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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<title>Lenin: Antwort an P. Kijewski (1916)</title>
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<font size="2"><a href="../../index.shtml.html"><font color="#CC3333">&lt;= Zur&uuml;ck zu den MLWerken</font></a></font>
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</div>
<div class="Vorspann">
<hr>
<h1>Antwort an P. Kijewski (J. Pjatakow)</h1>
<p class="Autorinfo">W.I. Lenin</p>
<p class="ErstPub">Geschrieben im August-September 1916.<a class="FNZeichen" name="FNanker1" href="le23_011.htm#FNtext1">1</a><br/>
Zuerst ver&ouml;ffentlicht 1929 in der Zeitschrift &raquo;Proletarskaja Revoluzija&laquo;<br>
(Die proletarische Revolution) Nr. 7.</p>
<p class="RedNote">Gedruckt nachzulesen in: Lenin Werke, Band 23, Seite 11-17, Dietz Verlag Berlin, 1972</p>
<hr>
</div>
<div class="Textteil">
<p>Wie jede Krisis im Leben des Menschen oder in der Geschichte der V&ouml;lker hat der Krieg
die Wirkung, da&szlig; er die einen niederdr&uuml;ckt und zerbricht, die anderen aber
st&auml;hlt und klarer sehen l&auml;&szlig;t.</p>
<p>Diese Wahrheit gilt auch f&uuml;r das Gebiet des sozialdemokratischen Denkens &uuml;ber den
Krieg und im Zusammenhang mit dem Krieg. Es sind zwei verschiedene Dinge, ob man sich
m&ouml;glichst tief hineinzudenken versucht in die Ursachen und die Bedeutung des
imperialistischen Krieges auf dem Boden des hochentwickelten Kapitalismus, in die taktischen
Aufgaben der Sozialdemokratie in Verbindung mit dem Krieg, in die Ursachen der Krise der
Sozialdemokratie und so weiter, oder ob man zul&auml;&szlig;t, da&szlig; der Krieg das eigene
Denken <i>unterdr&uuml;ckt</i>, ob man <i>unter dem Druck</i> der entsetzlichen Erlebnisse und
der qu&auml;lenden Folgen oder Erscheinungen des Krieges aufh&ouml;rt zu argumentieren und zu
analysieren.</p>
<p>Eine der Formen, in der sich die durch den Krieg hervorgerufene <i>L&auml;hmung</i> oder
<i>Bedr&uuml;ckung</i> des Denkens der Menschen &auml;u&szlig;ert, ist das geringsch&auml;tzige
Verhalten des &raquo;imperialistischen &Ouml;konomismus&laquo; zur <i>Demokratie</i>. P.
Kijewski merkt nicht, da&szlig; sich dieses durch den Krieg bedingte Niedergedr&uuml;cktsein,
Eingesch&uuml;chtertsein, dieser Verzicht auf eine Analyse wie ein roter Faden durch alle seine
Argumentationen zieht. Was hat es f&uuml;r einen Sinn, von Vaterlandsverteidigung zu reden,
wenn sich vor unseren Augen ein derart bestialisches Gemetzel abspielt! Was hat es f&uuml;r
einen Sinn, von den Rechten der Nationen zu reden, wenn nichts als unverh&uuml;llte
Unterdr&uuml;ckung herrscht! Wie kann man da von Selbstbestimmung, von
&raquo;Unabh&auml;ngigkeit&laquo; der Nationen reden, wenn ... schaut, wie man mit dem
&raquo;unabh&auml;ngigen&laquo; Griechenland verfahren ist! Wozu &uuml;berhaupt von
&raquo;Rechten&laquo; reden oder dar&uuml;ber nachdenken, wenn &uuml;berall im Interesse der
Milit&auml;rkamarilla alle Rechte mit F&uuml;&szlig;en getreten werden! Wozu &uuml;berhaupt von
der Republik reden oder an sie denken, wenn in diesem Krieg nicht der geringste,
buchst&auml;blich absolut kein Unterschied mehr zwischen den demokratischsten Republiken und
den reaktion&auml;rsten Monarchien geblieben, ja ringsum keine Spur davon zu sehen ist!</p>
<p>P. Kijewski wird sehr b&ouml;se, wenn man ihm sagt, da&szlig; er sich hat einsch&uuml;chtern
lassen, da&szlig; er sich bis zur Ablehnung der Demokratie &uuml;berhaupt hat fortrei&szlig;en
lassen, er wird b&ouml;se und entgegnet: Ich bin durchaus nicht gegen die Demokratie, sondern
nur gegen <i>eine</i> demokratische Forderung, die ich f&uuml;r &raquo;schlecht&laquo; halte.
Aber wie b&ouml;se P. Kijewski auch werden mag, wie sehr er uns (und vielleicht auch sich
selber) &raquo;versichert&laquo;, er w&auml;re durchaus nicht &raquo;gegen&laquo; die
Demokratie, seine <i>Argumentationen</i> - oder richtiger: seine ununterbrochenen <i>Fehler</i>
in den Argumentationen - <i>beweisen</i> das Gegenteil.</p>
<p>Die Vaterlandsverteidigung ist eine L&uuml;ge im imperialistischen Krieg, aber durchaus
keine L&uuml;ge in einem demokratischen und revolution&auml;ren Krieg. W&auml;hrend eines
Krieges scheint es l&auml;cherlich, von &raquo;Rechten&laquo; zu sprechen, denn <i>jeder</i>
Krieg setzt die direkte und unmittelbare Gewalt an die Stelle des Rechts, aber deswegen darf
man nicht vergessen, da&szlig; es in der Vergangenheit, in der Geschichte Kriege (demokratische
und revolution&auml;re Kriege) gegeben hat (und gewi&szlig; auch k&uuml;nftig geben wird und
geben mu&szlig;), die, obwohl sie f&uuml;r die Zeit des Krieges jedes &raquo;Recht&laquo;, jede
Demokratie durch Gewalt ersetzen, ihrem sozialen Gehalt und ihren Folgen nach der Sache der
Demokratie und <i>folglich</i> auch des Sozialismus <i>dienten</i>. Das Beispiel Griechenland
scheint jede Selbstbestimmung der Nationen zu &raquo;widerlegen&laquo;, aber dieses Beispiel
ist, wenn man denken, analysieren, abw&auml;gen will und sich nicht durch einen leeren Schall
von Worten bet&auml;uben, sich nicht vom Druck der entsetzlichen Kriegserlebnisse
&uuml;berw&auml;ltigen l&auml;&szlig;t - dieses Beispiel ist keineswegs ernster und
&uuml;berzeugender als die Sp&ouml;tteleien &uuml;ber die Republik auf Grund der Tatsache,
da&szlig; die &raquo;demokratischen&laquo;, die allerdemokratischsten Republiken - nicht nur
Frankreich, sondern auch die Vereinigten Staaten, Portugal und die Schweiz - w&auml;hrend des
Krieges genau dieselbe Willk&uuml;rherrschaft der Milit&auml;rkamarilla errichtet haben und
errichten wie Ru&szlig;land.</p>
<p>Es ist eine Tatsache, da&szlig; der imperialistische Krieg den Unterschied zwischen Republik
und Monarchie verwischt, aber sich dadurch zur Ablehnung der Republik oder auch nur zu einem
geringsch&auml;tzigen Verhalten der Republik gegen&uuml;ber verleiten lassen hei&szlig;t sich
durch den Krieg einsch&uuml;chtern lassen, das eigne Denken von den Schrecken des Krieges
<i>unterdr&uuml;cken</i> lassen. Und ebenso argumentieren viele Anh&auml;nger der
&raquo;Entwaffnungs&laquo;losung (Roland-Holst, die Schweizer &raquo;Jungen&laquo;, die
skandinavischen &raquo;Linken&laquo;<a class="FNZeichen" name="FNanker2" href="le23_011.htm#FNtext2">2</a> u.a.):
Was hat es schon f&uuml;r einen Sinn, sagen sie, von revolution&auml;rer Ausnutzung
des Heeres oder der Miliz zu reden, wo doch - seht nur hin!
gibt es denn in diesem Krieg einen Unterschied zwischen der Miliz der Republiken und dem
stehenden Heer der Monarchien? - wo doch der Militarismus <i>&uuml;berall</i> so entsetzlich
w&uuml;tet?</p>
<p>Das ist <i>ein und derselbe</i> Gedankengang, <i>ein und derselbe</i> theoretische und
praktisch-politische Fehler, den P. Kijewski nicht bemerkt und in seinem Artikel
buchst&auml;blich auf Schritt und Tritt wiederholt. Er <i>glaubt</i>, nur gegen die
Selbstbestimmung zu polemisieren, er <i>will</i> nur gegen sie polemisieren, und <i>heraus</i>
kommt bei ihm - gegen sein Wollen und Wissen, das ist ja das Kuriose! - heraus kommt, da&szlig;
er <i>kein einziges</i> Argument anf&uuml;hrt, das nicht mit dem gleichen Recht gegen die
Demokratie schlechthin angef&uuml;hrt werden k&ouml;nnte!</p>
<p>Die wirkliche Quelle aller seiner kuriosen logischen Fehler, dieser ganzen Konfusion - nicht
nur in der Frage der Selbstbestimmung, sondern auch in der Frage der Vaterlandsverteidigung, in
der Frage der Ehescheidung, in der Frage der &raquo;Rechte&laquo; &uuml;berhaupt - besteht
darin, da&szlig; sein Denken durch den Krieg <i>unterdr&uuml;ckt</i> ist, da&szlig; infolge
dieses Unterdr&uuml;cktseins das Verh&auml;ltnis des Marxismus zur Demokratie &uuml;berhaupt
v&ouml;llig entstellt wird.</p>
<p>Der Imperialismus ist hochentwickelter Kapitalismus; der Imperialismus ist progressiv; der
Imperialismus ist die Verneinung der Demokratie; &raquo;also&laquo; ist die Demokratie im
Kapitalismus &raquo;unrealisierbar&laquo;. Der imperialistische Krieg ist sowohl in den
r&uuml;ckst&auml;ndigen Monarchien als auch in den fortschrittlichen Republiken eine
himmelschreiende Verletzung jeder Demokratie; &raquo;also&laquo; hat es auch keinen Sinn, von
&raquo;Rechten&laquo; (d.h. von Demokratie!) zu reden. Dem imperialistischen Krieg kann man
&raquo;nur&laquo; den Sozialismus &raquo;entgegenstellen&laquo;; der &raquo;Ausweg&laquo; ist
nur der Sozialismus; &raquo;also&laquo; ist es ein Betrug oder eine Illusion oder eine
Verdunkelung, ein Hinausschieben usw. der Losung der sozialistischen Umw&auml;lzung, wenn man
im Minimalprogramm, d.h. schon im Kapitalismus, demokratische Losungen aufstellt.</p>
<p>Das ist die wirkliche, P. Kijewski nicht bewu&szlig;te, aber wirkliche Quelle seines ganzen
Mi&szlig;geschicks. Das ist sein <i>grundlegende</i> logischer Fehler, der gerade deswegen,
weil er, vom Verfasser nicht erkannt, allem zugrunde liegt, auf Schritt und Tritt wie ein
br&uuml;chiger Fahrradreifen &raquo;platzt&laquo;, und immer wieder &raquo;auftaucht&laquo;,
bald in der Frage der Vaterlandsverteidigung, bald in der Frage der Ehescheidung oder auch in
der Phrase von den &raquo;Rechten&laquo;, jener grandiosen (grandios in der Tiefe der
Verachtung der &raquo;Rechte&laquo; und in der Tiefe des Nichtverstehens der Sache) Phrase:
<i>nicht</i> von Rechten wird die Rede sein, <i>sondern</i> von der Vernichtung der
jahrhundertelangen Sklaverei!</p>
<p>Eine solche Phrase von sich geben hei&szlig;t eben zeigen, da&szlig; man das Verh&auml;ltnis
zwischen Kapitalismus und Demokratie, zwischen Sozialismus und Demokratie nicht begriffen
hat.</p>
<p>Der Kapitalismus &uuml;berhaupt und der Imperialismus insbesondere verwandelt die Demokratie
in eine Illusion - und zugleich erzeugt der Kapitalismus demokratische Bestrebungen in den
Massen, schafft er demokratische Einrichtungen, versch&auml;rft er den Antagonismus zwischen
dem die Demokratie negierenden Imperialismus und den zur Demokratie strebenden Massen. Der
Kapitalismus und der Imperialismus k&ouml;nnen durch keinerlei, auch nicht durch die
&raquo;idealsten&laquo; demokratischen Umgestaltungen, sondern nur durch eine &ouml;konomische
Umw&auml;lzung beseitigt werden; ein Proletariat aber, das nicht im Kampf f&uuml;r die
Demokratie erzogen wird, ist unf&auml;hig, die &ouml;konomische Umw&auml;lzung zu vollziehen.
Man kann den Kapitalismus nicht besiegen, ohne <i>die Banken in Besitz zu nehmen</i>, ohne das
<i>Privateigentum</i> an den Produktionsmitteln aufzuheben, aber man kann diese
revolution&auml;ren Ma&szlig;nahmen nicht durchf&uuml;hren, ohne die demokratische Verwaltung
der der Bourgeoisie fortgenommenen Produktionsmittel durch das ganze Volk zu organisieren, ohne
die ganze Masse der Werkt&auml;tigen, sowohl der Proletarier und Halbproletarier als auch die
Kleinbauern, zur demokratischen Organisierung ihrer Reihen, ihrer Kr&auml;fte und ihrer
Teilnahme am Staat heranzuziehen. Der imperialistische Krieg ist sozusagen eine dreifache
Negierung der Demokratie (a - jeder Krieg ersetzt die &raquo;Rechte&laquo; durch Gewalt; b -
der Imperialismus ist &uuml;berhaupt die Negierung der Demokratie; c - der imperialistische
Krieg gleicht die Republiken v&ouml;llig den Monarchien an), aber das Erwachen und das
Anwachsen der sozialistischen Erhebung gegen den Imperialismus sind <i>untrennbar</i> verbunden
mit einem Anwachsen der demokratischen Abwehr und Emp&ouml;rung. Der Sozialismus f&uuml;hrt zum
Absterben <i>jedes</i> Staates, folglich auch jeder Demokratie, aber der Sozialismus ist nicht
anders zu verwirklichen, als <i>&uuml;ber</i> die Diktatur des Proletariats, welche die Gewalt
gegen die Bourgeoisie, d.h. gegen die Minderheit der Bev&ouml;lkerung, mit der <i>vollen</i>
Entfaltung der Demokratie vereinigt, d.h. mit der wirklich gleichberechtigten und wirklich
allgemeinen Beteiligung der <i>gesamten</i> Masse der Bev&ouml;lkerung an allen
<i>Staats</i>angelegenheiten und allen komplizierten Fragen der Liquidierung des
Kapitalismus.</p>
<p>Das sind die &raquo;Widerspr&uuml;che&laquo;, die P. Kijewski verwirrt haben, weil der die
Lehre des Marxismus von der Demokratie vergessen hat. Der Krieg hat, bildlich gesprochen, sein
Denken so sehr unterdr&uuml;ckt, da&szlig; er jedes Denken durch den Agitationsruf &raquo;Fort
aus dem Imperialismus&laquo; ersetzt, genauso wie durch den Ruf &raquo;Fort aus den
Kolonien&laquo; die Analyse dessen ersetzt wird, was eigentlich - &ouml;konomisch und politisch
- das &raquo;Fortgehen&laquo; der zivilisierten V&ouml;lker &raquo;aus den Kolonien&laquo;
<i>bedeutet</i>.</p>
<p>Die marxistische L&ouml;sung der Frage der Demokratie besteht darin, da&szlig; das seinen
Klassenkampf f&uuml;hrende Proletariat <i>alle</i> demokratischen Einrichtungen und
Bestrebungen gegen die Bourgeoisie <i>ausnutzt</i>, um den Sieg des Proletariats &uuml;ber die
Bourgeoisie, den Sturz der Bourgeoisie vorzubereiten. Diese Ausnutzung ist keine leichte Sache,
und die &raquo;&Ouml;konomisten&laquo;, die Tolstoianer usw. sehen darin oft ein ebensolches
ungerechtfertigtes Zugest&auml;ndnis an das &raquo;B&uuml;rgerliche&laquo; und das
Opportunistische, wie P. Kijewski in der Verfechtung der Selbstbestimmung der Nationen
&raquo;in der Epoche des Finanzkapitals&laquo; ein ungerechtfertigtes Zugest&auml;ndnis an das
B&uuml;rgerliche sieht. Der Marxismus lehrt: Der &raquo;Kampf gegen den Opportunismus&laquo; in
der Form, da&szlig; man auf die Ausnutzung der von der Bourgeoisie geschaffenen und von der
Bourgeoisie zum Zerrbild gemachten demokratischen Einrichtungen in der <i>gegebenen</i>,
kapitalistischen Gesellschaft verzichtet, ist gleichbedeutend mit der <i>v&ouml;lligen
Kapitulation</i> vor dem Opportunismus!</p>
<p>Die Losung, die sowohl den schnellsten Ausweg aus dem imperialistischen Krieg als auch den
<i>Zusammenhang</i> unseres Kampfes gegen ihn mit dem Kampf gegen den Opportunismus zeigt, ist
der <i>B&uuml;rgerkrieg</i> f&uuml;r den Sozialismus. Nur diese Losung ber&uuml;cksichtigt
richtig sowohl die Besonderheit der Kriegszeit - der Krieg zieht sich in die L&auml;nge und
droht zu einer ganzen Kriegs&raquo;epoche&laquo; zu werden! - als auch den ganzen Charakter
unserer T&auml;tigkeit als Gegengewicht gegen den Opportunismus mit seinem Pazifismus, seinem
Legalismus, seiner Anpassung an die &raquo;eigene&laquo; Bourgeoisie. Aber au&szlig;erdem ist
der B&uuml;rgerkrieg gegen die Bourgeoisie der <i>demokratisch</i> organisierte und
gef&uuml;hrte Krieg der Massen der Besitzlosen gegen die Minderheit der Besitzenden. Der
B&uuml;rgerkrieg ist ebenfalls Krieg, folglich mu&szlig; auch er unvermeidlich die Gewalt an
die Stelle des Rechts setzen. Aber die Gewalt im Namen der Interessen und Rechte der Mehrheit
der Bev&ouml;lkerung zeichnet sich durch einen anderen Charakter aus: sie tritt die
&raquo;Rechte&laquo; der Ausbeuter, der Bourgeoisie nieder und ist <i>nicht zu
verwirklichen</i> ohne eine demokratische Organisierung der Truppen des
&raquo;Hinterlands&laquo;. Der B&uuml;rgerkrieg expropriiert mit Gewalt sofort und in erster
Linie die Banken, die Fabriken, die Eisenbahnen, die gro&szlig;en landwirtschaftlichen
G&uuml;ter usw. Aber gerade <i>deswegen</i>, <i>um</i> das alles zu expropriieren, mu&szlig;
man sowohl die Wahl aller Beamten durch das Volk als auch die Wahl der Offiziere durch das Volk
einf&uuml;hren, mu&szlig; man die <i>v&ouml;llige Verschmelzung</i> der Armee, die den Krieg
gegen die Bourgeoisie f&uuml;hrt, mit der Masse der Bev&ouml;lkerung sowie vollst&auml;ndige
Demokratie in der Verf&uuml;gung &uuml;ber die Lebensmittelvorr&auml;te, ihrer Produktion und
Verteilung einf&uuml;hren usw. Das Ziel des B&uuml;rgerkriegs ist die Inbesitznahme der Banken,
der Fabriken und Betriebe usw., die Ausschaltung jeder M&ouml;glichkeit des Widerstands der
Bourgeoisie, die Vernichtung <i>ihrer</i> Truppen. Aber dieses Ziel ist <i>weder</i> von der
rein milit&auml;rischen <i>noch</i> von der &ouml;konomischen, <i>noch</i> auch von der
politischen Seite her zu erreichen ohne die gleichzeitige, im Verlauf eines solchen Krieges zur
Entfaltung kommende Einf&uuml;hrung und Ausbreitung der Demokratie in <i>unserer</i> Truppe und
in <i>unserem</i> &raquo;Hinterland&laquo;. Wir sagen heute den Massen (und die Massen
f&uuml;hlen instinktiv, da&szlig; wir recht haben, wenn wir ihnen das sagen): &raquo;Man
betr&uuml;gt euch, denn man f&uuml;hrt euch um des imperialistischen Kapitalismus willen in den
Krieg und bem&auml;ntelt ihn mit den gro&szlig;en Losungen der Demokratie.&laquo; &raquo;Ihr
m&uuml;&szlig;t und ihr werdet <i>wirklich</i> demokratisch Krieg f&uuml;hren <i>gegen</i> die
Bourgeoisie, mit dem Ziel, Demokratie und Sozialismus tats&auml;chlich zu verwirklichen.&laquo;
Der jetzige Krieg vereinigt und &raquo;verschmilzt&laquo; die V&ouml;lker zu Koalitionen durch
Gewalt und finanzielle Abh&auml;ngigkeit. <i>Wir</i> werden in unserem B&uuml;rgerkrieg gegen
die Bourgeoisie die V&ouml;lker <i>nicht</i> durch die Gewalt des Rubels, <i>nicht</i> durch
die Gewalt des Pr&uuml;gels, nicht durch Zwang, sondern durch das <i>freiwillige</i>
Einverst&auml;ndnis, durch die Solidarit&auml;t der Werkt&auml;tigen gegen die Ausbeuter
vereinigen und verschmelzen. Die Proklamation der gleichen Rechte aller Nationen ist f&uuml;r
die Bourgeoisie zum Betrug geworden, f&uuml;r uns wird sie Wahrheit sein, eine Wahrheit, die
die Gewinnung aller Nationen f&uuml;r unsere Sache erleichtern und beschleunigen wird. Ohne die
<i>demokratische</i> Organisierung der Beziehungen zwischen den Nationen in der Praxis - und
folglich auch ohne die Freiheit der staatlichen Lostrennung - ist der B&uuml;rgerkrieg der
Arbeiter und der Werkt&auml;tigen aller Nationen gegen die Bourgeoisie
<i>unm&ouml;glich</i>.</p>
<p>&Uuml;ber die Ausnutzung des b&uuml;rgerlichen Demokratismus zur sozialistischen und
konsequent-demokratischen Organisation des Proletariats gegen die Bourgeoisie und gegen den
Opportunismus - einen anderen Weg gibt es nicht. Ein anderer &raquo;Ausweg&laquo; ist
<i>kein</i> Ausweg. Einen anderen Ausweg kennt der Marxismus nicht, wie ihn auch das wirkliche
Leben nicht kennt. Die freie Lostrennung und die freie Vereinigung der Nationen m&uuml;ssen wir
in diesen selben Weg einbeziehen, wir d&uuml;rfen ihnen nicht ausweichen, d&uuml;rfen nicht
f&uuml;rchten, da&szlig; das die &raquo;rein&laquo; &ouml;konomischen Aufgaben
&raquo;beschmutzen&laquo; wird.</p>
<hr>
</div>
<div class="Fussnoten">
<h4>Fu&szlig;noten:</h4>
<p><a class="FNZeichen" href="le23_011.htm#FNanker1" name="FNtext1">1</a>
Der Artikel ist eine Antwort auf den Artikel P. Kijewskis (J. Pjatakows) &uuml;ber das
Recht der Nationen auf Selbstbestimmung. Das Manuskript tr&auml;gt den Vermerk Lenins:
&raquo;Kijewskis Artikel &uuml;ber die Selbstbestimmung und Lenins Antwort auf den
Artikel&laquo;. Etwas sp&auml;ter behandelte Lenin diese Frage in der umfangreichen Arbeit
&raquo;&Uuml;ber eine Karrikatur auf den Marxismus und &uuml;ber den 'imperialistischen
&Ouml;konomismus'&laquo;. (Lenin Werke, Band 23, Seite 18-71.)</p>
<p><a class="FNZeichen" href="le23_011.htm#FNanker2" name="FNtext2">2</a>
Lenin meint die Beitr&auml;ge der holl&auml;ndischen Sozialdemokratin Henriette
Roland-Holst in der Zeitschrift der Schweizer Sozialdemokratischen Partei &raquo;Neues
Leben&laquo; vom Oktober-November und Dezember 1915, einen redaktionellen Artikel im Organ
der &raquo;Jungen&laquo; (der internationalen Verbindung sozialistischer
Jugendorganisationen), der &raquo;Jugend-Internationale&laquo; Nr. 3, M&auml;rz 1916, und die
Erkl&auml;rung der skandinavischen Linken.<br>
Lenin kritisiert die Losung der &raquo;Entwaffnung&laquo; in den Artikeln &raquo;Das
Milit&auml;rprogramm der proletarischen Revolution&laquo; und &raquo;&Uuml;ber die Losung der
'Entwaffnung'&laquo;. (Siehe Lenin Werke, Band 23, S. 72-83 und 91-101.)</p>
</div>
<hr>
</body>
</html>