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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<title>"Neue Rheinische Zeitung" - Drohung der Gervinus-Zeitung</title>
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<p align="center"><a href="me05_102.htm"><font size="2">Die "Neue Berliner Zeitung" &uuml;ber
die Chartisten</font></a> <font size="2">|</font> <a href="../me_nrz48.htm"><font size=
"2">Inhalt</font></a> <font size="2">|</font> <a href="me05_106.htm"><font size="2">Patows
Abl&ouml;sungsdenkschrift</font></a></p>
<small>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 5, S. 102-104<br>
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1971</small> <br>
<br>
<h1>Drohung der Gervinus-Zeitung</font></p>
<p><font size="2">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 25 vom 25. Juni 1848]</font></p>
<p><b><a name="S104">&lt;104&gt;</a></b> **<i>K&ouml;ln</i>, 24. Juni.</p>
<p><font size="2">"H&auml;lt das Ansehen der Frankfurter Versammlung und ihre
Verfassungsbestimmungen Frankreich im Zaume, so hat <i>es keine Not</i>, Preu&szlig;en wird aus
seinen Ostprovinzen wieder sein Ansehen herstellen und d&uuml;rfte <i>dabei</i> einen
<i>momentanen Verlust seiner Rheinprovinz vielleicht kaum scheuen</i>." (Gervinus-Zeitung vom
22. Juni.)</font></p>
<p>Wie diplomatisch der Berliner Korrespondent der Professorenzeitung schreibt! Preu&szlig;en
wird <i>aus</i> "seinen Ostprovinzen sein Ansehen" wiederherstellen. Wo wird es sein Ansehen
wiederherstellen? <i>In</i> den Ostprovinzen? Nicht doch, <i>aus</i> den Ostprovinzen. In der
Rheinprovinz? Noch weniger. Denn es rechnet bei diesem <i>Wiederherstellen</i> seines Ansehns
"<i>auf einen momentanen Verlust der Rheinprovinz</i>", d.h. auf einen momentanen
<i>Verlust</i> seines "Ansehns" in der Rheinprovinz.</p>
<p>Also in <i>Berlin</i> und in <i>Breslau</i>.</p>
<p>Und warum wird es nicht <i>mit</i> seiner Ostprovinz, warum wird es <i>aus</i> seiner
Ostprovinz das in Berlin und Breslau, wie es scheint, verlorne Ansehen wiederherstellen?</p>
<p><i>Ru&szlig;land</i> ist nicht die <i>Ostprovinz</i> Preu&szlig;ens, Preu&szlig;en ist
vielmehr die <i>Westprovinz</i> Ru&szlig;lands. Aber <i>aus</i> der preu&szlig;ischen
Ostprovinz, Arm in Arm mit den braven Pommern, werden die Russen nach <i>Sodom</i> und
<i>Gomorrha</i> ziehn und das "<i>Ansehn</i>" <i>Preu&szlig;ens</i>, d.h. der preu&szlig;ischen
Dynastie, des absoluten K&ouml;nigtums, wiederherstellen. Verloren war dies "Ansehen" von dem
Tage, wo der Absolutismus einen "<i>geschriebenen</i>", von plebejischem Blut befleckten
"<i>Papierwisch</i>" zwischen sich und <i>sein</i> Volk schieben mu&szlig;te, wo der Hof
gezwungen war, sich unter den Schutz und die Aufsicht b&uuml;rgerlicher Getreide- und
Wollh&auml;ndler zu stellen.</p>
<p><b><a name="S105">&lt;105&gt;</a></b> Also der Freund, der Retter k&ouml;mmt aus dem Osten;
wozu nach dieser Seite hin die Grenze milit&auml;risch besetzen? Aus dem Westen k&ouml;mmt der
Feind, nach dem Westen hin mu&szlig; daher die Truppenmacht konzentriert werden. Ein naiver
Berliner Korrespondent der "<i>K&ouml;lnischen Zeitung</i>" begreift den Heldenmut
<i>Pfuels</i> nicht, des braven Polenfreundes, der eine Mission nach Petersburg annimmt, ohne
eine Schutzwache von 100.000 Mann hinter sich zu haben. <i>Pfuel</i> reist <i>angstlos</i> nach
Petersburg! <i>Pfuel in Petersburg</i>! <i>Pfuel</i> scheut sich nicht, die russische Grenze zu
&uuml;berschreiten, und das deutsche Publikum fabelt von russischem Kriegsvolke an deutscher
Grenze! Der Korrespondent der "K&ouml;ln[ischen] Zeitung" bemitleidet das deutsche Publikum.
Doch zur&uuml;ck zu unserer Professorenzeitung!</p>
<p>Wenn die Russen der preu&szlig;ischen Dynastie von Osten, werden die Franzosen dem deutschen
Volke vom Westen her zu H&uuml;lfe eilen. Und ruhig mag die "Frankfurter Versammlung" &uuml;ber
die beste Tagesordnung und die besten "Verfassungsbestimmungen" weiter debattieren. Der
Korrespondent der Gervinus-Zeitung verbirgt diese Ansicht unter der Rednerblume, "da&szlig; die
Frankfurter Versammlung und ihre Verfassungsbestimmungen" Frankreich "im Zaume" halten werden.
Preu&szlig;en wird die Rheinprovinz <i>verlieren</i>. Aber warum sollte es sich <i>scheuen</i>
vor diesem Verlust? Er wird nur "momentan" sein. Der deutsche Patriotismus wird noch einmal
unter russischem Kommando gegen das welsche Babylon marschieren und "das <i>Ansehn
Preu&szlig;ens</i>" auch in der Rheinprovinz und in ganz S&uuml;ddeutschland dauernd
herstellen. Du ahnungsvoller Engel Du! &lt;Goethe, "Faust", Erster Teil, "Marthens
Garten"&gt;</p>
<p>Wenn sich Preu&szlig;en nicht "vor <i>einem momentanen Verlust der Rheinprovinz scheut</i>",
scheut sich die Rheinprovinz noch weniger vor einem "<i>permanenten</i>" Verlust
preu&szlig;ischer Herrschaft. Wenn die Preu&szlig;en mit den Russen, werden die Deutschen sich
mit den Franzosen alliieren und mit ihnen vereint den Krieg des Westens gegen den Osten, der
Zivilisation gegen die Barbarei, der Republik gegen die Autokratie f&uuml;hren.</p>
<p>Wir wollen Deutschlands Einheit, aber nur aus der Zersplitterung der gro&szlig;en deutschen
Monarchien k&ouml;nnen sich die Elemente zu dieser Einheit ausscheiden. Nur im Kriegs- und
Revolutionssturm werden sie zusammengeschmiedet werden. Der Konstitutionalismus aber
verschwindet von selbst, sobald die <i>Parole der Ereignisse</i> lautet: <i>Autokratie oder
Republik</i>. Aber, rufen uns entr&uuml;stet die konstitutionellen Bourgeois zu, wer hat den
Deutschen die Russen zugezogen? Wer anders als die Demokraten? Nieder mit den Demokraten! - Und
sie haben recht!</p>
<p>H&auml;tten wir selbst das russische System bei uns eingef&uuml;hrt, so ersparten wir den
Russen die M&uuml;he, es einzuf&uuml;hren und uns - <i>die Kriegskosten</i>.</p>
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</html>