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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<TITLE>Johannes R. Becher: Arbeiterf&uuml;hrer</TITLE>
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<big>Johannes R. Becher</big>
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<big>Arbeiterf&uuml;hrer</big>
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(Zuerst ver&ouml;ffentlicht in "Die hungrige Stadt", 2. Auflage, Berlin 1928)
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Aus der Tiefe kommend,
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Mit den Massen auf Du und Du,
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Selber den Arbeiterkittel tragend,
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Der Name hatte nichts zu bedeuten,
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War nichts weiter als ein Pfiff,
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Worauf man die Ohren spitzte -
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Auch ihnen wurde es vielleicht manchmal im Magen wund
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Vor der Sorge ums t&auml;gliche Brot,
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Auch sie wu&szlig;ten vielleicht manchmal nicht,
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Woher die Miete nehmen,
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Auch ihnen schrie vielleicht ein krankes Kind,
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Und eine Mutter lag da,
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L&ouml;cheriges Gesicht,
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Leblos - - -
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Auch sie waren vielleicht V&auml;ter und M&auml;nner,
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Krummgespannt vor Verzweiflung,
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Aufrechtgesch&uuml;ttelt wieder vor Emp&ouml;rung,
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Wu&szlig;ten nicht, wo ein, wo aus ...
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Aber sie kamen ins Rutschen eines Tags,
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Ins Rutschen nach oben -
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Glitten dahin,
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Wie einer, der in den Abgrund saust -
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Von Stufe zu Stufe,
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H&ouml;her, immer h&ouml;her - - -
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Sa&szlig;en zusammen mit Ministern an einem Tisch,
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Die legten ihnen die Hand auf die Schulter,
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Zwinkerten vertraulich,
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Tranken ihnen zu -
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Sa&szlig;en zusammen mit Polizeipr&auml;sident, Bankfachleuten,
Industriedirektoren -
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"Ganz verst&auml;ndige Menschen eigentlich, was -
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H&ouml;chst vern&uuml;nftige Leutchen -
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Haben sie uns immer anders vorgestellt,
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Damals, als wir noch - - -"
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Hatten Audienzen bei Kaiser und K&ouml;nigen,
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"Hurra!" riefen sie, katzbuckelten "Majest&auml;t",
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Schwangen den Zylinderhut "Hoch!" in wippenden Rhythmen.
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Da sch&auml;mten sie sich ihrer Proletarierfaust,
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Der schwieligen,
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St&uuml;lpten sich Glac&eacute;handschuhe &uuml;ber,
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Der Frack sa&szlig; tadellos,
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Auf festem Grund standen sie jetzt,
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Auf dem Parkettboden,
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Und drehten sich
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Und scharwenzelten mit vornehmen Damen,
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Da&szlig; es gar lieblich zu schauen war.
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Ihr Name prangte in den Zeitungen.
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"Ach Sie sind es, Herr Meyer, der ber&uuml;hmte - "
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&Uuml;berall wurde Herr Meyer erkannt, der Abgeordnete.
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Postkarten mit dem Bild des beliebten Abgeordneten
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Gab es in jedem gr&ouml;&szlig;eren Papiergesch&auml;ft zu kaufen -
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Alle "Illustrierten" waren voll davon.
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Sie lernten ihre Vergangenheit hassen.
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Sie taten alles gr&uuml;ndlich von sich ab, was noch nach Proleten roch,
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Sie zogen h&ouml;chst eigenh&auml;ndig unter ihre Vergangenheit einen Strich,
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Einen roten, blutigen Strich,
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Als sie ihre Zustimmung zur Abw&uuml;rgung des Streiks gaben,
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Bald darauf einen anderen Streik selbst abw&uuml;rgten
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Und den Befehl zum Feuern auf die Streikenden unterzeichneten.
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Burschen von schwerstem Kaliber wurden sie.
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Mit allen Wassern gewaschen,
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Mit allen Hunden gehetzt -
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Aalglatte Redner,
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Geriebene Versammlungsleiter -
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Schmierten jeden Tag ein halbes Dutzend Artikel,
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Auf Bestellung, gl&auml;nzendes Honorar -
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Eiserne Stirnen,
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Schwammige Backen,
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W&auml;sserige Fischaugen,
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Die ohne zu zucken sehen k&ouml;nnen,
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Wie Tausende, aber Tausende hungernder Proletarier
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Langsam in den Fabriken zu Tode gemetzelt werden - -
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Sie f&uuml;hlen sich keineswegs betroffen.
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Sie sind durch nichts aus der Ruhe zu bringen.
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"Immer kaltes Blut, Genosse!"
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Steigen ins Auto,
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Flitzen davon,
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Haben genug mit Konferenzen zu tun ...
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Strecken alle viere von sich
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An der Riviera oder in Tirol:
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Reichstagsferien.
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Lesen wo in der Zeitung
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Von einem Aufstand, von einem Sabotageakt
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Oder sonst was Gesetzwidrigem - -
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Da schie&szlig;t ihnen das Blut in den Kopf,
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Schaum zwischen den Lippen,
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Ballen die Faust:
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"An die Wand mit der Bande!
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Schlu&szlig; mit dem Gesindel!"
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- - -
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So sitzen sie, die Bonzen, im fetten Himmel:
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Zynisch l&auml;chelnd,
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Alles wissend,
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Nicht von Gewissensbissen oder Konflikten
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Angekr&auml;nkelt -
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Kerngesund.
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