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<META HTTP-EQUIV="Content-Type"; CONTENT="text/html; charset=ISO-8859-1">
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<TITLE>Friedrich Engels - Das Fest der Nationen in London</TITLE>
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<SMALL><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 2, S. 610 - 624<BR>
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Dietz Verlag, Berlin/DDR 1972 </SMALL></P>
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<H2>Friedrich Engels</H2>
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<H1>Das Fest der Nationen in London</H1>
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<SMALL><P>(Zur Feier der Errichtung der französischen Republik, 22. September 1792.)</P>
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<P>Aus: "Rheinische Jahrbücher	zur gesellschaftlichen Reform", 1846, Zweiter Band, S. 1-19<BR>
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Geschrieben Ende 1845</P>
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</SMALL><P><HR></P>
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<P>"Was gehen uns die Nationen an? Was geht uns die französische Republik an? Sind nicht die Nationen längst begriffen, haben sie nicht alle ihre Stelle von uns angewiesen erhalten, haben wir nicht die Deutschen im theoretischen, die Franzosen im politischen Fach, die Engländer in der bürgerlichen Gesellschaft untergebracht? Und vollends die französische Republik! Was ist bei einer Entwicklungsstufe zu feiern, die längst überwunden ist, die sich durch ihre eignen Konsequenzen aufgehoben hat! Wenn ihr uns etwas aus England berichten wollt, entwickelt lieber die neueste Phase, in die das sozialistische Prinzip getreten ist, erzählt uns, ob noch immer der einseitige englische Sozialismus nicht einsieht, wie tief er unter unsrer prinzipiellen Höhe steht, wie er nur auf die Stelle eines <EM>Momentes, </EM>und zwar eines aufgehobenen Momentes, Anspruch machen kann!"</P>
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<P>Ruhig, liebes Deutschland. Die Nationen und die französische Republik gehen uns sehr viel an.</P>
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<P>Die Fraternisierung der Nationen, wie sie jetzt überall durch die extreme, proletarische Partei gegenüber dem alten naturwüchsigen Nationalegoismus und dem heuchlerischen, privategoistischen Kosmopolitismus der Handelsfreiheit vollzogen wird, ist mehr wert als sämtliche deutsche Theorien über den wahren Sozialismus.</P>
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<P>Die Fraternisierung der Nationen unter der Fahne der <EM>modernen Demokratie, </EM>wie sie von der französischen Revolution ausgegangen, im französischen Kommunismus und englischen Chartismus sich entwickelt hat, zeigt, daß die Massen und ihre Repräsentanten besser wissen, was die Glocke geschlagen hat, als die deutsche Theorie.</P>
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<P>"Aber davon ist ja gar nicht die Rede! Wer spricht denn von der Fraternisierung, <EM>wie sie</EM> etc., von der Demokratie, <EM>wie sie</EM> etc.? Wir sprechen von der Fraternisierung der Nationen an und für sich, von <EM>der</EM> Fraternisierung der Nationen, von <EM>der</EM> Demokratie, von der Demokratie schlechthin, von der Demokratie <EM>als solcher</EM>. Habt Ihr denn Euren Hegel ganz vergessen?"</P>
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<STRONG><P><612></STRONG> "Wir sind keine Römer, wir rauchen Tabak". Wir sprechen nicht von der antinationalen Bewegung, die <EM>jetzt </EM>in der <EM>Welt </EM>vor sich geht, wir sprechen von der Aufhebung der Nationalitäten, die sich vermittelst des reinen Gedankens - mit Hülfe der Phantasie, in Ermanglung der Tatsachen - in unsrem Kopfe vollzieht. Wir sprechen nicht von der <EM>wirklichen </EM>Demokratie, der ganz Europa in die Arme rennt, und die eine ganz besondere Demokratie ist, unterschieden von allen frühern Demokratien, wir sprechen von einer ganz andern Demokratie, die den Durchschnitt der griechischen, römischen, amerikanischen und französischen Demokratie bildet, kurz vom <EM>Begriff </EM>der Demokratie. Wir sprechen nicht von den <EM>Dingen, </EM>die dem neunzehnten Jahrhundert angehören und schlecht und vergänglich sind, wir sprechen von den Kategorien, die ewig sind und die da existierten, "ehe denn die Berge waren". Kurz, wir sprechen nicht von dem, wovon die Rede ist, sondern von ganz etwas anderem.</P>
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<P>Um die Sache kurz zu fassen: wenn heutzutage bei Engländern und Franzosen und bei denjenigen Deutschen, die bei der praktischen Bewegung beteiligt, die keine Theoretiker sind, von Demokratie, von Fraternisierung der Nationen die Rede ist, so hat man sich dabei durchaus nichts bloß Politisches zu denken. Dergleichen Phantasien existieren nur noch bei den deutschen Theoretikern und einigen wenigen Ausländern, die nicht zählen. In der Wirklichkeit haben diese Worte jetzt einen sozialen Sinn, in den die politische Bedeutung aufgeht. Schon die Revolution war etwas ganz anderes als der Kampf um diese und jene Staatsform, wie man sich in Deutschland noch häufig genug einbildet. Der Zusammenhang der meisten Insurrektionen jener Zeit mit einer Hungersnot, die Bedeutung, die die Verproviantierung der Hauptstadt und die Verteilung der Vorräte schon von 1789 an hat, das Maximum, die Gesetze gegen den Aufkauf der Lebensmittel, der Schlachtruf der revolutionären Armeen: "Guerre aux palais, paix aux chaumieres" <"Krieg den Palästen, Friede den Hütten"> - das Zeugnis der Carmagnole, nach der der Republikaner neben du fer <Waffen> und du coeur <Mut> auch du pain <Brot> haben muß - und hundert andre auf der Hand liegende Äußerlichkeiten beweisen schon, abgesehen von aller genaueren Untersuchung der Tatsachen, wie sehr die damalige Demokratie etwas ganz anderes war als eine bloße politische Organisation. Ohnehin ist es bekannt, daß die Konstitution von 1793 und der Terrorismus von derjenigen Partei ausging, die sich auf das empörte Proletariat stützte, daß der Sturz Robespierres den Sieg der Bourgeoisie über das Proletariat bezeichnet, daß die Verschwörung Babeufs für die Gleichheit die letzten Konsequenzen der <STRONG><613></STRONG> 93er Demokratie - soweit sie damals möglich waren - an den Tag brachte. Die französische Revolution war von Anfang bis zu Ende eine soziale Bewegung, und nach ihr ist eine rein politische Demokratie vollends ein Unding geworden.</P>
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<EM><P>Die Demokratie, das ist heutzutage der Kommunismus. </EM>Eine andre Demokratie kann nur noch in den Köpfen theoretischer Visionäre existieren, die sich nicht um die wirklichen Ereignisse kümmern, bei denen nicht die Menschen und die Umstände die Prinzipien, sondern die Prinzipien sich selbst entwickeln. Die Demokratie ist proletarisches Prinzip, Prinzip der Massen geworden. Die Massen mögen über diese einzig richtige Bedeutung der Demokratie mehr oder weniger klar sein, aber für alle liegt wenigstens das dunkle Gefühl der sozialen gleichen Berechtigung in der Demokratie. Die demokratischen Massen können bei der Berechnung der kommunistischen Streitkräfte ruhig mitgezählt werden. Und wenn sich die proletarischen Parteien verschiedener Nationen vereinigen, so haben sie ganz recht, das Wort "Demokratie" auf ihre Fahnen zu schreiben, denn mit Ausnahme derjenigen, die nicht zählen, sind im Jahre 1846 alle europäischen Demokraten mehr oder weniger klare Kommunisten.</P>
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<P>Die Feier der französischen Republik ist trotz aller "Überwindung" derselben für die Kommunisten aller Länder ebenfalls vollständig berechtigt. Erstens sind alle Völker, die dumm genug waren, sich zur Bekämpfung der Revolution gebrauchen zu lassen, den Franzosen öffentliche Genugtuung schuldig, seitdem sie einsehen gelernt haben, welch eine Sottise <Dummheit> sie aus Untertanentreue begingen; zweitens ist die ganze europäische soziale Bewegung von heute nur der zweite Akt der Revolution, nur die Vorbereitung für das Denouement <Lösung> des Dramas, das 1789 in Paris anfing und jetzt ganz Europa zu seinem Schauplatz hat; drittens ist es in unsrer feigen, selbstsüchtigen, bettelhaften Bourgeoisepoche an der Zeit, das Gedächtnis jener großen Jahre zurückzurufen, wo ein ganzes Volk einen Augenblick alle Feigheit, alle Selbstsucht und Bettelhaftigkeit beiseite warf, wo es Männer gab, die den Mut der Ungesetzlichkeit hatten, die vor nichts zurückschreckten, und deren stählerne Energie es durchsetzte, daß vom 31. Mai 1793 bis zum 26. Juli 1794 in ganz Frankreich keine Memme, kein Krämer, kein Agioteur, kurz kein Bourgeois sich sehen lassen durfte. Wahrhaftig, es ist nötig, in der Zeit, wo ein Rothschild den europäischen Frieden zusammenhält, ein Vetter-Köchlin um Schutzzölle, ein Cobden um Handelsfreiheit schreit, und ein Diergardt die Erlösung der sündigen Menschheit durch Vereine zur Hebung der arbeitenden <STRONG><614></STRONG> Klassen predigt - wahrhaftig, es ist nötig zu erinnern an Marat und Danton, Saint-Just und Babeuf, an die Siegesfreude von Jemappes und Fleurus. Wenn diese gewaltige Zeit, diese ehernen Charaktere nicht noch immer in unsre Krämerwelt hereinragten, wahrhaftig, die Menschheit müßte verzweifeln und sich einem Vetter-Köchlin, Cobden oder Diergardt auf Diskretion in die Arme stürzen.</P>
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<P>Endlich hat die Fraternisierung der Nationen heutzutage ebenfalls mehr als je eine rein soziale Bedeutung. Die Hirngespinste von europäischer Republik, ewigem Frieden unter der politischen Organisation sind ebenso lächerlich geworden wie die Phrasen von der Vereinigung der Völker unter der Ägide allgemeiner Handelsfreiheit; und während so alle chimärischen Sentimentalitäten dieser Art ganz außer Kurs kommen, fangen die Proletarier aller Nationen, ohne viel Wesens davon zu machen, schon an, unter dem Banner der kommunistischen Demokratie <EM>wirklich zu fraternisieren. </EM>Die Proletarier sind auch die einzigen, die dies wirklich können; denn die Bourgeoisie hat in jedem Lande ihre Spezialinteressen und kann, da ihr das Interesse das Höchste ist, nie über die Nationalität hinauskommen; und die paar Theoretiker bringen mit all ihren schönen "Prinzipien" nichts fertig, weil sie diese widersprechenden Interessen, wie überhaupt alles Bestehende, ruhig fortbestehen lassen und nur Phrasen machen können. Die Proletarier aber haben in allen Ländern ein und dasselbe Interesse, einen und denselben Feind, einen und denselben Kampf vor sich; die Proletarier sind der großen Masse nach schon von Natur ohne Nationalvorurteile, und ihre ganze Bildung und Bewegung ist wesentlich humanitarisch, antinational. Die Proletarier allein können die Nationalität vernichten, das erwachende Proletariat allein kann die verschiedenen Nationen fraternisieren lassen.</P>
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<P>Die nachfolgenden Tatsachen werden den faktischen Beweis zu allem, was ich hier gesagt habe, liefern.</P>
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<P>Schon am 10. August v.J. fand in London ein ähnliches Fest zur Feier eines dreifachen Jahrestages - der Revolution von 1792, der Proklamierung der Konstitution von 1793 und der Stiftung der "demokratischen Assoziation" durch die radikalste Fraktion der englischen Bewegungspartei von 1838/39 -statt.</P>
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<P>Diese radikalste Fraktion bestand aus Chartisten, Proletariern, wie sich das von selbst versteht, die aber das Ziel der chartistischen Bewegung klar voraussahen und es zu beschleunigen strebten. Während es der Masse der Chartisten damals noch allein um die Übertragung der Staatsmacht an die Arbeiterklasse zu tun war, und noch wenige die Zeit gehabt hatten, über den Gebrauch dieser Macht nachzudenken, waren die Mitglieder dieser Assozia- <STRONG><615></STRONG> tion, die in der damaligen Aufregung eine bedeutende Rolle spielte, darüber einig - sie waren zuerst Republikaner, und zwar Republikaner, die die Konstitution vom Jahre 93 als ihr Glaubensbekenntnis aufstellten, alle Verbindung mit der Bourgeoisie, auch der kleinen, zurückstießen und den Satz verteidigten, daß der Unterdrückte das Recht zum Gebrauch aller Mittel gegen seinen Bedrücker habe, die der Unterdrücker gegen ihn anwende. Auch hierbei blieben sie nicht stehen, sie waren nicht nur Republikaner, sondern Kommunisten, und zwar irreligiöse Kommunisten. Die Assoziation zerfiel mit der revolutionären Aufregung von l838/39; aber ihre Wirksamkeit ist nicht verloren gewesen und hat sehr dazu beigetragen, die Energie der chartistischen Bewegung zu stärken, die in ihr liegenden kommunistischen Elemente zu entwickeln. Schon an diesem Feste des zehnten August wurden sowohl kommunistische wie kosmopolitische <<EM>kosmopolitisch</EM> ist hier und auf Seite 616 im Sinne "frei von nationaler Beschränkheit und nationalen Vorurteilen" zu verstehen.> Prinzipien ausgesprochen; neben der politischen wurde <EM>soziale </EM>Gleichheit gefordert und ein Toast auf die Demokraten aller Nationen mit Enthusiasmus aufgenommen.</P>
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<P>Es waren schon früher in London Versuche gemacht worden, die Radikalen der verschiedenen Nationen zusammenzubringen; diese Versuche waren bald an inneren Spaltungen der englischen Demokraten und der Unkenntnis derselben von seiten der Ausländer, bald an prinzipiellen Differenzen der Parteiführer der verschiedenen Nationen gescheitert. So groß ist das Hindernis aller Vereinigung, das in der verschiedenen Nationalität liegt, daß selbst die seit Jahren in London ansässigen Ausländer, sosehr sie mit der englischen Demokratie sympathisierten, dennoch von der unter ihren Augen vorgehenden Bewegung, von dem wirklichen Stande der Dinge, so gut wie gar nichts wußten, die radikalen Bourgeois mit den radikalen Proletariern verwechselten und die prononciertesten Feinde in einer und derselben Versammlung freundschaftlich zusammenbringen wollten. Die Engländer wurden teils hierdurch, teils durch nationales Mißtrauen zu ähnlichen Verstößen geleitet, die um so leichter möglich waren, als das Gelingen einer solchen Verhandlung notwendig von dem größeren oder geringeren Einverständnis weniger an der Spitze stehender, einander persönlich selten bekannter Komiteemitglieder abhing. Bei den früheren Versuchen waren diese Individuen möglichst unglücklich gewählt, und dadurch wurde die Sache jedesmal sehr bald wieder zum Einschlafen gebracht. Aber das Bedürfnis einer solchen Fraternisierung war zu lebhaft. Jeder gescheiterte Versuch reizte nur zu einem neuen Anlauf. Wenn einige der demokratischen Wortführer in London der Sache überdrüssig wurden, so traten andre an ihre Stelle; im verflossenen August fanden <STRONG><616></STRONG> wieder Annäherungen statt, die diesmal nicht fruchtlos waren, und eine bereits von andrer Seite her angekündigte Feier des 22. Septembers wurde benutzt, um die Allianz der in London ansässigen Demokraten aller Nationen öffentlich zu erklären.</P>
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<P>In dieser Versammlung waren Engländer, Franzosen, Deutsche, Italiener, Spanier, Polen und Schweizer vereinigt. Auch Ungarn und die Türkei stellten je einen Mann Kontingent. Die drei großen Nationen des zivilisierten Europas, Engländer, Deutsche und Franzosen, führten das Wort und waren auf sehr würdige Weise vertreten. Präsident war natürlich ein Engländer, <EM>Thomas Cooper </EM>"der Chartist", der wegen Teilnahme an der Insurrektion von 1842 fast zwei Jahre im Gefängnis gehalten wurde und dort ein Epos im Stile des Childe Harold schrieb, das von den englischen Kritikern sehr gerühmt wird. Der Hauptredner des Abends war englischerseits <EM>George Julian Harney, </EM>seit zwei Jahren Mitredakteur des "Northern Star". Der "Northern Star" ist das von O'Connor 1837 gegründete Organ des Chartismus, das, seitdem es von J. Hobson und Harney gemeinschaftlich redigiert wird, in jeder Beziehung eines der besten Blätter von Europa geworden ist - ich wüßte ihm nur einige kleine Pariser Arbeiterjournale, namentlich die "Union" an die Seite zu stellen. Harney selbst ist ein echter Proletarier, von Jugend auf in der Bewegung beteiligt, eines der Hauptmitglieder der erwähnten demokratischen Assoziation von 1838/39 (er präsidierte am Feste des l0. August) und neben Hobson unbedingt der beste englische Schriftsteller, was ich gelegentlich den Deutschen zu beweisen gedenke. Harney ist über das Ziel der europäischen Bewegung vollständig im klaren und durchaus à la hauteur des principes <auf der Höhe der Prinzipien> obwohl er nichts von den deutschen Theorien über den wahren Sozialismus weiß. Ihm gebührt das Hauptverdienst in der Veranstaltung dieses kosmopolitischen Festes; er hat keine Mühe gescheut, die verschiedenen Nationalitäten zusammenzubringen, die Mißverständnisse zu beseitigen, die persönlichen Differenzen zu überwinden.</P>
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<P>Der von Harney ausgebrachte Toast lautete:</P>
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<SMALL><P>"Dem feierlichen Gedächtnis der aufrichtigen und tugendhaften französischen Republikaner von 1792. Möge die Gleichheit, die sie erstrebten, für die sie lebten, arbeiteten und starben, eine baldige Auferstehung in Frankreich erleben und ihr Reich über ganz Europa ausdehnen."</P>
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</SMALL><P>Harney, der mit doppelt und dreifach wiederholtem Beifall empfangen wurde, sagte:</P>
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<STRONG><SMALL><P><617></STRONG> "Es gab eine Zeit, wo eine Feier wie die gegenwärtige uns nicht nur der Verachtung, dem Hohn, dem Spott und der Verfolgung der privilegierten Klassen, sondern auch den Gewalttätigkeiten eines irregeleiteten und unwissenden Volks ausgesetzt haben würde - eines Volks, das nach den Lehren seiner Pfaffen und Herrscher die französische Revolution als etwas Schreckliches und Höllisches ansah, als etwas, worauf man mit Entsetzen zurückblickt, wovon man mit Abscheu spricht. Ihr werdet Euch erinnern - wenigstens die meisten von Euch - daß vor noch nicht langer Zeit, sowie hier in unsrem Vaterlande die Abschaffung eines schlechten oder die Erlassung eines guten Gesetzes gefordert wurde, sogleich das Geschrei über 'Jakobiner' sich erhob. Verlangte man die Reform des Parlaments, die Herabsetzung der Steuern, die nationale Erziehung oder irgend etwas anderes, das nach Fortschritt schmeckte, man konnte sicher sein, daß 'die französische Revolution', die 'Schreckensherrschaft' und der ganze Rest jener blutigen Phantasmagorie wieder heraufbeschworen und gebührend zur Schau gestellt wurde, um die großen Kinder in Hosen und mit Bärten zu schrecken, die noch nicht selbst denken gelernt hatten. (Heiterkeit und Beifall.) Diese Zeit ist vergangen; dennoch zweifle ich, ob wir schon gelernt haben, die Geschichte jener großen Revolution richtig zu lesen. Es würde sehr leicht für mich sein, bei Gelegenheit dieses Toastes einige verführerische Gefühle über Freiheit, Gleichheit und Menschenrechte, die Koalition der europäischen Könige und die Taten Pitts und Braunschweigs abzudeklamieren; ich könnte alles das des breiteren behandeln, vielleicht Beifall für eine äußerst freisinnig gehaltene Rede erhalten. und doch die wirkliche Frage gar nicht berühren. Die große wirkliche Frage, die die französische Revolution zu lösen hatte, war die <EM>Zerstörung der Ungleichheit </EM>und die Einführung von Institutionen, welche dem französischen Volk das Glück sichern würden, das die Massen zu allen Zeiten bis jetzt entbehrt haben. Wenn wir die in der Revolution aufgetretenen Charaktere nach diesem Prüfstein beurteilen, so werden wir sie leicht richtig würdigen. Nehmt z.B. Lafayette als einen Vertreter des Konstitutionalismus, und er ist vielleicht der honettste <ehrlichste> und beste Mann der ganzen Partei. Wenige Männer freuten sich größerer Popularität als Lafayette. In seiner Jugend ging er nach Amerika und beteiligte sich am amerikanischen Kampf gegen englische Tyrannei. Nach Erringung der amerikanischen Unabhängigkeit kehrte er nach Frankreich zurück, und bald darauf finden wir ihn als einen der Ersten in der Revolution, die jetzt in seinem eignen Lande anfing. Wiederum in seinem Alter, finden wir ihn als den populärsten Mann in Frankreich, wo er nach den drei Tagen zum wahren Diktator gemacht wird, Könige absetzt und ernennt mit einem einzigen Wort. Lafayette hat in Europa und Amerika mehr Volksgunst genossen als vielleicht irgendeiner seiner Zeitgenossen; und diese Volksgunst würde er verdient haben, wenn er in seiner spätern Aufführung seinem ersten revolutionären Auftreten treugeblieben wäre. Aber Lafayette war nie der Freund der Gleichheit. (Hört, hört!) Allerdings, gleich anfangs gab er seinen Titel auf, entsagte seinen Feudalvorrechten - und soweit war alles gut. An der Spitze der Nationalgarde stehend, das <STRONG><618></STRONG> Idol der Bourgeoisie, gebietend selbst über die Neigungen der Arbeiterklasse, galt er eine Zeitlang für den Vorkämpfer der Revolution. Aber er blieb stehen, als es Zeit war, vorwärts zu gehen. Das Volk fand bald, daß mit der Zerstörung der Bastille und der Abschaffung der Feudalprivilegien, mit der Demütigung des Königs und der Aristokratie nichts erreicht war als die Vergr&o
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</SMALL><P>Nachdem ein deutscher Kommunist <Josef Moll> die Marseillaise gesungen hatte, brachte Wilhelm Weitling den zweiten Toast aus: </P>
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<STRONG><SMALL><P><621></STRONG> "Dem jungen Europa. Mögen die Demokraten aller Nationen, von sich werfend die Eifersucht und Nationalantipathie der Vergangenheit, sich in einer brüderlichen Phalanx vereinigen zur Zerstörung der Tyrannei und zum allgemeinen Triumph der Gleichheit."</P>
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</SMALL><EM><P>Weitling, </EM>der mit vielem Enthusiasmus empfangen wurde, las - da er nicht flüssig englisch spricht - folgende Rede ab:</P>
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<SMALL><P>"Freunde! Diese Versammlung ist ein Zeugnis für jenes gemeinsame Gefühl, das die Brust jedes Menschen durchglüht, für das Gefühl der allgemeinen Brüderlichkeit. Ja! obwohl wir infolge unsrer Erziehung verschiedene Laute gebrauchen, um dies gemeinsame Gefühl einander mitzuteilen, obwohl der Austausch dieses Gefühls durch die Verschiedenheiten der Sprache gehemmt wird, obwohl Tausende von Vorurteilen von unsern gemeinsamen Gegnern vereinigt und angewandt werden, um ein besseres Verständnis, eine allgemeine Brüderlichkeit eher zu hindern als zu befördern - dennoch, trotz aller dieser Hindernisse, läßt sich dieses gewaltige, liebevolle Gefühl nicht ausrotten - (Beifall) - dies Gefühl, das den Leidenden zu seinem Leidensgenossen, den Kämpfer für einen besseren Zustand zu seinem Mitkämpfer hinzieht. (Beifall.) Auch jene waren unsre Mikämpfer, deren Revolution wir heute abend feiern; auch sie waren von denselben Sympathien belebt, die uns zusammenbringen und die uns vielleicht zu einem ähnlichen, und laßt uns hoffen, zu einem erfolgreicheren Kampfe führen werden. (Lauter Beifall.) - In Zeiten der Bewegung, wenn die Privilegien unsrer einheimischen Feinde große Gefahr laufen, bemühen diese sich, unsre Vorurteile über die Grenzen unsres natürlichen Vaterlandes hinauszuleiten und uns glauben zu machen, daß die Leute jenseits unsrem gemeinsamen Interesse feindselig sind. Welch ein Betrug! Wenn wir ruhig über die Sache nachdenken, so sehen wir sehr bald ein, daß unsre allernächsten Feinde unter uns selbst, in unsrer eignen Mitte sind. (Hört, hört, und Beifall.) Nicht den auswärtigen Feind haben wir zu fürchten - dieser arme Feind wird behandelt wie wir; wie wir muß er für Tausende von nichtsnutzigen Kerlen arbeiten; wie wir greift er zu den Waffen gegen irgendeine Gesellschaft von Menschen, weil er dazu gezwungen wird durch den Hunger und das Gesetz, dazu aufgereizt durch seine von Unwissenheit genährten Leidenschaften. Die Herrscher der Nationen sagen uns, unsre Brüder seien grausam und raubsüchtig; aber wer ist raubsüchtiger als die, die uns regieren, die uns in den Waffen unterrichten lassen, die um ihrer eignen Privilegien willen uns zum Kriege reizen und in den Krieg führen? (Beifall.) Ist es wirklich unser gemeinschaftliches Interesse, das den Krieg nötig macht? Ist es das Interesse der Schafe, von Wölfen angeführt, gegen andre, ebenfalls von Wölfen angeführte Schafe zu kämpfen? (Lauter Beifall.) Sie selbst sind unsre raubsüchtigsten Feinde; sie haben uns alles genommen, was unser war, um es in Vergnügungen und Liederlichkeit zu verschwenden. (Beifall.) Sie nehmen von uns, was unser ist, denn alles, was sie verschwenden, ist von uns produziert und sollte denen gehören, die es produzieren, ihren Weibern und Kindern, ihren Greisen und Kranken. (Lauter Beifall.) Aber seht, wie alles uns durch ihre schlauen Pfiffe gestohlen und für eine Rotte fauler Umsonstfresser aufgespart wird. (Beifall.) Ist es also möglich, durch <STRONG><622></STRONG> einen ausländischen Feind noch mehr beraubt zu werden, als durch unsre eignen Feinde zu Hause? Ist es denn noch möglich, daß unser Volk vom Ausländer noch mehr gemordet wird als durch unsre gefühllosen Geldmänner, die uns berauben durch ihr Börsenspiel, Geldschachern und Spekulieren, durch ihr Geldsystem und ihre Bankerotte, durch ihre Monopole, Kirchen- und Grundrenten, die uns durch alle diese Mittel der nötigsten Lebensbedürfnisse berauben und den Tod von Millionen unsrer arbeitenden Brüder verursachen, denen sie nicht einmal Kartoffeln genug lassen, um davon ihr Leben zu fristen! (Großer Beifall.) Ist es daher nicht hinreichend klar, daß diejenigen, die alles durch das Geld und nichts ohne Geld sind, die wahren Feinde der Arbeiter in allen Länder
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</SMALL><P>Dr. <EM>Berrier-Fontaine, </EM>ein alter Republikaner, der schon in den ersten Jahren der Bourgeoisieherrschaft in Paris in der Société des droits de l'homme <Gesellschaft für Menschenrechte> eine Rolle gespielt, 1834 in den Aprilprozeß verwickelt und aus Sainte-Pelagie mit den übrigen Angeklagten 1835 entwichen war (vergleiche Louis <STRONG><623></STRONG> Blanc's "Geschichte der 10 Jahre"), der später mit der weiteren Entwicklung der revolutionären Partei in Frankreich fortschritt und mit dem Père Cabet in freundschaftlicher Verbindung steht - Dr. Berrier-Fontaine trat nach Weitling auf. Er wurde mit stürmischem Applaus empfangen und sprach:</P>
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<SMALL><P>"Bürger! Meine Rede muß notwendig kurz sein, da ich nicht sehr gut englisch spreche. Es macht mir unaussprechliches Vergnügen zu sehen, daß die englischen Demokraten die französische Republik feiern. Ich bin von Herzen einverstanden mit den edlen Gefühlen, die Herr Julian Harney ausgesprochen hat. Ich versichere Euch, daß das französische Volk nicht daran denkt, das englische Volk als seinen Feind zu betrachten. Wenn einige französische Journalisten gegen die englische Regierung schreiben, so schreiben sie nicht gegen das englische Volk. Die Regierung Englands ist verhaßt in ganz Europa, weil sie nicht die Regierung des englischen Volks, sondern die der englischen Aristokratie ist. (Beifall.) Die französischen Demokraten, weit entfernt, die Feinde des englischen Volks zu sein, wünschen im Gegenteil mit ihm zu fraternisieren. (Lauter Beifall.) Die Republikaner Frankreichs fochten nicht allein für Frankreich, sondern für die ganze Menschheit; sie strebten die Gleichheit herzustellen und ihre Segnungen über die ganze Welt zu verbreiten. (Großer Beifall.) Sie erklärten die ganze Menschheit für ihre Brüder und stritten nur gegen die Aristokratien andrer Nationen. (Beifall.) Ich kann Euch versichern, Bürger, daß die Prinzipien der Gleichheit schon zu einem neuen Leben auferstanden sind. Der Kommunismus schreitet mit Riesenschritten durch ganz Frankreich vorwärts. Kommunistische Assoziationen breiten sich über das ganze Land aus, und ich hoffe, daß wir bald eine große Konföderation der Demokraten aller Nationen erleben werden, um den Triumph des republikanischen Kommunismus durch die ganze Länge und Breite Europas zu sichern." (Dr. Fontaine nahm seinen Sitz unter wiederholten Beifallsbezeugungen wieder ein.)</P>
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</SMALL><P>Nachdem der Toast auf das "junge Europa" mit drei schallenden cheers und "noch einem cheer" aufgenommen war, wurden noch Toaste auf Thomas Paine, die gefallenen Demokraten aller Länder, dann Englands, Schottlands und Irlands, auf die deportierten Chartisten Frost, Williams, Jones und Ellis, auf O'Connor, Duncombe und die übrigen Propagandisten der Charte, und schließlich drei cheers für den "Northern Star" ausgebracht; demokratische Lieder in allen Sprachen (nur die deutsche finde ich nicht erwähnt) wurden gesungen und das Fest im brüderlichsten Geiste beschlossen.</P>
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<P>Hier haben wir eine Versammlung von mehr als tausend Demokraten fast aller europäischen Nationen, die sich vereinigt hatten, ein anscheinend allem Kommunismus fremdes Ereignis, die Stiftung der französischen Republik zu feiern. Keine Verabredung war getroffen, um ein bestimmtes Publikum hinzubringen; nichts deutete an, daß etwas anderes ausgesprochen werden würde, als was die Londoner Chartisten unter Demokratie verstehen. Wir können <STRONG><624></STRONG> also wohl annehmen, daß die Majorität der Versammlung die Masse der Londoner chartistischen Proletarier ziemlich richtig repräsentierte. Und diese Versammlung nahm die kommunistischen Prinzipien, das Wort Kommunismus selbst mit einstimmigem Enthusiasmus auf. Das Chartistenmeeting war ein kommunistisches Fest, und wie die Engländer selbst zugeben, ist "ein solcher Enthusiasmus, wie er an jenem Abend herrschte, in London seit Jahren nicht gesehen worden".</P>
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<P>Habe ich recht, wenn ich sage, daß die Demokratie heutzutage der Kommunismus ist?</P>
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<P ALIGN="RIGHT">F. Engels</P></BODY>
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