche Polizeibeh&ouml;rden von Ludwigshafen rheinabw&auml;rts bis an die holl&auml;ndische Grenze auf, zu berichten, ob innerhalb einer bestimmt
<P>Am grausamsten verf&auml;hrt, wie schon erw&auml;hnt, die franz&ouml;sische Gesetzgebung, welche die Frage nach der Vaterschaft verbietet, daf&uuml;r aber die Findelh&auml;user gr&uuml;ndete. Der bez&uuml;gliche Beschlu&szlig; des Konventes vom 28. Juli 1795 lautet: "La nation se charge de l'&eacute;ducation physique et morale des enfants abandonn&eacute;s. D&eacute;sormais, ils seront d&eacute;sign&eacute;s sous le seul nom d'orphelins. Aucune autre qualification ne sera permise." (Die physische und moralische Erziehung der verlassenen Kinder ist Sache der Nation. Sie werden von Stund an unter dem einzigen Namen Waisen bezeichnet werden. Keine andere Bezeichnung ist erlaubt.) Das war f&uuml;r die M&auml;nnerwelt sehr bequem, die damit die Verpflichtung des einzelnen auf die Gesamtheit abw&auml;lzte, um ihn &ouml;ffentlich und vor seiner Frau nicht blo&szlig;zustellen. Man errichtete Landeswaisen- und Findelh&auml;user. Die Zahl der Waisen und Findlinge belief sich im Jahre 1833 auf 130.945; jedes zehnte Kind wurde als ein eheliches gesch&auml;tzt, das die Eltern los sein wollten. Aber diese Kinder empfingen keine besondere Pflege, und so war ihre Sterblichkeit sehr gro&szlig;. Es starben zu jener Zeit im ersten Lebensjahr volle 59 Prozent, also &uuml;ber die H&auml;lfte; bis zum zw&ouml;lften Lebensjahr starben 78 Prozent, so da&szlig; von je 100 nur 22 ein Alter von zw&ouml;lf Jahren erreichten. Anfangs der sechziger Jahre existierten noch 175 Findelh&auml;user, 1861 wurden daselbst 42.194 enfants trouv&eacute;s (Findlinge) eingeliefert, dazu kamen 26.156 enfants abandonn&eacute;s (verlassene Kinder) und 9.716 Waisen, zusammen 78.066 Kinder, die auf &ouml;ffentliche Kosten verpflegt wurden. Im Jahre 1905 waren 3.348 Findlinge verzeichnet. Die Zahl der verlassenen Kinder betrug 84.271. Im ganzen <A NAME="S235"><B>|235|</A></B> ist die Zahl der verlassenen Kinder in den letzten Dezennien kaum vermindert. </P>
<P>In &Ouml;sterreich und Italien wurden ebenfalls Findelh&auml;user gegr&uuml;ndet, deren Unterhaltung der Staat &uuml;bernimmt. "Ici on fait mourir les enfants" (hier t&ouml;tet man die Kinder) soll ein Monarch als passende Inschrift f&uuml;r die Findelh&auml;user empfohlen haben. Aber in &Ouml;sterreich verschwinden diese allm&auml;hlich; es gibt gegenw&auml;rtig deren nur noch 8, in welchen selbst anfangs der neunziger Jahre &uuml;ber 9.000 Kinder verpflegt wurden, w&auml;hrend &uuml;ber 30.000 au&szlig;erhalb der Anstalt untergebracht waren. Der Aufwand f&uuml;r dieselben belief sich auf gegen zwei Millionen Gulden. In den letzten Jahren hat die Zahl der Findelkinder eine bedeutende Abnahme erfahren, denn noch im Jahre 1888 wurden in &Ouml;sterreich einschlie&szlig;lich Galiziens 40.865 Kinder verpflegt, von denen 10.466 in Anstalten, 30.399 in Privatpflege untergebracht waren und einen Aufwand von 1.817.372 Gulden erforderten. Die Sterblichkeit war in den Anstalten geringer als bei den in Privatpflege untergebrachten Kindern, namentlich in Galizien. Hier starben im Jahre 1888 in den Anstalten 31,25 Prozent der Kinder, mithin mehr als in den Anstalten der anderen L&auml;nder; aber in der Privatpflege starben 84,21 Prozent, ein wahrhafter Massenmord. Es scheint, als sehe es die polnische Schlachtschitzenwirtschaft darauf ab, diese armen W&uuml;rmer m&ouml;glichst rasch ums Leben zu bringen. </P>
<P>In ganz Italien wurden w&auml;hrend der Jahre 1894 bis 1896 aufgenommen 118.531 Kinder. J&auml;hrlicher Durchschnitt 29.633: Knaben 58.901, M&auml;dchen 59.630; unehelich 113.141, ehelich 5.390 (nur 5 Prozent). Wie gro&szlig; die Sterblichkeit war, ist aus der folgenden. Zusammenstellung ersichtlich <A NAME="ZF37"><A HREF="beaa_207.htm#F37">(37)</A></A>: </P>
<P ALIGN="CENTER"><CENTER><TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=2 WIDTH=515>
<TR><TD WIDTH="52%" VALIGN="TOP">
<P></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1890-1892</FONT></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1893-1895</FONT></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1897</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="52%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="52%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>Zahl der Kinder, welche aufgenommen werden</FONT></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">91.549</FONT></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">109.899</FONT></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">26.661</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="52%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>Davon starben im ersten Lebensjahr</FONT></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">34.186</FONT></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">41.386</FONT></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">9.711</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="52%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>Dies gibt pro Hundert</FONT></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">37,3</FONT></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">37,6</FONT></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">34,0</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="52%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>Sterblichkeit der unehelichen Kinder in Italien</FONT></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">25,0</FONT></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">27,2</FONT></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">23,4</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="52%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>Sterblichkeit der ehelichen Kinder</FONT></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">18,0</FONT></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">17,5</FONT></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">15,9</FONT></TD>
</TR>
</TABLE>
</CENTER></P>
<B><P><A NAME="S236">|236|</A></B> Den Rekord scho&szlig; das Findelhaus Santa Cosa dell'Annunziata in Neapel, in dem im Jahre 1896 von 853 S&auml;uglingen 850 starben. Noch im Jahre 1907 nahmen die Findelh&auml;user 18.896 Kinder auf. F&uuml;r die Jahre 1902 bis 1906 betrug die Sterblichkeit dieser ungl&uuml;cklichen W&uuml;rmer 37,5 Prozent, das hei&szlig;t, mehr als ein Drittel der unterst&uuml;tzten Kinder stirbt innerhalb des ersten Lebensjahres.<A NAME="ZF38"><A HREF="beaa_207.htm#F38">(38)</A></A> </P>
<P>Es ist &uuml;berhaupt eine allgemein anerkannte Tatsache, da&szlig; die unehelich geborenen Kinder in weit h&ouml;herem Prozentsatz sterben als die ehelich geborenen. Nach der preu&szlig;ischen Statistik starben von je 10.000 Lebendgeborenen: </P>
<P ALIGN="CENTER"><CENTER><TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=2 WIDTH=491>
<TR><TD WIDTH="22%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1881-1885</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1886-1890</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1891-1895</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1896-1900</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1904</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="22%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2 BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="16%" VALIGN="MIDDLE" ROWSPAN=2>
<FONT SIZE=2><P>Eheliche</FONT></TD>
<TD WIDTH="6%" VALIGN="MIDDLE" ROWSPAN=2>
<FONT SIZE=6><P ALIGN="RIGHT">{</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">Stadt</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">211</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">210</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">203</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">195</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">179</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">Land</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">186</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">187</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">187</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">185</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">172</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="16%" VALIGN="MIDDLE" ROWSPAN=2>
<FONT SIZE=2><P>Uneheliche</FONT></TD>
<TD WIDTH="6%" VALIGN="MIDDLE" ROWSPAN=2>
<FONT SIZE=6><P ALIGN="RIGHT">{</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">Stadt</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">398</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">395</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">385</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">374</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">333</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">Land</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">319</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">332</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">336</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">336</FONT></TD>
<TD WIDTH="14%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">306</FONT></TD>
</TR>
</TABLE>
</CENTER></P>
<P>"Es ist charakteristisch und f&uuml;r den engen Zusammenhang zwischen Prostitution und der traurigen Lage der Dienstboten und des l&auml;ndlichen Gesindes ein entscheidender Beweis, da&szlig; von 94.779 unehelich Geborenen im Jahre 1906 nach dem Erwerbszweig ihrer M&uuml;tter beruflich zugeh&ouml;rig waren: zu den h&auml;uslichen Dienstboten 21.164, zu dem l&auml;ndlichen Gesinde 18.869, also zusammen 40.033 oder 42 Prozent. Fa&szlig;t man l&auml;ndliches Gesinde und l&auml;ndliche Tagel&ouml;hnerinnen und Arbeiterinnen zusammen, so stellt sich deren Beteiligung auf 30 Prozent, w&auml;hrend die Abh&auml;ngigen in Industrie und Handwerk mit 14 Prozent (13.460) beteiligt sind."<A NAME="ZF39"><A HREF="beaa_207.htm#F39">(39)</A></A> </P>
<P>Die Differenz in den Todesf&auml;llen zwischen ehelichen und unehelichen Kindern macht sich namentlich im ersten Lebensmonat bemerkbar; in diesem ist durchschnittlich die Sterblichkeit der unehelich Geborenen<I> dreimal</I> so gro&szlig; als die der ehelich Geborenen. Mangelnde Pflege w&auml;hrend der Schwangerschaft, schw&auml;chliche Geburt und schlechte Pflege nach derselben sind die einfachen Ursachen. Die ber&uuml;chtigte "Engelmacherei" und die Mi&szlig;handlungen helfen die Opfer vermehren. Auch die Zahl der totgeborenen Kinder ist bei den unehelich geborenen gr&ouml;&szlig;er als bei den ehelichen, haupts&auml;chlich wohl durch <A NAME="S237"><B>|237|</A></B> die Versuche eines Teiles der M&uuml;tter, schon w&auml;hrend der Schwangerschaft den Tod des Kindes herbeizuf&uuml;hren. Dazu kommen noch die Kindesmorde, die sich der Kenntnis entziehen, weil das get&ouml;tete Kind unter den Totgeborenen verborgen wird. "Den 205 Kindesmorden, welche die gerichtlichen Dokumente in Frankreich auff&uuml;hren, sind sonach - meint Bertillon - noch wenigstens 1.500 angebliche Totgeburten hinzuzuz&auml;hlen und 1.400 F&auml;lle absichtlicher T&ouml;tung durch Aushungerung."<A NAME="ZF40"><A HREF="beaa_207.htm#F40">(40)</A></A> </P>
<P>Es kamen auf 100 Geborene Totgeborene: </P>
<P ALIGN="CENTER"><CENTER><TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=2 WIDTH=336>
<TR><TD WIDTH="30%" VALIGN="TOP">
<P></TD>
<TD WIDTH="28%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">In den Jahren</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">ehelich</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">unehelich</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="30%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="28%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="30%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>Deutschland</FONT></TD>
<TD WIDTH="28%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1891-1900</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">3,15</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">4,25</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="30%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>Preu&szlig;en</FONT></TD>
<TD WIDTH="28%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1900-1902</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">3,02</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">4,41</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="30%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>Sachsen</FONT></TD>
<TD WIDTH="28%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1891-1900</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">3,31</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">4,24</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="30%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>Bayern</FONT></TD>
<TD WIDTH="28%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1891-1900</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">2,98</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">3,61</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="30%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>W&uuml;rttemberg</FONT></TD>
<TD WIDTH="28%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1891-1900</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">3,30</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">3,48</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="30%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>Baden</FONT></TD>
<TD WIDTH="28%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1891-1900</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">2,62</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">3,35</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="30%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>&Ouml;sterreich</FONT></TD>
<TD WIDTH="28%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1895-1900</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">2,64</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">3,86</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="30%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>Schweiz</FONT></TD>
<TD WIDTH="28%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1897-1903</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">3,40</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">6,14</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="30%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>Frankreich</FONT></TD>
<TD WIDTH="28%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1891-1895</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">4,40</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">7,54</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="30%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>Niederlande</FONT></TD>
<TD WIDTH="28%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1891-1900</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">4,38</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">8,13</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="30%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>D&auml;nemark</FONT></TD>
<TD WIDTH="28%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1893-1894</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">2,40</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">3,20</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="30%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>Schweden</FONT></TD>
<TD WIDTH="28%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1891-1895</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">2,46</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">3,30</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="30%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>Norwegen</FONT></TD>
<TD WIDTH="28%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1891-1900</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">2,47</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">4,06</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="30%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>Finnland</FONT></TD>
<TD WIDTH="28%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1891-1900</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">2,54</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">4,43</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="30%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>Italien</FONT></TD>
<TD WIDTH="28%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1891-1896</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">3,89</FONT></TD>
<TD WIDTH="21%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT"><A NAME="ZF41"><A HREF="beaa_207.htm#F41"><FONT SIZE=2>(41)</FONT></A></A><FONT SIZE=2> 5,16</FONT></TD>
</TR>
</TABLE>
</CENTER></P>
<P>Die &Uuml;berlebenden r&auml;chen sich an der Gesellschaft f&uuml;r die ihnen widerfahrene Mi&szlig;handlung, indem sie einen<I> ungew&ouml;hnlich gro&szlig;en</I> Prozentsatz zu den Verbrechern aller Grade stellen.<I> </P>
<P ALIGN="CENTER"><A NAME="Kap_12_5">5. Verbrechen gegen die Sittlichkeit und Geschlechtskrankheiten</P>
</I><P></A>Ein anderes &Uuml;bel, das sich h&auml;ufig zeigt, mu&szlig; ebenfalls noch kurz ber&uuml;hrt werden. Ein &Uuml;berma&szlig; geschlechtlicher Gen&uuml;sse ist weit sch&auml;dlicher als ein Zuwenig. Auch ein durch &Uuml;berma&szlig; mi&szlig;handelter Organismus geht zugrunde. Impotenz, Unfruchtbarkeit, R&uuml;ckenmarks- <A NAME="S238"><B>|238|</A></B> leiden, Bl&ouml;dsinn, geistige Schw&auml;che und andere Krankheiten sind die Folge.<I> Ma&szlig;halten</I> im Geschlechtsverkehr ist ebenso n&ouml;tig wie im Essen und Trinken und anderen menschlichen Bed&uuml;rfnissen. Aber Ma&szlig;halten erscheint namentlich der im &Uuml;berflu&szlig; lebenden Jugend schwer. Daher die gro&szlig;e Zahl "jugendlicher Greise" in den h&ouml;heren Gesellschaftsschichten.. Die Zahl junger und alter Rou&eacute;s ist gro&szlig;, und sie haben, weil durch &Uuml;berma&szlig; abgestumpft und &uuml;bers&auml;ttigt, ein Bed&uuml;rfnis nach besonderen Reizungen. Auch abgesehen von jenen, welchen die Liebe zum eigenen Geschlecht (die Homosexualit&auml;t) angeboren ist, verfallen viele in die Widernat&uuml;rlichkeiten des griechischen Zeitalters. Die M&auml;nnerliebe ist viel weiter verbreitet, als sich die meisten von uns tr&auml;umen lassen; dar&uuml;ber k&ouml;nnten die geheimen Akten mancher Polizeib&uuml;ros erschreckende Tatsachen ver&ouml;ffentlichen.<A NAME="ZF42"><A HREF="beaa_207.htm#F42">(42)</A></A> Aber auch unter den Frauen leben die Widernat&uuml;rlichkeiten des alten Griechenland in st&auml;rkerem Ma&szlig;e wieder auf. Die lesbische Liebe, der Sapphismus, soll unter den verheirateten Frauen in Paris ziemlich verbreitet sein und, nach Taxel, unter den vornehmen Pariser Damen sogar .in enormem Ma&szlig;e. In Berlin soll ein Viertel der Prostituierten Tribadie treiben, aber auch in den Kreisen unserer vornehmen Frauenwelt fehlt es nicht an J&uuml;ngerinnen der Sappho. </P>
<P>Eine andere unnat&uuml;rliche Befriedigung des Geschlechtstriebs sind die Notzuchtverbrechen an Kindern, die sich in den letzten Jahrzehnten vervielfacht haben. So wurden in Deutschland wegen Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit verurteilt im Jahre 1895: 10.239, 1905: 13.432, 1906: 13.577 Personen. Darunter auf Grund des <20> 174 (unz&uuml;chtige Handlungen mit Kindern) im Jahre 1902: 58, 1907: 72 Personen, und aufgrund des <20> 176 Absatz 5 (unz&uuml;chtige Handlungen mit Personen unter 14 Jahren) im Jahre 1902: 4.090, 1906: 4.548, 1907: 4.397. In Italien belief sich die Zahl der Verbrechen wider die Sittlichkeit 1887 bis 1889 auf 4.590, 1903 auf 8.461 oder 19,44 und 25,67 auf 100.000 Einwohner. Die gleiche Tatsache ist in &Ouml;sterreich konstatiert worden. "Das starke Emporschnellen der Sittlichkeitsdelikte im Zeitraum 1880 bis 1890" - sagt mit vollem Recht H. Herz - "zeigt, da&szlig; die wirtschaftliche Struktur der Gegenwart mit <A NAME="S239"><B>|239|</A></B> der Erh&ouml;hung der Ledigkeitsziffer und ihrer Bedingtheit durch die Wanderungen im Lande nicht zum geringsten Teile die Ursache der schlechten moralischen Verh&auml;ltnisse geworden ist."<A NAME="ZF43"><A HREF="beaa_207.htm#F43">(43)</A></A> </P>
<P>Die "liberalen Berufe", zu denen wesentlich Angeh&ouml;rige der h&ouml;heren Klassen geh&ouml;ren, stellen in Deutschland zirka 5,6 Prozent zu den kriminellen Verbrechen, aber zu den Notzuchtverbrechen an Kindern zirka 13 Prozent. Dieser Prozentsatz w&uuml;rde noch h&ouml;her sein, h&auml;tte man in jenen Kreisen nicht reichliche Mittel, das Verbrechen zu verheimlichen. Die schreckenerregenden Enth&uuml;llungen, die in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die "Pall Mall Gazette" &uuml;ber den Mi&szlig;brauch von Kindern in England brachte, zeigten, was f&uuml;r Zust&auml;nde auf diesem Gebiet vorhanden sind. </P>
<P>&Uuml;ber die venerischen Krankheiten und ihre Zunahme geben die folgenden Zahlen Aufschlu&szlig; &uuml;ber die in den Krankenh&auml;usern des Deutschen Reiches zugegangenen F&auml;lle venerischer Krankheiten: </P>
<P ALIGN="CENTER"><CENTER><TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=2 WIDTH=573>
<TR><TD WIDTH="11%" VALIGN="TOP">
<P></TD>
<TD WIDTH="9%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">Tripper</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">Syphilis</FONT></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">Tripper</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">Syphilis</FONT></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">Tripper</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">Syphilis</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="11%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="9%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="11%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1877-1879</FONT></TD>
<TD WIDTH="9%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">23.344</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">67.750</FONT></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1886-1888</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">32.275</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">53.664</FONT></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1895-1897</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">53.587</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">74.092</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="11%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1880-1882</FONT></TD>
<TD WIDTH="9%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">28.700</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">79.220</FONT></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1889-1891</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">41.381</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">60.793</FONT></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1898-1901</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">83.374</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">101.225</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="11%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1983-1885</FONT></TD>
<TD WIDTH="9%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">30.038</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">65.980</FONT></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1892-1894</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">50.541</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">78.093</FONT></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1902-1904</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">68.350</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">76.678</FONT></TD>
</TR>
</TABLE>
</CENTER></P>
<P>Wenn wir den durchschnittlichen Jahresbetrag nehmen, so ist er im Zeitraum von 25 Jahren von 7.781 (Tripper) und 22.583 (Syphilis) auf 22.750 und 25.559 gestiegen. Die Bev&ouml;lkerungszahl hat nur um 25 Prozent zugenommen, die Zahl der Tripperkranken aber um 182 und die Zahl der Syphilitiker um 19 Prozent! </P>
<P>Wir haben noch eine Statistik, die sich zwar nicht &uuml;ber viele Jahre erstreckt, sondern nur einen einzigen Tag herausgreift und angibt, wie viele Patienten am 30. April 1900 wegen Tripper, Schanker und Syphilis in &auml;rztlicher Behandlung standen. Diese Statistik ist vom preu&szlig;ischen Kultusministerium veranla&szlig;t. Ein Fragebogen war an s&auml;mtliche &Auml;rzte Preu&szlig;ens gerichtet. Obwohl von diesen nur 65,5 Prozent geantwortet haben, ergab diese Anfrage, da&szlig; am 30. April 1900 in Preu&szlig;en nahezu 41.000 Geschlechtskranke in &auml;rztlicher Behandlung standen. 11.000 von diesen waren mit frischer Syphilis behaftet. In Berlin allein fanden sich an diesem Tage 11.600 Geschlechtskranke, darunter 3.000 frische Syphilitiker. Auf je 100.000 erwachsene Einwohner standen in &auml;rztlicher Behandlung: </P>
<P ALIGN="CENTER"><CENTER><TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=2 WIDTH=397>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP">
<P><A NAME="S240"><B><FONT SIZE=2>|240|</A></B></FONT></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">M&auml;nner</FONT></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">Frauen</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>In Berlin</FONT></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1.419</FONT></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">457</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>In 17 St&auml;dten mit &uuml;ber 100.000 Einwohnern</FONT></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">999</FONT></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">279</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>In 42 St&auml;dten mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern</FONT></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">584</FONT></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">176</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>In 47 St&auml;dten mit unter 30.000 Einwohnern</FONT></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">450</FONT></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">169</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>In den &uuml;brigen St&auml;dten und Landgemeinden</FONT></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">80</FONT></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">27</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>In ganz Deutschland</FONT></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">282</FONT></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">92</FONT></TD>
</TR>
</TABLE>
</CENTER></P>
<P>Im einzelnen sind von den St&auml;dten besonders stark belastet die Hafenst&auml;dte, die St&auml;dte mit Hochschulen, Garnison und Industrie sowie St&auml;dte mit Handel und Industrie und Garnison. (K&ouml;nigsberg auf 100.000 2.152 M&auml;nner und 619 Frauen, K&ouml;ln 1.509 und 402, Frankfurt a.M. 1.505 und 599.) </P>
<P>Was Berlin betrifft, so findet Blaschko, "da&szlig; in einer Gro&szlig;stadt wie Berlin allj&auml;hrlich von 1.000 jungen M&auml;nnern zwischen 20 und 50 Jahren fast 200, also beinahe der f&uuml;nfte Teil, an Tripper erkrankt und etwa 24 an frischer Syphilis. Nun betr&auml;gt aber die Zeit, w&auml;hrend welcher die m&auml;nnliche Jugend der Gefahr einer geschlechtlichen Infektion ausgesetzt ist, l&auml;nger als ein Jahr; sie betr&auml;gt f&uuml;r manche Bev&ouml;lkerungsschichten f&uuml;nf, f&uuml;r manche zehn Jahre und dar&uuml;ber. Ein junger Mann also wird nach f&uuml;nfj&auml;hrigem Z&ouml;libat einmal einen Tripper erwerben, in zehn Jahren zweimal. Nach vier bis f&uuml;nf Jahren w&uuml;rde jeder zehnte, nach acht bis zehn jeder f&uuml;nfte junge Mann Syphilis akquirieren. Oder mit anderen Worten: von den M&auml;nnern, die &uuml;ber drei&szlig;ig Jahre alt in die Ehe treten, w&uuml;rde jeder zweimal Tripper gehabt haben und jeder vierte und f&uuml;nfte syphilitisch sein. Das sind Zahlen, die unter der denkbar vorsichtigsten Berechnung gewonnen sind und die uns &Auml;rzten, denen so manches vor der Welt verschwiegen gehaltene Ungl&uuml;ck gebeichtet wird., nicht &uuml;bertrieben vorkommen." </P>
<P>Die Resultate der Enquete vom 30. April 1900 finden ihre Best&auml;tigung in einer ausf&uuml;hrlichen Arbeit &uuml;ber diesen Gegenstand f&uuml;r die preu&szlig;ische Armee, die aus dem Jahre 1907 stammt und von dem Stabsarzt Dr. Schwiening verfa&szlig;t worden ist.<A NAME="ZF44"><A HREF="beaa_207.htm#F44">(44)</A></A> </P>
<P>Es ergibt sich, da&szlig; die einzelnen Armeekorpsbezirke, die sich im gro&szlig;en ganzen - doch nicht immer vollst&auml;ndig - mit den Bezirken der Provinzen decken, allj&auml;hrlich ungef&auml;hr immer dieselbe Quote an venerisch kranken Rekruten liefern. Einige Armeekorps aber zeich- <A NAME="S241"><B>|241|</A></B> nen sich durch besonders hohe Ziffern aus. So zun&auml;chst das dritte, aus Brandenburg sich rekrutierende Korps. Es ist Berlin, dem im wesentlichen die Schuld an den 2 Prozent geschlechtskranken Rekruten beizumessen ist. Im neunten Korps wird Berlin durch Altona (Hamburg), im zw&ouml;lften durch Dresden und im neunzehnten durch Leipzig ersetzt. Noch genauer geht die Verbreitung der Geschlechtskrankheiten in der Zivilbev&ouml;lkerung hervor aus Schwienings Berechnung des auf die einzelnen Regierungsbezirke entfallenden Prozentsatzes venerischer Rekruten. Von 1.000 Eingestellten waren venerisch krank: </P>
<P ALIGN="CENTER"><CENTER><TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=2 WIDTH=488>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP">
<P></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1903</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1904</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1905</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>Berlin</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">40,9</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">37,2</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">45,2</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>27 St&auml;dte mit mehr als 100 000 Einwohnern</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">14,9</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">16,7</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">15,8</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>26 St&auml;dte mit 50000 bis 100000 Einwohnern</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">11,6</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">9,6</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">9,5</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>33 St&auml;dte mit 25000 bis 50000 Einwohnern</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">8,2</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">6,8</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">9,1</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>St&auml;dte mit weniger als 25000 Einwohnern und Landgemeinden</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">4,3</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">5,0</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">4,0</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>Staat</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">7,6</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">8,1</FONT></TD>
<TD WIDTH="10%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">7,8</FONT></TD>
</TR>
</TABLE>
</CENTER></P>
<P>Den ersten Platz nimmt Sch&ouml;neberg ein mit 58,4 venerisch kranken Rekruten von 1.000 Eingestellten. F&uuml;r au&szlig;erpreu&szlig;ische Gro&szlig;st&auml;dte stellte Hamburg von 1.000 Rekruten 29,8, Leipzig 29,4, Dresden 19, Chemnitz 17,8, M&uuml;nchen 16,4 geschlechtskrank ein. </P>
<P>Nach G. v. Mayr betrug der Jahreszugang an venerischen Krankheiten pro Tausend der durchschnittlichen Kopfst&auml;rke f&uuml;r 1903/04 in Preu&szlig;en 19,6, in &Ouml;sterreich-Ungarn 60,3, in Frankreich 27,1, in Italien 85,2, in England 125, in Belgien 28,3, in Niederlanden 31,4, in Ru&szlig;land 40,5, in D&auml;nemark 45. Besonders hoch ist der Krankenzugang an venerischen Krankheiten in der Marine: In der deutschen betrug er f&uuml;r 1905/06 an Bord im Ausland 113,6 pro Tausend, in den heimischen Gew&auml;ssern 58,8, am Lande 57,8 und in der englischen im Jahre 1905 121,55, 1906 121,94. </P>
<P>Wir sehen also, wie infolge unserer sozialen Zust&auml;nde Laster, Ausschweifungen, Vergehen und Verbrechen aller Art erzeugt werden und zunehmen. Die ganze Gesellschaft kommt in einen Zustand der Unruhe, unter dem die Frauen am meisten leiden. </P>
<P>Die Frauen f&uuml;hlen dieses immer mehr und suchen Abhilfe. Sie verlangen in erster Linie &ouml;konomische Selbst&auml;ndigkeit und Unabh&auml;ngigkeit, die Frau soll wie der Mann zu allen T&auml;tigkeiten zugelassen <A NAME="S242"><B>|242|</A></B> werden, zu denen sich ihre Kr&auml;fte und F&auml;higkeiten eignen; sie verlangen insbesondere auch die Zulassung zu den mit dem Namen der "liberalen Berufe" bezeichneten Gewerben. Sind diese Bestrebungen berechtigt? Sind sie ausf&uuml;hrbar? Helfen sie? Das sind Fragen, deren Beantwortung sich aufdr&auml;ngt. </P>
<P><HR></P>
<P>Fu&szlig;noten von August Bebel</P>
<P><A NAME="F1">(1)</A> F. H&uuml;gel, Zur Geschichte, Statistik und Regelung der Prostitution in Wien, 1865. <A HREF="beaa_207.htm#ZF1">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F2">(2)</A> Max Rubner, Lehrbuch der Hygiene. 8. Auflage, S. 654. Leipzig 1907. <A HREF="beaa_207.htm#ZF2">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F3">(3)</A> Th. Bade, &Uuml;ber Gelegenheitsmacherei und &ouml;ffentliches Tanzvergn&uuml;gen. Berlin 1858. <A HREF="beaa_207.htm#ZF3">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F4">(4)</A> In der Tat zeigte schon eine Statistik, die das Berliner Polizeipr&auml;sidium in den Jahren 1871/72 &uuml;ber die Herkunft von 2.224 eingeschriebenen Prostituierten aufnehmen lie&szlig;, da&szlig; 1.015 = 47,9 Prozent aus dem Handwerkerstand, 467 = 22,0 Prozent aus dem Fabrikarbeiterstand, 305 = 14,4 Prozent aus dem kleinen Beamtenstand, 222 = 10,4 Prozent aus den Handels- und Verkehrstreibenden, 87 = 4,1 Prozent aus der Landwirtschaft und 26 = 1,2 Prozent aus dem Milit&auml;rstand stammten. Von 102 war der Beruf des Vaters nicht zu ermitteln. <A HREF="beaa_207.htm#ZF4">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F5">(5)</A> R. Schm&ouml;lder, Die Bestrafung und polizeiliche Behandlung der gewerbsm&auml;&szlig;igen Unzucht. D&uuml;sseldorf 1892. <A HREF="beaa_207.htm#ZF5">&lt;=</A> </P>
<P><A NAME="F6">(6)</A> J. K&uuml;hn, Die Prostitution im neunzehnten Jahrhundert vom sanit&auml;tspolizeilichen Standpunkt. Leipzig 1892. <A HREF="beaa_207.htm#ZF6">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F7">(7)</A> Dr. Fock, Die Prostitution in ethischer und sanit&auml;rer Beziehung. Deutsche Vierteljahresschrift f&uuml;r &ouml;ffentliche Gesundheitspflege. 20. Band, 1. Heft. <A HREF="beaa_207.htm#ZF7">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F8">(8)</A> Dr. B. Severus, Prostitution und Staatsgewalt. Dresden 1899. <A HREF="beaa_207.htm#ZF8">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F9">(9)</A> Paul Kampffmeyer, Die Prostitution als soziale Klassenerscheinung und ihre sozialpolitische Bek&auml;mpfung. S. 41. Berlin 1905. <A HREF="beaa_207.htm#ZF9">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F10">(10)</A> "Wenn im Zirkus Busch der Bund der Landwirte tagt oder gro&szlig;e Kongresse in Berlin abgehalten werden, dann steigen die Preise ... f&uuml;r Menschenfleisch." Satyr, Lebeweltn&auml;chte der Friedrichstra&szlig;e. S. 16. Berlin 1907. <A HREF="beaa_207.htm#ZF10">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F11">(11)</A> Handbuch der Hygiene. Herausgegeben von Dr. med. Th. Weyl, 10. Band. "Hygiene der Prostitution und venerischen Krankheiten." Bearbeitet von Dr. A. Blaschko, Berlin. S. 111. Jena 1901. <A HREF="beaa_207.htm#ZF11">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F12">(12)</A> "Tats&auml;chlich aber werden durch das ganze Regulierungssystem die venerischen Krankheiten in keiner Weise erfolgreich bek&auml;mpft oder auch nur nachweisbar vermindert. Die tr&uuml;gerische Sicherheit, die den M&auml;nnern gegeben wird, macht sie unvorsichtiger; die Vermehrung der Wechselbeziehungen vergr&ouml;&szlig;ert die Ansteckungsgefahr um mindestens ebensoviel, als die Ausschaltung einiger Schwerkranker durch den Arzt sie vermindert." August Forel, Die sexuelle Frage. S. 338/339. M&uuml;nchen 1907. <A HREF="beaa_207.htm#ZF12">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F13">(13)</A> Zweiter Verwaltungsbericht des k&ouml;niglichen Polizeipr&auml;sidiums von Berlin f&uuml;r die Jahre 1881 bis 1890. S. 351 bis 359. <A HREF="beaa_207.htm#ZF13">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F14">(14)</A> Die zuverl&auml;ssigsten Helfer der Frauen waren die englischen Arbeiter. "Wir beschlossen", so schreibt Josephine Butler in ihrer ber&uuml;hmten Schrift "Zur Geschichte eines Kreuzzugs", "die Nation anzurufen. Schon im Herbst 1869 hatten wir an jedes Parlamentsmitglied beider H&auml;user und an viele andere F&uuml;hrer weltlicher und kirchlicher Parteien pers&ouml;nlich geschrieben. Von all den Antworten, die wir auf diese Briefe erhielten, &auml;u&szlig;erten sich einige wenige v&ouml;llig zustimmend ... Da uns von den Kreisen, auf deren Interesse an der Sache wir zun&auml;chst gehofft hatten, eine so geringe Ermutigung zuteil wurde, wandten wir uns an die Arbeiterbev&ouml;lkerung des Landes. Hier kam man uns ganz anders entgegen. Ich bin mir wohl bewu&szlig;t, da&szlig; die arbeitenden Klassen ihre Fehler haben und ebensowenig wie andere Volksschichten frei von Egoismus sind; aber die &Uuml;berzeugung steht bei mir unersch&uuml;tterlich fest, da&szlig; das Volk, sobald es im Namen der Gerechtigkeit angerufen wird, fast immer eine loyale und zuverl&auml;ssige Gesinnung beweist." Zitiert bei P. Kampffmeyer, a.a.O., S. 69. <A HREF="beaa_207.htm#ZF14">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F15">(15)</A> "Im Jahre 1901 wurde in Wien eine Franz&ouml;sin unter dem Gejohle der Menge von dem Polizeiagenten Neuhofer mi&szlig;handelt, in das Gef&auml;ngnis zu Dirnen geworfen und gewaltsam &auml;rztlich untersucht. F&uuml;nf Interpellationen provozierte dieser Fall im Reichsrat. Im Jahre 1902 wurden in Hamburg und Kiel Damen unter dem Verdacht der Prostitution verhaftet und zum Teil roh behandelt. Diese F&auml;lle f&uuml;hrten am 8. September zu einer riesigen Demonstrationsversammlung in Hamburg, die von Mitgliedern aller Parteien besucht war." P. Kampffmeyer, a.a.O., S. 66. <A HREF="beaa_207.htm#ZF15">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F16">(16)</A> 15. August 1893. Berlin. <A HREF="beaa_207.htm#ZF16">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F17">(17)</A> Die gesundheitssch&auml;dliche Tragweite der Prostitution. Von Dr. Oskar Lassar. Berlin 1892, August Hirschwald <A HREF="beaa_207.htm#ZF17">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F18">(18)</A> Die Behandlung der Geschlechtskrankheiten in Krankenkassen und Heilanstalten. Berlin 1890, Fischers Medizinische Buchhandlung. <A HREF="beaa_207.htm#ZF18">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F19">(19)</A> Diese Bestimmung des Krankenversicherungsgesetzes (<28> 6 a), welche den Gemeinden erm&ouml;glichte, zu beschlie&szlig;en, da&szlig; bei Erkrankungen durch geschlechtliche Ausschweifung das Krankengeld &uuml;berhaupt nicht oder nur teilweise gew&auml;hrt werde, ist durch die Novelle vom 25. Mai 1903 beseitigt worden, die mit dem 1. Januar 1904 in Kraft getreten ist. <A HREF="beaa_207.htm#ZF19">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F20">(20)</A> Unter den Insassen der Blindenanstalten waren n&auml;mlich erblindet durch Infektion bei der Geburt in Berlin 21,3, Wien 31, Breslau 35,1, Budapest 47,9, M&uuml;nchen 73,8. Th. Weyl, soziale Hygiene. S. 62. Jena 1904. <A HREF="beaa_207.htm#ZF20">&lt;=</A> </P>
<P><A NAME="F21">(21)</A> "Was die Stra&szlig;e verschlingt". Sozialer Roman in 3 B&auml;nden. Berlin, A. Hoffmann &amp; Komp. <A HREF="beaa_207.htm#ZF21">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F22">(22)</A> Dr. Elisabeth Blackwell, The moral education. <A HREF="beaa_207.htm#ZF22">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F23">(23)</A> Mantegazza, L'amour dans l'humanit&eacute;. <A HREF="beaa_207.htm#ZF23">&lt;=</A> </P>
<P><A NAME="F24">(24)</A> Die Stellung der Polizei zur Prostitution ist &uuml;berhaupt in mehr als einer Beziehung interessant. So wurde 1899 in Berlin in einem Proze&szlig; festgestellt, da&szlig; ein Polizeikommissar eine Prostituierte benutzte, um einen Studenten zu &uuml;berwachen und auszuhorchen, den der Polizeikommissar im Verdacht hatte, Anarchist zu sein. Und gar in Prag teilte der Polizeidirektor im August 1902 einem dortigen Blatte mit, da&szlig; der Frau eines dortigen niederen Polizeibeamten die Konzession f&uuml;r ein toleriertes Freudenhaus entzogen wurde, weil ihr Mann einen H&auml;ftling mi&szlig;handelt hatte. Die Prager Polizei belohnt also ihre Beamten durch Erteilung von Konzessionen f&uuml;r &ouml;ffentliche H&auml;user. Ein herrlicher Zustand. <A HREF="beaa_207.htm#ZF24">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F25">(25)</A> Dr. Sicard de Plauzoles, La fonction sexuelle. S. 67. Paris 1908. <A HREF="beaa_207.htm#ZF25">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F26">(26)</A> Kamillo Karl Schneider, Die Prostituierte und die Gesellschaft. Eine soziologisch-ethische Studie. S. 40 bis 41, 188 bis 189, Leipzig 1908. <A HREF="beaa_207.htm#ZF26">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F27">(27)</A> Auf 1.000 Mitglieder der Berliner Gewerbskrankenkasse kamen Erkrankungen an </P>
<P ALIGN="CENTER"><CENTER><TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=2 WIDTH=521>
<TR><TD WIDTH="19%" VALIGN="TOP">
<P></TD>
<TD WIDTH="27%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<FONT SIZE=2><P ALIGN="CENTER">Gonorrh&ouml;e</FONT></TD>
<TD WIDTH="27%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<FONT SIZE=2><P ALIGN="CENTER">Weicher Schanker</FONT></TD>
<TD WIDTH="27%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<FONT SIZE=2><P ALIGN="CENTER">Syphilis</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="19%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">m&auml;nnl.</FONT></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">weibl.</FONT></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">m&auml;nnl.</FONT></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">weibl.</FONT></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">m&auml;nnl.</FONT></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">weibl.</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="19%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="19%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>1892 bis 1895</FONT></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">34,6</FONT></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">9,8</FONT></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">8,8</FONT></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1,5</FONT></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">10,2</FONT></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">7,7</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="19%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>1896 bis 1900</FONT></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">42,4</FONT></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">8,4</FONT></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">11,9</FONT></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">1,6</FONT></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">12,1</FONT></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">4,5</FONT></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="19%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P>1901 bis 1902</FONT></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">45,8</FONT></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">9,7</FONT></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">13,0</FONT></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">2,0</FONT></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">15,9</FONT></TD>
<TD WIDTH="13%" VALIGN="TOP">
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">7,0</FONT></TD>
</TR>
</TABLE>
</CENTER></P>
<P>F. Prinzing, a.a.O., S. 229. <A HREF="beaa_207.htm#ZF27">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F28">(28)</A> Karl Marx, Das Kapital. 2. Auflage, 1. Band, S. 480. <A HREF="beaa_207.htm#ZF28">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F29">(29)</A> A.a.O., S. 458. <A HREF="beaa_207.htm#ZF29">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F30">(30)</A> Berlin 1893, Moderner Verlag. <A HREF="beaa_207.htm#ZF30">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F31">(31)</A> Dr. med. Max Taube, Der Schutz der unehelichen Kinder. Leipzig 1893, Veit &amp; Komp. <A HREF="beaa_207.htm#ZF31">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F32">(32)</A> Berlin 1889, Wilh. I&szlig;leib (Gustav Schuhr). <A HREF="beaa_207.htm#ZF32">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F33">(33)</A> In seiner Schrift "Kapital und Presse", Berlin 1891, konstatiert Dr. F. Mehring, da&szlig; eine nicht unbef&auml;higte Schauspielerin an einem sehr bekannten Theater mit 100 Mark monatlicher Gage angestellt war, da&szlig; aber ihre Ausgaben allein f&uuml;r Garderobe in einem Monat sich auf 1.000 Mark beliefen. Das Defizit deckte ein "Freund". <A HREF="beaa_207.htm#ZF33">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F34">(34)</A> Auf Anregung des Pastors Wagner wurde auf der Konferenz der Sittlichkeitsvereine vom 20. September 1894 eine Enquete beschlossen. Die Resultate sind ver&ouml;ffentlicht in einem zweib&auml;ndigen Werk, "Die geschlechtlich-sittlichen Verh&auml;ltnisse der evangelischen Landbewohner im Deutschen Reiche. 1895 bis 1896". <A HREF="beaa_207.htm#ZF34">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F35">(35)</A> Professor S. Bettmann, Die &auml;rztliche &Uuml;berwachung der Prostituierten. "Handbuch der sozialen Medizin". 8. Band, S. 82. Jena 1905. <A HREF="beaa_207.htm#ZF35">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F36">(36)</A> S. Bettmann, a.a.O., S. 194. <A HREF="beaa_207.htm#ZF36">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F37">(37)</A> S. Turcsanyi und S. Engel, Das italienische Findelwesen. Vierteljahrshefte f&uuml;r &ouml;ffentliche Gesundheitspflege 1903. 35. Band, S. 771. <A HREF="beaa_207.htm#ZF37">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F38">(38)</A> Handw&ouml;rterbuch der Staatswissenschaften. 3. Auflage. 4. Band. 1919. Artikel Findelh&auml;user oder Findelanstalten. <A HREF="beaa_207.htm#ZF38">&lt;=</A> <A NAME="F39">(39)</A> G. v. Mayr, a.a.O., S. 140. <A HREF="beaa_207.htm#ZF39">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F40">(40)</A> Schnapper-Arndt, a.a.O., S. 181. <A HREF="beaa_207.htm#ZF40">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F41">(41)</A> F. Prinzing, Die Ursachen der Totgeburten. Allgemeines Statistisches Archiv 1907. 7. Band, S. 43 bis 44. <A HREF="beaa_207.htm#ZF41">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F42">(42)</A> Seitdem haben die Prozesse Moltke, Lynar, Eulenburg noch ein viel schrecklicheres Bild aufgerollt, als man erwarten konnte. Sie haben bewiesen, wie weit diese Perversit&auml;t in h&ouml;heren Gesellschaftskreisen, besonders in den Milit&auml;r- und Hofkreisen, verbreitet ist. <A HREF="beaa_207.htm#ZF42">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F43">(43)</A> Dr. Hugo Herz, Verbrechen und Verbrechertum in &Ouml;sterreich. S. 65. T&uuml;bingen 1908. <A HREF="beaa_207.htm#ZF43">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F44">(44)</A> Siehe Generaloberarzt Professor Dr. Schumburg, Die Geschlechtskrankheiten, ihr Wesen, ihre Verbreitung. Leipzig 1909. <A HREF="beaa_207.htm#ZF44">&lt;=</A></P></BODY>
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