emacs.d/clones/www.mlwerke.de/me/me08/me08_499.htm

46 lines
19 KiB
HTML
Raw Normal View History

2022-08-25 20:29:11 +02:00
<!DOCTYPE HTML PUBLIC "-//W3C//DTD HTML 3.2//EN">
<HTML>
<HEAD>
<META HTTP-EQUIV="Content-Type" CONTENT="text/html; charset=ISO-8859-1">
<TITLE>Karl Marx - Wahlen - Truebe Finanzlage - Die Herzogin von Sutherland und die Sklaverei</TITLE>
</HEAD>
<BODY LINK="#0000ff" VLINK="#800080" BGCOLOR="#ffffaf">
<P><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 8, 3. Auflage 1972, unver<65>nderter Nachdruck der 1. Auflage 1960, Berlin/DDR. S. 499-505</SMALL>
<H2>Karl Marx</H2>
<H1>Wahlen -<BR>
Tr&uuml;be Finanzlage-<BR>
Die Herzogin von Sutherland und die Sklaverei</H1>
<FONT SIZE=2><P>Aus dem Englischen.</P>
</FONT><P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["New-York Daily Tribune" Nr. 3687 vom 9. Februar 1853]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S499">&lt;499&gt;</A></B> London, Freitag, 21. Januar 1853</P>
<P>Die Nachwahlen, die durch die Umbildung des Ministeriums notwendig wurden, sind nun beendet. Die Minister erlitten eine Niederlage, da Mr, Sadleir, einer der Lords der Schatzkammer, der bisher als der F&uuml;hrer der "irischen Brigade" galt, durch Mr. Alexander geschlagen wurde. Dieser erhielt eine Mehrheit von sechs Stimmen, die er einer Koalition von Katholiken und Oranienm&auml;nnern verdankt. Andererseits siegten die Minister in der Universit&auml;t Qxford, wo der Wahlkampf au&szlig;erordentlich lebhaft war und die Abstimmung f&uuml;nfzehn Tage dauerte. Gladstone trug mit 124 Stimmen Majorit&auml;t den Sieg davon &uuml;ber Dudley Perceval, den Kandidaten der Partei der Hochkirche. Liebhabern der Logik &agrave; la Hudibras empfehlen wir die Leitartikel der beiden gegnerischen Bl&auml;tter in diesem Kampfe, des "Morning Chronicle" und des "Morning Herald".</P>
<P>Nach langer Debatte erh&ouml;hten gestern die Direktoren der Bank von England die Minimum-Diskontrate erneut von 2<SUP>1</SUP>/<SUB>2</SUB> auf 3 Prozent. Dieser Umstand wirkte sich sofort auf die Pariser B&ouml;rse aus, wo die verschiedensten Papiere erneut im Wert fielen. Sollte es indes der Bank von England gelingen, der Spekulation in Paris Einhalt zu gebieten, so wird immer noch ein anderer Ausweg f&uuml;r den Abflu&szlig; des Barrengoldes bleiben: der Getreideimport. Die letzte Ernte in England und auf dem Kontinent soll nach allgemeiner Sch&auml;tzung um ein Drittel unter dem Durchschnitt liegen. Auch werden Zweifel laut &uuml;ber die Menge an Nahrungsmitteln, die bis zur n&auml;chsten Ernte zum Konsum verf&uuml;gbar ist, da sich die Aussaat durch die N&auml;sse des Bodens verz&ouml;gert hat. Es werden daher Vorkehrungen zur Einfuhr gro&szlig;er Getreidemengen getroffen, und folglich wird der Wechselkurs f&uuml;r England ung&uuml;nstig &lt;<A NAME="S500"><B>500&gt;</A></B> bleiben. Die Goldtransporte aus Australien k&ouml;nnen mit dem pl&ouml;tzlichen Ansteigen der Getreideimporte nicht Schritt halten.</P>
<P>In einem meiner letzten Briefe erw&auml;hnte ich die <A HREF="me08_490.htm#S494">Spekulation in Eisen</A>, die im Gange war. Die erste Erh&ouml;hung der Diskontrate durch die Bank von 2 auf 2<SUP>1</SUP>/<SUB>2</SUB> Prozent hat sich auf diesen Handelszweig schon ausgewirkt. Schottisches Roheisen, das in den letzten vierzehn Tagen 78 sh. brachte, ging am 19. d.M. auf 61 sh. herunter. Infolge der Erh&ouml;hung des Zinsfu&szlig;es wird auch der Markt f&uuml;r Eisenbahnaktien, voraussichtlich durch Zwangsverk&auml;ufe der bisher als Sicherheiten hinterlegten Aktien, gedr&uuml;ckt sein, und man hat auch mit solchen Operationen bereits begonnen. Meiner Meinung nach ist jedoch der Abflu&szlig; des Barrengoldes nicht allein durch den Export von Gold verursacht, sondern es hat auch der lebhafte Aufschwung des heimischen Gesch&auml;fts, besonders in den Industriebezirken, seinen vollen Anteil daran.</P>
<P>Die Adresse des Bundes der Damen von Stafford-House &uuml;ber die Negersklaverei an ihre Schwestern in Amerika und die "liebevolle und christliche Adresse vieler Tausender von Frauen aus den Vereinigten Staaten von Amerika an ihre Schwestern, die Frauen Englands" &uuml;ber die wei&szlig;e Sklaverei sind angesichts der augenblicklichen politischen Flauheit ein gefundenes Fressen f&uuml;r die Presse. Nicht einer der englischen Zeitungen jedoch fiel der Umstand auf, da&szlig; der Stafford-House-Bund sich im Palast und unter dem Vorsitz der Herzogin von Sutherland traf. Und doch h&auml;tten die Namen Stafford und Sutherland gen&uuml;gen sollen, um die Menschenfreundlichkeit der britischen Aristokratie zu kennzeichnen - eine Menschenfreundlichkeit, die sich ihre Objekte m&ouml;glichst weit entfernt von der Heimat sucht und lieber jenseits als diesseits des Ozeans.</P>
<P>Die Geschichte des Reichtums der Familie Sutherland ist die Geschichte des Ruins des schottisch-g&auml;lischen Volkes und seiner Vertreibung vom heimatlichen Boden. Schon im zehnten Jahrhundert waren die D&auml;nen in Schottland gelandet, hatten die Ebenen von Caithness erobert und die Ureinwohner in die Berge getrieben. Mhoir-Fhear-Chattaibh, wie der "Gro&szlig;e Mann von Sutherland" auf g&auml;lisch genannt wurde, hatte seine Waffengef&auml;hrten stets bereit gefunden, ihn unter Einsatz ihres Lebens gegen alle seine Feinde, D&auml;nen oder Schotten, Fremdlinge oder Einheimische, zu verteidigen. Nach der Revolution, die die Stuarts aus Britannien vertrieb, wurden Privatfehden zwischen den kleinen schottischen Clanchefs immer seltener, und die britischen K&ouml;nige, die wenigstens den Schein ihrer Herrschaft in diesen <A NAME="S501"><B>&lt;501&gt;</A></B> entlegenen Distrikten aufrechterhalten wollten, f&ouml;rderten die Aushebung von Familienregimentern unter den Clanchefs, ein System, durch das diese lairds &lt;Grundherren (das schottische "laird" entspricht dem englischen "lord")&gt; moderne milit&auml;rische Einrichtungen mit dem alten Clansystem so zu verquicken vermochten, da&szlig; die eine Einrichtung die andere st&uuml;tzte.</P>
<P>Um nun demgegen&uuml;ber die sp&auml;ter vollzogene Usurpation richtig einzusch&auml;tzen, m&uuml;ssen wir uns erst klar sein &uuml;ber die Bedeutung des Clans. Der Clan geh&ouml;rte einer sozialen Formation an, die in der historischen Entwicklung eine ganze Stufe tiefer steht als das Feudalwesen, also dem patriarchalischen Zustand der Gesellschaft. <I>"Klaen"</I> bedeutet auf g&auml;lisch Kinder. Die Br&auml;uche und Traditionen der schottischen G&auml;len beruhen alle auf der Annahme, da&szlig; die Mitglieder des Clans ein und derselben Familie angeh&ouml;ren. Die Gewalt des "Gro&szlig;en Mannes", des Clanchefs, ist einerseits ebenso willk&uuml;rlich wie sie andererseits durch Blutsverwandtschaft usw. ebenso eingeschr&auml;nkt ist wie die eines jeden Familienvaters: Dem Clan, der Familie, geh&ouml;rte das von ihr bewohnte Gebiet, genau wie in Ru&szlig;land, wo das Land, das eine Bauerngemeinde bewohnt, nicht den einzelnen Bauern, sondern der ganzen Gemeinde geh&ouml;rt. Auf diese Weise war das Gebiet Gemeineigentum der Familie. Unter diesem System konnte also von Privateigentum im modernen Sinn des Worts ebensowenig die Rede sein wie von einem Vergleich der gesellschaftlichen Lebensweise der Mitglieder des Clans mit der gesellschaftlichen Lebensweise der Individuen inmitten unserer modernen Gesellschaft. Die Teilung und Unterteilung des Landes entsprach den milit&auml;rischen Funktionen der einzelnen Mitglieder des Clans. Je nach ihren milit&auml;rischen F&auml;higkeiten wurden sie mit Anteilen vom Clanchef betraut, der ganz nach Gutd&uuml;nken die Lehensteile der einzelnen Unterf&uuml;hrer vergr&ouml;&szlig;erte oder beschnitt. Diese Unterf&uuml;hrer wiederum teilten ihren Vasallen und Untervasallen jedes einzelne St&uuml;ckchen Land zu. Das Gebiet als Ganzes aber blieb stets Eigentum des Clans, und wie immer auch die Anspr&uuml;che Einzelner wechseln mochten, das Lehen &auml;nderte sich nicht; und auch die Kontributionen f&uuml;r die gemeinsame Verteidigung oder der Tribut an den Grundherrn, der zugleich F&uuml;hrer im Krieg und oberster Herr im Frieden war, wurden niemals erh&ouml;ht. Gemeinhin wurde jedes St&uuml;ck Land von Generation zu Generation von derselben Familie bebaut, die immer dieselben Abgaben entrichtete. Diese Abgaben waren sehr niedrig; sie bildeten eher einen Tribut, durch den die Oberherrschaft des <I>"Gro&szlig;en Mannes"</I> und seines Stabes anerkannt wurde, als einen Pachtzins im modernen Sinne oder eine Einnahmequelle. Die dem <I>"Gro&szlig;en Mann"</I> direkt unterstellten Unterf&uuml;hrer hie&szlig;en "Taksmen", und das <A NAME="S502"><B>&lt;502&gt;</A></B> ihrer F&uuml;rsorge anvertraute Gebiet hie&szlig; "Tak". Ihnen waren wieder niedrigere Amtsleute unterstellt, die an der Spitze je eines Weilers standen, und diesen war die Bauernschaft untergeordnet.</P>
<P>Wie man sieht, ist der Clan nichts anderes als eine milit&auml;risch organisierte Familie, die ebensowenig durch Gesetze genau definiert und ebensosehr durch Traditionen eingehegt ist wie jede Familie &uuml;berhaupt. Das Land aber ist Eigentum der Familie, und innerhalb der Familie gibt es trotz der Blutsverwandtschaft Standesunterschiede, genau wie in allen alten asiatischen Familiengemeinschaften.</P>
<P>Die erste Usurpation erfolgte, nach der Vertreibung der Stuarts, durch das Errichten der Familienregimenter. Von diesem Augenblick an wurde der <I>Sold</I> zur Haupteinnahmequelle des <I>"Gro&szlig;en Mannes"</I>, des Mhoir-Fhear-Chattaibh. In die Ausschweifungen des Londoner Hofes verstrickt, war er nur mehr darauf bedacht, soviel Geld wie m&ouml;glich aus seinen Unterf&uuml;hrern herauszupressen, und sie wendeten wiederum gegen&uuml;ber ihren Untergebenen dasselbe System an. Der uralte Tribut verwandelte sich in einen festen Geldkontrakt. Einerseits bedeuteten diese Kontrakte einen Fortschritt, da die herk&ouml;mmlichen Abgaben nun festgesetzt wurden. Andererseits aber kamen sie einer Usurpation gleich, denn der "Gro&szlig;e Mann" nahm nun die Stellung eines Gutsherrn gegen&uuml;ber den "Taksmen" ein, die ihrerseits wieder der Bauernschaft gegen&uuml;ber als P&auml;chter auftraten. Und da jetzt der "Gro&szlig;e Mann" wie auch der "Taksman" Geld brauchte, so wurde eine Produktion n&ouml;tig nicht blo&szlig; f&uuml;r den direkten Verbrauch, sondern auch f&uuml;r den Export und den Austausch. Das nationale Produktionssystem mu&szlig;te also ge&auml;ndert werden; die dabei &uuml;berfl&uuml;ssig gewordenen Kr&auml;fte mu&szlig;te man loswerden. Die Bev&ouml;lkerung nahm daher ab. Wir sehen aber aus einem Passus bei Steuart, einem schottischen &Ouml;konomen, dessen Werk zehn Jahre vor dem des Adam Smith erschienen war, da&szlig; die Bev&ouml;lkerung sich doch noch einigerma&szlig;en erhielt, und da&szlig;, im 18. Jahrhundert, der Mensch noch nicht offen dem Reingewinn aufgeopfert wurde. Er sagt im ersten Band, Kapitel 16:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Die Rente dieser L&auml;nder ist durchaus unbedeutend im Verh&auml;ltnis zu ihrem Umfang, aber was die Personenzahl betrifft, welche eine Pacht erh&auml;lt, wird man vielleicht finden, da&szlig; ein St&uuml;ck Boden in den Hochlanden von Schottland zehnmal mehr Leute ern&auml;hrt, als Land von derselben Gr&ouml;&szlig;e in den reichsten Provinzen."</P>
</FONT><P>Da&szlig; selbst zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Pachtabgaben noch sehr niedrig waren, zeigt uns Mr. Loch, der Verwalter der Gr&auml;fin von Sutherland, der die Verbesserungen auf ihren G&uuml;tern leitete, in seinem 1820 erschienenen <A NAME="S503"><B>&lt;503&gt;</A></B> Werke. Er gibt z.B. ein Verzeichnis der Pachtzinsen aus dem Jahr 1811 f&uuml;r das Gut Kintradawell, aus dem hervorgeht, da&szlig; bis dahin jede Familie an j&auml;hrlichen Abgaben h&ouml;chstens einige shilling in Geld, etwas Gefl&uuml;gel und einige Arbeitstage zu leisten hatte.</P>
<P>Erst nach 1811 vollzog sich die endg&uuml;ltige und wirkliche Usurpation, die zwangsweise Umwandlung des <I>Claneigentums in Privateigentum</I> im modernen Sinne, und zwar in <I>Privateigentum des Stammesoberhaupts</I>. Die Person, die an der Spitze dieser &ouml;konomischen Revolution stand, war ein weiblicher Mehemed Ali, die ihren Malthus wohl verdaut hatte: die <I>Gr&auml;fin von Sutherland</I> alias <I>Marquise von Stafford</I>.</P>
<P>Wir wollen vorausschicken, da&szlig; die Vorfahren der Marquise von Stafford die "Gro&szlig;en M&auml;nner" des n&ouml;rdlichsten Teils von Schottland, von fast drei Vierteln von Sutherlandshire gewesen waren. Diese Grafschaft ist ausgedehnter als manches franz&ouml;sische Departement oder manches kleine deutsche F&uuml;rstentum. Als die Gr&auml;fin von Sutherland diese G&uuml;ter erbte, die sie nachmals ihrem Gatten, dem Marquis von Stafford, sp&auml;terem Herzog von Sutherland, zubrachte, war die Bev&ouml;lkerung schon auf nur mehr 15.000 Seelen reduziert. Die Frau Gr&auml;fin beschlo&szlig;, eine &ouml;konomische Radikalkur vorzunehmen und die ganze Grafschaft in Schaftriften zu verwandeln. Von 1814 bis 1820 wurden diese 15.000 Einwohner, die sich auf etwa 3.000 Familien verteilten, systematisch verjagt und ausgerottet. Alle ihre D&ouml;rfer wurden zerst&ouml;rt und niedergebrannt, alle ihre Felder in Weide verwandelt. Britische Soldaten wurden zur Exekution kommandiert und kamen zu Schl&auml;gereien mit den Eingeborenen. Eine alte Frau verbrannte in den Flammen der H&uuml;tte, die sie zu verlassen sich weigerte. So eignete sich diese Madame <I>siebenhundertvierundneunzigtausend acres Land</I> an, das seit undenklichen Zeiten dem Clan geh&ouml;rte. In einem &Uuml;berma&szlig; von Freigebigkeit wies sie den vertriebenen Eingeborenen 6.000 acres zu, das hei&szlig;t zwei acres pro Familie. Diese 6.000 acres hatten bisher w&uuml;st gelegen und den Eigent&uuml;mern kein Einkommen abgeworfen. Die Herzogin ging in ihrem Nobelgef&uuml;hl so weit, den acre im Durchschnitt zu 2 sh. 6 d. Rente zu verpachten an die Clanleute, die seit Jahrhunderten ihr Blut f&uuml;r die herzogliche Familie vergossen hatten. Das ganze geraubte Clanland teilte sie in 29 gro&szlig;e Schafpachten, jede bewohnt von einer einzigen Familie, meist englische Pachtknechte. Im Jahre 1821 waren die 15.000 G&auml;len bereits ersetzt durch 131.000 Schafe.</P>
<P>Der an das Seegestade geworfene Teil der Aborigines suchte vom Fischfang zu leben. Sie wurden zu Amphibien und lebten, wie ein englischer Schriftsteller sagt, halb auf dem Land und halb auf dem Wasser und lebten mit alledem nur halb von beiden.</P>
<B><P><A NAME="S504">&lt;504&gt;</A></B> Sismondi schreibt in seinen "&Eacute;tudes sociales" &uuml;ber diese Expropriation der G&auml;len aus Sutherlandshire - ein Beispiel, das &uuml;brigens von den anderen "Gro&szlig;en M&auml;nnern" Schottlands nachgeahmt wurde:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Die gro&szlig;e Ausdehnung der herrschaftlichen Besitzt&uuml;mer ist nicht blo&szlig; England eigent&uuml;mlich. &Uuml;berall im Reich Karls des Gro&szlig;en, &uuml;berall im Abendland wurden ganze Provinzen von kriegerischen Heerf&uuml;hrern usurpiert, die sie zu ihrem Nutzen durch die Besiegten und hie und da durch ihre eigenen Waffengef&auml;hrten bebauen lie&szlig;en. Im 9. und 10. Jahrhundert waren Maine, Anjou und Poitou f&uuml;r die Grafen dieser Provinzen eher drei gro&szlig;e Landg&uuml;ter als drei F&uuml;rstent&uuml;mer. Die Schweiz, die in so vielen Beziehungen Schottland &auml;hnelt, war ebenfalls zu jener Zeit unter einer kleinen Anzahl seigneurs &lt;Lehsherren&gt; aufgeteilt. Wenn die Grafen von Kyburg, von Lenzburg, von Habsburg und von Gruy&egrave;res unter dem Schutze englischer Gesetze gestanden h&auml;tten, so w&auml;ren sie heute genau in derselben Situation wie die Grafen von Sutherland vor zwanzig Jahren. Manche unter ihnen h&auml;tten vielleicht dieselbe Vorliebe f&uuml;r Verbesserungen gehabt wie die Marquise von Stafford, und mehr als eine Republik h&auml;tte aus den Alpen verschwinden m&uuml;ssen, um Schafherden Platz zu machen. Nicht einmal der despotischste Monarch Deutschlands w&uuml;rde sich derartiges erlauben k&ouml;nnen."</P>
</FONT><P>Darauf erwidert Mr. Loch in seiner Verteidigung der Gr&auml;fin von Sutherland (1820):</P>
<FONT SIZE=2><P>"Warum sollte gerade in diesem besonderen Falle eine Ausnahme von der in jedem anderen Fall ge&uuml;bten Regel gemacht werden? Warum sollte die absolute Autorit&auml;t des Gutsherrn &uuml;ber sein Land allgemeinen Interessen und Motiven aufgeopfert werden, die nur die Allgemeinheit angehen?"</P>
</FONT><P>Warum also sollten die Sklavenhalter der S&uuml;dstaaten Nordamerikas ihre Privatinteressen dem philanthropischen Getue Ihrer Gnaden, der Frau Herzogin von Sutherland zuliebe opfern?</P>
<P>Die britische Aristokratie, die &uuml;berall den Menschen durch Schafe und Ochsen ersetzt hat, wird in nicht ferner Zukunft ihrerseits durch diese n&uuml;tzlichen Tiere ersetzt werden.</P>
<P>Der Proze&szlig; des <I>Bauernlegens</I> spielte sich genau so, wie wir ihn eben f&uuml;r Schottland beschrieben, im 16., 17. und 18. Jahrhundert in England ab. Thomas Morus klagt dar&uuml;ber schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts. In Schottland vollzog er sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts, und in Irland ist er augenblicklich in vollem G&auml;nge. Auch der edle Viscount Palmerston legte vor einigen Jahren genau in der oben geschilderten Weise die Bauern auf seinen G&uuml;tern in Irland.</P>
<B><P><A NAME="S505">&lt;505&gt;</A></B> Wenn man vom Eigentum je hat behaupten k&ouml;nnen, es sei <I>Diebstahl</I> - dann ist es buchst&auml;blich wahr vom Eigentum der britischen Aristokratie. Der Raub der Kircheng&uuml;ter, die betr&uuml;gerische Ver&auml;u&szlig;erung der Staatsdom&auml;nen, der Diebstahl des Gemeindeeigentums, die betr&uuml;gerische, von Mord und Totschlag begleitete Umwandlung des feudalen und patriarchalischen Eigentums in modernes Privateigentum - das sind die Rechtstitel der britischen Aristokratie auf ihre Besitzt&uuml;mer. Und welche Dienste ein serviler Anwaltsstand bei diesem letztgenannten Proze&szlig; leistete, das verr&auml;t uns ein englischer Jurist aus dem letzten Jahrhundert, Dalrymple, der in seiner "Geschichte des Feudaleigentums" ganz naiv darlegt, da&szlig; die Anw&auml;lte jedes Gesetz und jede Urkunde &uuml;ber Eigentumsverh&auml;ltnisse zu der Zeit, als in England die Bourgeoisie zu Reichtum kam, zugunsten der <I>Bourgeoisie</I>, zu der Zeit, als in Schottland der Adel sich bereicherte, zugunsten des <I>Adels</I> - in jedem Falle aber in einem dem <I>Volke</I> feindlichen Sinne auslegten.</P>
<P>Die oben geschilderte t&uuml;rkische Reform der Gr&auml;fin von Sutherland war wenigstens vom Standpunkt des Malthusianismus aus gerechtfertigt. Andere schottische Edelleute gingen weiter. Nachdem sie Menschen durch Schafe ersetzt hatten, wurden die Schafe durch Wild und die Triften durch Wildwaldgehege ersetzt. Allen voran ging darin der Herzog von Atholl. In R. Somers "Letters from the Highlands" (1848) findet sich folgender Passus:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Nach der Eroberung verwandelten die normannischen K&ouml;nige gro&szlig;e Teile englischen Landes in Waldungen, ganz &auml;hnlich, wie es heute die Grundherren hier in den Hochlanden machen."</P>
</FONT><P>Und wohin flohen viele der menschlichen Gesch&ouml;pfe, die den Schafen der Gr&auml;fin von Sutherland und dem Wild des Herzogs von Atholl hatten weichen m&uuml;ssen? Wo fanden sie eine Zuflucht?</P>
<I><P>In den Vereinigten Staaten von Nordamerika.</P>
</I><P>Feinde der englischen Lohnsklaverei haben das Recht, die Negersklaverei zu verdammen; eine Herzogin von Sutherland jedoch, ein Herzog von Atholl, ein Kattunlord aus Manchester - niemals!</P>
<I><P ALIGN="RIGHT">Karl Marx</P></I></BODY>
</HTML>