emacs.d/clones/www.mlwerke.de/me/me17/me17_271.htm

73 lines
25 KiB
HTML
Raw Normal View History

2022-08-25 20:29:11 +02:00
<!DOCTYPE HTML PUBLIC "-//W3C//DTD HTML 3.2//EN">
<HTML>
<HEAD>
<TITLE>Karl Marx - Zweite Adresse des Generalrats &uuml;ber den Deutsch-Franz&ouml;sichen Krieg</TITLE>
<META HTTP-EQUIV="Content-Type" CONTENT="text/html; charset=ISO-8859-1">
</HEAD>
<BODY LINK="#0000ff" VLINK="#800080" BGCOLOR="#ffffaf">
<P ALIGN="CENTER"><A href="../default.htm">Zur&uuml;ck zum Gesamtverzeichnis Karl Marx/Friedrich Engels - Werke</A></P>
<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 17, 5. Auflage 1973, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 271-279.</P>
</FONT><H2>Karl Marx</H2>
<H1>Zweite Adresse des Generalrats<BR>
&uuml;ber den Deutsch-Franz&ouml;sischen Krieg</H1>
<FONT SIZE=2><P>Geschrieben zwischen dem 6. und 9. September 1870.<BR>
Nach: "Der B&uuml;rgerkrieg in Frankreich", dritte deutsche Auflage.</P>
</FONT><P><HR></P>
<I><P ALIGN="CENTER">An die Mitglieder der Internationalen Arbeiterassoziation <BR>
in Europa und den Vereinigten Staaten</P>
</I><B><P><A NAME="S271">|271|</A></B> In unserm ersten Manifest vom 23. Juli <A HREF="me17_003.htm#S5">sagten wir</A>:</P>
<P>"Die Totenglocke des zweiten Kaiserreichs hat bereits in Paris gel&auml;utet. Es wird enden, wie es begonnen: mit einer Parodie. Aber vergessen wir nicht, da&szlig; es die Regierungen und die herrschenden Klassen Europas waren, die es Louis Bonaparte erm&ouml;glichten, 18 Jahre lang die grausame Posse der <I>Restauration des Kaiserreichs </I>zu spielen."</P>
<P>Also schon bevor die Kriegsoperationen begonnen hatten, behandelten wir die bonapartistische Seifenblase als ein Ding der Vergangenheit.</P>
<P>Wir haben uns nicht &uuml;ber die Lebensf&auml;higkeit des zweiten Kaiserreichs get&auml;uscht. Wir hatten auch nicht unrecht in unsrer <A HREF="me17_003.htm#S6">Bef&uuml;rchtung</A>, der deutsche Krieg werde "seinen streng defensiven Charakter verlieren und in einen Krieg gegen das franz&ouml;sische Volk ausarten". Der Verteidigungskrieg endete in der Tat mit der Ergebung Louis-Napoleons, der Kapitulation von Sedan und der Proklamation der Republik in Paris. Aber schon lange vor diesen Ereignissen, schon in demselben Augenblick, wo die g&auml;nzliche F&auml;ulnis der bonapartistischen Waffen zur Gewi&szlig;heit wurde, entschlo&szlig; sich die preu&szlig;ische Milit&auml;rkamarilla zur Eroberung. <I>K&ouml;nig Wilhelms eigne Proklamation im Anfange des Kriegs </I>lag zwar als h&auml;&szlig;liches Hindernis in ihrem Weg. In seiner Thronrede an den Norddeutschen Reichstag hatte er feierlich erkl&auml;rt, Krieg zu f&uuml;hren nur gegen den Kaiser der Franzosen und nicht gegen das franz&ouml;sische Volk. Am 11. August hatte er ein Manifest an die franz&ouml;sische Nation erlassen, worin er sagte <A NAME="ZT1"><A HREF="me17_271.htm#T1">{1}</A></A>:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Der Kaiser Napoleon hat die deutsche Nation, die gew&uuml;nscht hat und noch immer w&uuml;nscht, mit dem franz&ouml;sischen Volk in Frieden zu leben, zu Wasser und zu Land <A NAME="S272"><B>|272|</A></B> angegriffen; ich habe den Befehl &uuml;ber die deutsche Armee &uuml;bernommen, <I>um seinen &Uuml;berfall zur&uuml;ckzuweisen</I>, und ich bin durch <I>milit&auml;rische Vorkommnisse </I>dahin gebracht worden, <I>die Grenzen Frankreichs zu &uuml;berschreiten</I>."</P>
</FONT><P>Nicht zufrieden damit, den "rein defensiven Charakter" des Kriegs zu behaupten durch die Angabe, da&szlig; er nur den Oberbefehl &uuml;ber die deutschen Armeen &uuml;bernommen, <I>"um &Uuml;berf&auml;lle zur&uuml;ckzuweisen"</I>, f&uuml;gte er noch bei, er sei nur "durch milit&auml;rische Vorkommnisse dahin gebracht", die Grenzen Frankreichs zu &uuml;berschreiten. Ein Verteidigungskrieg schlie&szlig;t nat&uuml;rlich Angriffsoperationen nicht aus, diktiert durch "milit&auml;rische Vorkommnisse".<A NAME="ZT2"><A HREF="me17_271.htm#T2">{2}</A></A></P>
<P>Demnach hatte also dieser gottesf&uuml;rchtige K&ouml;nig sich vor Frankreich und der Welt verpflichtet zu einem rein defensiven Krieg. Wie ihn befreien von diesem feierlichen Versprechen? Die B&uuml;hnenregisseure mu&szlig;ten ihn darstellen, als gebe er widerwillig einem unwiderstehlichen Gebot der deutschen Nation nach; der liberalen deutschen Mittelklasse mit ihren Professoren, ihren Kapitalisten, ihren Stadtverordneten, ihren Zeitungsm&auml;nnern gaben sie sofort das Stichwort. Diese Mittelklasse, welche in ihren K&auml;mpfen f&uuml;r die b&uuml;rgerliche Freiheit von 1846 - 1870 ein nie dagewesenes Schauspiel von Unschl&uuml;ssigkeit, Unf&auml;higkeit und Feigheit gegeben hat, war nat&uuml;rlich h&ouml;chlichst entz&uuml;ckt, die europ&auml;ische B&uuml;hne als br&uuml;llender L&ouml;we des deutschen Patriotismus zu beschreiten. Sie nahm den falschen Schein staatsb&uuml;rgerlicher Unabh&auml;ngigkeit an, um sich zu stellen, als zwinge sie der preu&szlig;ischen Regierung auf - was? die geheimen Pl&auml;ne eben dieser Regierung. Sie tat Bu&szlig;e f&uuml;r ihren jahrelangen und fast religi&ouml;sen Glauben an die Unfehlbarkeit Louis Bonapartes, indem sie laut die Zerst&uuml;ckelung der franz&ouml;sischen Republik forderte. H&ouml;ren wir nur einen Augenblick den plausiblen Vorw&auml;nden dieser kernhaften Patrioten zu!</P>
<P>Sie wagen nicht zu behaupten, da&szlig; sich das Volk von Elsa&szlig;-Lothringen nach deutscher Umarmung sehne: gerade das Gegenteil. Um seinen franz&ouml;sischen Patriotismus zu z&uuml;chtigen, wurde Stra&szlig;burg, eine Festung, beherrscht von einer selbst&auml;ndigen Zitadelle, sechs Tage lang zwecklos und barbarisch mit "deutschen" Explosivgeschossen bombardiert, in Brand gesetzt und eine gro&szlig;e Anzahl verteidigungsloser Einwohner get&ouml;tet. Jawohl! der Boden dieser Provinzen hatte vor langer Zeit dem l&auml;ngst verstorbnen deutschen Reich angeh&ouml;rt. Es scheint daher, da&szlig; das Erdreich und die Menschen, die darauf erwachsen sind, als unverj&auml;hrbares deutsches Eigentum konfisziert werden m&uuml;ssen. Soll die alte Karte von Europa einmal <A NAME="S273"><B>|273|</A></B> umgearbeitet werden nach dem historischen Recht, dann d&uuml;rfen wir auf keinen Fall vergessen, da&szlig; der Kurf&uuml;rst von Brandenburg seinerzeit f&uuml;r seine preu&szlig;ischen Besitzungen der Vasall der polnischen Republik war.</P>
<P>Die schlauen Patrioten jedoch verlangen Elsa&szlig; und Deutsch-Lothringen als eine "materielle Garantie" gegen franz&ouml;sische &Uuml;berf&auml;lle. Da dieser ver&auml;chtliche Vorwand viele schwachsinnige Leute verwirrt gemacht hat, f&uuml;hlen wir uns verpflichtet, n&auml;her darauf einzugehn.</P>
<P>Es ist unzweifelhaft, da&szlig; die allgemeine Gestaltung des Elsa&szlig;, zusammen mit der des gegen&uuml;berliegenden Rheinufers, und die Gegenwart einer gro&szlig;en Festung wie Stra&szlig;burg, ungef&auml;hr halbweg zwischen Basel und Germersheim, einen franz&ouml;sischen Einfall nach S&uuml;ddeutschland sehr beg&uuml;nstigt, w&auml;hrend sie einem Einfall von S&uuml;ddeutschland nach Frankreich eigent&uuml;mliche Schwierigkeiten entgegenstellt. Es ist ferner unzweifelhaft, da&szlig; die Annexion von Elsa&szlig; und Deutsch-Lothringen S&uuml;ddeutschland eine weit st&auml;rkere Grenze geben w&uuml;rde; es w&uuml;rde dann Herr sein &uuml;ber den Kamm der Vogesen in ihrer vollen L&auml;nge und &uuml;ber die Festungen, welche deren n&ouml;rdliche P&auml;sse decken. W&auml;re Metz auch annexiert, so w&uuml;rde Frankreich gewi&szlig; f&uuml;r den Augenblick zweier haupts&auml;chlicher Operationsbasen gegen Deutschland beraubt sein, aber das w&uuml;rde es nicht verhindern, neue bei Nancy oder Verdun zu errichten. Deutschland besitzt Koblenz, Mainz, Germersheim, Rastatt und Ulm, lauter Operationsbasen gegen Frankreich, und hat sich ihrer in diesem Kriege reichlich bedient; mit welchem Schein von Berechtigung k&ouml;nnte es den Franzosen Metz und Stra&szlig;burg mi&szlig;g&ouml;nnen, die einzigen beiden bedeutenden Festungen, die sie in jener Gegend besitzen?</P>
<P>&Uuml;berdies gef&auml;hrdet Stra&szlig;burg S&uuml;ddeutschland nur, solange dieses eine von Norddeutschland getrennte Macht ist. Von 1792 - 1795 wurde S&uuml;ddeutschland nie von dieser Seite angegriffen, weil Preu&szlig;en am Kriege gegen die franz&ouml;sische Revolution teilnahm; aber sobald als Preu&szlig;en 1795 seinen Separatfrieden machte und den S&uuml;den sich selbst &uuml;berlie&szlig;, begannen die Angriffe auf S&uuml;ddeutschland, von Stra&szlig;burg als Basis, und dauerten fort bis 1809. In Wirklichkeit kann ein <I>vereinigtes </I>Deutschland Stra&szlig;burg und jede franz&ouml;sische Armee im Elsa&szlig; unsch&auml;dlich machen, wenn es alle seine Truppen zwischen Saarlouis und Landau konzentriert, wie in diesem Krieg geschehn; und vorr&uuml;ckt oder eine Schlacht annimmt auf dem Wege von Mainz nach Metz. Solange die Hauptmasse der deutschen Truppen dort steht, ist jede von Stra&szlig;burg nach S&uuml;ddeutschland einr&uuml;ckende Armee umgangen und in ihren Verbindungen bedroht. Wenn der jetzige Feldzug irgend etwas gezeigt hat, so die Leichtigkeit, Frankreich von Deutschland aus anzugreifen.</P>
<B><P><A NAME="S274">|274|</A></B> Aber ehrlich gesprochen, ist es nicht &uuml;berhaupt eine Ungereimtheit und ein Anachronismus, wenn man milit&auml;rische R&uuml;cksichten zu dem Prinzipe erhebt, wonach die nationalen Grenzen bestimmt werden sollen? Wollten wir dieser Regel folgen, so h&auml;tte &Ouml;sterreich noch einen Anspruch auf Venetien und die Minciolinie und Frankreich auf die Rheinlinie, zum Schutz von Paris, welches sicherlich Angriffen von Nordosten mehr ausgesetzt ist als Berlin von S&uuml;dwesten. Wenn die Grenzen durch milit&auml;rische Interessen bestimmt werden sollen, werden die Anspr&uuml;che nie ein Ende nehmen, weil jede milit&auml;rische Linie notwendig fehlerhaft ist und durch Annexion von weiterm Gebiet verbessert werden kann; und &uuml;berdies kann sie nie endg&uuml;ltig und gerecht bestimmt werden, weil sie immer dem Besiegten vom Sieger aufgezwungen wird und folglich schon den Keim eines neuen Kriegs in sich f&uuml;hrt.</P>
<P>Das ist die Lehre aller Geschichte: Es ist mit Nationen wie mit einzelnen. Um ihnen die M&ouml;glichkeit des Angriffs zu entziehn, mu&szlig; man sie aller Verteidigungsmittel berauben. Man mu&szlig; sie nicht nur an der Kehle fassen, sondern auch t&ouml;ten. Wenn jemals ein Eroberer "materielle Garantien" nahm, um die Kr&auml;fte einer Nation zu brechen, so war es Napoleon I. durch seinen Vertrag von Tilsit und die Art und Weise, wie er ihn gegen Preu&szlig;en und das &uuml;brige Deutschland durchf&uuml;hrte. Und dennoch, einige Jahre sp&auml;ter brach seine gigantische Macht wie ein verfaultes Schilfrohr vor dem deutschen Volk. Was sind die "materiellen Garantien", die Preu&szlig;en in seinen wildesten Tr&auml;umen Frankreich aufzwingen kann oder darf, im Vergleich zu denen, welche Napoleon I. ihm selbst abzwang? Der Ausgang wird diesmal nicht weniger unheilvoll sein. Die Geschichte wird ihre Vergeltung bemessen nicht nach der Ausdehnung der von Frankreich abgerissenen Quadratmeilen, sondern nach der Gr&ouml;&szlig;e des Verbrechens, da&szlig; man in der zweiten H&auml;lfte des 19. Jahrhunderts die <I>Politik der Eroberungen </I>aufs neue ins Leben gerufen hat.</P>
<P>Die Wortf&uuml;hrer des deutscht&uuml;mlichen Patriotismus sagen: Aber ihr m&uuml;&szlig;t nicht die Deutschen mit den Franzosen verwechseln. <I>Wir </I>wollen nicht Ruhm, sondern Sicherheit. Die Deutschen sind ein wesentlich friedliebendes Volk. In ihrer besonnenen Obhut verwandelt sich sogar die Eroberung aus einer Ursache k&uuml;nftigen Kriegs in ein Pfand ewigen Friedens. Nat&uuml;rlich war es nicht Deutschland, welches 1792 in Frankreich einfiel mit dem erhabnen Zweck, die Revolution des 18. Jahrhunderts mit Bajonetten nieder zumachen! War es nicht Deutschland, welches seine H&auml;nde bei der Unterjochung Italiens, der Unterdr&uuml;ckung Ungarns und der Zerst&uuml;cklung Polens besudelte? Sein jetziges milit&auml;risches System, welches die ganze <A NAME="S275"><B>|275|</A></B> kr&auml;ftige m&auml;nnliche Bev&ouml;lkerung in zwei Teile teilt - eine stehende Armee im Dienst und eine andere stehende Armee im Urlaub -, beide gleichm&auml;&szlig;ig zu passivem Gehorsam gegen die Regenten von Gottes Gnaden verpflichtet, so ein milit&auml;risches System ist nat&uuml;rlich eine "materielle Garantie" des Weltfriedens und obendrein das h&ouml;chste Ziel der Zivilisation! In Deutschland, wie &uuml;berall, vergiften die H&ouml;flinge der bestehenden Gewalt die &ouml;ffentliche Meinung durch Weihrauch und l&uuml;genhaftes Selbstlob.</P>
<P>Sie scheinen indigniert beim Anblick der franz&ouml;sischen Festungen Metz und Stra&szlig;burg - diese deutschen Patrioten -, aber sie sehen kein Unrecht in dem ungeheuren System moskowitischer Befestigungen von Warschau, Modlin und Iwangorod. W&auml;hrend sie vor den Schrecken bonapartistischer Einf&auml;lle schaudern, schlie&szlig;en sie die Augen vor der Schande zarischer Schutzherrschaft.</P>
<P>Ganz wie 1865 zwischen Louis Bonaparte und Bismarck Versprechungen ausgewechselt worden, ebenso 1870 zwischen Gortschakow und Bismarck. Ganz wie Louis-Napoleon sich schmeichelte, da&szlig; der Krieg von 1866 durch gegenseitige Ersch&ouml;pfung &Ouml;sterreichs und Preu&szlig;ens ihn zum obersten Schiedsrichter &uuml;ber Deutschland machen werde, ebenso schmeichelte sich Alexander, der Krieg von 1870 werde ihn durch gegenseitige Ersch&ouml;pfung Deutschlands und Frankreichs zum obersten Schiedsrichter des europ&auml;ischen Westens erheben. Ganz wie das zweite Kaiserreich den Norddeutschen Bund unvereinbar mit seiner Existenz hielt, ganz so mu&szlig; das autokratische Ru&szlig;land sich gef&auml;hrdet glauben durch ein deutsches Reich mit preu&szlig;ischer F&uuml;hrerschaft. Das ist das Gesetz des alten politischen Systems. Innerhalb seines Bereichs ist der Gewinn des einen der Verlust des andern. Des Zaren &uuml;berwiegender Einflu&szlig; auf Europa wurzelt in seiner traditionellen Oberherrlichkeit &uuml;ber Deutschland. Im Augenblick, wo vulkanische soziale Kr&auml;fte in Ru&szlig;land selbst die tiefsten Grundlagen der Selbstherrschaft zu ersch&uuml;ttern drohn, kann sich da der Zar eine Schw&auml;chung seiner Stellung gegen&uuml;ber dem Ausland gefallen lassen? Schon wiederholen die Moskauer Bl&auml;tter dieselbe Sprache wie die bonapartistischen Zeitungen nach dem Kriege von 1866. Glauben die Deutscht&uuml;mler wirklich, da&szlig; Freiheit und Frieden <A NAME="ZT3"><A HREF="me17_271.htm#T3">{3}</A></A> Deutschlands gesichert sei, wenn sie Frankreich in die Arme Ru&szlig;lands hineinzwingen? Wenn das Gl&uuml;ck der Waffen, der &Uuml;bermut des Erfolgs und dynastische Intrigen Deutschland zu einem Raub an franz&ouml;sischem Gebiet verleiten, bleiben ihm nur zwei Wege offen. Entweder mu&szlig; es, was auch immer daraus folgt, der <I>offenkundige</I> <A NAME="S276"><B>|276|</A></B> Knecht russischer Vergr&ouml;&szlig;erung werden,<A NAME="ZT4"><A HREF="me17_271.htm#T4">{4}</A></A> oder aber es mu&szlig; sich nach kurzer Rast f&uuml;r einen neuen "defensiven" Krieg r&uuml;sten, nicht f&uuml;r einen jener neugebackenen "lokalisierten" Kriege, sondern zu einem <I>Racenkrieg </I>gegen die verb&uuml;ndeten Racen der Slawen und Romanen.<A NAME="ZT5"><A HREF="me17_271.htm#T5">{5}</A></A></P>
<P>Die deutsche Arbeiterklasse hat den Krieg, den zu hindern nicht in ihrer Macht stand, energisch unterst&uuml;tzt, als einen Krieg f&uuml;r Deutschlands Unabh&auml;ngigkeit und f&uuml;r die Befreiung Deutschlands und Europas von dem erdr&uuml;ckenden Alp des zweiten Kaiserreichs. Es waren die deutschen Industriearbeiter, welche mit den l&auml;ndlichen Arbeitern zusammen die Sehnen und Muskeln heldenhafter Heere lieferten, w&auml;hrend sie ihre halbverhungerten Familien zur&uuml;cklie&szlig;en. Dezimiert durch die Schlachten im Auslande, werden sie noch einmal dezimiert werden durch das Elend zu Hause.<A NAME="ZT6"><A HREF="me17_271.htm#T6">{6}</A></A> Sie verlangen nun ihrerseits "Garantien", Garantien, da&szlig; ihre ungeheuren Opfer nicht umsonst gebracht worden, da&szlig; sie die Freiheit erobert haben, da&szlig; die Siege, die sie &uuml;ber die bonapartistischen Armeen errungen, nicht in eine Niederlage des deutschen Volks verwandelt werden wie im Jahre 1815. Und als erste dieser Garantien verlangen sie "einen <I>ehrenvollen Frieden f&uuml;r Frankreich</I>" und <I>"die Anerkennung der franz&ouml;sischen Republik"</I>.</P>
<P>Der Zentralausschu&szlig; <A NAME="ZT7"><A HREF="me17_271.htm#T7">{7}</A></A> der deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei ver&ouml;ffentlichte am 5. September ein Manifest, worin er energisch auf diesen Garantien bestand.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Wir", sagte er, "wir protestieren gegen die Annexion von Elsa&szlig;-Lothringen. Und wir sind uns bewu&szlig;t, da&szlig; wir im Namen der deutschen Arbeiterklasse sprechen. Im gemeinsamen Interesse Frankreichs und Deutschlands, im Interesse des Friedens und der Freiheit, im Interesse der westlichen Zivilisation gegen orientalische Barbarei werden die deutschen Arbeiter die Annexion von Elsa&szlig;-Lothringen nicht geduldig ertragen ... Wir werden treu zu unsern Arbeiterkameraden aller L&auml;nder stehn f&uuml;r die gemeinsame internationale Sache des Proletariats!"</P>
</FONT><P>Ungl&uuml;cklicherweise k&ouml;nnen wir nicht auf ihren unmittelbaren Erfolg rechnen. Konnten die franz&ouml;sischen Arbeiter mitten im Frieden nicht den Angreifer zum Stehn bringen, haben da die deutschen Arbeiter mehr Aussicht, den Sieger aufzuhalten mitten im Waffenl&auml;rm? Das Manifest der <A NAME="S277"><B>|277|</A></B> deutschen Arbeiter verlangt die Auslieferung Louis Bonapartes, als eines gemeinen Verbrechers, an die franz&ouml;sische Republik. Ihre Herrscher geben sich alle M&uuml;he, ihn in den Tuilerien wieder einzusetzen als den besten Mann, um Frankreich zu ruinieren. Wie dem auch sein m&ouml;ge, die Geschichte wird zeigen, da&szlig; die deutschen Arbeiter nicht von demselben biegsamen Stoff gemacht sind wie die deutsche Mittelklasse. Sie werden ihre Pflicht tun.</P>
<P>Wie sie, begr&uuml;&szlig;en wir die Errichtung der Republik in Frankreich, aber zur selben Zeit m&uuml;hen wir uns mit Besorgnissen, die sich hoffentlich als grundlos erweisen. Diese Republik hat nicht den Thron umgeworfen, sondern nur seinen leeren Platz <A NAME="ZT8"><A HREF="me17_271.htm#T8">{8}</A></A> eingenommen. Sie ist nicht als eine soziale Errungenschaft proklamiert worden, sondern als eine nationale Verteidigungsma&szlig;regel. Sie ist in den H&auml;nden einer provisorischen Regierung, zusammengesetzt teils aus notorischen Orleanisten, teils aus Bourgeoisrepublikanern; und unter diesen sind einige, denen die Juni-Insurrektion von 1848 ihr unausl&ouml;schliches Brandmal hinterlassen hat. Die Teilung der Arbeit unter den Mitgliedern jener Regierung scheint wenig Gutes zu versprechen. Die Orleanisten haben sich der starken Stellungen bem&auml;chtigt - der Armee und der Polizei -, w&auml;hrend den angeblichen Republikanern die Schwatzposten zugeteilt sind. Einige ihrer ersten Handlungen beweisen ziemlich deutlich, da&szlig; sie vom Kaiserreich nicht nur einen Haufen Ruinen geerbt haben, sondern auch seine Furcht vor der Arbeiterklasse. Wenn jetzt in ma&szlig;losen Ausdr&uuml;cken unm&ouml;gliche Dinge im Namen der Republik versprochen werden, geschieht das nicht etwa, um den Ruf nach einer "m&ouml;glichen" Regierung hervorzulocken? Soll nicht etwa die Republik in den Augen der Bourgeois, die gerne ihre Leichenbestatter w&uuml;rden, nur als &Uuml;bergang dieser zu einer orleanistischen Restauration?</P>
<P>So findet sich die franz&ouml;sische Arbeiterklasse in &auml;u&szlig;erst schwierige Umst&auml;nde versetzt. Jeder Versuch, die neue Regierung zu st&uuml;rzen, wo der Feind fast schon an die Tore von Paris pocht, w&auml;re eine verzweifelte Torheit. Die franz&ouml;sischen Arbeiter m&uuml;ssen ihre Pflicht als B&uuml;rger tun <A NAME="ZT9"><A HREF="me17_271.htm#T9">{9}</A></A>, aber sie d&uuml;rfen sich nicht beherrschen lassen durch die nationalen Erinnerungen von 1792, wie die franz&ouml;sischen Bauern sich tr&uuml;gen lie&szlig;en durch die nationalen Erinnerungen des ersten Kaiserreichs. Sie haben nicht die Vergangenheit zu wiederholen, sondern die Zukunft aufzubauen. M&ouml;gen sie ruhig und entschlossen die Mittel ausnutzen, die ihnen die republikanische Freiheit gibt, um die Organisation ihrer eignen Klasse gr&uuml;ndlich durch- <A NAME="S278"><B>|278|</A></B> zuf&uuml;hren. Das wird ihnen neue, herkulische Kr&auml;fte geben f&uuml;r die Wiedergeburt Frankreichs und f&uuml;r unsre gemeinsame Aufgabe - die Befreiung des Proletariats. Von ihrer Kraft und Weisheit h&auml;ngt ab das Schicksal der Republik.</P>
<P>Die englischen Arbeiter haben bereits Schritte getan, um durch einen gesunden Druck von au&szlig;en den Widerwillen ihrer Regierung gegen die Anerkennung der franz&ouml;sischen Republik zu brechen. Dies heutige Zaudern der englischen Regierung soll wahrscheinlich den Antijakobinerkrieg von 1792 wiedergutmachen, ebenso wie die fr&uuml;here unanst&auml;ndige Eile, womit sie dem Staatsstreich ihre Zustimmung gab. Die englischen Arbeiter fordern au&szlig;erdem von ihrer Regierung, da&szlig; sie sich mit aller Macht der Zerst&uuml;cklung Frankreichs widersetze, nach welcher zu schreien ein Teil der englischen Presse schamlos genug ist <A NAME="ZT10"><A HREF="me17_271.htm#T10">{10}</A></A>. Es ist dies dieselbe Presse, die zwanzig Jahre lang Louis Bonaparte als die Vorsehung von Europa verg&ouml;ttert und der Rebellion der amerikanischen Sklavenhalter frenetischen Beifall zugeklatscht hat. Heute wie damals schanzt sie f&uuml;r den Sklavenhalter.</P>
<P>M&ouml;gen die Sektionen der <I>Internationalen Arbeiterassoziation </I>in allen L&auml;ndern die Arbeiterklasse zu t&auml;tiger Bewegung aufrufen. Vergessen die Arbeiter ihre Pflicht, bleiben sie passiv, so wird der jetzige furchtbare Krieg nur der Vorl&auml;ufer noch furchtbarerer internationaler K&auml;mpfe sein und wird in jedem Lande f&uuml;hren zu neuen Niederlagen der Arbeiter durch die Herren vom Degen, vom Grundbesitz und vom Kapital.</P>
<P ALIGN="CENTER">Vive la r&eacute;publique!</P>
<I><P>Der Generalrat</P>
<P>Robert Applegarth, Martin J. Boon, Fred. Bradnick, Caihil, John Hales, William Hales, George Harris, Fred. Le&szlig;ner, Lopatin, B. Lucraft, George Milner, Thomas Mottershead, Charles Murray, George Odger, James Parnell, Pf&auml;nder, R&uuml;hl, Joseph Shepherd, Cowell Stepney, Stoll, Schmutz</P>
<P>Korrespondierende Sekret&auml;re</P>
<P>Eug&egrave;ne Dupont</I>, f&uuml;r Frankreich<BR>
<I>Giovanni Bora</I>, f&uuml;r Italien<BR>
<I>Karl Marx</I>, f&uuml;r Deutschland und Ru&szlig;land<I><BR>
Z&eacute;vy Maurice</I>, f&uuml;r Ungarn<BR>
<I>Antoni Zabicki</I>, f&uuml;r Polen<BR>
<A NAME="S279"><B>|279|</A></B> <I>A. Serraillier</I>, f&uuml;r Belgien, Holland <BR>
<I>James Cohen</I>, f&uuml;r D&auml;nemark und Spanien<BR>
<I>J. G. Eccarius</I>, f&uuml;r die Vereinigten Staaten von Amerika<BR>
<I>Hermann Jung</I>, f&uuml;r die Schweiz</P>
<I><P>William Townshend</I>, Vorsitzender<BR>
<I>John Weston</I>, Schatzmeister<BR>
<I>J. George Eccarius</I>, Generalsekret&auml;r</P>
<P>B&uuml;ro: 256, High Holborn, London, W. C. <BR>
9. September 1870</P>
<P><HR></P>
<P>Textvarianten</P>
<P><A NAME="T1">{1}</A> (<I>1870</I>) fehlten dieser Satz und das Zitat aus dem Manifest K&ouml;nig Wilhelms <A HREF="me17_271.htm#ZT1">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="T2">{2}</A> (<I>1870</I>) fehlte dieser Absatz; der folgende bis einschlie&szlig;lich der Worte "der deutschen Nation nach" wurde 1870 gek&uuml;rzt wiedergegeben <A HREF="me17_271.htm#ZT2">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="T3">{3}</A> (<I>1870</I>) Unabh&auml;ngigkeit, Freiheit und Frieden <A HREF="me17_271.htm#ZT3">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="T4">{4}</A> (<I>1870</I>) folgt: eine Politik, die der Tradition der Hohenzollern entspricht <A HREF="me17_271.htm#ZT4">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="T5">{5}</A> (<I>1870</I>) folgt: Das ist die Friedensperspektive, welche die hirnkranken Patrioten der Mittelklasse Deutschland "garantieren". <A HREF="me17_271.htm#ZT5">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="T6">{6}</A> (<I>1870</I>) folgt: Und die patriotischen Schreier werden ihnen zum Trost sagen, da&szlig; das Kapital kein Vaterland hat und da&szlig; der Arbeitslohn geregelt ist durch das <I>unpatriotische internationale </I>Gesetz der Nachfrage und Zufuhr. Ist es daher nicht die h&ouml;chste Zeit, da&szlig; die deutsche Arbeiterklasse das Wort ergreift und den Herrn von der Mittelklasse nicht l&auml;nger erlaubt, <I>in ihrem Namen </I>zu sprechen. <A HREF="me17_271.htm#ZT6">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="T7">{7}</A> (<I>1870</I>) Ausschu&szlig; <A HREF="me17_271.htm#ZT7">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="T8">{8}</A> (<I>1870</I>) seinen durch deutsche Bajonette erledigten Platz <A HREF="me17_271.htm#ZT8">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="T9">{9}</A> (<I>1870</I>) folgt: und sie tun es <A HREF="me17_271.htm#ZT9">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="T10">{10}</A> (<I>1870</I>) lautet dieser Nebensatz: die nat&uuml;rlich von einem Teil der englischen Presse ganz so ger&auml;uschvoll bevorwortet wird, wie von den deutschen Patrioten <A HREF="me17_271.htm#ZT10">&lt;=</A></P>
</BODY>
</HTML>