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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<TITLE>Rosa Luxemburg - Die Krise der Sozialdemokratie - VIII</TITLE>
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<H2>Rosa Luxemburg - Die Krise der Sozialdemokratie</H2>
<H1><!-- #BeginEditable "%DCberschrift" -->VIII.<BR>
Kampf gegen den Imperialismus<!-- #EndEditable --></H1>
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<P>Trotz Milit&auml;rdiktatur und Pressezensur, trotz Versagens der Sozialdemokratie,
trotz bruderm&ouml;rderischen Kriegs steigt aus dem &raquo;Burgfrieden&laquo; mit Elementargewalt der Klassenkampf und aus den Blutd&auml;mpfen der Schlachtfelder
die internationale Solidarit&auml;t der Arbeiter empor. Nicht in den schw&auml;chlichen
Versuchen, die alte Internationale k&uuml;nstlich zu galvanisieren, nicht
in den Gel&ouml;bnissen, die bald hier, bald dort erneuert werden, nach
dem Kriege sofort wieder zusammenzustehen. Nein, jetzt im Kriege, aus dem
Kriege ersteht mit ganz neuer Macht und Wucht die Tatsache, da&szlig; die
Proletarier aller L&auml;nder ein und dieselben Interessen haben. Der Weltkrieg
widerlegt selbst die von ihm geschaffene T&auml;uschung.</P>
<P>Sieg oder Niederlage? So hei&szlig;t die Losung des herrschenden Militarismus
in jedem der kriegf&uuml;hrenden L&auml;nder, und so haben sie, wie ein
Echo, die sozialdemokratischen F&uuml;hrer &uuml;bernommen. Um Sieg oder
Niederlage auf dem Schlachtfelde soll es sich jetzt nur noch auch f&uuml;r
die Proletarier Deutschlands wie Frankreichs, Englands wie Ru&szlig;lands
handeln, genau so wie f&uuml;r die herrschenden Klassen dieser L&auml;nder.
Sobald die Kanonen donnern, soll jedes Proletariat am Siege des eigenen,
also an der Niederlage der anderen L&auml;nder interessiert sein. Sehen
wir zu, was ein Sieg dem Proletariat einbringen kann.
<P>Nach der von den F&uuml;hrern der Sozialdemokratie kritiklos &uuml;bernommenen
offiziellen Version bedeutet der Sieg f&uuml;r Deutschland die Aussicht
auf ungehinderten schrankenlosen wirtschaftlichen Aufschwung, die Niederlage
aber einen wirtschaftlichen Ruin. Diese Auffassung st&uuml;tzt sich ungef&auml;hr
auf das Schema des Krieges von 1870. Aber die kapitalistische Bl&uuml;te,
die in Deutschland dem Kriege von 1870 folgte, war nicht Folge des Krieges,
sondern der politischen Einigung, wenn auch nur in der verkr&uuml;ppelten
Gestalt des von Bismarck geschaffenen Deutschen Reiches. Der wirtschaftliche
Aufschwung ergab sich hier aus der Einigung trotz des Krieges und der mannigfachen
reaktion&auml;ren Hemmnisse in seinem Gefolge. Was der siegreiche Krieg
dazu aus eigenem tat, war die Befestigung der Milit&auml;rmonarchie in
Deutschland und des preu&szlig;ischen Junkerregiments, w&auml;hrend die
Niederlage Frankreich zur Liquidierung des Kaiserreichs und zur Republik
verholfen hat. Heute liegen aber die Dinge noch ganz anders in allen beteiligten
Staaten. Heute funktioniert der Krieg nicht als eine dynamische Methode,
dem aufkommenden jungen Kapitalismus zu den unentbehrlichsten politischen
Voraussetzungen seiner &raquo;nationalen&laquo; Entfaltung zu verhelfen.
Diesen Charakter tr&auml;gt der Krieg h&ouml;chstens, und auch nur als
isoliertes Fragment betrachtet, in Serbien. Auf seinen objektiven historischen
Sinn reduziert, ist der heutige Weltkrieg als Ganzes ein Konkurrenzkampf
des bereits zur vollen Bl&uuml;te entfalteten Kapitalismus um die Weltherrschaft,
um die Ausbeutung der letzten Reste der nichtkapitalistischen Weltzonen.
Daraus ergibt sich ein g&auml;nzlich ver&auml;nderter Charakter des Krieges
selbst und seiner Wirkungen. Der hohe Grad der weltwirtschaftlichen Entwicklung
der kapitalistischen Produktion &auml;u&szlig;ert sich hier sowohl in der
au&szlig;erordentlich hohen Technik, das hei&szlig;t Vernichtungskraft
der Kriegsmittel, wie in ihrer ann&auml;hernd ganz gleichen H&ouml;he bei
allen kriegf&uuml;hrenden L&auml;ndern. Die internationale Organisation
der Mordwerkindustrien spiegelt sich jetzt in dem milit&auml;rischen Gleichgewicht,
das sich mitten durch partielle Entscheidungen und Schwankungen der Waagschalen
immer wieder herstellt und eine allgemeine Entscheidung immer wieder hinausschiebt.
Die Unentschiedenheit der milit&auml;rischen Kriegsergebnisse f&uuml;hrt
ihrerseits dazu, da&szlig; immer neue Reserven sowohl an Bev&ouml;lkerungsmassen
der Kriegf&uuml;hrenden wie an bisher neutralen L&auml;ndern ins Feuer
geschickt werden. An imperialistischen Gel&uuml;sten und Gegens&auml;tzen
findet der Krieg &uuml;berall aufgeh&auml;uftes Material, schafft selbst
neues herbei und breitet sich so wie ein Steppenbrand aus. Je gewaltigere
Massen aber und je mehr L&auml;nder auf allen Seiten in den Weltkrieg gezerrt
werden, um so mehr wird seine Dauer hinausgezogen. All das zusammen ergibt
als die Wirkung des Krieges noch vor jeder milit&auml;rischen Entscheidung
&uuml;ber Sieg oder Niederlage ein in den fr&uuml;heren Kriegen der Neuzeit
unbekanntes Ph&auml;nomen: den wirtschaftlichen Ruin aller beteiligten
und in immer h&ouml;herem Ma&szlig;e auch der formell unbeteiligten L&auml;nder.
Jeder weitere Monat der Dauer des Krieges befestigt und steigert dieses
Ergebnis und nimmt so vorweg die erwarteten Fr&uuml;chte des milit&auml;rischen
Erfolges auf ein Jahrzehnt hinaus. An diesem Ergebnis kann weder Sieg noch
Niederlage in letzter Rechnung etwas &auml;ndern, es macht umgekehrt die
rein milit&auml;rische Entscheidung &uuml;berhaupt zweifelhaft und f&uuml;hrt
mit immer gr&ouml;&szlig;erer Wahrscheinlichkeit zur schlie&szlig;lichen
Beendigung des Krieges durch &auml;u&szlig;erste allseitige Ersch&ouml;pfung.
Unter diesen Umst&auml;nden w&uuml;rde aber auch ein siegreiches Deutschland
&shy; selbst wenn es seinen imperialistischen Kriegshetzern gelingen sollte,
den Massenmord bis zur v&ouml;lligen Niederschlagung aller Gegner zu f&uuml;hren,
und wenn diese k&uuml;hnen Tr&auml;ume je in Erf&uuml;llung gehen sollten
&shy; nur einen Pyrrhussieg davontragen. Seine Troph&auml;en w&auml;ren:
einige auf den Bettelstab gebrachte entv&ouml;lkerte Annexionsgebiete und
ein grinsender Ruin unter eigenem Dache, der sich sofort zeigen wird, wenn
die gemalte Kulisse der Finanzwirtschaft mit Kriegsanleihen und die Potemkinschen
D&ouml;rfer des durch Kriegslieferungen in Betrieb gehaltenen &raquo;unersch&uuml;tterlichen Volkswohlstandes&laquo; auf die Seite geschoben werden. Da&szlig; auch der
siegreichste Staat heute an keine Kriegsentsch&auml;digung denken kann,
die im entferntesten die durch diesen Krieg geschlagenen Wunden zu heilen
imstande w&auml;re, ist f&uuml;r den oberfl&auml;chlichsten Beobachter
klar. Einen Ersatz daf&uuml;r und eine Erg&auml;nzung des &raquo;Sieges&laquo; w&uuml;rde der vielleicht noch etwas gr&ouml;&szlig;ere &ouml;konomische
Ruin der besiegten Gegenseite: Frankreichs und Englands bieten, das hei&szlig;t
derjenigen L&auml;nder, mit denen Deutschland durch wirtschaftliche Beziehungen
am engsten verkn&uuml;pft, von deren Wohlstand sein eigenes Wiederaufbl&uuml;hen
am meisten abh&auml;ngig ist. Das ist der Rahmen, in dem es sich f&uuml;r
das deutsche Volk nach dem Kriege &shy; wohlgemerkt nach einem &raquo;siegreichen&laquo; Kriege &shy;, darum handeln w&uuml;rde, die auf Vorschu&szlig; von der
patriotischen Volksvertretung &raquo;bewilligten&laquo; Kriegskosten nachtr&auml;glich
in Wirklichkeit zu decken, das hei&szlig;t eine unerme&szlig;liche Last
von Steuern zusammen mit der erstarkten milit&auml;rischen Reaktion als
die einzige bleibende, greifbare Frucht des &raquo;Sieges&laquo; auf seine
Schultern zu nehmen.</P>
<P>Sucht man sich nun die schlimmsten Ergebnisse einer Niederlage vorzustellen,
so sind sie &shy; ausgenommen die imperialistischen Annexionen -, Zug um
Zug demselben Bilde &auml;hnlich, das sich als unabweisbare Konsequenz
aus dem Sieg ergab: die Wirkungen der Kriegf&uuml;hrung selbst sind
heute so tiefgreifender und weittragender Natur, da&szlig; an ihnen der
milit&auml;rische Ausgang nur wenig zu &auml;ndern imstande ist.</P>
<P>Doch nehmen wir f&uuml;r einen Augenblick an, der siegreiche Staat verst&auml;nde
dennoch, den gr&ouml;&szlig;eren Ruin von sich ab- und dem besiegten Gegner
aufzuw&auml;lzen, dessen wirtschaftliche Entwicklung durch allerlei Hemmnisse
einzuschn&uuml;ren. Kann die deutsche Arbeiterklasse in ihrem gewerkschaftlichen
Kampf nach dem Kriege erfolgreich vorw&auml;rts kommen, wenn die gewerkschaftliche
Aktion der franz&ouml;sischen, englischen, belgischen, italienischen Arbeiter
durch wirtschaftlichen R&uuml;ckgang unterbunden wird? Bis 1870 schritt
noch die Arbeiterbewegung in jedem Lande f&uuml;r sich, ja, in einzelnen
St&auml;dten fielen ihre Entscheidungen. Es war Paris, auf dessen Pflaster
die Schlachten des Proletariats geschlagen und entschieden wurden. Die
heutige Arbeiterbewegung, ihr m&uuml;hsamer wirtschaftlicher Tageskampf,
ihre Massenorganisation sind auf Zusammenwirkung aller L&auml;nder der
kapitalistischen Produktion basiert. Gilt der Satz, da&szlig; nur auf dem
Boden eines gesunden, kr&auml;ftig pulsierenden wirtschaftlichen Lebens
die Sache der Arbeiter gedeihen kann, dann gilt er nicht blo&szlig; f&uuml;r
Deutschland, sondern auch f&uuml;r Frankreich, England, Belgien, Ru&szlig;land,
Italien. Und stagniert die Arbeiterbewegung in allen kapitalistischen Staaten
Europas, bestehen dort niedrige L&ouml;hne, schwache Gewerkschaften, geringe
Widerstandskraft der Ausgebeuteten, dann kann die Gewerkschaftsbewegung
unm&ouml;glich in Deutschland bl&uuml;hen. Von diesem Standpunkte aus ist
es f&uuml;r die Lage des Proletariats in seinem wirtschaftlichen Kampfe
in letzter Rechnung genau derselbe Verlust, wenn der deutsche Kapitalismus
auf Kosten des franz&ouml;sischen oder der englische auf Kosten des deutschen
gekr&auml;ftigt wird.</P>
<P>Wenden wir uns aber an die politischen Ergebnisse des Krieges. Hier
d&uuml;rfte die Unterscheidung leichter sein als auf dem &ouml;konomischen
Gebiete. Seit jeher wandten sich die Sympathien und die Parteinahme der
Sozialisten derjenigen kriegf&uuml;hrenden Seite zu, die den historischen
Fortschritt gegen die Reaktion verfocht. Welche Seite vertritt in dem heutigen
Weltkriege den Fortschritt und welche die Reaktion? Es ist klar, da&szlig;
diese Frage nicht nach den &auml;u&szlig;erlichen Merkmalen der kriegf&uuml;hrenden
Staaten, wie &raquo;Demokratie&laquo; oder &raquo;Absolutismus&laquo; beurteilt
werden kann, sondern lediglich nach den objektiven Tendenzen der von jeder
Seite vertretenen weltpolitischen Stellung. Ehe wir beurteilen k&ouml;nnen,
was ein deutscher Sieg dem deutschen Proletariat eintragen kann, m&uuml;ssen
wir ins Auge fassen, wie er auf die Gesamtgestaltung der politischen Verh&auml;ltnisse
Europas einwirken w&uuml;rde. Der entschiedene Sieg Deutschlands w&uuml;rde
als n&auml;chstes Ergebnis die Annexion Belgiens sowie m&ouml;glicherweise
noch einiger Landstriche im Osten und Westen und eines Teils der franz&ouml;sischen
Kolonien herbeif&uuml;hren, zugleich die Erhaltung der habsburgischen Monarchie
und ihre Bereicherung um neue Gebiete, endlich die Erhaltung einer fiktiven &raquo;Integrit&auml;t&laquo; der T&uuml;rkei unter deutschem Protektorat,
d. h. gleichzeitige Verwandlung Kleinasiens und Mesopotamiens in dieser oder
jener Form faktisch in deutsche Provinzen. Im weiteren Ergebnis
w&uuml;rde daraus die tats&auml;chliche milit&auml;rische und &ouml;konomische
Hegemonie Deutschlands in Europa erfolgen. Alle diese Resultate eines durchgreifenden
milit&auml;rischen Sieges Deutschlands sind nicht etwa deshalb zu gew&auml;rtigen,
weil sie den W&uuml;nschen imperialistischer Schreier im heutigen Kriege
entsprechen, sondern weil sie sich als ganz unvermeidliche Konsequenzen
aus der einmal eingenommenen weltpolitischen Position Deutschlands ergeben,
aus den Gegens&auml;tzen zu England, Frankreich und Ru&szlig;land, in die
sich Deutschland hineingerannt und die sich im Laufe des Krieges selbst
&uuml;ber ihre anf&auml;nglichen Dimensionen ungeheuer hinausgewachsen
haben. Es gen&uuml;gt jedoch, sich diese Resultate zu vergegenw&auml;rtigen,
um einzusehen, da&szlig; sie unter keinen Umst&auml;nden ein irgendwie
haltbares weltpolitisches Gleichgewicht ergeben w&uuml;rden. Wie sehr auch
der Krieg f&uuml;r alle Beteiligten und vielleicht noch mehr f&uuml;r die
Besiegten einen Ruin bedeuten mag, die Vorbereitungen zu einem neuen Weltkriege
unter Englands F&uuml;hrung w&uuml;rden am anderen Tage nach dem Friedensschlu&szlig;
beginnen, um das Joch des preu&szlig;isch-deutschen Militarismus, das auf
Europa und Vorderasien lasten w&uuml;rde, abzusch&uuml;tteln. Ein Sieg
Deutschlands w&auml;re somit nur ein Vorspiel zum alsbaldigen zweiten Weltkrieg
und dadurch nur ein Signal zu neuen fieberhaften milit&auml;rischen R&uuml;stungen
sowie zur Entfesselung der schw&auml;rzesten Reaktion in allen L&auml;ndern,
aber in erster Linie in Deutschland selbst. Auf der anderen Seite f&uuml;hrt
der Sieg Englands und Frankreichs f&uuml;r Deutschland h&ouml;chstwahrscheinlich
zum Verlust wenigstens eines Teiles der Kolonien sowie der Reichslande
und ganz sicher zum Bankrott der weltpolitischen Stellung des deutschen
Imperialismus. Das bedeutet aber: die Zerst&uuml;ckelung &Ouml;sterreich-Ungarns
und die g&auml;nzliche Liquidierung der T&uuml;rkei. So erzreaktion&auml;re
Gebilde nun beide Staaten sind und so sehr ihr Zerfall an sich den Anforderungen
der fortschrittlichen Entwicklung entspricht, in dem heutigen konkreten
weltpolitischen Milieu k&ouml;nnte der Zerfall der habsburgischen Monarchie
wie der T&uuml;rkei auf nichts anderes hinauslaufen als auf die Verschacherung
ihrer L&auml;nder und V&ouml;lker an Ru&szlig;land, England, Frankreich
und Italien. An diese grandiose Weltumteilung und Machtverschiebung am
Balkan und am Mittelmeer w&uuml;rde sich aber eine weitere in Asien: die
Liquidierung Persiens und eine neue Zerst&uuml;ckelung Chinas unaufhaltsam
anschlie&szlig;en. Damit r&uuml;ckt der englisch-russische sowie der englisch-japanische
Gegensatz in den Vordergrund der Weltpolitik, was vielleicht schon im unmittelbaren
Anschlu&szlig; an die Liquidierung des heutigen Weltkrieges einen neuen
Weltkrieg etwa um Konstantinopel nach sich ziehen, ihn jedenfalls zur unausweichlichen
weiteren Perspektive machen w&uuml;rde. Auch von dieser Seite f&uuml;hrt
der Sieg also dazu, neue fieberhafte R&uuml;stungen in allen Staaten &shy;
das besiegte Deutschland selbstverst&auml;ndlich mit an der Spitze -, und
damit eine &Auml;ra der ungeteilten Herrschaft des Militarismus und der
Reaktion in ganz Europa vorzubereiten, mit einem neuen Weltkrieg als Endziel.</P>
<P>So ist die proletarische Politik, wenn sie vom Standpunkte des Fortschritts
und der Demokratie f&uuml;r die eine oder die andere Seite im heutigen
Kriege Partei ergreifen sollte, die Weltpolitik und ihre weiteren Perspektiven
im ganzen genommen, zwischen der Szylla und der Charybdis eingeschlossen,
und die Frage: Sieg oder Niederlage kommt unter diesen Umst&auml;nden f&uuml;r
die europ&auml;ische Arbeiterklasse in politischer genau wie in &ouml;konomischer
Beziehung auf die hoffnungslose Wahl zwischen zwei Trachten Pr&uuml;gel
hinaus. Es ist deshalb nichts als ein verh&auml;ngnisvoller Wahn, wenn
die franz&ouml;sischen Sozialisten vermeinen, durch milit&auml;rische Niederwerfung
Deutschlands dem Militarismus oder gar dem Imperialismus aufs Haupt zu
schlagen und der friedlichen Demokratie die Bahn in der Welt zu brechen.
Der Imperialismus und in seinem Dienste der Militarismus kommen vielmehr
bei jedem Siege und bei jeder Niederlage in diesem Kriege vollauf auf ihre
Rechnung, ausgenommen den einzigen Fall: wenn das internationale Proletariat
durch seine revolution&auml;re Intervention einen dicken Strich durch jene
Rechnung macht.</P>
<P>Die wichtigste Lehre f&uuml;r die Politik des Proletariats aus dem heutigen
Kriege ist deshalb die unersch&uuml;tterliche Tatsache, da&szlig; es sich
weder in Deutschland noch in Frankreich, weder in England noch in Ru&szlig;land
zum kritiklosen Echo der Losung: <B>Sieg oder Niederlage</B> machen darf,
einer Losung, die einzig vom Standpunkte des Imperialismus realen Gehalt
hat und f&uuml;r jeden Gro&szlig;staat mit der Frage: Erwerb oder Verlust
der weltpolitischen Machtstellung, der Annexionen, Kolonien und der milit&auml;rischen
Vorherrschaft identisch ist. F&uuml;r das europ&auml;ische Proletariat
im ganzen sind heute von seinem Klassenstandpunkt Sieg und Niederlage jedes
der kriegf&uuml;hrenden Lager gleich verh&auml;ngnisvoll. Es ist eben der
<B>Krieg</B> als solcher und bei jedem milit&auml;rischen Ausgang, der
die denkbar gr&ouml;&szlig;te Niederlage f&uuml;r das europ&auml;ische
Proletariat bedeutet, es ist die Niederk&auml;mpfung des Krieges und die
schleunigste Erzwingung des Friedens durch die internationale Kampfaktion
des Proletariats, die den einzigen Sieg f&uuml;r die proletarische Sache
bringen kann. Und dieser Sieg allein kann zugleich die wirkliche Rettung
Belgiens wie der Demokratie in Europa bewirken. </P>
<P>In dem heutigen Kriege kann das klassenbewu&szlig;te Proletariat mit
keinem milit&auml;rischen Lager seine Sache identifizieren. Folgt etwa
daraus, da&szlig; die proletarische Politik heute das Festhalten am status
quo erfordert, da&szlig; wir kein anderes Aktionsprogramm haben als den
Wunsch: alles soll beim alten bleiben, wie es vor dem Kriege war? Aber
der bestehende Zustand ist nie unser Ideal, er ist nie der Ausdruck der
Selbstbestimmung der V&ouml;lker gewesen Noch mehr: der fr&uuml;here Zustand
l&auml;&szlig;t sich gar nicht mehr retten, er existiert nicht mehr, selbst
wenn die bisherigen Staatsgrenzen bestehen blieben. Der Krieg hat schon
vor der formalen Liquidation seiner Ergebnisse eine gewaltige Verschiebung
der Machtverh&auml;ltnisse, der gegenseitigen Kr&auml;fteeinsch&auml;tzung,
der B&uuml;ndnisse und der Gegens&auml;tze gebracht, er hat die Beziehungen
der Staaten zueinander und der Klassen innerhalb
der Gesellschaft einer so scharfen Revision unterzogen, soviel alte Illusionen
und Potenzen vernichtet, soviel neuen Drang und neue Aufgaben geschaffen,
da&szlig; die R&uuml;ckkehr zum alten Europa, wie es vor dem 4. August 1914
war, ganz so ausgeschlossen ist wie die R&uuml;ckkehr zu vorrevolution&auml;ren
Verh&auml;ltnissen auch nach einer niedergeschlagenen Revolution. Die Politik
des Proletariats kennt auch nie ein &raquo;Zur&uuml;ck&laquo;, sie kann nur
vorw&auml;rts streben, sie mu&szlig; immer &uuml;ber das Bestehende und das
Neugeschaffene hinausgehen. In diesem Sinne allein vermag sie beiden Lagern des
imperialistischen Weltkrieges ihre eigene Politik entgegenzustellen.</P>
<P>Aber diese Politik kann nicht darin bestehen, da&szlig; die sozialdemokratischen
Parteien jede f&uuml;r sich oder gemeinsam auf internationalen Konferenzen
um die Wette Projekte machen und Rezepte f&uuml;r die b&uuml;rgerliche
Diplomatie auskl&uuml;geln, wie diese den Frieden schlie&szlig;en soll,
um die weitere friedliche und demokratische Entwicklung zu erm&ouml;glichen.
Alle Forderungen, die etwa auf die v&ouml;llige oder st&uuml;ckweise &raquo;Abr&uuml;stung&laquo;,
auf die Abschaffung der Geheimdiplomatie, auf Zerschlagung aller Gro&szlig;staaten
in nationale Kleinstaaten und dergleichen mehr hinauslaufen, sind samt
und sonders v&ouml;llig utopisch, solange die kapitalistische Klassenherrschaft
das Heft in den H&auml;nden beh&auml;lt. Diese kann zumal unter dem jetzigen
imperialistischen Kurs so wenig auf den heutigen Militarismus, auf die
Geheimdiplomatie, auf den zentralistischen gemischtnationalen Gro&szlig;staat
verzichten, da&szlig; die betreffenden Postulate eigentlich mit mehr Konsequenz
allesamt auf die glatte &raquo;Forderung&laquo; hinauslaufen: Abschaffung
des kapitalistischen Klassenstaates. Nicht mit utopischen Ratschl&auml;gen
und Projekten, wie der Imperialismus im Rahmen des b&uuml;rgerlichen Staates
durch partielle Reformen zu mildern, zu z&auml;hmen, zu d&auml;mpfen w&auml;re,
kann die proletarische Politik sich wieder den ihr geb&uuml;hrenden Platz
erobern. Das eigentliche Problem, das der Weltkrieg vor die sozialistischen
Parteien gestellt hat und von dessen L&ouml;sung die weiteren Schicksale
der Arbeiterbewegung abh&auml;ngen, das ist <B>die Aktionsf&auml;higkeit
der proletarischen Massen im Kampfe gegen den Imperialismus</B>. Nicht
an Postulaten, Programmen, Losungen fehlt es dem internationalen Proletariat,
sondern an Taten, an wirksamem Widerstand, an der F&auml;higkeit, den Imperialismus
im entscheidenden Moment gerade im Kriege anzugreifen und die alte Losung &raquo;Krieg dem Kriege&laquo; in die Praxis umzusetzen. Hier ist der Rhodus,
wo es zu springen gilt, hier der Knotenpunkt der proletarischen Politik
und ihrer ferneren Zukunft.</P>
<P>Der Imperialismus mit all seiner brutalen Gewaltpolitik und Kette unaufh&ouml;rlicher
sozialer Katastrophen, die er provoziert, ist freilich f&uuml;r die herrschenden
Klassen der heutigen kapitalistischen Welt eine historische Notwendigkeit.
Nichts w&auml;re verh&auml;ngnisvoller, als wenn sich das Proletariat selbst
aus dem jetzigen Weltkriege die geringste Illusion und Hoffnung auf die
M&ouml;glichkeit einer idyllischen und friedlichen Weiterentwicklung des
Kapitalismus retten w&uuml;rde. Aber der Schlu&szlig;, der aus der geschichtlichen
Notwendigkeit des Imperialismus f&uuml;r die proletarische Politik folgt,
ist nicht, da&szlig; sie vor dem Imperialismus kapitulieren mu&szlig;,
um sich fortab in seinem Schatten vom Gnadenknochen seiner Siege zu n&auml;hren.</P>
<P>Die geschichtliche Dialektik bewegt sich eben in Widerspr&uuml;chen
und setzt auf jede Notwendigkeit auch ihr Gegenteil in die Welt. Die b&uuml;rgerliche
Klassenherrschaft ist zweifellos eine historische Notwendigkeit, aber auch
der Aufruhr der Arbeiterklasse gegen sie; das Kapital ist eine historische
Notwendigkeit, aber auch sein Totengr&auml;ber, der sozialistische Proletarier;
die Weltherrschaft des Imperialismus ist eine historische Notwendigkeit,
aber auch ihr Sturz durch die proletarische Internationale. Auf Schritt
und Tritt gibt es zwei historische Notwendigkeiten, die zueinander in Widerstreit
geraten, und die unsrige, die Notwendigkeit des Sozialismus, hat einen
l&auml;ngeren Atem. Unsere Notwendigkeit tritt in ihr volles Recht mit
dem Moment, wo jene andere, die b&uuml;rgerliche Klassenherrschaft, aufh&ouml;rt,
Tr&auml;gerin des geschichtlichen Fortschritts zu sein, wo sie zum Hemmschuh,
zur Gefahr f&uuml;r die weitere Entwicklung der Gesellschaft wird. Dies
hat f&uuml;r die kapitalistische Gesellschaftsordnung gerade der heutige
Weltkrieg enth&uuml;llt. </P>
<P>Der imperialistische Expansionsdrang des Kapitalismus als der Ausdruck
seiner h&ouml;chsten Reife, seines letzten Lebensabschnitts, hat zur &ouml;konomischen
Tendenz, die gesamte Welt in eine kapitalistisch produzierende zu verwandeln,
alle veralteten, vorkapitalistischen Produktions- und Gesellschaftsformen
wegzufegen, alle Reicht&uuml;mer der Erde und alle Produktionsmittel zum
Kapital, die arbeitenden Volksmassen aller Zonen zu Lohnsklaven zu machen.
In Afrika und Asien, vom n&ouml;rdlichsten Gestade bis zur S&uuml;dspitze
Amerikas und in der S&uuml;dsee werden die &Uuml;berreste alter urkommunistischer
Verb&auml;nde, feudaler Herrschaftsverh&auml;ltnisse, patriarchalischer
Bauernwirtschaften, uralter Handwerksproduktionen vom Kapital vernichtet,
zerstampft, ganze V&ouml;lker aus gerottet, uralte Kulturen dem Erdboden
gleichgemacht, um an ihre Stelle die Profitmacherei in modernster Form
zu setzen. Dieser brutale Siegeszug des Kapitals in der Welt, gebahnt und
begleitet durch alle Mittel der Gewalt, des Raubes und der Infamie hatte
eine Lichtseite: er schuf die Vorbedingungen zu seinem eigenen endg&uuml;ltigen
Untergang, er stellte die kapitalistische Weltherrschaft her, auf die allein
die sozialistische Weltrevolution folgen kann. Dies war die einzige kulturelle
und fortschrittliche Seite seiner sogenannten gro&szlig;en Kulturwerke
in den primitiven L&auml;ndern. F&uuml;r b&uuml;rgerlich-liberale &Ouml;konomen
und Politiker sind Eisenbahnen, schwedische Z&uuml;ndh&ouml;lzer, Stra&szlig;enkanalisation
und Kaufh&auml;user &raquo;Fortschritt&laquo; und &raquo;Kultur&laquo;. An
sich sind jene Werke, auf die primitiven Zust&auml;nde gepfropft, weder
Kultur noch Fortschritt, denn sie werden mit einem j&auml;hen wirtschaftlichen
und kulturellen Ruin der V&ouml;lker erkauft, die den ganzen Jammer und
alle Schrecken zweier Zeitalter: der traditionellen naturalwirtschaftlichen
Herrschaftsverh&auml;ltnisse und der modernsten raffiniertesten kapitalistischen
Ausbeutung, auf einmal
auszukosten haben. Nur als materielle Vorbedingungen
f&uuml;r die Aufhebung der Kapitalherrschaft, f&uuml;r die Abschaffung
der Klassengesellschaft &uuml;berhaupt trugen die Werke des kapitalistischen
Siegeszuges in der Welt den Stempel des Fortschritts im weiteren geschichtlichen
Sinne. In diesem Sinne arbeitete der Imperialismus in letzter Linie f&uuml;r
uns.</P>
<P>Der heutige Weltkrieg ist eine Wende in seiner Laufbahn. Zum ersten
Male sind jetzt die rei&szlig;enden Bestien, die vom kapitalistischen Europa
auf alle anderen Weltteile losgelassen waren, mit einem Satz mitten in
Europa eingebrochen. Ein Schrei des Entsetzens ging durch die Welt, als
Belgien, das kostbare kleine Juwel der europ&auml;ischen Kultur, als die
ehrw&uuml;rdigsten Kulturdenkm&auml;ler in Nordfrankreich unter dem Anprall
einer blinden Vernichtungskraft klirrend in Scherben fielen. Die &raquo;Kulturwelt&laquo;,
welche gelassen zugesehen hatte, als derselbe Imperialismus Zehntausende
Hereros dem grausigsten Untergang weihte und die Kalahariw&uuml;ste
mit dem Wahnsinnsschrei Verdurstender, mit dem R&ouml;cheln Sterbender
f&uuml;llte, als in Putumayo binnen zehn Jahren vierzigtausend Menschen
von einer Bande europ&auml;ischer Industrieritter zu Tode gemartert, der
Rest eines Volkes zu Kr&uuml;ppeln geschlagen wurde, als in China eine
uralte Kultur unter Brand und Mord von der europ&auml;ischen Soldateska
allen Greueln der Vernichtung und der Anarchie preisgegeben ward, als Persien
ohnm&auml;chtig in der immer enger zugezogenen Schlinge der fremden Gewaltherrschaft
erstickte, als in Tripolis die Araber mit Feuer und Schwert unter das Joch
des Kapitals gebeugt, ihre Kultur, ihre Wohnst&auml;tten dem Erdboden gleichgemacht
wurden - diese &raquo;Kulturwelt&laquo; ist erst heute gewahr geworden, da&szlig;
der Bi&szlig; der imperialistischen Bestien todbringend, da&szlig; ihr
Odem Ruchlosigkeit ist. Sie hat es erst bemerkt, als die Bestien ihre rei&szlig;enden
Pranken in den eigenen Mutterscho&szlig;, in die b&uuml;rgerliche Kultur
Europas krallten. Und auch diese Erkenntnis ringt sich in der verzerrten
Form der b&uuml;rgerlichen Heuchelei durch, worin jedes Volk die Infamie
nur in der nationalen Uniform des anderen erkennt. &raquo;Die deutschen
Barbaren!&laquo; - wie wenn nicht jedes Volk, das zum organisierten Mord
auszieht, sich in demselben Augenblick in eine Horde Barbaren verwandelte. &raquo;Die Kosaken-Greuel!&laquo; &shy; wie wenn nicht der Krieg an sich
der Greuel aller Greuel, wie wenn die Anpreisung der Menschenschl&auml;chterei
als Heldentum in einem sozialistischen Jugendblatt nicht geistiges Kosakentum
in Reinkultur w&auml;re!</P>
<P>Aber das heutige W&uuml;ten der imperialistischen Bestialit&auml;t in
den Fluren Europas hat noch eine Wirkung, f&uuml;r welche die &raquo;Kulturwelt&laquo; kein entsetztes Auge, kein schmerzzuckendes Herz hat: das ist <B>der Massenuntergang
des europ&auml;ischen Proletariats</B>. Nie hat ein Krieg in diesem Ma&szlig;e
ganze Volksschichten ausgerottet, nie hat er seit einem Jahrhundert derart
s&auml;mtliche gro&szlig;e und alte Kulturl&auml;nder Europas ergriffen.
Millionen Menschenleben werden in den Vogesen, in den Ardennen, in Belgien,
in Polen, in den Karpathen, an der Save vernichtet, Millionen werden zu
Kr&uuml;ppeln geschlagen. Aber unter diesen Millionen
sind neun Zehntel das arbeitende Volk aus Stadt und Land. Es ist unsere Kraft,
unsere Hoffnung, die dort reihenweise wie das Gras unter der Sichel tagt&auml;glich
dahingem&auml;ht wird. Es sind die besten, intelligentesten, geschultesten
Kr&auml;fte des internationalen Sozialismus, die Tr&auml;ger der heiligsten
Traditionen und des k&uuml;hnsten Heldentums der modernen Arbeiterbewegung, die
Vordertruppen des gesamten Weltproletariats: die Arbeiter Englands, Frankreichs,
Belgiens, Deutschlands, Ru&szlig;lands, die jetzt zuhauf niedergeknebelt,
niedergemetzelt werden. Diese Arbeiter der f&uuml;hrenden kapitalistischen
L&auml;nder Europas sind es ja gerade, die die geschichtliche Mission haben, die
sozialistische Umw&auml;lzung durchzuf&uuml;hren. Nur aus Europa, nur aus den &auml;ltesten
kapitalistischen L&auml;ndern kann, wenn die Stunde reif ist, das Signal
zur menschenbefreienden sozialen Revolution ausgehen. Nur die englischen,
franz&ouml;sischen, belgischen, deutschen, russischen, italienischen Arbeiter
gemeinsam k&ouml;nnen die Armee der Ausgebeuteten und Geknechteten der
f&uuml;nf Weltteile voranf&uuml;hren. Nur sie k&ouml;nnen, wenn die Zeit
kommt, f&uuml;r die jahrhundertealten Verbrechen des Kapitalismus an allen
primitiven V&ouml;lkern, f&uuml;r sein Vernichtungswerk auf dem Erdenrund
Rechenschaft fordern und Vergeltung &uuml;ben. Aber zum Vordringen und
zum Siege des Sozialismus geh&ouml;rt ein starkes, aktionsf&auml;higes,
geschultes Proletariat, geh&ouml;ren Massen, deren Macht sowohl in ihrer
geistigen Kultur wie in ihrer Zahl liegt. Und diese Massen werden gerade
durch den Weltkrieg dezimiert. Die Bl&uuml;te des Mannesalters und der
Jugendkraft Hunderttausender, deren sozialistische Schulung in England
und Frankreich, in Belgien, Deutschland und Ru&szlig;land das Produkt jahrzehntelanger
Aufkl&auml;rungs- und Agitationsarbeit war, andere Hunderttausende, die
morgen f&uuml;r den Sozialismus gewonnen werden konnten, fallen und vermodern
elend auf den Schlachtfeldern. Die Frucht jahrzehntelanger Opfer und M&uuml;hen
von Generationen wird in wenigen Wochen vernichtet, die Kerntruppen des
internationalen Proletariats werden an der Lebenswurzel ergriffen.</P>
<P>Der Aderla&szlig; der Junischl&auml;chterei hatte die franz&ouml;sische
Arbeiterbewegung f&uuml;r anderthalb Jahrzehnte lahmgelegt. Der Aderla&szlig;
der Kommunemetzelei hat sie nochmals um mehr als ein Jahrzehnt zur&uuml;ckgeworfen.
Was jetzt vorgeht, ist eine nie dagewesene Massenabschlachtung, die immer
mehr die erwachsene Arbeiterbev&ouml;lkerung aller f&uuml;hrenden Kulturl&auml;nder
auf Frauen, Greise und Kr&uuml;ppel reduziert, ein Aderla&szlig;, an dem
die europ&auml;ische Arbeiterbewegung zu verbluten droht. Noch ein solcher
Weltkrieg, und die Aussichten des Sozialismus sind unter den von der imperialistischen
Barbarei aufget&uuml;rmten Tr&uuml;mmern begraben. Das ist noch mehr als
die ruchlose Zerst&ouml;rung L&ouml;wens und der Reimser Kathedrale. Das
ist ein Attentat nicht auf die b&uuml;rgerliche Kultur der Vergangenheit,
sondern auf die sozialistische Kultur der Zukunft, ein t&ouml;dlicher Streich
gegen diejenige Kraft, die die Zukunft der Menschheit in ihrem Scho&szlig;
tr&auml;gt und die allein die kostbaren Sch&auml;tze der Vergangenheit
in eine bessere Gesellschaft hin&uuml;berretten kann. Hier enth&uuml;llt
der Kapitalismus seinen Totensch&auml;del, hier verr&auml;t er, da&szlig; sein historisches Daseinsrecht verwirkt, seine weitere Herrschaft
mit dem Fortschritt der Menschheit nicht mehr vereinbar ist.</P>
<P>Hier erweist sich aber auch der heutige Weltkrieg nicht blo&szlig; als
ein grandioser Mord, sondern auch als Selbstmord der europ&auml;ischen
Arbeiterklasse. Es sind ja die Soldaten des Sozialismus, die Proletarier
Englands, Frankreichs, Deutschlands, Ru&szlig;lands, Belgiens selbst, die
einander auf Gehei&szlig; des Kapitals seit Monaten abschlachten, einander
das kalte Mordeisen ins Herz sto&szlig;en, einander mit t&ouml;dlichen
Armen umklammernd, zusammen ins Grab hinabtaumeln.</P>
<P>&raquo;Deutschland, Deutschland &uuml;ber alles! Es lebe die Demokratie!
Es lebe der Zar und das Slawentum! Zehntausende Zeltbahnen, garantiert
vorschriftsm&auml;&szlig;ig! Hunderttausend Kilo Speck, Kaffee-Ersatz,
sofort lieferbar!&laquo;... Die Dividenden steigen, und die Proletarier
fallen. Und mit jedem sinkt ein K&auml;mpfer der Zukunft, ein Soldat der
Revolution, ein Retter der Menschheit vom Joch des Kapitalismus ins Grab.</P>
<P>Der Wahnwitz wird erst aufh&ouml;ren und der blutige Spuk der H&ouml;lle
wird verschwinden, wenn die Arbeiter in Deutschland und Frankreich, in
England und Ru&szlig;land endlich aus ihrem Rausch erwachen, einander br&uuml;derlich
die Hand reichen und den bestialischen Chorus der imperialistischen Kriegshetzer
wie den heiseren Schrei der kapitalistischen Hy&auml;nen durch den alten
m&auml;chtigen Schlachtruf der Arbeit &uuml;berdonnern: Proletarier aller
L&auml;nder, vereinigt euch!</P>
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<P><SMALL>Quelle: &raquo;die nicht mehr existierende Website "Unser Kampf" auf fr<66>her "http://felix2.2y.net/deutsch/index.html"&laquo;<BR>
Pfad: &raquo;../lu/&laquo;<BR>
Verkn&uuml;pfte Dateien: &raquo;<A href="http://www.mlwerke.de/css/format.css">../css/format.css</A>&laquo;</SMALL>
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<TD align="center" width="19%" height=20 valign=middle><A href="../index.shtml.html"><SMALL>MLWerke</SMALL></A></TD>
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