emacs.d/clones/www.mlwerke.de/me/me01/me01_433.htm

106 lines
43 KiB
HTML
Raw Normal View History

2022-08-25 20:29:11 +02:00
<!DOCTYPE HTML PUBLIC "-//W3C//DTD HTML 3.2//EN">
<HTML><!-- #BeginTemplate "/Templates/Marx-Engels.dwt" -->
<HEAD>
<!-- #BeginEditable "doctitle" -->
<TITLE>Friedrich Engels: Alexander Jung, Vorlesungen &uuml;ber die moderne Literatur der Deutschen</TITLE><!-- #EndEditable -->
<META HTTP-EQUIV="Content-Type" CONTENT="text/html; charset=ISO-8859-1">
<STYLE type="text/css">
<!--
BODY {background : #FFFFE0;}
A.an {text-decoration : none;}
A:active {color : #FF0000;
text-decoration : none;}
A:link {color : #6000FF;
text-decoration : underline;}
A:visited {color : #8080C0;
text-decoration : underline;}
DT, DL, LI, P, TD, UL {color : #330033;
font : 10pt Verdana, Arial, Helvetica, sans-serif;}
B {font-weight : bold;}
I {font-style : italic;}
SMALL {font : 8pt Verdana, Arial, Helvetica, sans-serif;}
U {text-decoration : underline;}
H1 {color : #330033;
font : 400 25pt Georgia, "Times New Roman", Times, serif;}
H2 {color : #330033;
font : 400 17.5pt Georgia, "Times New Roman", Times, serif;}
H3 {color : #330033;
font : 400 15pt Georgia, "Times New Roman", Times, serif;}
H4 {color : #330033;
font : 400 13pt Georgia, "Times New Roman", Times, serif;}
FONT.20 {font : 100 20pt;}
FONT.30 {font : 100 30pt;}
FONT.40 {font : 100 40pt;}
FONT.50 {font : 100 50pt;}
FONT.60 {font : 100 60pt;}
FONT.70 {font : 100 70pt;}
.bottom {font-size : 7.5pt;}
.top {font-size : 7.5pt;
vertical-align : 35%;}
.red {color : #FF0040;}
.zitat {margin-left : 2.5%;
margin-right : 2.5%;
font : 8.5pt Verdana, Arial, Helvetica, sans-serif;}
//-->
</STYLE>
</HEAD>
<BODY link="#6000FF" vlink="#8080C0" alink="#FF0000" bgcolor="#FFFFCC">
<TABLE width="100%" border="0" align="center" cellspacing=0 cellpadding=0>
<TR>
<TD ALIGN="center" width="32%" height=20 valign=middle><A HREF="http://www.mlwerke.de/index.shtml"><SMALL>MLWerke</SMALL></A></TD>
<TD ALIGN="center">|</TD>
<TD ALIGN="center" width="32%" height=20 valign=middle><!-- #BeginEditable "Link%201a" --><A href="../me_ak42.htm"><SMALL>1842</SMALL></A><!-- #EndEditable --></TD>
<TD ALIGN="center">|</TD>
<TD ALIGN="center" width="32%" height=20 valign=middle><A href="../default.htm"><SMALL>Marx/Engels</SMALL></A></TD>
</TR>
</TABLE>
<HR size="1">
<P><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/ Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band <!-- #BeginEditable "Band" -->1<!-- #EndEditable -->. Berlin/DDR. 19<!-- #BeginEditable "Jahr" -->76<!-- #EndEditable -->. S. <!-- #BeginEditable "Seitenzahl" -->433-445<!-- #EndEditable -->.
<BR>1,5. Korrektur
<BR><!-- #BeginEditable "Erstelldatum" -->Erstellt am 30.08.1999<!-- #EndEditable --></SMALL></P>
<H2><!-- #BeginEditable "Autor" -->Friedrich Engels<!-- #EndEditable --></H2>
<H1><!-- #BeginEditable "%DCberschrift" -->Alexander Jung, Vorlesungen &uuml;ber die moderne Literatur der Deutschen<!-- #EndEditable --></H1>
<!-- #BeginEditable "Editionsgeschichte" -->
<H3>Danzig 1842. Gerhard.</H3>
<P><SMALL>Geschrieben um den 15. Juni 1842.</SMALL><!-- #EndEditable -->
<hr size="1">
<!-- #BeginEditable "Textk%F6rper" -->
<P><SMALL>&raquo;Deutsche Jahrb&uuml;cher f&uuml;r Wissenschaft und Kunst&laquo;, Leipzig 1842.</SMALL>
<P><STRONG>|433|</STRONG> Je erfreulicher die gewaltige geistige Bewegung ist, mit welcher K&ouml;nigsberg sich in den Mittelpunkt der deutschen politischen Entwicklung zu setzen sucht, je freier und ausgebildeter sich dort die &ouml;ffentliche Meinung beweist, um so seltsamer erscheint es, da&szlig; an eben diesem Orte in philosophischer Beziehung ein gewisses juste-milieu sich geltend zu machen sucht, das mit der Majorit&auml;t des dortigen Publikums offenbar in Widerspruch geraten mu&szlig;. Und wenn Rosenkranz immer noch manche respektable Seite hat, obwohl auch ihm der Mut der Konsequenz abgeht, so tritt die ganze Schlaffheit und Erb&auml;rmlichkeit des philosophischen juste-milieu in Herrn <EM>Alexander Jung</EM> ans Tageslicht.
<P>Es gibt bei jeder Bewegung, bei jedem Ideenkampfe eine gewisse Art verworrner K&ouml;pfe, die sich nur im tr&uuml;ben ganz wohl befinden. Solange die Prinzipien mit sich selbst noch nicht im reinen sind, l&auml;&szlig;t man solche Subjekte mitlaufen; solange jeder nach Klarheit ringt, ist es nicht leicht, ihre pr&auml;destinierte Unklarheit zu erkennen. Wenn aber die Elemente sich scheiden, Prinzip gegen Prinzip steht, dann ist es an der Zeit, jenen Unbrauchbaren den Abschied zu geben und sich definitiv mit ihnen ins reine zu setzen; denn dann zeigt sich ihre Hohlheit auf eine erschreckende Weise.
<P>Zu diesen Leuten geh&ouml;rt auch Herr Alexander Jung. Sein obiges Buch bliebe am besten ignoriert; da er aber au&szlig;erdem ein &raquo;K&ouml;nigsberger Literatur-Blatt&laquo; herausgibt und seinen langweiligen Positivismus auch hier allw&ouml;chentlich vors Publikum bringt, so m&ouml;gen die Leser der &raquo;Jahrb&uuml;cher&laquo; es mir verzeihen, wenn ich ihn einmal aufs Korn fasse und etwas ausf&uuml;hrlicher charakterisiere.
<P>Zur Zeit des weiland jungen Deutschlands trat er mit Briefen &uuml;ber die neueste Literatur auf. Er hatte sich der j&uuml;ngern Richtung angeschlossen und geriet nun mit ihr in die Opposition, ohne da&szlig; er es wollte. Welche Stellung f&uuml;r unsren Vermittler! Herr Alexander Jung auf der &auml;u&szlig;ersten Linken!
<P><STRONG><A name="S434"></A>|434|</STRONG> Man kann sich die Unbehaglichkeit, in der er sich befand, den Schwall von Beschwichtigungen, von dem er sprudelte, leicht denken. Nun hatte er eine besondre Passion f&uuml;r Gutzkow, der damals f&uuml;r den Erzketzer galt. Er wollte seinem gepre&szlig;ten Herzen Luft machen, aber er f&uuml;rchtete sich, er wollte nicht ansto&szlig;en. Wie sollte er sich helfen? Er fand ein Mittelchen, das ganz seiner w&uuml;rdig war. Er schrieb eine Apotheose Gutzkows und vermied es, seinen Namen darin zu nennen; dann setzte er dar&uuml;ber: &raquo;Fragmente &uuml;ber den Ungenannten&laquo;. Wenn Sie erlauben, Herr Alexander Jung, das war feig!
<P>Seitdem trat Jung wieder mit einem vermittelnden und verworrnen Buche auf: &raquo;K&ouml;nigsberg in Preu&szlig;en und die Extreme des dortigen Pietismus.&laquo; Welch ein Titel schon! Den Pietismus selbst l&auml;&szlig;t er gelten, aber seine Extreme m&uuml;ssen bek&auml;mpft werden, ebensogut, wie jetzt im &raquo;K&ouml;nigsberger Literatur-Blatt&laquo; die Extreme der junghegelschen Richtung bek&auml;mpft werden, wie alle Extreme &uuml;berhaupt vom &Uuml;bel sind und nur die liebe Vermittlung und M&auml;&szlig;igung etwas taugt. Als wenn nicht die Extreme die blo&szlig;en Konsequenzen w&auml;ren! &Uuml;brigens ist das Buch seinerzeit in den &raquo;Hallischen Jahrb&uuml;chern&laquo; besprochen worden.
<P>Jetzt kommt er mit dem obigen Buch heran und gie&szlig;t einen reichlichen Eimer voll vager, kritikloser Behauptungen, verworrner Urteile, hohler Phrasen und l&auml;cherlich beschr&auml;nkter Anschauungen vor uns aus. Es ist, als wenn er seit seinen &raquo;Briefen&laquo; geschlafen h&auml;tte. Rien appris rien oublie! |Nichts gelernt, nichts vergessen!| Das junge Deutschland ist vor&uuml;bergegangen, die junghegelsche Schule ist gekommen, Strau&szlig;, Feuerbach, Bauer, die &raquo;Jahrb&uuml;cher&laquo; haben die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, der Kampf der Prinzipien ist in der sch&ouml;nsten Bl&uuml;te, es handelt sich um Leben oder Tod, das Christentum steht auf dem Spiele, die politische Bewegung erf&uuml;llt alles, und der gute Jung ist noch immer des naiven Glaubens, &raquo;die Nation&laquo; habe nichts andres zu tun, als auf ein neues St&uuml;ck von Gutzkow, einen versprochnen Roman von Mundt, eine zu erwartende Bizarrerie von Laube gespannt zu sein. W&auml;hrend ganz Deutschland widerhallt vom Kampfgeschrei, w&auml;hrend die neuen Prinzipien zu seinen eignen F&uuml;&szlig;en debattiert werden, sitzt Herr Jung in seinem K&auml;mmerlein, kaut in der Feder und gr&uuml;belt nach &uuml;ber den Begriff des &raquo;Modernen&laquo;. Er h&ouml;rt nichts, er sieht nichts, denn er steckt bis &uuml;ber die Ohren in B&uuml;cherballen, f&uuml;r deren Inhalt sich jetzt kein Mensch mehr interessiert, und m&uuml;ht sich ab, die einzelnen St&uuml;cke recht ordentlich und nett unter Hegelsche Kategorien zu rangieren.
<P>Ans Tor seiner Vorlesungen stellt er als Wache den Popanz des &raquo;Modernen&laquo; <STRONG><A name="S435"></A>|435|*</STRONG> auf. Was ist das &raquo;Moderne&laquo;? Herr Jung sagt, als Ausgangspunkte daf&uuml;r setze er Byron und George Sand voraus, die n&auml;chsten prinzipiellen Elemente der neuen Weltzeit seien f&uuml;r Deutschland: Hegel und die Schriftsteller der sogenannten jungen Literatur. - Was dem armen Hegel nicht alles zugeschoben wird! Atheismus, Alleinherrschaft des Selbstbewu&szlig;tseins, revolution&auml;re Staatslehre, und jetzt noch das junge Deutschland. Es ist aber geradezu l&auml;cherlich, Hegel mit dieser Koterie in Verbindung zu bringen. Wei&szlig; denn Herr Jung nicht, da&szlig; Gutzkow von jeher gegen die Hegelsche Philosophie polemisiert hat, da&szlig; Mundt und K&uuml;hne so gut wie gar nichts von der Sache verstehen, da&szlig; namentlich Mundt in der &raquo;Madonna&laquo; und sonst das verr&uuml;ckteste Zeug, die gr&ouml;&szlig;ten Mi&szlig;verst&auml;ndnisse in bezug auf Hegel ausgesprochen hat und jetzt erkl&auml;rter Gegner seiner Lehre ist? Wei&szlig; er nicht, da&szlig; Wienbarg sich ebenfalls gegen Hegel aussprach und Laube in seiner Literaturgeschichte Hegelsche Kategorien fortw&auml;hrend falsch gebrauchte?
<P>Jetzt geht Herr Jung an den Begriff des &raquo;Modernen&laquo; und qu&auml;lt sich auf sechs Seiten damit herum, ohne ihn zu bew&auml;ltigen. Nat&uuml;rlich! Als ob das &raquo;Moderne&laquo; jemals &raquo;in den Begriff erhoben werden&laquo; k&ouml;nne! Als ob eine so vage, gehaltlose, unbestimmte Phrase, die von oberfl&auml;chlichen K&ouml;pfen in gewisser geheimnisvoller Weise &uuml;berall vorgeschoben wurde, jemals eine philosophische Kategorie werden k&ouml;nne! Welcher Abstand von dem &raquo;Modernen&laquo; Heinrich Laubes, das nach aristokratischen Salons riecht und sich nur in Gestalt eines Dandy verk&ouml;rpert, bis zu der &raquo;modernen Wissenschaft&laquo; auf dem Titel der Strau&szlig;schen Glaubenslehre. Das hilft aber alles nicht, Herr A. Jung sieht diesen Titel als einen Beweis an, da&szlig; Strau&szlig; das Moderne, das speziell jungdeutsche Moderne als eine Macht &uuml;ber sich anerkenne, und bringt ihn flugs mit der jungen Literatur unter <EM>einen</EM> Hut. Endlich bestimmt er den Begriff des Modernen als die Unabh&auml;ngigkeit des Subjekts von jeder blo&szlig; &auml;u&szlig;erlichen Autorit&auml;t. Da&szlig; das Streben danach ein Hauptmoment der Zeitbewegung sei, haben wir l&auml;ngst gewu&szlig;t, und da&szlig; die &raquo;Modernen&laquo; damit zusammenh&auml;ngen, leugnet <EM>keiner</EM>; aber es zeigt sich hier recht gl&auml;nzend die Verkehrtheit, mit der Herr Jung platterdings einen Teil zum Ganzen, eine &uuml;berlebte Durchgangsepoche zur Bl&uuml;tezeit erheben will. Das junge Deutschland soll nun einmal, es mag biegen oder brechen, zum Tr&auml;ger des ganzen Zeitinhalts gemacht werden, und nebenbei soll Hegel auch noch sein St&uuml;ckchen abbekommen. Man sieht, wie Herr Jung bisher in zwei Teile geteilt war; in der einen Herzkammer trug er Hegel, in der andern das junge Deutschland. Jetzt, als er diese Vorlesungen schrieb, mu&szlig;te er diese beiden notwendig in Zusammenhang bringen. Welche Verlegenheit! Die linke Hand karessierte die Philosophie, die rechte die oberfl&auml;chliche, schillernde Unphilosophie <STRONG><A name="S436"></A>|436|*</STRONG>, und auf gut christlich wu&szlig;te die rechte Hand nicht, was die linke tat. Wie sollte er sich helfen? Statt ehrlich zu sein, und von den beiden unvereinbaren Liebhabereien die eine fallenzulassen, machte er eine k&uuml;hne Wendung und leitete die Unphilosophie aus der Philosophie ab.
<P>Zu diesem Zwecke wird der arme Hegel auf drei&szlig;ig Seiten beleuchtet. Eine schw&uuml;lstige, phrasenstrotzende Apotheose ergie&szlig;t ihre tr&uuml;be Flut auf das Grab des gro&szlig;en Mannes; sodann plagt sich Herr Jung, zu beweisen, da&szlig; der Grundzug des Hegelschen Systems die Behauptung des freien Subjekts gegen die Heteronomie der starren Objektivit&auml;t sei. Man braucht aber nicht eben bewandert im Hegel zu sein, um zu wissen, da&szlig; er einen weit h&ouml;hern Standpunkt in Anspruch nimmt, den der <EM>Vers&ouml;hnung</EM> des Subjekts mit den objektiven Gewalten, da&szlig; er einen ungeheuren Respekt vor der Objektivit&auml;t hatte, die Wirklichkeit, das Bestehende weit h&ouml;her stellte, als die subjektive Vernunft des einzelnen, und gerade von diesem verlangte, die objektive Wirklichkeit als vern&uuml;nftig anzuerkennen. Hegel ist nicht der Prophet der subjektiven Autonomie, wie Herr Jung meint und wie sie als Willk&uuml;r im jungen Deutschland zutage kommt, Hegels Prinzip ist auch Heteronomie, Unterwerfung des Subjekts unter die allgemeine Vernunft. Zuweilen sogar, z.B. in der Religionsphilosophie, unter die allgemeine Unvernunft. Das, was Hegel am meisten verachtete, war der Verstand, und was ist dieser andres, als die in ihrer Subjektivit&auml;t und Vereinzelung fixierte Vernunft? Nun wird mir aber Herr Jung antworten, so habe er das nicht gemeint, er rede nur von <EM>blo&szlig; &auml;u&szlig;erlicher</EM> Autorit&auml;t, er wolle in Hegel auch nichts andres sehen als die Vermittlung beider Seiten, und das &raquo;moderne&laquo; Individuum wolle seiner Ansicht nach weiter nichts, als eben sich bedingt sehen nur &raquo;durch eigne Einsicht in die Vern&uuml;nftigkeit eines Objektiven&laquo; - dann bitte ich mir aber auch aus, da&szlig; er mir Hegel nicht mit den Jungdeutschen zusammenbringt, deren Wesen eben die subjektive Willk&uuml;r, die Marotte, das Kuriosum ist; dann ist &raquo;das moderne Individuum&laquo; nur ein andrer Ausdruck f&uuml;r einen Hegelianer. Bei einer so grenzenlosen Verwirrung mu&szlig; Herr Jung denn auch das &raquo;Moderne&laquo; innerhalb der Hegelschen Schule aufsuchen, und richtig ist die linke Seite dazu vorzugsweise berufen, mit den Jungdeutschen zu fraternisieren.
<P>Endlich kommt er zur &raquo;modernen&laquo; Literatur, und es geht jetzt eine allgemeine Anerkennung und Loberei los. Da ist <EM>keiner</EM>, der nicht irgend etwas Gutes getan h&auml;tte, <EM>keiner</EM>, der nicht etwas Bemerkenswertes repr&auml;sentierte, <EM>keiner</EM>, dem die Literatur nicht irgendeinen Fortschritt verdankte. Dieses ewige Bekomplimentieren, dieses Vermittlungsstreben, diese Wut, den literarischen Kuppler und Unterh&auml;ndler zu spielen, ist unertr&auml;glich. Was <STRONG><A name="S437"></A>|437|</STRONG> geht das die Literatur an, ob dieser oder jener ein bi&szlig;chen Talent hat, hier und da eine Kleinigkeit leistet, wenn er sonst nichts taugt, wenn seine ganze Richtung, sein literarischer Charakter, seine Leistungen im Gro&szlig;en nichts wert sind? In der Literatur gilt jeder nicht f&uuml;r sich, sondern nur in seiner Stellung zum Ganzen. Wenn ich mich zu einer solchen Art Kritik hergeben wollte, so m&uuml;&szlig;te ich auch mit Herrn Jung selbst glimpflicher verfahren, weil vielleicht f&uuml;nf Seiten in diesem Buche nicht &uuml;bel geschrieben sind und einiges Talent verraten. - Eine Masse komischer Ausspr&uuml;che flie&szlig;en Herrn Jung mit einer gro&szlig;en Leichtigkeit und einer gewissen Grandezza aus der Feder. So, von den scharfen Abfertigungen P&uuml;cklers durch die Kritik sprechend, freut er sich, da&szlig; diese &raquo;<EM>ohne Ansehen der Person und des Ranges ihr Urteil falle. </EM>Es zeugt dieses in Wahrheit von einem hohen, in sich selbst unabh&auml;ngigen Standpunkt deutscher Kritik.&laquo; Welch eine schlechte Meinung mu&szlig; Herr Jung von der deutschen Nation haben, da&szlig; er ihr dergleichen so hoch anrechnet! Als ob wunders welche Courage dazu geh&ouml;rte, die Werke eines <EM>F&uuml;rsten </EM>zu tadeln!
<P>Ich &uuml;bergehe dies Geschw&auml;tz, das den Anspruch macht, Literaturgeschichte zu sein und au&szlig;er seiner innern Hohlheit und Zusammenhangslosigkeit auch noch grenzenlos l&uuml;ckenhaft ist; so fehlen die Lyriker Gr&uuml;n, Lenau, Freiligrath, Herwegh, so die Dramatiker Mosen und Klein usw. Endlich kommt er dahin, worauf er von vornherein losgearbeitet hat, auf sein liebes junges Deutschland, das f&uuml;r ihn die Vollendung des &raquo;Modernen&laquo; ist. Er beginnt mit <EM>B&ouml;rne. </EM>In Wahrheit aber ist B&ouml;rnes Einflu&szlig; auf das junge Deutschland so gro&szlig; nicht, Mundt und K&uuml;hne erkl&auml;rten ihn f&uuml;r verr&uuml;ckt, Lauben war er zu demokratisch, zu entschieden, und nur bei Gutzkow und Wienbarg &auml;u&szlig;erten sich nachhaltigere Wirkungen. Gutzkow namentlich verdankt B&ouml;rnen sehr viel. Der gr&ouml;&szlig;te Einflu&szlig;, den B&ouml;rne gehabt hat, das ist jener stille auf die Nation, die seine Werke als ein Heiligtum bewahrt und sich daran gest&auml;rkt und aufrecht erhalten hat in den tr&uuml;ben Zeiten von 1832 bis 1840, bis die wahren S&ouml;hne des Pariser Briefstellers in den neuen, philosophischen Liberalen erstanden. Ohne die direkte und indirekte Wirkung B&ouml;rnes w&auml;re es der aus Hegel hervorgehenden freien Richtung weit schwerer geworden, sich zu konstituieren. Es kam jetzt aber blo&szlig; darauf an, die versch&uuml;tteten Gedankenwege zwischen Hegel und B&ouml;rne auszugraben, und das war so schwer nicht. Diese beiden M&auml;nner standen sich n&auml;her als es schien. Die Unmittelbarkeit, die gesunde Anschauung B&ouml;rnes erwies sich als die praktische Seite dessen, was Hegel theoretisch wenigstens in Aussicht stellte. Herr Jung sieht das nat&uuml;rlich wieder nicht ein. B&ouml;rne ist ihm gewisserma&szlig;en allerdings ein respektabler Mann, der sogar Charakter hatte, <STRONG><A name="S438"></A>|438|</STRONG> was unter Umst&auml;nden gewi&szlig; viel wert ist, er hat unleugbare Verdienste, wie etwa Varnhagen und P&uuml;ckler auch, und hat namentlich gute Theaterkritiken geschrieben, aber er war ein Fanatiker und Terrorist, und davor beh&uuml;te uns der liebe Gott! Pfui &uuml;ber so eine schlaffe, mattherzige Auffassung eines Mannes, der allein durch seine Gesinnung ein Tr&auml;ger seiner Zeit wurde! Dieser Jung, der das junge Deutschland und sogar die Pers&ouml;nlichkeit Gutzkows aus dem absoluten Begriff konstruieren will, ist nicht einmal imstande, einen so einfachen Charakter wie B&ouml;rne zu begreifen; er sieht nicht ein, wie notwendig, wie konsequent auch die extremsten, radikalsten Ausspr&uuml;che aus B&ouml;rnes innerstem Wesen hervorgehen, <EM>da&szlig; B&ouml;rne seiner Natur nach Republikaner war</EM>, und f&uuml;r einen solchen die &raquo;Pariser Briefe&laquo; wahrlich nicht zu stark geschrieben sind. Oder hat Herr Jung nie einen Schweizer oder Nordamerikaner &uuml;ber monarchische Staaten sprechen h&ouml;ren? Und wer will es B&ouml;rnen zum Vorwurf machen, da&szlig; er &raquo;das Leben nur aus dem Gesichtspunkte der Politik betrachtete&laquo;? Tut nicht Hegel dasselbe? Ist nicht auch ihm der Staat in seinem &Uuml;bergange zur Weltgeschichte, also in den Verh&auml;ltnissen der innern und &auml;u&szlig;ern Politik, die konkrete Realit&auml;t des absoluten Geistes? Und - es ist l&auml;cherlich - bei dieser unmittelbaren, naiven Anschauung B&ouml;rnes, die in der erweiterten Hegelschen ihre Erg&auml;nzung findet und oft aufs &uuml;berraschendste zu ihr stimmt, meint Herr Jung dennoch, B&ouml;rne habe sich &raquo;ein System der Politik und des V&ouml;lkergl&uuml;cks entworfen&laquo;, so ein abstraktes Wolkengebilde, aus dem man sich seine Einseitigkeiten und Verh&auml;rtungen erkl&auml;ren m&uuml;sse! Herr Jung hat keine Ahnung von der Bedeutung B&ouml;rnes, von seinem eisernen, geschlo&szlig;nen Charakter, von seiner imponierenden Willensfestigkeit; eben weil er selbst so ein gar kleines, weichherziges, unselbst&auml;ndiges Allerweltsm&auml;nnchen ist. Er wei&szlig; nicht, da&szlig; B&ouml;rne einzig dasteht als Pers&ouml;nlichkeit in der deut
<P>W&auml;re es ein junger, sich erst entwickelnder Autor, der mit solchen Urteilen auftr&auml;te, man lie&szlig;e sich das gefallen; es gibt manchen, der eine Zeitlang Hoffnungen auf die junge Literatur gesetzt und im Hinblick auf eine erwartete Zukunft ihre Werke nachsichtiger betrachtet hat, als er es sonst vor sich selbst verantworten konnte. Namentlich wer die j&uuml;ngsten Entwicklungsstufen des deutschen Geistes in seinem eignen Bewu&szlig;tsein reproduziert hat, wird irgendeinmal mit Vorliebe auf die Produktionen Mundts, Laubes oder Gutzkows geblickt haben. Aber der Fortschritt &uuml;ber diese Richtung hinaus hat sich seitdem viel zu energisch geltend gemacht, und die Gehaltlosigkeit der meisten Jungdeutschen ist auf eine erschreckende Weise offenbar geworden.
<P>Das junge Deutschland rang sich aus der Unklarheit einer bewegten Zeit empor und blieb selbst noch mit dieser Unklarheit behaftet. Gedanken, die damals noch formlos und unentwickelt in den K&ouml;pfen goren, die sp&auml;ter erst durch Vermittlung der Philosophie zum Bewu&szlig;tsein kamen, wurden vom jungen Deutschland zum Spiel der Phantasie benutzt. Daher die Unbestimmtheit, die Verwirrung der Begriffe, die unter den Jungdeutschen selbst herrschte. Gutzkow und Wienbarg wu&szlig;ten noch am meisten, was sie wollten, Laube am wenigsten. Mundt lief sozialen Marotten nach, K&uuml;hne, in dem etwas Hegel spukte, schematisierte und klassifizierte. Aber bei der allgemeinen Unklarheit konnte nichts Rechtes zutage kommen. Der Gedanke von der Berechtigung der Sinnlichkeit wurde nach Heines Vorgang roh und flach gefa&szlig;t, die politisch-liberalen Prinzipien waren nach den Pers&ouml;nlichkeiten verschieden, und die Stellung des Weibes gab zu den fruchtlosesten und konfusesten Diskussionen Anla&szlig;. Keiner wu&szlig;te, woran er mit dem andern war. Auf die allgemeine Verwirrung der Zeit m&uuml;ssen auch die Ma&szlig;regeln der verschiedenen Regierungen gegen diese Leute geschoben werden. Die phantastische Form, in der jene Vorstellungen propagiert wurden, konnte nur dazu beitragen, jenen wirren Zustand zu vermehren. Durch das gl&auml;nzende Exterieur der jungdeutschen Schriften, die geistreiche, pikante, lebendige Schreibart derselben, die geheimnisvolle Mystik, mit welcher die Hauptschlagw&ouml;rter umgeben waren, sowie durch die Regeneration der Kritik und die Belebung der belletristischen Zeitschriften, die von ihnen ausging, zogen sie bald j&uuml;ngere Schriftsteller in Masse an sich, und es dauerte nicht lange, <STRONG><A name="S440"></A>|440|</STRONG> so hatte jeder von ihnen, mit Ausnahme Wienbargs, seinen Hof. Die alte schlaffe Belletristik mu&szlig;te dem jungen Andrange weichen, und die &raquo;junge Literatur&laquo; nahm das eroberte Feld in Besitz, teilte sich darein und - zerfiel in sich selbst &uuml;ber der Teilung. Hier kam die Unzul&auml;nglichkeit des Prinzips zum Vorschein. Jeder hatte sich im andern get&auml;uscht. Die Prinzipien verschwanden, es handelte sich nur noch um Pers&ouml;nlichkeiten, Gutzkow oder Mundt, das war die Frage. Cliquenwesen, H&auml;keleien, Streitigkeiten um nichts und wieder nichts begannen die Journale zu f&uuml;llen.
<P>Der leichte Sieg hatte die jungen Herren &uuml;berm&uuml;tig und eitel gemacht. Sie hielten sich f&uuml;r welthistorische Charaktere. Wo ein junger Schriftsteller auftrat, gleich wurde ihm die Pistole auf die Brust gesetzt und unbedingte Unterwerfung gefordert. Jeder machte den Anspruch, exklusiver Literaturgott zu sein. Du sollst keine andern G&ouml;tter haben neben mir! Der geringste Tadel erregte t&ouml;dliche Feindschaften. Auf diese Weise verlor die Richtung allen geistigen Inhalt, den sie noch etwa gehabt hatte, und sank in den reinen Skandal herab, der in Heines Buch &uuml;ber B&ouml;rne kulminierte und in infame Gemeinheit &uuml;berging. Von den einzelnen Pers&ouml;nlichkeiten ist <EM>Wienbarg</EM> unbedingt die nobelste; ein ganzer, kr&auml;ftiger <EM>Mann</EM>, eine Statue von hellgl&auml;nzendem Erz aus <EM>einem</EM> Gusse, daran kein Rostfleck ist. <EM>Gutzkow</EM> ist der Klarste, Verst&auml;ndigste; er hat am meisten produziert und neben Wienbarg auch die entschiedensten Zeugnisse seiner Gesinnung gegeben. Will er auf dem dramatischen Gebiet bleiben, so sorge er indes f&uuml;r be&szlig;re, ideenvollre Stoffe, als er sie bisher gew&auml;hlt hat, und schreibe statt aus dem &raquo;modernen&laquo; aus dem wirklichen Geist der Gegenwart heraus. Wir verlangen mehr Gedankengehalt als die liberalen Phrasen des Patkul oder die weiche Empfindsamkeit des Werner. Wozu Gutzkow viel Talent hat, ist die Publizistik; er ist ein geborner Journalist, aber er kann sich nur durch <EM>ein</EM> Mittel halten: wenn er sich die neuesten religions- und staatsphilosophischen Entwicklungen aneignet und seinen &raquo;Telegraphen&laquo;, den er, wie es hei&szlig;t, wieder auferstehen lassen will, der gro&szlig;en Zeitbewegung unbedingt widmet. L&auml;&szlig;t er aber die entartete Belletristerei seiner Herr werden, so wird er nicht besser werden als die &uuml;brigen sch&ouml;nwissenschaftlichen Journale, die nicht Fisch und nicht Fleisch sind, von langweiligen Novellen strotzen, kaum durchbl&auml;ttert werden und &uuml;berhaupt an Gehalt und in der Achtung des Publikums mehr als je gesunken sind. Ihre Zeit ist vorbei, sie l&ouml;sen sich allm&auml;hlich in die politischen Zeitungen auf, die das bi&szlig;chen Literatur noch ganz gut mit abfertigen k&ouml;nnen.
<P><EM>Laube</EM> ist bei all seinen schlechten Eigenschaften doch noch gewisserma&szlig;en liebensw&uuml;rdig; aber seine unordentliche, prinziplose Schreiberei, <STRONG><A name="S441"></A>|441|</STRONG> heut Romane, morgen Literaturgeschichte, &uuml;bermorgen Kritiken, Dramen usw., seine Eitelkeit und Flachheit l&auml;&szlig;t ihn nicht aufkommen. Den Mut der Freiheit hat er ebensowenig als <EM>K&uuml;hne</EM>. Die &raquo;Tendenzen&laquo; der weiland &raquo;jungen Literatur&laquo; sind l&auml;ngst vergessen, das leere, abstrakte Literaturinteresse hat beide ganz in Anspruch genommen. Dagegen ist die Indifferenz bei <EM>Heine</EM> und <EM>Mundt</EM> zur offnen Apostasie geworden. <EM>Heines</EM> Buch &uuml;ber B&ouml;rne ist das Nichtsw&uuml;rdigste, was jemals in deutscher Sprache geschrieben wurde; <EM>Mundts</EM> neueste T&auml;tigkeit im &raquo;Piloten&laquo; nimmt dem Verfasser der &raquo;Madonna&laquo; die letzte Spur von Achtung in den Augen der Nation. Man wei&szlig; hier in Berlin nur zu gut, was Herr Mundt mit einer solchen Selbstentw&uuml;rdigung bezweckt, n&auml;mlich eine Professur; um so ekelerregender ist diese pl&ouml;tzlich in Herrn Mundt gefahrne Untert&auml;nigkeit. Herr Mundt und sein Waffentr&auml;ger F. Radewell m&ouml;gen nur fortfahren, die neuere Philosophie zu verd&auml;chtigen, den Notanker der Schellingschen Offenbarung zu ergreifen und sich durch ihre unsinnigen Versuche, selbst zu philosphieren, vor der Nation l&auml;cherlich zu machen. Die freie Philosophie kann ihre philosophischen Sch&uuml;lerarbeiten ruhig und unwiderlegt in die Welt gehen lassen; sie zerfallen in sich selbst. Was den Namen des Herrn Mundt an der Stirn tr&auml;gt, ist, wie die Werke Leos, mit dem Malzeichen der Apostasie gebrandmarkt. Vielleicht bekommt er an Herrn Jung bald einen neuen Hintersassen; er l&auml;&szlig;t sich bereits gut an, wie wir gesehen haben und noch weiter sehen werden.
<P>Nachdem Herr Jung nun den eigentlichen Zweck seiner Vorlesungen hinter sich hat, dr&auml;ngt es ihn gewaltig, sich zum Schlu&szlig; noch einmal recht dem Gel&auml;chter der Nation preiszugeben. Er geht von Gutzkow auf David Strau&szlig; &uuml;ber, schreibt ihm das eminente Verdienst zu, &raquo;die Resultate von Hegel und Schleiermacher und des modernen Stils&laquo; (ist <EM>das</EM> etwa moderner <EM>Stil</EM>?) in sich zusammengezogen zu haben, klagt dabei aber entsetzlich &uuml;ber die greuliche, ewige Negation. Ja, die Negation, die Negation! Die armen Positivisten und juste-milieu-Leute sehen die negative Flut immer h&ouml;her und h&ouml;her schwellen, klammern sich fest aneinander und schreien nach etwas Positivem. Da jammert nun so ein Alexander Jung &uuml;ber die ewige Bewegung der Weltgeschichte, nennt den Fortschritt Negation und spreizt sich zuletzt zum falschen Propheten auf, der &raquo;eine gro&szlig;e positive Geburt&laquo; weissagt; die er mit den verschrobensten Phrasen im voraus beschreibt, und die Strau&szlig;, Feuerbach und was damit zusammenh&auml;ngt, mit dem Schwerte des Herrn besiegen werde. Auch in seinem &raquo;Literatur-Blatt&laquo; predigt er das Wort vom neuen &raquo;positiven&laquo; Messias. Kann es etwas Unphilosophischeres geben als ein so unverhohlnes Mi&szlig;vergn&uuml;gen, eine so offne Unbefriedigung in der Gegenwart? Kann man sich weibischer und kraftloser betragen, als es Herr A. Jung <STRONG><A name="S442"></A>|442|</STRONG> tut? Kann man sich eine &auml;rgre Phantasterei denken - die neuschellingsche Scholastik ausgenommen - als diesen frommen Glauben an den &raquo;positiven Messias&laquo;? Wann gab es eine gr&ouml;&szlig;re - und leider auch verbreitetre Verwirrung als diejenige, welche jetzt in Beziehung auf die Begriffe &raquo;positiv und negativ&laquo; herrscht? Man gebe sich nur einmal die M&uuml;he, die verschriene Negation n&auml;her anzusehen, und man wird finden, da&szlig; sie durch und durch selbst Position ist. F&uuml;r diejenigen freilich, die das Vern&uuml;nftige, den Gedanken, weil er nicht still steht, sondern sich bewegt, f&uuml;r nicht positiv erkl&auml;ren, und deren kraftloses Efeugem&uuml;t einer alten Mauerruine, eines Faktums bedarf, um sich an ihm zu halten, f&uuml;r die ist freilich aller Fortschritt Negation. In Wahrheit aber ist der Gedanke in seiner Entwicklung das allein Ewige und Positive, w&auml;hrend die Faktizit&auml;t, die &Auml;u&szlig;erlichkeit des Geschehens eben das Negative, Verschwindende und der Kritik Anheimfallende ist.
<P>&raquo;Wer aber wird der Heber dieses unendlichen, in unsrer N&auml;he weilenden Schatzes sein?&laquo; f&auml;hrt Herr Jung mit gesteigertem Pathos fort. Ja, wer wird der Messias sein, der die schwachen, zagenden Seelen aus dem Exil der Negation, aus der finstern Nacht der Verzweiflung zur&uuml;ckf&uuml;hren wird in das Land, da Milch und Honig flie&szlig;t? &raquo;<EM>Ob Schelling?</EM> - - - - Gro&szlig;e, heilige Hoffnungen setzen wir auf <EM>Schelling</EM>, eben weil <EM>Er</EM> so lange der Einsamkeit vertraut, eben weil er jenen Ruhesitz am Urquelle des Denkens und Schaffens entdeckt hat, jenen Herrschersitz, welcher die Zeit aufh&ouml;ren macht, Zeit zu sein!&laquo; usw. Ja, so spricht ein Hegelianer, und weiter (&raquo;K&ouml;nigsberger Literatur-Blatt&laquo; Nr. 4): &raquo;Wir versprechen uns von <EM>Schelling</EM> au&szlig;erordentlich viel. Schelling wird, hoffen wir, mit derselben Leuchte eines niegesehenen, neuen Lichtes durch die <EM>Geschichte</EM> schreiten, wie er einst durch die Natur geschritten ist&laquo; usw. Sodann Nr. 7 eine Huldigung f&uuml;r den unbekannten Gott Schellings. Die Philosophie der Mythologie und der Offenbarung wird als notwendig konstruiert, und Herr Jung ist selig in dem Bewu&szlig;tsein, Schellings, des gro&szlig;en Schelling Gedankenbahnen auch schon von ferne mit seinem begeisterten Auge nachahnen zu k&ouml;nnen. Solch ein markloser, sehns&uuml;chtiger Geist ist dieser Jung, da&szlig; er nur in der Hingebung an einen andern, in der Unterwerfung unter fremde Autorit&auml;t sich befriedigt findet. Keine Ahnung von Selbst&auml;ndigkeit ist bei ihm zu finden; sowie ihm der Halt genommen wird, den er umfa&szlig;t, knickt er in sich selbst zusammen und weint helle Tr&auml;nen der Sehnsucht. Sogar an etwas, was er noch nicht kennt, wirft er sich weg, und trotz der ziemlich genauen Nachrichten, die man schon vor Schellings Auftreten in Berlin &uuml;ber seine Philosophie und den speziellen Inhalt seiner Vorlesungen hatte, kennt Herr Jung keine gr&ouml;&szlig;re Seligkeit, als zu <STRONG><A name="S443"></A>|443|</STRONG> Schellings F&uuml;&szlig;en im Staube zu sitzen. Er wei&szlig; nicht, wie Schelling sich in der Vorrede zu dem Cousinschen Werk &uuml;ber Hegel ausgesprochen hat, oder vielmehr er wei&szlig; es wohl, und dennoch wagt er, ein Hegelianer, sich an Schelling wegzuschenken, wagt es, nach solchen Antezedentien den Namen Hegels noch in den Mund zu nehmen, auf ihn gegen die neuesten Entwicklungen zu provozieren! Und um seiner Selbstentw&uuml;rdigung die Krone aufzusetzen, f&auml;llt er in Nr. 13 nochmals anbetend vor Schelling nieder, der ersten Vorlesung desselben den Weihrauch seiner ganzen Bewundrung und Proskynese zollend. Ja, er findet es hier alles best&auml;tigt, was er von Schelling
<P class="zitat">&raquo;nicht blo&szlig; voraussetzte, sondern wu&szlig;te, jene wunderbar frische, jene auch der Form nach vollendete Durchdringung aller wissenschaftlichen, k&uuml;nstlerischen und sittlichen Elemente, welche in solcher Vereinigung antiker und christlicher Welt den so Verherrlichten zu einem ganz andern Priester des H&ouml;chsten und seiner Offenbarung weihen mag, <EM>als es Priestern niedern Grades und Laien auch nur einfallen kann&laquo;.</EM> Freilich werden einige so verworfen sein, &raquo;da&szlig; sie aus Neid sogar die Gr&ouml;&szlig;e wegleugnen, welche sich hier rein und klar wie das Licht der Sonne jedem offenbart&laquo;. &raquo;Die ganze Gr&ouml;&szlig;e Schellings, die &Uuml;berlegenheit &uuml;ber alles Ausgezeichnete blo&szlig; einseitiger Richtungen strahlt uns aus seiner ersten Vorlesung herrlich entgegen.&laquo;... &raquo;Wer so anfangen kann, der mu&szlig; <EM>gewaltig</EM> fortfahren, <EM>mu&szlig; als Sieger enden</EM>, und wenn sie alle erm&uuml;den, weil sie alle, solchen Fluges ungewohnt, sinken, und <EM>keiner mehr zu folgen, zu verstehen vermag</EM>, was Du von Ur an Begeisterter sprichst; so lauschen Dir sicher die Manen des mit Dir Ebenb&uuml;rtigen, des treuesten, des herrlichsten Deiner Freunde, <EM>es lauschen Dir die Manen des alten Hegel</EM>!&laquo; -
<P>Was mag Herr Jung dabei sich vorgestellt haben, als er diesen Enthusiasmus ins Blaue, diese romantische Schwebelei zu Papier brachte! Was wenigstens hier in Berlin jeder im voraus wu&szlig;te oder mit Sicherheit schlie&szlig;en konnte, davon ahnt unser frommer &raquo;Priester&laquo; nichts. Was aber jener &raquo;Priester des H&ouml;chsten&laquo; uns f&uuml;r &raquo;Offenbarungen&laquo; gepredigt, worin die &raquo;Gr&ouml;&szlig;e&laquo;, der &raquo;Beruf, der Menschheit das H&ouml;chste zu enth&uuml;llen&laquo;, der &raquo;gewaltige Flug&laquo; bestanden, wie Schelling &raquo;als Sieger geendigt&laquo; hat, das wei&szlig; jetzt alle Welt; in dem Schriftchen: &raquo;Schelling und die Offenbarung&laquo;, als dessen Verfasser ich mich hiemit bekenne, habe ich den Inhalt der neuen Offenbarung in durchaus objektiver Weise dargelegt. Herr Jung m&ouml;ge die Erf&uuml;llung seiner Hoffnungen daran nachweisen oder wenigstens die Aufrichtigkeit und den - <EM>Mut </EM>haben, seinen gl&auml;nzenden Irrtum einzugestehen.
<P>Ohne mich auf die Kritik Sealsfields, mit der Herr Jung sein Buch schlie&szlig;t, weiter einzulassen, da ich vom belletristischen Felde doch schon weit genug entfernt bin, will ich zum Schlusse noch auf einige Stellen des &raquo;K&ouml;nigsberger Literatur-Blatts&laquo; eingehen, um auch hier die Mattherzigkeit und marklose Aufgedunsenheit Herrn Jungs nachzuweisen. Gleich in Nr. 1 <STRONG><A name="S444"></A>|444|</STRONG> wird, jedoch sehr zur&uuml;ckhaltend, auf Feuerbachs &raquo;Wesen des Christentums&laquo; hingewiesen, in Nr. 2 die Negationstheorie der &raquo;Jahrb&uuml;cher&laquo; angegriffen, jedoch noch mit Respekt, in Nr. 3 wird <EM>Herbarten</EM> gehuldigt, wie vorhin Schellingen, in Nr. 4 allen beiden und zugleich noch eine Verwahrung gegen den Radikalismus ausgesprochen, in Nr. 8 beginnt eine ausf&uuml;hrliche Kritik des Feuerbachschen Buchs, in der die Halbheit des juste-milieu ihre &Uuml;berlegenheit &uuml;ber den entschiednen Radikalismus geltend machen will. Und was sind die schlagenden Argumente, die hier aufgewandt werden? Feuerbach, sagt Herr Jung, h&auml;tte ganz recht, wenn die Erde das ganze Universum w&auml;re; vom irdischen Standpunkte aus ist sein ganzes Werk sch&ouml;n, schlagend, vortrefflich, unwiderleglich; aber vom universalen, vom Weltgesichtspunkt aus ist es nichtig. Sch&ouml;ne Theorie! Als ob auf dem Monde zwei mal zwei f&uuml;nf w&auml;re, als ob auf der Venus die Steine lebendig herumliefen und auf der Sonne die Pflanzen sprechen k&ouml;nnten! Als ob jenseits der Erdatmosph&auml;re eine aparte, neue Vernunft anfinge und der Geist nach der Entfernung von der Sonne gemessen w&uuml;rde! Als ob das Selbstbewu&szlig;tsein, zu dem die Erde in der Menschheit kommt, nicht in demselben Augenblick Weltbewu&szlig;tsein w&uuml;rde, in welchem es seine Stellung als Moment desselben erkennt! Als ob ein solcher Einwand nicht nur ein Vorwand w&auml;re, um die fatale Antwort auf die alte Frage hinauszuschieben in die schlechte Endlosigkeit des Raumes! Klingt es nicht seltsam naiv, wenn Herrn Jung mitten in die Hauptreihe seiner Argumente sich der Satz eingeschmuggelt hat: &raquo;die Vernunft, welche &uuml;ber jede blo&szlig; sph&auml;rische Bestimmtheit hinausgeht&laquo;? Wie kann er dann, bei zugestandner Konsequenz und Vern&uuml;nftigkeit des Bestrittnen vom irdischen Gesichtspunkt aus, diesen vom &raquo;universalen&laquo; unterscheiden? Es ist aber eines Phantasten, eines Gef&uuml;hlsschw&auml;rmers, wie Herr Jung einer ist, vollkommen w&uuml;rdig, sich in die schlechte Unendlichkeit des Sternenhimmels zu verlieren und &uuml;ber denkende, liebende, phantasierende Wesen auf den andern Weltk&ouml;rpern sich allerhand kuriose Hypothesen und wundersame Tr&auml;umereien auszuklauben. Dabei ist es l&auml;cherlich, wie er vor der Seichtigkeit warnt, Feuerbach und Strau&szlig; nun ohne weitres des Atheismus und der unbedingten Leugnung der Unsterblichkeit zu beschuldigen. Herr Jung sieht nicht, da&szlig; diese Leute gar keinen andern Standpunkt in Anspruch nehmen. Weiter. In Nr. 12 droht uns Herr Jung bereits mit seinem Zorn; in Nr. 26 wird Leo konstruiert und &uuml;ber das unleugbare Talent des Mannes seine Gesinnung ganz und gar vergessen und besch&ouml;nigt; ja Rugen wird ebensosehr unrecht gegeben wie Leon. Nr. 29 erkennt Hinrichs' nichtssagende Kritik der &raquo;Posaune&laquo; in den &raquo;Berliner Jahrb&uuml;chern&laquo; an und erkl&auml;rt sich noch entschiedner gegen die Linke; Nr. 35 vollends liefert einen langen, grauenvollen <STRONG><A name="S445"></A>|445|</STRONG> Artikel &uuml;ber F. Baader, dessen somnamb&uuml;le Mystik und Unphilosophie ihm noch dazu als Verdienst angerechnet wird; endlich Nr. 36 klagt &uuml;ber &raquo;unselige Polemik&laquo;, mit andern Worten offenbar &uuml;ber einen Artikel von E. Meyen in der &raquo;Rheinischen Zeitung&laquo;, worin Herrn Jung einmal die Wahrheit gesagt wird - es ist sonderbar! In einem solchen Dusel und Traumleben ergeht sich Herr Jung, da&szlig; er glaubt, er sei unser &raquo;Kampfgenosse&laquo;, er &raquo;verteidige dieselben Ideen&laquo;, da&szli
<P>Eine weitre Nummer des Jungschen Blattes ist mir noch nicht zu Gesicht gekommen. Ich denke, die gegebnen Beweise werden gen&uuml;gen, die Zur&uuml;ckweisung des Herrn Jung aus der Gemeinschaft der Entschiednen und &raquo;Freien&laquo; zu begr&uuml;nden; er selbst ist jetzt in den Stand gesetzt, zu sehen, was man an ihm auszusetzen hat. Noch eine Bemerkung sei mir gestattet. Herr Jung ist unzweifelhaft der charakterschwachste, kraftloseste, unklarste Schriftsteller Deutschlands. Woher kommt das alles, woher die erbauliche Form, die er &uuml;berall zur Schau tr&auml;gt? Sollte es damit zusammenh&auml;ngen, da&szlig; Herr Jung, wie es hei&szlig;t, fr&uuml;her ex officio erbaulich sein mu&szlig;te?</P>
<P><EM>Friedrich Oswald</EM></P><!-- #EndEditable -->
<HR size="1" width="200" align="left">
<P><SMALL>Pfad: &raquo;../me/me<!-- #BeginEditable "Verzeichnis" -->01<!-- #EndEditable -->&laquo;</SMALL></P>
<HR size="1">
<TABLE width="100%" border="0" align="center" cellspacing=0 cellpadding=0>
<TR>
<TD ALIGN="center" width="32%" height=20 valign=middle><A HREF="http://www.mlwerke.de/index.shtml"><SMALL>MLWerke</SMALL></A></TD>
<TD ALIGN="center">|</TD>
<TD ALIGN="center" width="32%" height=20 valign=middle><!-- #BeginEditable "Link%201%20b" --><A href="../me_ak42.htm"><SMALL>1842</SMALL></A><!-- #EndEditable --></TD>
<TD ALIGN="center">|</TD>
<TD ALIGN="center" width="32%" height=20 valign=middle><A href="../default.htm"><SMALL>Marx/Engels</SMALL></A></TD>
</TR>
</TABLE>
</BODY>
<!-- #EndTemplate --></HTML>