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<title>"Neue Rheinische Zeitung" - Die Ratifikation des Waffenstillstandes</title>
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<p align="center"><a href="me05_405.htm"><font size="2">Die Freiheit der Beratungen in
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Berlin</font></a> <font size="2">|</font> <a href="../me_nrz48.htm"><font size=
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"2">Inhalt</font></a> <font size="2">|</font> <a href="me05_410.htm"><font size="2">Der
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Aufstand in Frankfurt</font></a></p>
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<small>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 5, S. 408-409<br>
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Dietz Verlag, Berlin/DDR 1959</small><br>
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<h1>Die Ratifikation des Waffenstillstandes</font></p>
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<p><font size="2">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 107 vom 20. September 1848]</font></p>
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<p><b><a name="S408"><408></a></b> **<i>Köln</i>, 19. September. Die deutsche
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Nationalversammlung hat den Waffenstillstand ratifiziert. Wir hatten uns nicht getäuscht
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<Siehe <a href="me05_393.htm#S397">"Der dänisch-preußische Waffenstillstand", S.
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397</a>>: "Die Ehre Deutschlands liegt in schlechten Händen."</p>
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<p>Unter dem Zudrange von Fremden, Diplomaten etc. zu den Bänken der Abgeordneten, im
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Tumult und bei gänzlicher Dunkelheit ging die Abstimmung vor sich. Eine Majorität von
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Zweien zwang die Versammlung, über zwei ganz verschiedene Punkte zugleich abzustimmen. Mit
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einer Majorität von 21 Stimmen wurde der Waffenstillstand angenommen, Schleswig-Holstein
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geopfert, die "Ehre Deutschlands" mit Füßen getreten und das <i>Aufgehen
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Deutschlands in Preußen</i> beschlossen.</p>
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<p>In keiner Frage hatte sich die Volksstimme so entschieden ausgesprochen. In keiner Frage
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hatten die Herren von der Rechten so offen eingestanden, daß sie für eine Sache
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aufträten, die sich <i>nicht verteidigen lasse</i>. In keiner Frage waren die Interessen
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Deutschlands so unzweifelhaft, so deutlich wie in dieser. Die Nationalversammlung hat
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entschieden: Sie hat sich und der von ihr geschaffenen sogenannten Zentralgewalt das
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<i>Todesurteil</i> gesprochen. Hätte Deutschland einen Cromwell, er würde bald genug
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kommen: "Ihr seid kein Parlament! Im Namen Gottes, hebt Euch von hinnen!"</p>
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<p>Man spricht davon, die Linke werde austreten. Wenn sie Mut hätte, diese arme,
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verspottete, von der Majorität mit Fäusten angegriffene und dafür vom edlen
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Gagern obendrein zur Ordnung gerufene Linke! Noch nie ist eine Minorität mit einer solchen
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Unverschämtheit und Konsequenz gemißhandelt worden wie die Frankfurter Linke vom
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edlen Gagern und seinen 250 Majoritätshelden. Aber wenn sie nur Mut hätte!</p>
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<p>An dem Mangel an Mut geht die ganze deutsche Bewegung zugrunde. Der Kontrerevolution fehlt
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der Mut zu entscheidenden Schlägen ebensosehr wie <a name="S409"><b><409></b></a>
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der revolutionären Partei. Ganz Deutschland, mag es rechts oder links halten, weiß
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jetzt, daß die gegenwärtige Bewegung zu furchtbaren Kollisionen, zu blutigen
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Kämpfen führen muß, sei es, um sie zu unterdrücken, sei es, um sie
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durchzuführen. Und statt diesen unvermeidlichen Kämpfen mutig entgegenzusehen, statt
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sie mit ein paar raschen, entscheidenden Schlägen ihrem Ende entgegenzuführen,
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schließen die beiden Parteien, die der Kontrerevolution und die der Bewegung, ein
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förmliches Komplott, um sie möglichst lange zu vertagen. Und gerade diese ewigen
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kleinen Auskunftsmittelchen, diese Konzessiönchen und Palliative, diese
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Vermittlungsversuche sind schuld daran, daß überall Unerträglichkeit und
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Ungewißheit der politischen Lage zu zahllosen Einzelaufständen geführt hat, die
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nur mit Blut und mit Schmälerung der errungenen Rechte zu beseitigen sind. Gerade diese
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Furcht vor dem Kampf ruft Tausende von kleinen Kämpfen herbei, gibt dem Jahr 1848 seinen
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unerhört blutigen Charakter und verwickelt die ganze Stellung der kämpfenden Parteien
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so, daß der endliche Kampf nur um so heftiger, um so verheerender werden muß. Aber
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"der mangelnde Mut von unsern lieben Bekannten"!</p>
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<p>Dieser entscheidende Kampf um die Zentralisation und demokratische Organisierung
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Deutschlands ist nun einmal nicht zu vermeiden. Trotz aller Vertuschungen und Vermittlungen
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rückt er täglich näher. Die Verwicklungen in Wien, in Berlin, in Frankfurt
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selbst drängen zu einer Entscheidung; und wenn <i>alles</i> an der deutschen Zaghaftigkeit
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und Unentschiedenheit scheitern sollte, dann wird uns Frankreich retten. In Paris reifen jetzt
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die Früchte des Junisieges: Cavaignac und seine "reinen Republikaner" werden in der
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Nationalversammlung, in der Presse, in den Klubs überflügelt von den Royalisten; der
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legitimistische Süden droht [mit] einem allgemeinen Aufstand; Cavaignac muß zu dem
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revolutionären Mittel Ledru-Rollins, zu Departemental-Kommissaren mit
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außerordentlicher Vollmacht seine Zuflucht nehmen; nur mit der größten Not
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schlug er sich und seine Regierung am Samstag in der Kammer durch. Noch eine solche Abstimmung,
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und Thiers, Barrot und Konsorten, die Leute, in deren Interesse der Junisieg errungen, haben
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die Majorität, Cavaignac wird der roten Republik in die Arme geworfen, und der Kampf um
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die Existenz der Republik bricht los.</p>
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<p>Wenn Deutschland in seiner Unentschiedenheit beharrt, so wird diese neue Phase der
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französischen Revolution zugleich das Signal zum Wiederausbruch des offenen Kampfes in
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Deutschland sein, eines Kampfes, der uns hoffentlich etwas weiterführen und Deutschland
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wenigstens von den traditionellen Fesseln der Vergangenheit befreien wird.</p>
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<p><font size="2">Geschrieben von Friedrich Engels.</font></p>
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