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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<TITLE>Friedrich Engels - Die preu&szlig;ische Milit&auml;rfrage und die deutsche Arbeiterpartei</TITLE>
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<P ALIGN="CENTER"><A href="../default.htm">Zur&uuml;ck zum Gesamtverzeichnis Karl Marx/Friedrich Engels - Werke</A></P>
<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 16, 6. Auflage 1975, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 37-78.</P>
<P>1. Korrektur.<BR>
Erstellt am .</P>
</FONT><H2>Friedrich Engels</H2>
<H1>Die preu&szlig;ische Milit&auml;rfrage<BR>
und die<BR>
deutsche Arbeiterpartei</H1>
<FONT SIZE=2><P>Geschrieben Ende Januar bis 11. Februar 1865.<BR>
Nach der Erstausgabe von 1865.</P>
</FONT><P><HR></P>
<B><P><A NAME="S41">|41|</A></B> Die Debatte &uuml;ber die Milit&auml;rfrage ist bisher lediglich zwischen der Regierung und Feudalpartei auf der einen und der liberalen und radikalen Bourgeoisie auf der anderen Seite gef&uuml;hrt worden. Jetzt, wo die Krisis herannaht, ist es an der Zeit, da&szlig; auch die Arbeiterpartei sich ausspricht. </P>
<P>In der Kritik der milit&auml;rischen Tatsachen, um die es sich handelt, k&ouml;nnen wir nur von den vorliegenden tats&auml;chlichen Verh&auml;ltnissen ausgehen. Wir k&ouml;nnen der preu&szlig;ischen Regierung nicht zumuten, anders zu handeln als vom preu&szlig;ischen Standpunkt aus, solange die jetzigen Verh&auml;ltnisse in Deutschland und Europa bestehen. Ebensowenig muten wir der Bourgeoisopposition zu, von einem andern als von dem Standpunkt ihrer eigenen Bourgeoisinteressen auszugehen. </P>
<P>Die Partei der Arbeiter, die in allen Fragen zwischen Reaktion und B&uuml;rgertum au&szlig;erhalb des eigentlichen Konflikts steht, hat den Vorteil, solche Fragen ganz kaltbl&uuml;tig und unparteiisch behandeln zu k&ouml;nnen. Sie allein kann sie wissenschaftlich behandeln, historisch, als ob sie schon vergangen, anatomisch, als ob sie schon Kadaver w&auml;ren. </P>
<FONT SIZE=4><P ALIGN="CENTER">I</P>
</FONT><B><P><A NAME="S42">|42|</A></B> Wie es mit der preu&szlig;ischen Armee nach dem fr&uuml;heren System aussah, dar&uuml;ber k&ouml;nnen nach den Mobilmachungsversuchen von 1850 und 1859 keine zwei Meinungen sein. Die absolute Monarchie war seit 1815 durch die &ouml;ffentliche Zusage gebunden: keine neuen Steuern zu erheben und keine Anleihen auszuschreiben ohne vorherige Genehmigung der k&uuml;nftigen Landesvertretung. Diese Zusage zu brechen, war unm&ouml;glich; keine Anleihe ohne solche Genehmigung versprach den geringsten Erfolg. Die Steuern waren aber im ganzen so eingerichtet, da&szlig; bei steigendem Landesreichtum ihr Ertrag keineswegs in demselben Verh&auml;ltnis stieg. Der Absolutismus war arm, sehr arm, und die au&szlig;erordentlichen Ausgaben infolge der St&uuml;rme von 1830 waren hinreichend, ihn zur &auml;u&szlig;ersten Sparsamkeit zu n&ouml;tigen. Daher die Einf&uuml;hrung der zweij&auml;hrigen Dienstzeit, daher ein Ersparnissystem in allen Zweigen der Armeeverwaltung, das die f&uuml;r eine Mobilmachung bereitzuhaltenden Ausr&uuml;stungsgegenst&auml;nde nach Quantit&auml;t und Qualit&auml;t auf das allerniedrigste Niveau reduzierte. Trotzdem sollte Preu&szlig;ens Stellung als Gro&szlig;macht behauptet werden; hierzu bedurfte man, f&uuml;r den Beginn eines Kriegs, einer m&ouml;glichst starken ersten Feldarmee und schlug daher die Landwehr ersten Aufgebots dazu. Man sorgte also daf&uuml;r, da&szlig; gleich beim ersten drohenden Kriegsfall eine Mobilmachung n&ouml;tig wurde und da&szlig; mit dieser das ganze Geb&auml;ude zusammenbrach. Der Fall trat 1850 ein und endete mit dem vollst&auml;ndigsten Fiasko Preu&szlig;ens. </P>
<P>1850 kam man blo&szlig; dahin, die materiellen M&auml;ngel des Systems kennenzulernen; die ganze Sache war vor&uuml;ber, ehe die moralischen Bl&ouml;&szlig;en hervortreten konnten. Die von den Kammern bewilligten Fonds wurden benutzt, um den materiellen M&auml;ngeln soweit m&ouml;glich abzuhelfen. Soweit m&ouml;glich; denn es wird unter allen Umst&auml;nden unm&ouml;glich sein, das Material derart <A NAME="S43"><B>|43|</A></B> bereitzuhalten, da&szlig; in 14 Tagen die eingezogenen Reserven und nach 14 Tagen das ganze erste Aufgebot der Landwehr schlagfertig ausger&uuml;stet sein kann. Man vergesse nicht, da&szlig; die Linie h&ouml;chstens 3 Jahrg&auml;nge, Reserve und erstes Aufgebot aber zusammen 9 Jahrg&auml;nge z&auml;hlten, also f&uuml;r 3 schlagfertige Liniensoldaten in 4 Wochen mindestens 7 Eingezogene auszur&uuml;sten waren. Nun kam der italienische Krieg von 1859 und damit eine neue allgemeine Mobilmachung. Auch hier traten noch materielle M&auml;ngel genug hervor, sie traten aber weit zur&uuml;ck gegen die moralischen Bl&ouml;&szlig;en des Systems, welche jetzt erst, bei der l&auml;ngeren Dauer des mobilen Standes, aufgedeckt wurden. Die Landwehr war vernachl&auml;ssigt worden, das ist unleugbar; die Cadres ihrer Bataillone existierten gro&szlig;enteils nicht und mu&szlig;ten erst geschaffen werden; unter den bestehenden Offizieren waren viele f&uuml;r den Felddienst untauglich. Aber selbst wenn dies alles anders gewesen w&auml;re, so blieb doch immer die Tatsache, da&szlig; die Offiziere ihren Leuten nicht anders als ganz fremd sein konnten, fremd namentlich nach der Seite ihrer milit&auml;rischen Bef&auml;higung, und da&szlig; diese milit&auml;rische Bef&auml;higung bei den meisten zu gering war, als da&szlig; Bataillone mit solchen Offizieren mit Vertrauen gegen erprobte Truppen gesandt werden konnten. Wenn die Landwehroffiziere sich im d&auml;nischen Krieg sehr gut geschlagen haben, so vergesse man nicht, da&szlig; es ein gro&szlig;er Unterschied ist, ob ein Bataillon <FONT SIZE="-1"><SUP>4</FONT></SUP>/<FONT SIZE="-2">5</FONT> Linien- und <FONT SIZE="-1"><SUP>1</FONT></SUP>/<FONT SIZE="-2">5</FONT> Landwehroffiziere besitzt oder umgekehrt. Dazu kam aber ein entscheidender Punkt. Es stellte sich sofort heraus, was man h&auml;tte vorherwissen k&ouml;nnen: da&szlig; man mit der Landwehr zwar schlagen, namentlich zur Verteidigung des eignen Landes schlagen, aber unter keinen Umst&auml;nden demonstrieren kann. Die Landwehr ist eine so defensive Institution, da&szlig; mit ihr eine Offensive selbst erst infolge einer zur&uuml;ckgeschlagenen Invasion m&ouml;glich ist, wie 1814 und 1815. Ein aus meist verheirateten Leuten von 26 bis 32 Jahren bestehendes Aufgebot l&auml;&szlig;t sich nicht monatelang an den Grenzen m&uuml;&szlig;ig aufstellen, w&auml;hrend t&auml;glich die Briefe von Hause einlaufen, da&szlig; Frau und Kinder darben; denn auch die Unterst&uuml;tzungen f&uuml;r die Familien der Einberufenen zeigten sich als &uuml;ber alle Begriffe ungen&uuml;gend. Dazu kam noch, da&szlig; die Leute nicht wu&szlig;ten, gegen wen sie sich schlagen sollten, gegen Franzosen oder &Ouml;streicher - und keiner von beiden hatte damals Preu&szlig;en etwas zuleide getan. Und mit solchen durch monatelanges M&uuml;&szlig;igstehen demoralisierten Truppen sollte man festorganisierte und kriegsgewohnte Armeen angreifen? </P>
<P>Da&szlig; eine &Auml;nderung eintreten mu&szlig;te, ist klar. Preu&szlig;en mu&szlig;te unter den gegebenen Verh&auml;ltnissen eine festere Organisation der ersten Feldarmee haben. Wie ist diese hergestellt worden? </P>
<B><P><A NAME="S44">|44|</A></B> Man lie&szlig; die einberufenen 36 Landwehrregimenter der Infanterie einstweilen bestehen und verwandelte sie allm&auml;hlich in neue Linienregimenter. Nach und nach wurde auch die Kavallerie und Artillerie so weit vermehrt, da&szlig; sie diesem st&auml;rkeren Stand der Fu&szlig;truppen entsprachen, und endlich wurde die Festungsartillerie von der Feldartillerie getrennt, welches letztere jedenfalls eine Verbesserung war, namentlich f&uuml;r Preu&szlig;en. Mit einem Wort, die Infanterie wurde verdoppelt, die Kavallerie und Artillerie ungef&auml;hr um die H&auml;lfte erh&ouml;ht. - Um diesen verst&auml;rkten Armeebestand aufrechtzuerhalten, wurde vorgeschlagen, die Dienstzeit in der Linie von 5 auf 7 Jahre auszudehnen - 3 Jahre bei den Fahnen (bei der Infanterie), 4 in der Reserve, dagegen die Verpflichtung zum zweiten Aufgebot der Landwehr um 4 Jahre abzuk&uuml;rzen und endlich die j&auml;hrliche Rekrutierung von der bisherigen Zahl von 40.000 auf 63.000 zu erh&ouml;hen. Die Landwehr wurde inzwischen ganz vernachl&auml;ssigt. </P>
<P>Die Vermehrung der Bataillone, Schwadronen und Batterien, wie sie hiermit festgesetzt war, entsprach fast genau der Vermehrung der Bev&ouml;lkerung Preu&szlig;ens von 10 Millionen 1815 auf 18 Millionen 1861; da Preu&szlig;ens Reichtum inzwischen rascher gewachsen ist als seine Bev&ouml;lkerung, und da die andern europ&auml;ischen Gro&szlig;staaten ihre Heere seit 1815 in weit gr&ouml;&szlig;erem Ma&szlig;e verst&auml;rkt haben, so war eine solche Vermehrung der Cadres sicher nicht zu hoch gegriffen. Dabei erschwerte der Vorschlag von allen Lasten des Dienstpflichtigen nur die der j&uuml;ngsten Altersklassen, die Reservepflicht, erleichterte dagegen die Landwehrpflicht in den &auml;ltesten Jahresklassen im doppelten Verh&auml;ltnis und hob tats&auml;chlich das zweite Aufgebot fast ganz auf, indem nun das erste Aufgebot so ziemlich die fr&uuml;her dem zweiten angewiesene Stellung erhielt. </P>
<P>Dagegen lie&szlig; sich wider den Entwurf einwenden: </P>
<P>Die allgemeine Wehrpflicht - beil&auml;ufig die einzige demokratische Institution, welche in Preu&szlig;en, wenn auch nur auf dem Papier, besteht - ist ein so enormer Fortschritt gegen alle bisherigen milit&auml;rischen Einrichtungen, da&szlig;, wo sie einmal, wenn auch nur in unvollkommener Durchf&uuml;hrung, bestanden hat, sie auf die Dauer nicht wieder abgeschafft werden kann. Es gibt nur zwei klar bestimmte Grundlagen f&uuml;r unsere heutigen Heere: entweder Werbung - und diese ist veraltet und nur in Ausnahmsf&auml;llen wie England m&ouml;glich - oder allgemeine Wehrpflicht. Alle Konskriptionen und Auslosungen sind eben nur sehr unvollkommene Formen der letzteren. Der Grundgedanke des preu&szlig;ischen Gesetzes von 1814: da&szlig; jeder Staatsb&uuml;rger, der k&ouml;rperlich dazu f&auml;hig, auch verpflichtet ist, w&auml;hrend seiner waffenf&auml;higen Jahre pers&ouml;nlich die Waffen zur Verteidigung des Landes zu <A NAME="S45"><B>|45|</A></B> f&uuml;hren - dieser Grundgedanke steht hoch &uuml;ber dem Prinzip des Stellvertreterkaufs aller Konskriptionsl&auml;nder und wird nach f&uuml;nfzigj&auml;hrigem Bestehen sicher nicht den sehns&uuml;chtigen W&uuml;nschen der Bourgeoisie nach Einf&uuml;hrung des "Menschenfleisch-Handels", wie die Franzosen sagen, zum Opfer fallen. </P>
<P>Ist aber die preu&szlig;ische Wehrverfassung einmal auf allgemeine Dienstpflicht, ohne Stellvertretung, begr&uuml;ndet, so kann sie nur dadurch in ihrem eignen Geist und wohlt&auml;tig fortgebildet werden, da&szlig; ihr Grundprinzip immer mehr verwirklicht wird. Sehen wir, wie es damit steht. </P>
<P>1815 auf 10 Millionen Einwohner 40.000 Ausgehobene, macht 4 aufs Tausend. 1861 auf 18 Millionen 63.000 Ausgehobene, macht 3<FONT SIZE="-1"><SUP>1</FONT></SUP>/<FONT SIZE="-2">2</FONT> aufs Tausend. Also ein R&uuml;ckschritt, wenn auch ein Fortschritt gegen&uuml;ber dem Stand der Dinge bis 1859, wo blo&szlig; 2<FONT SIZE="-1"><SUP>2</FONT></SUP>/<FONT SIZE="-2">9</FONT> aufs Tausend ausgehoben wurden. Um nur den Prozentsatz von 1815 wieder zu erreichen, m&uuml;&szlig;ten 72.000 Mann ausgehoben werden. (Wir werden sehen, da&szlig; allerdings jedes Jahr ungef&auml;hr diese Zahl oder mehr in das Heer eintritt,) Aber ist die kriegerische St&auml;rke des preu&szlig;ischen Volkes mit einer j&auml;hrlichen Rekrutierung von 4 aufs Tausend der Bev&ouml;lkerung ersch&ouml;pft? </P>
<P>Die Darmst&auml;dter "Allgemeine Milit&auml;r-Zeitung" hat wiederholte Male aus den Statistiken der deutschen Mittelstaaten nachgewiesen, da&szlig; in Deutschland<I> vollkommen die H&auml;lfte</I> der zur Rekrutierung kommenden jungen Leute diensttauglich ist. Nun betrug die Anzahl der im Jahre 1861 zur Rekrutierung kommenden jungen M&auml;nner, nach der "Zeitschrift des preu&szlig;. statistischen Bureaus" (M&auml;rz 1864) - 227.005. Dies g&auml;be j&auml;hrlich 113.500 diensttaugliche Rekruten. Wir wollen von diesen 6.500 als unabk&ouml;mmlich oder moralisch unf&auml;hig streichen, so bleiben immer noch 107.000 &uuml;brig. Warum dienen von diesen nur 63.000 oder h&ouml;chstens 72.000 bis 75.000 Mann? </P>
<P>Der Kriegsminister von Roon teilte in der Session 1863 der Milit&auml;rkommission des Abgeordnetenhauses folgende Aufstellung mit &uuml;ber die Aushebung von 1861: </P>
<P ALIGN="CENTER"><CENTER><TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=1 WIDTH=562>
<TR><TD WIDTH="62%" VALIGN="TOP" COLSPAN=3>
<P>Gesamtzahl der Bev&ouml;lkerung (Z&auml;hlung von 1858)</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">17.758.823</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="TOP"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="62%" VALIGN="TOP" COLSPAN=3>
<P>Zwanzigj&auml;hrige Milit&auml;rpflichtige, Klasse 1861</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">217.438</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="TOP"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="62%" VALIGN="TOP" COLSPAN=3>
<P>Aus fr&uuml;heren Jahren &uuml;bernommene Milit&auml;rpflichtige, &uuml;ber die noch nicht endg&uuml;ltig entschieden</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM">
<U><P ALIGN="RIGHT">&nbsp;&nbsp;&nbsp;348.364</U></TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">565.802</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="62%" VALIGN="TOP" COLSPAN=3>
<P>Davon sind:</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="6%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="56%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>1. Unermittelt geblieben</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">55.770</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="6%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="56%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>2. In andere Kreise gezogen und dort gestellungspflichtig geworden</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">82.216</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="6%" VALIGN="TOP">
<B><P><A NAME="S46">|46|</A></B></TD>
<TD WIDTH="56%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>3. Ohne Entschuldigung ausgeblieben</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">10.960</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="6%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="56%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>4. Als dreij&auml;hrige Freiwillige eingetreten</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">5.025</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="6%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="56%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>5. Zum einj&auml;hrigen Freiwilligendienst berechtigt</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">14.811</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="6%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="56%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>6. Als Theologen zur&uuml;ckgestellt oder befreit</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">1.638</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="6%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="56%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>7. Seedienstpflichtig</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">299</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="6%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="56%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>8. Als moralisch unf&auml;hig gestrichen</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">596</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="6%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="56%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>9. Augenf&auml;llig unbrauchbar von der Bezirkskommission entlassen</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">2.489</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="6%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="56%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>10. Dauernd unbrauchbar von der Bezirkskommission entlassen</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">15.238</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="6%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="56%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>11. Zur Ersatzreserve &uuml;bergetreten:</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="6%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="2%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="54%" VALIGN="TOP">
<P>a) Unter 5 Fu&szlig; nach dreimaliger Konkurrenz</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">8.998</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="6%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="2%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="54%" VALIGN="TOP">
<P>b) Unter 5 Fu&szlig; 1 Zoll 3 Linien nach dreimaliger Konkurrenz</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">9.553</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="6%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="2%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="54%" VALIGN="TOP">
<P>c) Zeitig unbrauchbar nach dreimaliger Konkurrenz</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">46.761</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="6%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="2%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="54%" VALIGN="TOP">
<P>d) Wegen h&auml;usl. Verh&auml;ltn. nach dreimaliger Konkurrenz</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">4.213</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="6%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="2%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="54%" VALIGN="TOP">
<P>e) Disponibel nach f&uuml;nfmaliger Konkurrenz</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM">
<U><P ALIGN="RIGHT">&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;291</U></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">69.816</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="6%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="56%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>12. Zum Train designiert, au&szlig;er den zum Train Ausgehobenen</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">6.774</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="6%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="56%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>13. Auf ein Jahr zur&uuml;ckgestellt:</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="6%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="2%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="54%" VALIGN="TOP">
<P>a) Zeitig unbrauchbar</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">219.136</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="6%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="2%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="54%" VALIGN="TOP">
<P>b) Wegen h&auml;usl. Verh&auml;ltnisse</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">10.013</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="6%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="2%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="54%" VALIGN="TOP">
<P>c) Wegen Ehrenstrafen und Untersuchung</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM">
<U><P ALIGN="RIGHT">&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;1.087</U></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM">
<U><P ALIGN="RIGHT">&nbsp;&nbsp;&nbsp;230.236</U></TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM">
<U><P ALIGN="RIGHT">495.868</U></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="62%" VALIGN="TOP" COLSPAN=3>
<P>Bleiben zur Aushebung</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">69.934</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="62%" VALIGN="TOP" COLSPAN=3>
<P>Wirklich ausgehoben</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM">
<U><P ALIGN="RIGHT">&nbsp;59.459</U></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="6%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="56%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>Bleiben disponibel</TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM"></TD>
<TD WIDTH="12%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">10.475</TD>
</TR>
</TABLE>
</CENTER></P>
<P>So unvollkommen diese Statistik ist, so unklar sie alles dadurch macht, da&szlig; in jeder Position von 1 bis 13 die Leute der Altersklasse 1861 mit den aus den beiden fr&uuml;heren Altersklassen verf&uuml;gbar gebliebenen Leuten zusammengeworfen werden, so enth&auml;lt sie doch einige sehr kostbare Eingest&auml;ndnisse. </P>
<P>Es wurden eingestellt als Rekruten 59.459 Mann. Als dreij&auml;hrige Freiwillige traten ein 5.025. Zum einj&auml;hrigen Dienst waren berechtigt 14.811; da man es bekanntlich mit der Tauglichkeit der einj&auml;hrigen Freiwilligen gar <A NAME="S47"><B>|47|</A></B> nicht so genau nimmt, weil sie nichts kosten, so d&uuml;rfen wir annehmen, da&szlig; mindestens die H&auml;lfte, also 7.400, wirklich eintraten. Dies ist sehr gering gerechnet; die Klasse von Leuten, die zum einj&auml;hrigen Dienst qualifizieren, besteht ohnehin meistens aus tauglichen Leuten; solche, die von vornherein unbrauchbar sind, geben sich gar nicht erst die M&uuml;he zu qualifizieren. Doch nehmen wir 7.400 an. Danach traten in die Armee ein im Jahre 1861 zusammen 71.884 Mann. </P>
<P>Sehen wir weiter. Als Theologen wurden zur&uuml;ckgestellt oder befreit 1.638 Mann. Warum die Herren Theologen nicht dienen sollen, ist nicht abzusehen. Im Gegenteil, ein Jahr Armeedienst, Leben in der freien Luft und Ber&uuml;hrung mit der Au&szlig;enwelt kann ihnen nur nutzen. Stellen wir sie also flott ein; <FONT SIZE="-1"><SUP>1</FONT></SUP>/<FONT SIZE="-2">3</FONT> der Gesamtzahl aufs laufende Jahr, davon <FONT SIZE="-1"><SUP>3</FONT></SUP>/<FONT SIZE="-2">4</FONT> untauglich, macht immer 139 Mann, welche mitzunehmen sind. </P>
<P>Es wurden entlassen 18.551 Mann, weil sie das Ma&szlig; nicht hatten. Wohl gemerkt, nicht des Dienstes &uuml;berhaupt, sondern "<I>zur Reserve</I> entlassen". Im Kriegsfall sollen sie also doch Dienst tun. Nur der Paradedienst des Friedens soll ihnen erlassen bleiben, dazu sind sie nicht ansehnlich genug. Man gesteht also zu, da&szlig; diese kleinen Leute ganz gut zum Dienst brauchbar sind, und will sie selbst f&uuml;r den Notfall benutzen.<I> Da&szlig;</I> diese kleinen Leute ganz gute Soldaten sein k&ouml;nnen, beweist die franz&ouml;sische Armee, in der Leute bis zu 4 Fu&szlig; 8 Zoll herab dienen. Wir schlagen sie also unbedingt zu den milit&auml;rischen Ressourcen des Landes. Die obige Zahl schlie&szlig;t blo&szlig; diejenigen ein, welche definitiv nach dreimaliger Konkurrenz wegen K&ouml;rperk&uuml;rze zur&uuml;ckgewiesen wurden; es ist also eine Zahl, die sich j&auml;hrlich wiederholt. Wir streichen die H&auml;lfte als aus andern R&uuml;cksichten unbrauchbar, es bleiben uns also 9.275 kleine Kerle, welche ein gewandter Offizier sicher bald in pr&auml;chtige Soldaten umarbeiten w&uuml;rde. </P>
<P>Ferner finden wir zum Train designiert,<I> au&szlig;er</I> den zum Train aus gehobenen Leuten, 6.774. Der Train geh&ouml;rt aber auch zur Armee, und es ist nicht abzusehen, weswegen diese Leute nicht die kurze sechsmonatliche Dienstzeit beim Train mitmachen sollen, was sowohl f&uuml;r sie wie f&uuml;r den Train besser w&auml;re. </P>
<P>Wir haben also: </P>
<P ALIGN="CENTER"><CENTER><TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=1 WIDTH=444>
<TR><TD WIDTH="64%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>Wirklich in Dienst getretene Leute</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">71.884</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="TOP"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="64%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>Theologen</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">139</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="TOP"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="64%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>Taugliche Leute, die das Ma&szlig; nicht haben</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">9.275</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="TOP"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="64%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>Zum Train designierte Leute</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">6.774</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="TOP"></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="32%" VALIGN="TOP" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="32%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="32%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="32%" VALIGN="TOP">
<P>Zusammen</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">88.072</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="TOP">
<P>Mann,</TD>
</TR>
</TABLE>
</CENTER></P>
<B><P><A NAME="S48">|48|</A></B> welche nach dem eigenen<I> Eingest&auml;ndnis</I> der von Roonschen Statistik jedes Jahr in die Armee eintreten k&ouml;nnten, wenn man mit der allgemeinen Wehrpflicht Ernst machte. </P>
<P>Nehmen wir nun die Unbrauchbaren vor. </P>
<P ALIGN="CENTER"><CENTER><TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=1>
<TR><TD WIDTH="64%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>Es wurden auf ein Jahr zur&uuml;ckgestellt als zeitig unbrauchbar</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">219.136</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="left">Mann</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="64%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>Nach dreimaliger Konkurrenz als ditto in die Reserve verwiesen</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">46.761</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="left">Mann</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="64%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>Als dauernd unbrauchbar gestrichen nur</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">17.727</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="left">Mann</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="32%" VALIGN="TOP" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="32%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="32%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="32%" VALIGN="TOP">
<P>Zusammen</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">283.524</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="TOP">
<P>Mann,</TD>
</TR>
</TABLE>
</CENTER></P>
<P>so da&szlig; die wegen<I> wirklicher</I> k&ouml;rperlicher Gebrechen<I> dauernd</I> untauglichen Leute noch nicht 7% der s&auml;mtlichen, wegen Untauglichkeit vom Dienst ausgeschlossenen Mannschaft, noch nicht 4% der gesamten, j&auml;hrlich vor die Ersatzkommissionen kommenden Leute bilden. Beinahe 17% der zeitig Untauglichen werden j&auml;hrlich, nach dreimaliger Konkurrenz, in die Reserve verwiesen. Es sind also 23j&auml;hrige Leute, Leute in einem Alter, wo die K&ouml;rperkonstitution bereits anf&auml;ngt, sich zu setzen. Wir werden sicher nicht zu hoch greifen, wenn wir annehmen,<I> </I>da&szlig; von diesen ein Drittel nach erreichtem 25. Lebensjahre zum Dienst ganz brauchbar ist, macht 15.587 Mann. Das Mindeste, was man von diesen Leuten erwarten kann, ist, da&szlig; sie zwei Jahre lang jedes Jahr bei der Infanterie drei Monate Dienst tun, um wenigstens die Rekrutenschule durchzumachen. Dies k&auml;me gleich einer Vermehrung der Friedensarmee um 3.897 Mann. </P>
<P>Nun ist aber das ganze medizinische Pr&uuml;fungswesen der Rekruten in Preu&szlig;en in eine eigent&uuml;mliche Bahn gelenkt worden. Man hatte immer mehr Rekruten, als man einstellen konnte, und man wollte doch den Schein der allgemeinen Wehrpflicht beibehalten. Was war bequemer, als sich die besten Leute in der gew&uuml;nschten Zahl auszusuchen und den Rest unter irgendwelchem Vorwande f&uuml;r untauglich zu erkl&auml;ren? Unter diesen Verh&auml;ltnissen, welche, wohlgemerkt, seit 1815 in Preu&szlig;en bestanden haben und noch bestehen, hat der Begriff der Untauglichkeit dort eine ganz abnorme Ausdehnung erhalten, wie dies am besten bewiesen ist durch die Vergleichung mit den deutschen Mittelstaaten. In diesen, wo die Konskription und Auslosung besteht, lag kein Grund vor, mehr Leute f&uuml;r untauglich zu erkl&auml;ren, als wirklich untauglich waren. Die Verh&auml;ltnisse sind dieselben wie in Preu&szlig;en; in einzelnen Staaten, Sachsen z.B. noch schlechter, weil dort der Prozentsatz der industriellen Bev&ouml;lkerung gr&ouml;&szlig;er ist. Nun ist wie gesagt <A NAME="S49"><B>|49|</A></B> in der "Allg. Mil.Ztg." aber und abermals nachgewiesen worden, da&szlig; in den Mittelstaaten eine<I> volle H&auml;lfte</I> der zur Gestellung kommenden Leute brauchbar ist, und das mu&szlig; in Preu&szlig;en auch der Fall sein. Sobald ein ernsthafter Krieg ausbricht, wird die Vorstellung von der Diensttauglichkeit in Preu&szlig;en eine pl&ouml;tzliche Revolution erleben, und man wird dann, zu seinem Schaden zu sp&auml;t, erfahren, wie viel brauchbare Kr&auml;fte man sich hat entgehen lassen. </P>
<P>Nun aber kommt das Wunderbarste. Unter den 565.802 Dienstpflichtigen, &uuml;ber die zu entscheiden ist, sind: </P>
<P ALIGN="CENTER"><CENTER><TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=1 WIDTH=444>
<TR><TD WIDTH="64%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>Unermittelt geblieben</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">55.770</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">Mann</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="64%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>In andere Kreise gezogen oder dort gestellungspflichtig geworden</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">82.216</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">Mann</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="64%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>Ohne Entschuldigung ausgeblieben</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">10.960</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">Mann</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="32%" VALIGN="TOP" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="32%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="32%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="32%" VALIGN="TOP">
<P>Zusammen</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">148.946</TD>
<TD WIDTH="18%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">Mann.</TD>
</TR>
</TABLE>
</CENTER></P>
<P>Also trotz der ger&uuml;hmten preu&szlig;ischen Kontrolle - und wer je in Preu&szlig;en milit&auml;rpflichtig war, wei&szlig;, was es damit zu sagen hat - verschwinden volle 27% der Dienstpflichtigen in jedem Jahr? Wie ist das m&ouml;glich? Und wo bleiben die 82.216 Mann, welche aus der Liste gestrichen werden, weil sie "in andere Kreise gezogen oder dort gestellungspflichtig geworden" sind? Braucht man heutzutage blo&szlig; von Berlin nach Potsdam zu ziehen, um von der Dienstpflicht freizukommen? Wir wollen annehmen, da&szlig; hier - Homer schlummert ja bisweilen - die Herren Beamten in ihrer Statistik einfach einen Bock geschossen haben, n&auml;mlich da&szlig; diese 82.216 Mann unter der Gesamtsumme von 565.802<I> zweimal</I> figurieren: erstens in ihrem Heimatkreise und zweitens in dem Kreise, wohin sie ausgewandert sind. Es w&auml;re sehr zu w&uuml;nschen, da&szlig; dies festgestellt w&uuml;rde, wozu die Milit&auml;rkommission der Kammer die beste Gelegenheit hat, denn eine Reduktion der wirklichen Milit&auml;rpflichtigen auf 483.586 w&uuml;rde alle Prozents&auml;tze bedeutend &auml;ndern. Nehmen wir indes an, da&szlig; dem so ist, so bleiben immer noch 66.730 Mann, welche j&auml;hrlich verschwinden und verdunsten, ohne da&szlig; die preu&szlig;ische Kontrolle und Polizei sie unter den Helm bringen kann. Das sind beinahe 14% der Dienstpflichtigen. Hieraus folgt, da&szlig; die ganze Erschwerung der Freiz&uuml;gigkeit, welche unter dem Vorwand der Milit&auml;rpflichtskontrolle in Preu&szlig;en herrscht,<I> vollst&auml;ndig &uuml;berfl&uuml;ssig</I> ist. Die wirkliche Auswanderung aus Preu&szlig;en ist notorisch<I> sehr gering</I> und steht in gar keinem Verh&auml;ltnis zu der Zahl der verdunsteten Rekruten. Diese beinahe 67.000 Mann wandern auch gar nicht alle aus. Der gr&ouml;&szlig;te Teil bleibt entweder ganz im Inlande oder geht nur auf kurze Zeit ins Ausland. &Uuml;berhaupt sind alle <A NAME="S50"><B>|50|</A></B> Pr&auml;ventivma&szlig;regeln gegen Entziehung von der Milit&auml;rpflicht unn&uuml;tz und treiben h&ouml;chstens zur Auswanderung an. Die Masse der jungen Leute kann ohnehin nicht auswandern. Man lasse nur die Leute richtig und ohne Gnade nachdienen, die sich der Einstellung entzogen haben, so braucht man den ganzen Plunder von Plackerei und Schreiberei nicht und bekommt mehr Rekruten als vorher. </P>
<P>Wir wollen &uuml;brigens, um ganz sicher zu gehen, nur dasjenige als er wiesen annehmen, was aus Herrn von Roons eigner Statistik hervorgeht: n&auml;mlich da&szlig;, die einj&auml;hrigen Freiwilligen ungerechnet, 85.000 junge Leute j&auml;hrlich eingestellt werden k&ouml;nnen. Nun ist der Stand der jetzigen Friedensarmee ungef&auml;hr 210.000 Mann. Bei zweij&auml;hriger Dienstzeit geben 85.000 Mann j&auml;hrlich zusammen 170.000 Mann, wozu Offiziere, Unteroffiziere und Kapitulanten, 25.000 bis 35.000 Mann, kommen, macht zusammen 195.000 bis 205.000 Mann, mit den einj&auml;hrigen Freiwilligen 202.000 bis 212.000 Mann. Mit zweij&auml;hriger Dienstzeit der Infanterie und Fu&szlig;artillerie (von der Kavallerie sprechen wir sp&auml;ter) k&ouml;nnen also selbst nach der eigenen Statistik der Regierung s&auml;mtliche Cadres der reorganisierten Armee auf den vollen Friedensstand gebracht werden. Bei<I> wirklicher</I> Durchf&uuml;hrung der allgemeinen Wehrpflicht w&uuml;rde man, bei zweij&auml;hriger Dienstzeit, h&ouml;chstwahrscheinlich 30.000 Mann mehr haben; man k&ouml;nnte also, um doch die Zahl von 200.000 bis 210.000 Mann nicht zu &Uuml;berschreiten, einen Teil der Leute schon nach 1 bis 1<FONT SIZE="-1"><SUP>1</FONT></SUP>/<FONT SIZE="-2">2</FONT> Jahr entlassen. Eine solche fr&uuml;here Entlassung als Pr&auml;mie f&uuml;r Diensteifer w&uuml;rde der ganzen Armee mehr n&uuml;tzen als sechs Monate l&auml;ngere Dienstzeit. </P>
<P>Der Kriegsfu&szlig; w&uuml;rde sich wie folgt stellen: 4 Jahrg&auml;nge des Reorganisationsplans ergeben &agrave; 63.000 Mann 252.000 Reservisten. 3 Jahrg&auml;nge &agrave; 85.000 ergeben 255.000 Reservisten. Also sicher ebenso g&uuml;nstig wie der Reorganisationsplan. (Da es sich hier nur um das<I> Verh&auml;ltnis</I> handelt, macht es nichts aus, da&szlig; wir von den Abg&auml;ngen der Reservealtersklassen hier ganz absehen.) </P>
<P>Hier liegt der schwache Punkt des Reorganisationsplans. Unter dem Schein, auf die urspr&uuml;ngliche allgemeine Wehrpflicht zur&uuml;ckzugreifen, welche allerdings ohne eine Landwehr als gro&szlig;e Armeereserve nicht bestehen kann, macht er vielmehr eine Schwenkung nach dem franz&ouml;sisch-&ouml;streichischen Cadresystem hin und bringt dadurch eine Unsicherheit in die preu&szlig;ische Wehrverfassung, die von den schlimmsten Folgen sein mu&szlig;. Man kann nicht beide Systeme vermischen, man kann nicht die Vorteile beider zugleich haben. Es ist unleugbar und nie bestritten worden, da&szlig; ein Cadresystem mit langer Dienst- und Pr&auml;senzzeit der Armee f&uuml;r den <A NAME="S51"><B>|51|</A></B> Anfang des Kriegs gro&szlig;e Vorteile gew&auml;hrt. Die Leute kennen sich besser; selbst die Beurlaubten, denen der Urlaub meist nur auf k&uuml;rzere Zeit auf einmal zugemessen wird, sehen sich w&auml;hrend der ganzen Urlaubszeit als Soldaten an und sind stets auf dem Sprung, zu den Fahnen einberufen zu werden - was die preu&szlig;ischen Reservisten sicher nicht sind; die Bataillone haben dadurch unbedingt mehr Halt, wenn sie zum ersten Mal ins Feuer kommen. Dagegen ist einzuwenden, da&szlig;, wenn man hierauf am meisten sieht, man ebensogut das englische System der zehnj&auml;hrigen Dienstzeit bei den Fahnen annehmen kann; da&szlig; den Franzosen ihre algerischen Feldz&uuml;ge, die Kriege in der Krim und in Italien sicher weit mehr gen&uuml;tzt haben als die lange Dienstzeit; und da&szlig; man endlich, bei diesem System, nur einen Teil des waffenf&auml;higen Materials ausbilden kann, also lange nicht alle Kr&auml;fte der Nation in T&auml;tigkeit bringt. Au&szlig;erdem gew&ouml;hnt sich der deutsche Soldat erfahrungsm&auml;&szlig;ig sehr leicht ans Feuer, und drei t&uuml;chtige, mit mindestens wechselndem Gl&uuml;ck durchgef&uuml;hrte Gefechte bringen ein sonst gutes Bataillon schon so weit, wie ein ganzes Jahr Extradienstzeit. F&uuml;r einen Staat wie Preu&szlig;en ist das Cadresystem eine Unm&ouml;glichkeit. Mit dem Cadresystem br&auml;chte Preu&szlig;en es auf eine Armee von<I> h&ouml;chstens</I> 300.000 bis 400.000 Mann, bei einem Friedensstande von 200.000 Mann. Soviel aber hat es, um als Gro&szlig;macht sich zu halten, schon f&uuml;r die erste Feldarmee zum Ausr&uuml;cken n&ouml;tig, d.h. es bedarf, mit Festungsbesatzungen, Ersatzmannschaften usw., f&uuml;r jeden ernsthaften Krieg 500.000 bis 600.000 Mann, Wenn die 18 Millionen Preu&szlig;en im Krieg ein ann&auml;hernd ebenso zahlreiches Heer aufstellen sollen wie die 35 Millionen Franzosen, 34 Millionen &Ouml;streicher und 60 Millionen Russen, so kann das nur durch allgemeine Dienstpflicht, kurze, aber angestrengte Dienstzeit und verh&auml;ltnism&auml;&szlig;ig lange Landwehrverpflichtung geschehen. Man wird bei diesem System immer von der Schlagfertigkeit und selbst von der Schlagt&uuml;chtigkeit der Truppe im ersten Augenblicke des Kriegs etwas zu opfern haben; Staat und Politik werden einen neutralen, defensiven Charakter erhalten; man wird sich aber auch erinnern d&uuml;rfen, da&szlig; die &uuml;berm&uuml;tige Offensive des Cadresystems von Jena nach Tilsit und die bescheidne Defensive des Landwehrsystems mit allgemeiner Dienstpflicht von der Katzbach nach Paris gef&uuml;hrt hat. Also: Entweder Konskription und Stellvertretung mit 7- bis 8j&auml;hriger Dienstzeit, wovon etwa die H&auml;lfte bei den Fahnen, und dann keine sp&auml;tere Landwehrverpflichtung; oder aber allgemeine Dienstpflicht 5-, h&ouml;chstens 6j&auml;hriger Dienstzeit, wovon 2 bei den Fahnen, und dann Landwehrverpflichtung in preu&szlig;ischer oder schweizerischer Art. Aber da&szlig; die Masse des Volks erst die Last des Konskriptionssystems und nachher noch die des Landwehr- <A NAME="S52"><B>|52|</A></B> systems tragen soll, das kann keine europ&auml;ische Nation mitmachen, nicht einmal die T&uuml;rken, die doch in ihrer kriegerischen Barbarei im Ertragen noch das meiste leisten. Viele ausgebildete Leute bei kurzer Dienstzeit und langer Verpflichtung, oder wenige bei langer Dienstzeit und kurz
<P>William Napier, der den englischen Soldaten nat&uuml;rlich f&uuml;r den ersten der Welt erkl&auml;rt, sagt in seiner "Geschichte des Halbinselkriegs", da&szlig; der englische Infanterist nach dreij&auml;hriger Dienstzeit nach allen Seiten vollst&auml;ndig ausgebildet sei. Nun mu&szlig; man wissen, da&szlig; die Elemente, aus denen sich die englische Armee zu Anfang dieses Jahrhunderts zusammensetzte, die niedrigsten waren, aus denen &uuml;berhaupt ein Heer gebildet werden kann. Die heutige englische Armee ist aus viel bessern Elementen gebildet, und auch diese sind noch unendlich schlechter in moralischer und intellektueller Beziehung als die Elemente der preu&szlig;ischen Armee. Und was die englischen Offiziere mit jenem Lumpengesindel in drei Jahren fertigbrachten, das sollte man in Preu&szlig;en mit dem so &auml;u&szlig;erst bildsamen, teilweise schon so gebildeten, von vornherein moralisch geschulten Rekrutenrohstoff nicht in 2 Jahren machen k&ouml;nnen? </P>
<P>Allerdings mu&szlig; der Soldat jetzt mehr lernen. Aber das ist nie ernstlich gegen die zweij&auml;hrige Dienstzeit eingewandt worden. Man hat sich stets auf die Anerziehung des<I> wahren Soldatengeistes</I> gest&uuml;tzt, der erst im dritten Dienstjahr herauskomme. Dies ist, wenn die Herren ehrlich heraussprechen und wenn wir von der oben zugegebenen gr&ouml;&szlig;eren T&uuml;chtigkeit der Bataillone absehn wollen, weit mehr ein politisches als ein milit&auml;risches Motiv. Der wahre Soldatengeist soll sich am inneren D&uuml;ppel mehr bew&auml;hren als am &auml;u&szlig;eren. Wir haben nie gesehen, da&szlig; der einzelne preu&szlig;ische Soldat im dritten Dienstjahre etwas mehr gelernt hat als sich langweilen, den Rekruten Schn&auml;pse auspressen und &uuml;ber seine Vorgesetzten schlechte Witze rei&szlig;en. Wenn die meisten unsrer Offiziere nur ein Jahr als Gemeine oder Unteroffiziere gedient hatten, so k&ouml;nnte ihnen dies unm&ouml;glich entgangen sein. - Der "wahre Soldatengeist", soweit er politischer Natur ist, geht erfahrungsm&auml;&szlig;ig und sehr rasch zum Teufel, und zwar auf Nimmerwiederkehren. Der milit&auml;rische bleibt, auch nach 2 Dienstjahren. </P>
<P>Zwei Jahre Dienstzeit reichen also bei unsern Soldaten vollst&auml;ndig hin, sie f&uuml;r den Infanteriedienst auszubilden. Seitdem die Feldartillerie von der Festungsartillerie getrennt ist, gilt von der Fu&szlig;artillerie dasselbe; einzelne Schwierigkeiten, welche sich hier zeigen m&ouml;gen, werden sich heben lassen, sei es durch noch gr&ouml;&szlig;ere Teilung der Arbeit, sei es durch die ohnehin <A NAME="S53"><B>|53|</A></B> w&uuml;nschenswerte Vereinfachung des Feldartillerie-Materials. Eine gr&ouml;&szlig;ere Einstellung von Kapitulanten w&uuml;rde ebenfalls keine Schwierigkeiten finden; aber diese Klasse von Leuten ist ja grade in der preu&szlig;ischen Armee gar nicht gern gesehen, sofern sie sich nicht zu Unteroffizieren eignen - welch ein Zeugnis<I> gegen</I> die lange Dienstzeit! Nur bei der Festungsartillerie und mit ihrem so sehr mannigfaltigen Material und beim Genie mit seinen vielseitigen Arbeitszweigen, die doch nie ganz getrennt werden k&ouml;nnen, werden intelligente Kapitulanten wertvoll, aber auch selten sein. </P>
<P>Die reitende Artillerie wird die Dienstzeit der Kavallerie n&ouml;tig haben. Was die Kavallerie betrifft, so braucht eine geborene Reiterei nur kurze, eine erzogene dagegen unbedingt lange Dienstzeit. Wir haben wenig geborene Reiterei und brauchen daher die vierj&auml;hrige Dienstzeit des Reorganisationsplanes sicher. Die Reiterei hat zu ihrer einzigen wahren Kampfform den geschlossenen Angriff mit der blanken Waffe, zu dessen Durchf&uuml;hrung der h&ouml;chste Mut und das vollste Vertrauen der Leute aufeinander geh&ouml;rt. Die Leute m&uuml;ssen also wissen, da&szlig; sie sich aufeinander und auf ihre F&uuml;hrer verlassen k&ouml;nnen. Dazu geh&ouml;rt lange Dienstzeit. Aber ohne Vertrauen des Reiters auf sein Pferd taugt die Kavallerie auch nichts; der Mann mu&szlig; eben reiten k&ouml;nnen, und um diese Sicherheit in der Beherrschung des Pferdes - d.h. so ziemlich jedes Pferdes, das ihm zugeteilt wird- erlangen zu k&ouml;nnen, dazu geh&ouml;rt auch lange Dienstzeit. In dieser Waffe sind Kapitulanten unbedingt w&uuml;nschenswert, je echtere Landsknechte, desto besser, solange sie nur Spa&szlig; am Handwerk haben. Man wird uns von oppositioneller Seite vorwerfen, das hei&szlig;e eine Reiterei von lauter Mietlingen schaffen, die zu jedem Staatsstreich die Hand bieten w&uuml;rde. Wir antworten: mag sein. Aber die Kavallerie wird unter bestehenden Verh&auml;ltnissen immer reaktion&auml;r sein (man vergleiche die badischen Dragoner 1849), grade wie die Artillerie immer liberal sein wird. Das liegt in der Natur der Sache. Ein paar Kapitulanten mehr oder weniger &auml;ndern daran nichts. Und beim Barrikadenkampf ist Kavallerie doch nicht zu gebrauchen; der Barrikadenkampf in gro&szlig;en St&auml;dten, namentlich die Haltung der Infanterie und Artillerie dabei, entscheidet aber heutzutage das Schicksal aller Staatsstreiche. </P>
<P>Nun gibt es aber, au&szlig;er der Vermehrung der Kapitulanten, noch andere Mittel, die Schlagf&auml;higkeit und den inneren Zusammenhang einer Armee mit kurzer Dienstzeit zu heben. Hierzu geh&ouml;ren u.a. &Uuml;bungslager, wie der Kriegsminister von Roon sie selbst als ein Ausgleichungsmittel der k&uuml;rzeren Dienstzeit bezeichnet hat. Ferner ein rationeller Betrieb der Ausbildung, und in dieser Beziehung ist in Preu&szlig;en noch sehr viel zu tun. Der ganze <A NAME="S54"><B>|54|</A></B> Aberglaube, da&szlig; bei kurzer Dienstzeit die &uuml;bertriebene Pr&auml;zision des Parademarsches, das "stramme" Exerzieren und das l&auml;cherlich hohe Aufheben der Beine - "frei aus dem H&uuml;ftgelenk" ein Loch in die Natur sto&szlig;en - n&ouml;tig seien, um die kurze Dienstzeit aufzuwiegen, dieser ganze Aberglaube beruht auf lauter &Uuml;bertreibung. Man hat sich das in der preu&szlig;ischen Armee so lange vorgeredet, bis es zuletzt zu einem unzweifelbaren Axiom geworden ist. Was hat es f&uuml;r einen Vorteil, wenn die Leute bei den Gewehrgriffen das Gewehr mit einer Vehemenz gegen die Schulter schlagen, da&szlig; sie beinahe umfallen, und doch ein h&ouml;chst unmilit&auml;risches Sch&uuml;ttern durch die ganze Front geht, wie man es bei keiner andern Armee sieht? Endlich ist als ein &Auml;quivalent der verk&uuml;rzten Dienstzeit - und als das wesentlichste - anzusehn eine bessere k&ouml;rperliche Erziehung der Jugend. Nur mu&szlig; man dann auch zusehen, da&szlig; wirklich etwas geschieht. Man hat zwar in allen Dorfschulen Barren und Reck aufgestellt, aber damit k&ouml;nnen unsere armen Schullehrer noch wenig anfangen, Man setze in jeden Kreis mindestens einen ausgedienten Unteroffizier hin, der sich zum Turnlehrer qualifiziert, und gebe ihm die Leitung des Unterrichts im Turnen; man sorge daf&uuml;r, da&szlig; mit der Zeit der Schuljugend das Marschieren in Reih und Glied, die Bewegungen eines Zugs und einer Kompanie, die Vertrautheit mit den betreffenden Kommandos beigebracht werden. In 6 bis 8 Jahren wird man reichlich daf&uuml;r bezahlt werden und - mehr und st&auml;rkere Rekruten haben. </P>
<P>Bei der obigen Kritik des Reorganisationsplans haben wir uns, wie gesagt, lediglich an die tats&auml;chlich vorliegenden politischen und milit&auml;rischen Verh&auml;ltnisse gehalten. Zu diesen geh&ouml;rt die Voraussetzung, da&szlig; unter den jetzigen Umst&auml;nden die gesetzliche Feststellung der zweij&auml;hrigen Dienstzeit f&uuml;r die Infanterie und Fu&szlig;artillerie die h&ouml;chste zu erreichende Verk&uuml;rzung der Dienstzeit war. Wir sind sogar der Meinung, da&szlig; ein Staat wie Preu&szlig;en den gr&ouml;&szlig;ten Bock begehen w&uuml;rde - sei an der Regierung welche Partei da wolle -, wenn er die normale Dienstzeit augenblicklich noch mehr verk&uuml;rzte. Solange man die franz&ouml;sische Armee auf der einen, die russische auf der andern Seite hat und die M&ouml;glichkeit eines kombinierten Angriffs beider zu gleicher Zeit, braucht man Truppen, die die ersten Elemente der Kriegsschule nicht erst vor dem Feind zu lernen haben. Wir nehmen daher keinerlei R&uuml;cksicht auf die Phantasien von einem Milizheer mit sozusagen gar keiner Dienstzeit; wie man sich die Sache vorstellt, ist sie heute f&uuml;r ein Land von 18 Millionen Einwohnern und sehr exponierten Grenzen unm&ouml;glich und selbst f&uuml;r andere Verh&auml;ltnisse nicht in dieser Weise m&ouml;glich.</P>
<B><P><A NAME="S55">|55|</A></B> Nach allem Vorhergegangenen: Waren die Grundz&uuml;ge des Reorganisationsplans f&uuml;r ein Abgeordnetenhaus annehmbar, das sich auf den preu&szlig;ischen Standpunkt stellt? Wir sagen, aus milit&auml;rischen und politischen Gr&uuml;nden: Die Vermehrung der Cadres in der durchgef&uuml;hrten Weise, die Verst&auml;rkung der Friedensarmee auf 180.000 bis 200.000 Mann, die Zur&uuml;ckschiebung der Landwehr ersten Aufgebots in die gro&szlig;e Armeereserve oder zweite Feldarmee resp. Festungsbesatzung, war annehmbar auf die Bedingung hin,<I> da&szlig; die allgemeine Dienstpflicht streng durchgef&uuml;hrt, da&szlig; die Dienstzeit auf zwei Jahre bei der Fahne, drei in der Reserve und bis zum 36. Jahr in der Landwehr gesetzlich festgesetzt</I> und endlich, da&szlig;<I> die Cadres der Landwehr</I> ersten Aufgebots wiederhergestellt wurden. Waren diese Bedingungen zu erlangen? Nur wenige, die den Debatten gefolgt sind, werden leugnen, da&szlig; dies unter der "Neuen &Auml;ra" und selbst vielleicht noch sp&auml;ter m&ouml;glich war. Wie benahm sich nun die b&uuml;rgerliche Opposition? </P>
<FONT SIZE=4><P ALIGN="CENTER">II</P>
</FONT><B><P><A NAME="S56">|56|</A></B> Die preu&szlig;ische Bourgeoisie, die als der entwickeltste Teil der ganzen deutschen Bourgeoisie hier ein Recht hat, diese mit zu repr&auml;sentieren, fristet ihre politische Existenz durch einen Mangel an Mut, der in der Geschichte, selbst dieser wenig couragierten Klasse, seinesgleichen nicht findet und nur durch die gleichzeitigen ausw&auml;rtigen Ereignisse einigerma&szlig;en entschuldigt wird. Im M&auml;rz und April 1848 hatte sie das Heft in der Hand; aber kaum begannen die ersten selbst&auml;ndigen Regungen der Arbeiterklasse, als die Bourgeoisie sofort Angst bekam und sich unter den Schutz derselben B&uuml;rokratie und desselben Feudaladels zur&uuml;ckfl&uuml;chtete, die sie eben noch mit H&uuml;lfe der Arbeiter besiegt hatte. Die Periode Manteuffel war die unvermeidliche Folge. Endlich kam - ohne Zutun der b&uuml;rgerlichen Opposition - die "Neue &Auml;ra". Der unverhoffte Gl&uuml;cksfall verdrehte den B&uuml;rgern die K&ouml;pfe. Sie verga&szlig;en ganz die Stellung, die sie sich durch ihre wiederholten Verfassungsrevisionen, ihre Unterwerfung unter die B&uuml;rokratie und die Feudalen (bis zur Wiederherstellung der feudalen Provinzial- und Kreisst&auml;nde), ihr fortw&auml;hrendes Zur&uuml;ckweichen von Position zu Position selbst gemacht hatten. Sie glaubten jetzt, wieder das Heft in der Hand zu haben, und verga&szlig;en ganz, da&szlig; sie selbst alle die ihnen feindlichen M&auml;chte wiederhergestellt hatten, die, seitdem erstarkt, ganz wie vor 1848 die wirkliche Staatsgewalt in Besitz hielten. Da kam die Armeereorganisation wie eine brennende Bombe zwischen sie gefahren. </P>
<P>Die Bourgeoisie hat nur zwei Wege, sich politische Macht zu verschaffen. Da sie eine Armee von Offizieren ohne Soldaten ist und sich diese Soldaten nur aus den Arbeitern schaffen kann, so mu&szlig; sie entweder sich die Allianz der Arbeiter sicherstellen oder sie mu&szlig; den ihr nach oben gegen&uuml;berstehenden M&auml;chten, namentlich dem K&ouml;nigtum, die politische Macht st&uuml;ckweise abkaufen. Die Geschichte der englischen und franz&ouml;sischen Bourgeoisie zeigt, da&szlig; kein anderer Weg existiert. </P>
<B><P><A NAME="S57">|57|</A></B> Nun hatte die preu&szlig;ische Bourgeoisie - und zwar ohne allen Grund -, alle Lust verloren, eine aufrichtige Allianz mit den Arbeitern zu schlie&szlig;en. Im Jahre 1848 war die, damals noch in den Anf&auml;ngen der Entwickelung und Organisation begriffene, deutsche Arbeiterpartei bereit, f&uuml;r sehr billige Bedingungen die Arbeit f&uuml;r die Bourgeoisie zu tun, aber diese f&uuml;rchtete die geringste selbst&auml;ndige Regung des Proletariats mehr als den Feudaladel und die B&uuml;rokratie. Die um den Preis der Knechtschaft erkaufte Ruhe schien ihr w&uuml;nschenswerter als selbst die blo&szlig;e<I> Aussicht</I> des Kampfes mit der Freiheit. Seitdem war dieser heilige Schrecken vor den Arbeitern bei den B&uuml;rgern traditionell geworden, bis endlich Herr Schulze-Delitzsch seine Sparb&uuml;chsenagitation begann. Sie hoffte den Arbeitern beweisen, da&szlig; sie kein gr&ouml;&szlig;eres Gl&uuml;ck haben k&ouml;nnten, als zeitlebens, und selbst in ihren Nachkommen, von der Bourgeoisie industriell ausgebeutet zu werden; ja da&szlig; sie selbst zu dieser Ausbeutung beitragen m&uuml;&szlig;ten, indem sie durch allerhand industrielle Vereine sich selbst einen Nebenverdienst und damit den Kapitalisten die M&ouml;glichkeit zur Herabsetzung des Arbeitslohns verschafften. Obwohl nun die industrielle Bourgeoisie sicher neben den Kavallerielieutenants die ungebildetste Klasse deutscher Nation ist, so war doch bei einem geistig so entwickelten Volk wie dem deutschen eine solche Agitation von vornherein ohne alle Aussicht auf dauernden Erfolg. Die einsichtigeren K&ouml;pfe der Bourgeoisie selbst mu&szlig;ten begreifen, da&szlig; daraus nichts werden konnte, und die Allianz mit den Arbeitern fiel abermals durch. </P>
<P>Blieb das Feilschen mit der Regierung um politische Macht, wof&uuml;r bares Geld - aus der Volkstasche nat&uuml;rlich - bezahlt wurde. Die<I> wirkliche</I> Macht der Bourgeoisie im Staate bestand nur in dem, noch dazu sehr verklausulierten - Steuerbewilligungsrecht. Hier also mu&szlig;te der Hebel angesetzt werden, und eine Klasse, die sich so vortrefflich aufs Abdingen verstand, mu&szlig;te hier sicher im Vorteil sein. </P>
<P>Aber nein. Die preu&szlig;ische b&uuml;rgerliche Opposition - ganz im Gegensatz namentlich zu dem klassischen B&uuml;rgertum Englands im 17. und 18. Jahrhundert - verstand die Sache dahin: da&szlig; sie Macht erfeilsche,<I> ohne</I> Geld daf&uuml;r zu zahlen. </P>
<P>Vom rein b&uuml;rgerlichen Standpunkt aus und unter voller Ber&uuml;cksichtigung der Verh&auml;ltnisse, unter denen die Armeereorganisation vorgebracht wurde, was war da die richtige Politik der b&uuml;rgerlichen Opposition? Sie mu&szlig;te es wissen, wenn sie ihre Kr&auml;fte kannte, da&szlig; sie, die eben noch aus der Manteuffelschen Erniedrigung - und wahrlich ohne ihr eigenes Zutun - emporgehoben worden war, sicher nicht die Macht hatte, die<I> faktische</I> Durchf&uuml;hrung des Planes zu hindern, die ja auch ins Werk gesetzt wurde. <A NAME="S58"><B>|58|</A></B> Sie mu&szlig;te wissen, da&szlig; mit jeder fruchtlos hingegangenen Session die neue, faktisch bestehende Einrichtung schwerer zu beseitigen war; da&szlig; also die Regierung von Jahr zu Jahr weniger bieten w&uuml;rde, um die Zustimmung der Kammer zu erlangen. Sie mu&szlig;te wissen, da&szlig; sie noch lange nicht soweit war, Minister ein- und absetzen zu k&ouml;nnen, da&szlig; also, je l&auml;nger der Konflikt dauerte, je weniger zu Kompromissen geneigte Minister sie sich gegen&uuml;ber haben w&uuml;rde. Sie mu&szlig;te endlich wissen, da&szlig; es vor allem ihr eignes Interesse war, die Sache nicht auf die Spitze zu treiben. Denn ein ernstlicher Konflikt mit der Regierung mu&szlig;te, bei dem Entwicklungsstande der deutschen Arbeiter, notwendig eine unabh&auml;ngige Arbeiterbewegung ins Leben rufen und ihr damit wieder f&uuml;r den &auml;u&szlig;ersten Fall das Dilemma vorf&uuml;hren: entweder eine Allianz mit den Arbeitern, aber diesmal unter weit ung&uuml;nstigeren Bedingungen als 1848, oder aber auf die Knie vor der Regierung und: pater, peccavi! |Vater, ich bereue!|</P>
<P>Die liberale und fortschrittliche Bourgeoisie mu&szlig;te demnach die Armeereorganisation mitsamt der davon unzertrennlichen Erh&ouml;hung des Friedensstandes einer unbefangenen sachlichen Pr&uuml;fung unterwerfen, wobei sie wahrscheinlich zu ungef&auml;hr denselben Resultaten gekommen w&auml;re wie wir. Sie durfte dabei nicht vergessen, da&szlig; sie die vorl&auml;ufige Einf&uuml;hrung der Neuerung doch nicht hindern und ihre schlie&szlig;liche Feststellung nur verz&ouml;gern konnte, solange der Plan so viel richtige und brauchbare Elemente enthielt. Sie mu&szlig;te also vor allen Dingen sich h&uuml;ten, von vornherein in eine direkt feindliche Stellung gegen die Reorganisation zu kommen; sie mu&szlig;te im Gegenteil diese Reorganisation und die daf&uuml;r zu bewilligenden Gelder benutzen, um sich daf&uuml;r von der "Neuen &Auml;ra" m&ouml;glichst viel &Auml;quivalente zu kaufen, um die 9 oder 10 Millionen neue Steuern in m&ouml;glichst viel politische Gewalt f&uuml;r sich selbst umzusetzen. </P>
<P>Und was war da nicht alles noch zu tun! Da war die ganze Manteuffelsche Gesetzgebung &uuml;ber die Presse und das Vereinsrecht; da war die ganze, aus der absoluten Monarchie unver&auml;ndert &uuml;bernommene Polizei und Beamtengewalt; die Beseitigung der Gerichte durch Kompetenzkonflikte; die Provinzial- und Kreisst&auml;nde; vor allem die unter Manteuffel herrschende Auslegung der Verfassung, gegen&uuml;ber welcher eine neue konstitutionelle Praxis festzustellen war; die Verk&uuml;mmerung der st&auml;dtischen Selbstregierung durch die B&uuml;rokratie; und noch hundert andere Dinge, die jede andere Bourgeoisie in gleicher Lage gern mit einer Steuervermehrung von <FONT SIZE="-1"><SUP>1</FONT></SUP>/<FONT SIZE="-2">2</FONT> Taler pro Kopf erkauft h&auml;tte und die alle zu haben waren, wenn man einigerma&szlig;en geschickt verfuhr. Aber die b&uuml;rgerliche Opposition dachte anders. Was die Pre&szlig;-, Vereins- und Versammlungsfreiheit anging, so hatten Manteuffels <A NAME="S59"><B>|59|</A></B> Gesetze gerade dasjenige Ma&szlig; festgestellt, worin die B&uuml;rger sich behaglich f&uuml;hlten. Sie konnten ungehindert gelind gegen die Regierung demonstrieren; jede Vermehrung der Freiheit brachte ihnen weniger Vorteil als den Arbeitern, und ehe die Bourgeoisie den Arbeitern Freiheit zu einer selbst&auml;ndigen Bewegung gab, lie&szlig; sie sich lieber etwas mehr Zwang von seiten der Regierung antun. Ebenso war es mit der Beschr&auml;nkung der Polizei- und Beamtengewalt. Die Bourgeoisie glaubte, durch das Ministerium der "Neuen &Auml;ra" die B&uuml;rokratie sich schon unterworfen zu haben, und sah es gern, da&szlig; diese B&uuml;rokratie freie Hand gegen die Arbeiter behielt. Sie verga&szlig; ganz, da&szlig; die B&uuml;rokratie weit st&auml;rker und lebenskr&auml;ftiger war als irgendein b&uuml;rgerfreundliches Ministerium. Und dann bildete sie sich ein, da&szlig; mit dem Fall Manteuffels das Tausendj&auml;hrige Reich der B&uuml;rger eingetreten sei und da&szlig; es sich nur noch darum handle, die reife Ernte der b&uuml;rgerlichen Alleinherrschaft einzuheimsen, ohne einen Pfennig daf&uuml;r zu zahlen. </P>
<P>Aber die vielen zu bewilligenden Gelder, nachdem schon die paar Jahre seit 1848 soviel Geld gekostet, die Staatsschuld so vermehrt und die Steuern so erh&ouml;ht hatten! - Meine Herren, Sie sind die Deputierten des j&uuml;ngsten konstitutionellen Staats der Welt, und Sie wissen nicht, da&szlig; der Konstitutionalismus die teuerste Regierungsform der Welt ist? fast noch teurer als der Bonapartismus, der - apr&egrave;s moi le d&eacute;luge |nach mir die S&uuml;nflut| - die alten Schulden durch immer neue deckt und so in zehn Jahren die Ressourcen eines Jahrhunderts diskontiert? Die goldenen Zeiten des gefesselten Absolutismus, die Ihnen noch immer vorschweben, kommen nie wieder. </P>
<P>Aber die Verfassungsklauseln wegen Forterhebung einmal bewilligtet Steuern? - Jedermann wei&szlig;, wie versch&auml;mt die "Neue &Auml;ra" im Geldfordern war. Dadurch da&szlig; man, f&uuml;r wohlverbriefte Gegenkonzessionen, die Ausgaben f&uuml;r die Reorganisation ins Ordinarium setzte, dadurch war noch wenig vergeben. Es handelte sich um die Bewilligung neuer Steuern, wodurch diese Ausgaben zu decken waren. Hier konnte man knausern, und dazu konnte man sich kein besseres Ministerium w&uuml;nschen als das der Neuen &Auml;ra. </P>
<P>Man behielt doch das Heft noch in der Hand, soweit man es vorher besa&szlig;, und man hatte sich neue Machtmittel auf andern Gebieten erobert. Aber die St&auml;rkung der Reaktion, wenn man ihr Hauptwerkzeug, die Armee, verdoppelte? - Dies ist ein Gebiet, wo die Fortschrittsb&uuml;rger mit sich selbst in die unaufl&ouml;slichsten Konflikte geraten. Sie verlangen von Preu&szlig;en, es soll die Rolle des deutschen Piemont spielen. Dazu geh&ouml;rt eine starke schlagfertige Armee. Sie haben ein Ministerium der Neuen &Auml;ra, das <A NAME="S60"><B>|60|</A></B> im stillen dieselben Ansichten hegt, das beste Ministerium, das sie, unter den Umst&auml;nden, haben k&ouml;nnen. Sie<I> verweigern</I> diesem Ministerium die verst&auml;rkte Armee. - Sie f&uuml;hren tagt&auml;glich, von Morgen bis Abend, Preu&szlig;ens Ruhm, Preu&szlig;ens Gr&ouml;&szlig;e, Preu&szlig;ens Machtentwickelung auf der Zunge; aber sie<I> verweigern</I> Preu&szlig;en eine Armeeverst&auml;rkung, die nur im richtigen Verh&auml;ltnis zu derjenigen steht, welche die &uuml;brigen Gro&szlig;m&auml;chte seit 1814 bei sich eingef&uuml;hrt haben. - Weshalb das alles? Weil sie f&uuml;rchten, diese Verst&auml;rkung werde nur der Reaktion zugute kommen, werde den heruntergekommenen Offiiziersadel heben und &uuml;berhaupt der feudalen und b&uuml;rokratisch-absolutistischen Partei die Macht geben, mit einem Staatsstreich den ganzen Konstitutionalismus zu begraben. </P>
<P>Zugegeben, da&szlig; die Fortschrittsb&uuml;rger recht hatten, die Reaktion nicht zu st&auml;rken, und da&szlig; die Armee der sicherste Hinterhalt der Reaktion war. Aber gab es denn je eine bessere Gelegenheit, die Armee unter die Kontrolle der Kammer zu bringen, als grade diese Reorganisation, vorgeschlagen von dem b&uuml;rgerfreundlichsten Ministerium, das Preu&szlig;en in ruhigen Zeiten je erlebt hatte? Sobald man sich bereit erkl&auml;rte, die Armeeverst&auml;rkung unter gewissen Bedingungen zu bewilligen, war es da nicht grade m&ouml;glich, &uuml;ber die Kadettenh&auml;user, die Adelsbevorzugung und alle anderen Klagepunkte ins reine zu kommen und Garantien zu erlangen, welche dem Offizierkorps einen mehr b&uuml;rgerlichen Charakter gaben? Die "Neue &Auml;ra" war sich nur &uuml;ber eins klar: da&szlig; die Armeeverst&auml;rkung durchgesetzt werden m&uuml;sse. Die Umwege, auf denen sie die Reorganisation ins Leben schmuggelte, bewiesen am besten ihr b&ouml;ses Gewissen und ihre Furcht vor den Abgeordneten. Hier mu&szlig;te mit beiden H&auml;nden zugegriffen werden; eine solche Chance f&uuml;r die Bourgeoisie war in hundert Jahren nicht wieder zu erwarten. Was lie&szlig; sich nicht alles im Detail aus diesem Ministerium herausschlagen, wenn die Fortschrittsb&uuml;rger die Sache nicht knauserig, sondern als gro&szlig;e Spekulanten auffa&szlig;ten! </P>
<P>Und nun gar die praktischen Folgen der Reorganisation auf das Offizierkorps selbst! Es mu&szlig;ten Offiziere f&uuml;r die doppelte Anzahl Bataillone gefunden werden. Die Kadettenh&auml;user reichten bei weitem nicht mehr aus. Man war so liberal wie noch nie vorher in Friedenszeiten; man offerierte die Lieutenantsstellen gradezu als Pr&auml;mien an Studenten, Auskultatoren und alle gebildeten jungen Leute. Wer die preu&szlig;ische Armee nach der Reorganisation wiedersah, kannte das Offizierkorps nicht mehr. Wir sprechen nicht von H&ouml;rensagen, sondern von eigener Anschauung. Der spezifische Lieutenantsdialekt war in den Hintergrund gedr&auml;ngt, die j&uuml;ngeren Offiziere sprachen ihre nat&uuml;rliche Muttersprache, sie geh&ouml;rten keineswegs einer <A NAME="S61"><B>|61|</A></B> geschlossenen Kaste an, sondern repr&auml;sentierten mehr als je seit 1815 alle gebildeten Klassen und alle Provinzen des Staats. Hier war also die Position durch die Notwendigkeit der Ereignisse schon gewonnen; es handelte sich nur noch darum, sie zu behaupten und auszunutzen. Statt dessen wurde alles das von den Fortschrittsb&uuml;rgern ignoriert und fortgeredet, als ob alle diese Offiziere adlige Kadetten seien. Und doch waren seit 1815 nie mehr b&uuml;rgerliche Offiziere in Preu&szlig;en als grade jetzt. </P>
<P>Beil&auml;ufig gesagt, schreiben wir das flotte Auftreten der preu&szlig;ischen Offiziere vor dem Feind im schleswig-holsteinischen Kriege haupts&auml;chlich dieser Infusion frischen Blutes zu. Die alte Klasse Subalternoffiziere allein h&auml;tte nicht gewagt, so oft auf eigene Verantwortung zu handeln. In dieser Beziehung hat die Regierung recht, wenn sie der Reorganisation einen wesentlichen Einflu&szlig; auf die "Eleganz" der Erfolge zuschreibt; in welcher anderen Hinsicht die Reorganisation den D&auml;nen furchtbar war, ist f&uuml;r uns nicht ersichtlich. </P>
<P>Endlich der Hauptpunkt: die Erleichterung eines Staatsstreichs durch die Verst&auml;rkung der Friedensarmee? - Es ist ganz richtig, da&szlig; Armeen die Werkzeuge sind, womit man Staatsstreiche macht, und da&szlig; also jede Armeeverst&auml;rkung auch die Durchf&uuml;hrbarkeit eines Staatsstreichs vermehrt. Aber die f&uuml;r einen Gro&szlig;staat erforderliche Armeest&auml;rke richtet sich nicht nach der gr&ouml;&szlig;eren oder geringeren Aussicht auf Staatsstreiche, sondern nach der Gr&ouml;&szlig;e der Armeen der anderen Gro&szlig;staaten. Hat man A gesagt, so mu&szlig; man auch B sagen. Nimmt man ein Mandat als preu&szlig;ischer Abgeordneter an, schreibt man Preu&szlig;ens Gr&ouml;&szlig;e und europ&auml;ische Machtstellung auf seine Fahne, so mu&szlig; man auch zustimmen, da&szlig; die Mittel hergestellt werden, ohne welche von Preu&szlig;ens Gr&ouml;&szlig;e und Machtstellung keine Rede sein kann. K&ouml;nnen diese Mittel nicht hergestellt werden, ohne Staatsstreiche zu erleichtern, desto schlimmer f&uuml;r die Herren Fortschrittsm&auml;nner. H&auml;tten sie sich nicht 1848 so l&auml;cherlich feig und ungeschickt benommen, die Periode der Staatsstreiche w&auml;re wahrscheinlich l&auml;ngst vorbei. Unter den obwaltenden Umst&auml;nden aber bleibt ihnen nichts &uuml;brig, als die Armeeverst&auml;rkung in der einen oder andern Form schlie&szlig;lich doch anzuerkennen und ihre Bedenken wegen Staatsstreichen f&uuml;r sich zu behalten. </P>
<P>Indes hat die Sache doch noch andere Seiten. Erstens war es immer geratener, mit einem Ministerium der "Neuen &Auml;ra" &uuml;ber die Bewilligung dieses Staatsstreichinstruments zu verhandeln als mit einem Ministerium Bismarck. Zweitens macht selbstredend jeder weitere Schritt zur wirklichen Durchf&uuml;hrung der allgemeinen Wehrpflicht die preu&szlig;ische Armee ungeschickter zum Werkzeug f&uuml;r Staatsstreiche. Sobald unter der ganzen <A NAME="S62"><B>|62|</A></B> Volksmasse das Verlangen nach Selbstregierung und die Notwendigkeit des Kampfes gegen alle widerstrebenden Elemente einmal durchgedrungen war, mu&szlig;ten auch die 20 und 21j&auml;hrigen jungen Leute von der Bewegung erfa&szlig;t sein, und selbst unter feudalen und absolutistischen Offizieren mu&szlig;te ein Staatsstreich immer schwerer mit ihnen durchzuf&uuml;hren sein. Je weiter die politische Bildung im Lande fortschreitet, je mi&szlig;liebiger wird die Stimmung der eingestellten Rekruten werden. Selbst der jetzige Kampf zwischen Regierung und Bourgeoisie mu&szlig; davon bereits Beweise geliefert haben. </P>
<P>Drittens ist die zweij&auml;hrige Dienstzeit ein hinreichendes Gegengewicht gegen die Vermehrung der Armee. In demselben Ma&szlig;e wie die Armeeverst&auml;rkung f&uuml;r die Regierung die materiellen Mittel zu Gewaltstreichen vermehrt, in demselben Ma&szlig; verringert die zweij&auml;hrige Dienstzeit die moralischen Mittel dazu. Im dritten Dienstjahr mag das ewige Einpauken absolutistischer Lehren und die Gewohnheit des Gehorchens momentan und f&uuml;r die Dauer des Dienstes bei den Soldaten etwas fruchten. Im dritten Dienstjahr, wo der einzelne Soldat fast nichts Milit&auml;risches mehr zu lernen hat, n&auml;hert sich unser allgemeiner Wehrpflichtiger schon einigerma&szlig;en dem auf lange Jahre eingestellten Soldaten des franz&ouml;sisch-&ouml;streichischen Systems. Er bekommt etwas vom Berufssoldaten und ist als solcher in allen F&auml;llen weit leichter zu verwenden als der j&uuml;ngere Soldat. Die Entfernung der Leute im dritten Dienstjahre w&uuml;rde die Einstellung von 60.000 bis 80.000 Mann mehr sicher aufwiegen, wenn man vom Staatsstreichgesichtspunkte ausgeht. </P>
<P>Nun aber kommt noch ein anderer und der entscheidende Punkt dazu. Wir wollen nicht leugnen, da&szlig; Verh&auml;ltnisse eintreten k&ouml;nnten - dazu kennen wir unsere Bourgeoisie zu gut -, unter denen selbst ohne Mobilisierung, mit dem einfachen Friedensstand der Armee, ein Staatsstreich dennoch m&ouml;glich w&auml;re. Das ist aber nicht wahrscheinlich. Um einen gro&szlig;en Coup zu machen, wird man fast immer mobilmachen m&uuml;ssen. Und da tritt die Wendung ein. Die preu&szlig;ische Friedensarmee mag unter Umst&auml;nden ein reines Werkzeug in den H&auml;nden der Regierung zur Verwendung im Innern werden; die preu&szlig;ische Kriegsarmee sicher nie. Wer je Gelegenheit hatte, ein Bataillon erst auf Friedensfu&szlig; und dann auf Kriegsfu&szlig; zu sehen, kennt den ungeheuren Unterschied in der ganzen Haltung der Leute, im Charakter der ganzen Masse. Die Leute, die als halbe Knaben in die Armee eingetreten waren, kommen jetzt als M&auml;nner wieder zu ihr zur&uuml;ck; sie bringen einen Vorrat von Selbstachtung, Selbstvertrauen, Sicherheit und Charakter mit, der dem ganzen Bataillon zugute kommt. Das Verh&auml;ltnis der Leute zu den Offizieren, der Offiziere zu den Leuten wird gleich ein anderes. Das <A NAME="S63"><B>|63|</A></B> Bataillon gewinnt milit&auml;risch ganz bedeutend, aber politisch wird es - f&uuml;r absolutistische Zwecke - v&ouml;llig unzuverl&auml;ssig. Das konnte man noch beim Einmarsch in Schleswig sehen, wo zum gro&szlig;en Erstaunen der englischen Zeitungskorrespondenten die preu&szlig;ischen Soldaten &uuml;berall an den politischen Demonstrationen offen teilnahmen und ihre durchaus nicht orthodoxen Gesinnungen ungescheut aussprachen. Und dies Resultat - die politische Verderbnis der mobilen Armee f&uuml;r absolutistische Zwecke - verdanken wir haupts&auml;chlich der Manteuffelschen Zeit und der "neuesten" &Auml;ra. Im Jahre 1848 war es noch ganz anders. </P>
<P>Das ist eben eine der besten Seiten an der preu&szlig;ischen Wehrverfassung, vor wie nach der Reorganisation: da&szlig; mit <I>dieser</I> Wehrverfassung Preu&szlig;en weder einen unpopul&auml;ren Krieg f&uuml;hren noch einen Staatsstreich machen kann, der Dauer verspricht. Denn selbst wenn die Friedensarmee sich zu einem kleinen Staatsstreich gebrauchen lie&szlig;e, so w&uuml;rde doch die erste Mobilmachung und die erste Kriegsgefahr gen&uuml;gen, um die ganzen "Errungenschaften" wieder in Frage zu stellen. Ohne die Ratifikation der Kriegsarmee w&auml;ren die Heldentaten der Friedensarmee beim "innern D&uuml;ppel" von nur kurzer Bedeutung; und diese Ratifikation wird je l&auml;nger, je schwerer zu erlangen sein. Reaktion&auml;re Bl&auml;tter haben gegen&uuml;ber den Kammern die "Armee" f&uuml;r die wahre Volksvertretung erkl&auml;rt. Sie meinten damit nat&uuml;rlich nur die Offiziere. Wenn es je dahin k&auml;me, da&szlig; die Herren von der "Kreuz-Zeitung" einen Staatsstreich machten, wozu sie die<I> mobile</I> Armee n&ouml;tig haben, sie w&uuml;rden ihr blaues Wunder erleben an dieser Volksvertretung, darauf k&ouml;nnen sie sich verlassen. </P>
<P>Darin aber liegt am Ende auch nicht die Hauptgarantie gegen den Staatsstreich. Die liegt darin: da&szlig; keine Regierung durch einen Staatsstreich eine Kammer zusammenbringen kann, die ihr neue Steuern und Anleihen bewilligt; und da&szlig;, selbst wenn sie eine dazu willige Kammer fertigbr&auml;chte, kein Bankier in Europa ihr auf solche Kammerbeschl&uuml;sse hin Kredit geben w&uuml;rde. In den meisten europ&auml;ischen Staaten w&auml;re das anders. Aber Preu&szlig;en steht nun einmal seit den Versprechungen von 1815 und den vielen vergeblichen Man&ouml;vern bis 1848, Geld zu bekommen, in dem Rufe, da&szlig; man ihm ohne rechtsg&uuml;ltigen und unantastbaren Kammerbeschlu&szlig; keinen Pfennig borgen darf. Selbst Herr Raphael von Erlanger, der doch den amerikanischen Konf&ouml;derierten geborgt hat, w&uuml;rde einer preu&szlig;ischen Staatsstreichregierung schwerlich bares Geld anvertrauen. Das hat Preu&szlig;en einzig und allein der Borniertheit des Absolutismus zu verdanken. </P>
<P>Hierin liegt die St&auml;rke der Bourgeoisie: da&szlig; die Regierung, wenn sie in Geldnot kommt - und das mu&szlig; sie fr&uuml;her oder sp&auml;ter sicher -, gen&ouml;tigt ist, <A NAME="S64"><B>|64|</A></B> <I>selbst sich an die Bourgeoisie um Geld zu wenden</I>, und diesmal nicht an die politische Repr&auml;sentation der Bourgeoisie, die am Ende wei&szlig;, da&szlig; sie zum Bezahlen da ist, sondern an die hohe Finanz, die an der Regierung ein gutes Gesch&auml;ft machen will, die die Kreditf&auml;higkeit einer Regierung an demselben Ma&szlig;stabe mi&szlig;t wie die jedes Privatmannes und der es total gleichg&uuml;ltig ist, ob der preu&szlig;ische Staat viel oder wenig Soldaten braucht. Diese Herren diskontieren nur Wechsel mit drei Unterschriften, und wenn neben der Regierung nur das Herrenhaus, ohne das Abgeordnetenhaus, darauf unterschrieben hat oder ein Abgeordnetenhaus von Strohm&auml;nnern, so sehen sie das f&uuml;r Wechselreiterei an und danken f&uuml;r das Gesch&auml;ft. </P>
<P>Hier h&ouml;rt die Milit&auml;rfrage auf, und die Verfassungsfrage f&auml;ngt an. Einerlei durch welche Fehler und Verwickelungen, die b&uuml;rgerliche Opposition ist jetzt einmal in die Stellung gedr&auml;ngt: Sie mu&szlig; die Milit&auml;rfrage durchfechten, oder sie verliert den Rest von politischer Macht, den sie noch besitzt. Die Regierung hat bereits ihr ganzes Budgetbewilligungsrecht in Frage gestellt. Wenn nun die Regierung fr&uuml;her oder sp&auml;ter doch ihren Frieden mit der Kammer machen<I> mu&szlig;</I>, ist es da nicht die beste Politik, einfach auszuharren, bis dieser Zeitpunkt eintritt? </P>
<P>Nachdem der Konflikt einmal so weit getrieben - unbedingt ja. Ob mit dieser Regierung auf annehmbaren Grundlagen ein Abkommen zu schlie&szlig;en, ist mehr als zweifelhaft. Die Bourgeoisie hat sich durch &Uuml;bersch&auml;tzung ihrer eigenen Kr&auml;fte in die Lage versetzt, da&szlig; sie an dieser Milit&auml;rfrage erproben mu&szlig;, ob sie im Staate das entscheidende Moment oder gar nichts ist. Siegt sie, so erobert sie zugleich die Macht, Minister ab und einzusetzen, wie das englische Unterhaus sie besitzt. Unterliegt sie, so kommt sie auf verfassungsm&auml;&szlig;igem Wege nie mehr zu irgendwelcher Bedeutung. </P>
<P>Aber der kennt unsre deutschen B&uuml;rger schlecht, der der Ansicht w&auml;re, da&szlig; eine solche Ausdauer zu erwarten steht. Die Courage der Bourgeoisie in politischen Dingen steht immer in genauem Verh&auml;ltnis zu der Wichtigkeit, die sie in dem gegebenen Land in der b&uuml;rgerlichen Gesellschaft einnimmt. In Deutschland ist die soziale Macht der Bourgeoisie weit geringer als in England und selbst in Frankreich; sie hat sich weder mit der alten Aristokratie alliiert wie in England, noch diese mit H&uuml;lfe der Bauern und Arbeiter vernichtet wie in Frankreich. Die Feudalaristokratie ist in Deutschland noch immer eine Macht, eine der Bourgeoisie feindliche und obendrein mit den Regierungen verb&uuml;ndete Macht. Die Fabrikindustrie, die Basis aller sozialen Macht der modernen Bourgeoisie, ist in Deutschland weit weniger entwickelt als in Frankreich und England, so enorm auch ihre Fortschritte seit 1848 sind. Die kolossalen Kapitalansammlungen in einzelnen <A NAME="S65"><B>|65|</A></B> St&auml;nden, die in England und selbst Frankreich h&auml;ufig vorkommen, sind in Deutschland seltener. Daher kommt der kleinb&uuml;rgerliche Charakter unserer ganzen Bourgeoisie. Die Verh&auml;ltnisse, in denen sie lebt, die Gesichtskreise, die sie sich bilden kann, sind kleinlicher Art; was Wunder, da&szlig; ihre ganze Denkweise ebenso kleinlich ist! Woher soll da der Mut kommen, eine Sache bis aufs &Auml;u&szlig;erste durchzufechten? Die preu&szlig;ische Bourgeoisie wei&szlig; sehr gut, in welcher Abh&auml;ngigkeit sie, f&uuml;r ihre eigene industrielle T&auml;tigkeit, von der Regierung steht. Konzessionen und Verwaltungskontrolle dr&uuml;cken wie ein Alp auf sie. Bei jeder neuen Unternehmung kann die Regierung ihr Schwierigkeiten in den Weg legen. Und nun gar auf dem politischen Gebiet! W&auml;hrend des Konflikts &uuml;ber die Milit&auml;rfrage kann die Bourgeoiskammer nur verneinend auftreten, sie ist rein auf die Defensive verwiesen; indessen geht die Regierung angreifend vor, interpretiert die Verfassung auf ihre Weise, ma&szlig;regelt die liberalen Beamten, annulliert die liberalen st&auml;dtischen Wahlen, setzt alle Hebel der b&uuml;rokratischen Gewalt in Bewegung, um den B&uuml;rgern ihren Untertanenstandpupkt klarzumachen, nimmt tats&auml;chlich eine Position nach der andern und erobert sich so eine Stellung, wie sie selbst Manteuffel nicht hatte. Inzwischen geht das budgetlose Geldausgeben und Steuererheben seinen ruhigen Gang, und die Armeereorganisation gewinnt mit jedem Jahr ihres Bestehens neue St&auml;rke. Kurz, der in Aussicht stehende endliche Sieg der Bourgeoisie erh&auml;lt von Jahr zu Jahr einen revolution&auml;reren Charakter, und die t&auml;glich sich mehrenden Detailsiege der Regierung auf allen Gebieten erhalten mehr und mehr die Gestalt vollendeter Tatsachen. Dazu kommt eine von Bourgeoisie wie Regierung vollst&auml;ndig unabh&auml;ngige Arbeiterbewegung, die die Bourgeoisie zwingt, entweder den Arbeitern sehr fatale Konzessionen zu machen oder gefa&szlig;t zu sein, im entscheidenden Augenblick ohne die Arbeiter agieren zu m&uuml;ssen. Sollte die preu&szlig;ische Bourgeoisie unter diesen Umst&auml;nden den Mut haben, auszuharren bis aufs &Auml;u&szlig;erste? Sie m&uuml;&szlig;te sich seit 1848 wunderbar verbessert haben - in ihrem eignen Sinn -, und die Kompromi&szlig;sehnsucht, die sich in der Fortschrittspartei seit Er&ouml;ffnung dieser Session tagt&auml;glich ausseufzt, spricht nicht daf&uuml;r. Wir f&uuml;rchten, die Bourgeoisie wird auch diesmal keinen Anstand nehmen, sich selbst zu verraten. </P>
<FONT SIZE=4><P ALIGN="CENTER">III</P>
</FONT><B><P><A NAME="S66">|66|</A></B> "Welches ist nun die Stellung der Arbeiterpartei zu dieser Armeereorganisation und zu dem daraus entstandenen Konflikt zwischen Regierung und b&uuml;rgerlicher Opposition?" </P>
<P>Die arbeitende Klasse gebraucht zur vollen Entfaltung ihrer politischen T&auml;tigkeit ein weit gr&ouml;&szlig;eres Feld, als es die Einzelstaaten des heutigen zersplitterten Deutschlands darbieten. Die Vielstaaterei wird f&uuml;r das Proletariat ein Bewegungshindernis sein, aber nie eine berechtigte Existenz, ein Gegenstand des ernsthaften Denkens. Des deutsche Proletariat wird nie sich mit Reichsverfassungen, preu&szlig;ischen Spitzen, Trias und dergleichen befassen, au&szlig;er um damit aufzur&auml;umen; die Frage, wieviel Soldaten der preu&szlig;ische Staat braucht, um als Gro&szlig;macht fortzuvegetieren, ist ihm gleichg&uuml;ltig. Ob die Milit&auml;rlast durch die Reorganisation sich etwas vermehrt oder nicht, wird der Arbeiterklasse,<I> als Klasse</I>, wenig ausmachen. Dagegen ist es ihr durchaus nicht gleichg&uuml;ltig, ob die allgemeine Wehrpflicht vollst&auml;ndig durchgef&uuml;hrt wird oder nicht. Je mehr Arbeiter in den Waffen ge&uuml;bt werden, desto besser. Die allgemeine Wehrpflicht ist die notwendige und nat&uuml;rliche Erg&auml;nzung des allgemeinen Stimmrechts; sie setzt die Stimmenden in den Stand, ihre Beschl&uuml;sse gegen alle Staatsstreichversuche mit den Waffen in der Hand durchzusetzen. </P>
<P>Die mehr und mehr konsequente Durchf&uuml;hrung der allgemeinen Wehrpflicht ist der einzige Punkt, der die Arbeiterklasse Deutschlands an der preu&szlig;ischen Armeereorganisation interessiert. </P>
<P>Wichtiger ist die Frage: Wie sich die Arbeiterpartei zu stellen hat bei dem daraus entstandenen Konflikt zwischen Regierung und Kammer? </P>
<P>Der moderne Arbeiter, der Proletarier, ist ein Produkt der gro&szlig;en industriellen Revolution, welche namentlich in den letzten hundert Jahren in allen zivilisierten L&auml;ndern die ganze Produktionsweise, zuerst der Industrie und nachher auch des Ackerbaus, total umgew&auml;lzt hat und infolge deren <A NAME="S67"><B>|67|</A></B> an der Produktion nur noch zwei Klassen beteiligt sind: die der Kapitalisten, welche sich im Besitz der Arbeitsh&uuml;lfsmittel, der Rohmaterialien und der Lebensmittel befinden, und die der Arbeiter, welche weder Arbeitsh&uuml;lfsmittel noch Rohmaterialien, noch Lebensmittel besitzen, sondern sich diese letzteren mit ihrer Arbeit von den Kapitalisten erst kaufen m&uuml;ssen. Der moderne Proletarier hat also direkt nur mit<I> einer</I> Gesellschaftsklasse zu tun, die ihm feindlich gegen&uuml;bersteht, ihn ausbeutet: mit der Klasse der Kapitalisten, der Bourgeois. In L&auml;ndern, wo diese industrielle Revolution vollst&auml;ndig durchgef&uuml;hrt ist, wie in England, hat der Arbeiter wirklich auch nur mit Kapitalisten zu tun, denn auch auf dem Lande ist der gro&szlig;e Gutsp&auml;chter nichts als ein Kapitalist; der Aristokrat, der nur die Grundrente seiner Besitzungen verzehrt, hat mit dem Arbeiter absolut keine gesellschaftlichen Ber&uuml;hrungspunkte. </P>
<P>Anders in L&auml;ndern, wo diese industrielle Revolution erst in der Durchf&uuml;hrung begriffen ist, wie in Deutschland. Hier sind aus den fr&uuml;heren feudalen und nachfeudalen Zust&auml;nden noch eine Menge gesellschaftlicher Elemente haftengeblieben, welche, um uns so auszudr&uuml;cken, das gesellschaftliche Mittel (medium) tr&uuml;ben, dem sozialen Zustand Deutschlands jenen einfachen, klaren, klassischen Charakter nehmen, der den Entwicklungsstand Englands auszeichnet. Wir finden hier in einer sich t&auml;glich mehr modernisierenden Atmosph&auml;re und unter ganz modernen Kapitalisten und Arbeitern die wunderbarsten vors&uuml;ndflutlichen Fossilien lebendig umherwandeln: Feudalherren, Patrimonialgerichte, Krautjunker, Stockpr&uuml;gel, Regierungsr&auml;te, Landr&auml;te, Innungen, Kompetenzkonflikte, Verwaltungsstrafmacht usw. Und wir finden, da&szlig; im Kampf um die politische Macht alle diese lebenden Fossilien sich zusammenscharen gegen die Bourgeoisie, die, durch ihren Besitz die m&auml;chtigste Klasse der neuen Epoche, im Namen der neuen Epoche ihnen die politische Herrschaft abverlangt. </P>
<P>Au&szlig;er der Bourgeoisie und dem Proletariat produziert die moderne gro&szlig;e Industrie noch eine Art Zwischenklasse zwischen beiden, das Kleinb&uuml;rgertum. Dies besteht teils aus den Resten des fr&uuml;heren halbmittelalterlichen Pfahlb&uuml;rgertums, teils aus etwas emporgekommenen Arbeitern. Es findet seine Stellung weniger in der Produktion als in der Verteilung der Waren; der Detailhandel ist sein Hauptfach. W&auml;hrend das alte Pfahlb&uuml;rgertum die stabilste, ist das moderne Kleinb&uuml;rgertum die am meisten wechselnde Klasse der Gesellschaft; der Bankerott ist bei ihm eine Institution geworden. Es nimmt teil durch seinen kleinen Kapitalbesitz an der Lebenslage der Bourgeoisie, durch die Unsicherheit seiner Existenz an der des Proletariats. Widerspruchsvoll wie sein gesellschaftliches Dasein ist seine <A NAME="S68"><B>|68|</A></B> politische Stellung; im allgemeinen jedoch ist die "reine Demokratie" sein korrektester Ausdruck. Sein politischer Beruf ist der, die Bourgeoisie in ihrem Kampf gegen die Reste der alten Gesellschaft und namentlich gegen ihre eigene Schw&auml;che und Feigheit voranzutreiben und diejenigen Freiheiten erk&auml;mpfen zu helfen - Pre&szlig;freiheit, Vereins- und Versammlungsfreiheit, allgemeines Wahlrecht, lokale Selbstregierung -, ohne welche, trotz ihrer b&uuml;rgerlichen Natur, eine sch&uuml;chterne Bourgeoisie wohl fertig werden kann, ohne welche die Arbeiter aber nie ihre Emanzipation erobern k&ouml;nnen. </P>
<P>Im Laufe des Kampfes zwischen den Resten der alten, vors&uuml;ndflutlichen Gesellschaft und der Bourgeoisie kommt &uuml;berall irgendeinmal der Moment, wo beide K&auml;mpfenden sich an das Proletariat wenden und seine Unterst&uuml;tzung nachsuchen. Dieser Moment f&auml;llt gew&ouml;hnlich mit demjenigen zusammen, in dem die Arbeiterklasse selbst anf&auml;ngt, sich zu regen. Die feudalen und b&uuml;rokratischen Repr&auml;sentanten der untergehenden Gesellschaft rufen den Arbeitern zu, mit ihnen auf die Aussauger, die Kapitalisten, die einzigen Feinde des Arbeiters, loszuschlagen; die Bourgeois weisen die Arbeiter darauf hin, da&szlig; sie beide zusammen die neue Gesellschaftsepoche repr&auml;sentieren und daher jedenfalls der untergehenden<I> alten</I> Gesellschaftsform gegen&uuml;ber gleiches Interesse haben. Um diese Zeit kommt dann die Arbeiterklasse allm&auml;hlich zum Bewu&szlig;tsein, da&szlig; sie eine eigene Klasse mit eigenen Interessen und mit einer eigenen unabh&auml;ngigen Zukunft ist; und damit kommt die Frage, die nacheinander in England, in Frankreich und in Deutschland sich aufgedr&auml;ngt hat: Wie hat sich die Arbeiterpartei gegen&uuml;ber den K&auml;mpfenden zu stellen? </P>
<P>Dies wird vor allem davon abh&auml;ngen, was die Arbeiterpartei, d.h. derjenige Teil der arbeitenden Klasse, welcher zum Bewu&szlig;tsein der gemeinsamen Interessen der Klasse gekommen ist, im Interesse der Klasse f&uuml;r Ziele erstrebt? </P>
<P>Soweit bekannt, stellen die avanciertesten Arbeiter in Deutschland die Forderung: Emanzipation der Arbeiter von den Kapitalisten durch &Uuml;bertragung von Staatskapital an assoziierte Arbeiter, zum Betrieb der Produktion f&uuml;r gemeinsame Rechnung und ohne Kapitalisten; und als Mittel zur Durchsetzung dieses Zwecks: Eroberung der politischen Macht durch das allgemeine, direkte Wahlrecht. </P>
<P>Soviel ist nun klar: Weder die feudal-b&uuml;rokratische Partei, die man kurzweg die<I> Reaktion</I> zu nennen pflegt, noch die liberal-radikale Bourgeoispartei wird geneigt sein, diese Forderungen freiwillig zuzugestehen. Nun wird aber das Proletariat eine Macht von dem Augenblick an, wo sich eine <A NAME="S69"><B>|69|</A></B> selbst&auml;ndige Arbeiterpartei bildet, und mit einer Macht mu&szlig; man rechnen. Beide feindliche Parteien wissen das und werden also im gegebenen Augenblicke geneigt sein, den Arbeitern scheinbare oder wirkliche Konzessionen zu machen. Auf welcher Seite k&ouml;nnen die Arbeiter die gr&ouml;&szlig;ten Zugest&auml;ndnisse erwirken? </P>
<P>Der reaktion&auml;ren Partei ist bereits die Existenz von Bourgeois und Proletariern ein Dorn im Auge. Ihre Macht beruht darauf, da&szlig; die moderne gesellschaftliche Entwickelung wieder totgemacht oder wenigstens gehemmt werde. Sonst verwandeln sich allm&auml;hlich alle besitzenden Klassen in Kapitalisten, alle unterdr&uuml;ckten Klassen in Proletarier, und damit verschwindet die reaktion&auml;re Partei von selbst. Die Reaktion will, wenn sie konsequent ist, allerdings das Proletariat aufheben, aber nicht dadurch, da&szlig; sie zur Assoziation fortschreitet, sondern indem sie die modernen Proletarier wieder in Zunftgesellen und ganz oder halb leibeigene b&auml;uerliche Hintersassen zur&uuml;ckverwandelt. Ist unsern Proletariern mit einer solchen Verwandlung gedient? W&uuml;nschen sie sich wieder unter die v&auml;terliche Zucht des Zunftmeisters und des "gn&auml;digen Herrn" zur&uuml;ck, wenn so etwas m&ouml;glich w&auml;re? Sicherlich nicht. Es ist ja gerade erst die Lostrennung der arbeitenden Klasse von all dem fr&uuml;heren Scheinbesitz und den Scheinprivilegien, die Herstellung des nackten Gegensatzes zwischen Kapital und Arbeit, die &uuml;berhaupt die Existenz einer einzigen gro&szlig;en Arbeiterklasse mit gemeinsamen Interessen, einer Arbeiterbewegung, einer Arbeiterpartei m&ouml;glich gemacht hat. Und dazu ist eine solche Zur&uuml;ckschraubung der Geschichte eine reine Unm&ouml;glichkeit. Die Dampfmaschinen, die mechanischen Spinn- und Webst&uuml;hle, die Dampfpfl&uuml;ge und Dreschmaschinen, die Eisenbahnen und elektrischen Telegraphen und die Dampfpressen der Gegenwart lassen keinen solchen absurden R&uuml;ckschritt zu, im Gegenteil, sie vernichten allm&auml;hlich und unerbittlich alle Reste feudaler und z&uuml;nftiger Zust&auml;nde und l&ouml;sen alle von fr&uuml;her &uuml;berkommenen kleinen gesellschaftlichen Gegens&auml;tze auf in den einen weltgeschichtlichen Gegensatz von Kapital und Arbeit. </P>
<P>Dagegen hat die Bourgeoisie gar keine andere geschichtliche Stellung, als die erw&auml;hnten riesenhaften Produktivkr&auml;fte und Verkehrsmittel der modernen Gesellschaft nach allen Seiten hin zu vermehren und aufs h&ouml;chste zu steigern, durch ihre Kreditassoziationen auch die Produktionsmittel, welche aus fr&uuml;heren Zeiten mit &uuml;berliefert sind, namentlich den Grundbesitz, sich in die H&auml;nde zu spielen, alle Produktionszweige mit modernen H&uuml;lfsmitteln zu betreiben, alle Reste feudaler Produktionen und feudaler Verh&auml;ltnisse zu vernichten und so die ganze Gesellschaft zur&uuml;ckzuf&uuml;hren <A NAME="S70"><B>|70|</A></B> auf den einfachen Gegensatz einer Klasse von Kapitalisten und einer Klasse von besitzlosen Arbeitern. In demselben Ma&szlig;e, wie diese Vereinfachung der gesellschaftlichen Klassengegens&auml;tze stattfindet, w&auml;chst die Macht der Bourgeoisie, aber in noch gr&ouml;&szlig;erem Ma&szlig;e w&auml;chst auch die Macht, das Klassenbewu&szlig;tsein, die Siegesf&auml;higkeit des Proletariats; nur durch diese Machtvergr&ouml;&szlig;erung der Bourgeoisie bringt es das Proletariat allm&auml;hlich dahin, die Majorit&auml;t, die &uuml;berwiegende Majorit&auml;t im Staate zu werden, wie es dies in England bereits ist, aber noch keineswegs in Deutschland, wo Bauern aller Art auf dem Lande und kleine Meister, Kleinkr&auml;mer usw. in den St&auml;dten ihm noch die Stange halten. </P>
<P>Also: Jeder Sieg der Reaktion hemmt die gesellschaftliche Entwickelung, entfernt unfehlbar den Zeitpunkt, wo die Arbeiter siegen k&ouml;nnen. Jeder Sieg der Bourgeoisie &uuml;ber die Reaktion dagegen ist nach einer Seite hin zugleich ein Sieg der Arbeiter, tr&auml;gt zum endlichen Sturz der Kapitalistenherrschaft bei, r&uuml;ckt den Zeitpunkt n&auml;her heran, wo die Arbeiter &uuml;ber die Bourgeoisie siegen werden. </P>
<P>Man nehme die Stellung der deutschen Arbeiterpartei 1848 und jetzt. Es gibt in Deutschland noch Veteranen genug, die an den ersten Anf&auml;ngen der Gr&uuml;ndung einer deutschen Arbeiterpartei vor 1848 mitgewirkt, die nach der Revolution an ihrem Ausbau halfen, solange die Zeitverh&auml;ltnisse es erlaubten. Sie alle wissen, welche M&uuml;he es kostete, selbst in jenen aufgeregten Zeiten eine Arbeiterbewegung zustande zu bringen, sie im Gange zu halten, reaktion&auml;r-zunftma&szlig;ige Elemente zu entfernen, und wie die ganze Sache nach ein paar Jahren wieder einschlief. Wenn jetzt eine Arbeiterbewegung sozusagen von selbst entstanden ist, woher kommt das? Daher, weil seit 1848 die gro&szlig;e Bourgeoisindustrie in Deutschland unerh&ouml;rte Fortschritte gemacht, weil sie eine Masse kleiner Meister und sonstiger Zwischenleute zwischen dem Arbeiter und dem Kapitalisten vernichtet, eine Masse Arbeiter in direkten Gegensatz zum Kapitalisten gestellt, kurz, ein bedeutendes Proletariat da geschaffen hat, wo es fr&uuml;her nicht oder nur in geringem Ma&szlig;e bestand. Eine Arbeiterpartei und Arbeiterbewegung ist durch diese industrielle Entwickelung eine Notwendigkeit geworden. </P>
<P>Damit ist nicht gesagt, da&szlig; nicht Momente eintreten k&ouml;nnen, wo es der Reaktion geraten erscheint, den Arbeitern Konzessionen zu machen. Aber diese Konzessionen sind stets ganz eigener Art. Sie sind nie politischer Natur. Die feudal-b&uuml;rokratische Reaktion wird weder das Stimmrecht ausdehnen noch die Presse, das Vereins- und Versammlungsrecht befreien, noch die Macht der B&uuml;rokratie beschr&auml;nken. Die Konzessionen, die sie macht, sind stets direkt gegen die Bourgeoisie gerichtet und derart, da&szlig; <A NAME="S71"><B>|71|</A></B> sie die politische Macht der Arbeiter durchaus nicht vermehren. So wurde in England das Zehnstundengesetz f&uuml;r die Fabrikarbeiter gegen den Willen der Fabrikanten durchgef&uuml;hrt. So w&auml;re von der Regierung in Preu&szlig;en die genaue Einhaltung der Vorschriften &uuml;ber die Arbeitszeit in den Fabriken - welche jetzt nur auf dem Papier bestehen -, ferner das Koalitionsrecht der Arbeiter usw. zu fordern und m&ouml;glicherweise zu erlangen. Aber es ist bei allen diesen Konzessionen von seiten der Reaktion [fest]stehend, da&szlig; sie erlangt werden ohne irgendeinen Gegendienst von seiten der Arbeiter, und mit Recht, denn indem die Reaktion den Bourgeois das Leben sauer macht, hat sie schon ihren Zweck erreicht, und die Arbeiter sind ihr keinen Dank schuldig, danken ihr auch nie. </P>
<P>Nun gibt es noch eine Art von Reaktion, welche in letzter Zeit gro&szlig;en Erfolg gehabt hat und bei gewissen Leuten sehr in Mode kommt; es ist die Art, welche man heutzutage Bonapartismus nennt. Der Bonapartismus ist die notwendige Staatsform in einem Lande, wo die Arbeiterklasse, auf einer hohen Stufe ihrer Entwickelung in den St&auml;dten, aber an Zahl &uuml;berwogen von den kleinen Bauern auf dem Lande, in einem gro&szlig;en revolution&auml;ren Kampf von der Kapitalistenklasse, dem Kleinb&uuml;rgertum und der Armee besiegt worden ist. Als in Frankreich in dem Riesenkampfe vom Juni 1848 die Pariser Arbeiter besiegt waren, hatte sich zugleich die Bourgeoisie an diesem Siege vollst&auml;ndig ersch&ouml;pft. Sie war sich bewu&szlig;t, keinen zweiten solchen Sieg ertragen zu k&ouml;nnen. Sie herrschte noch dem Namen nach, aber sie war zu schwach zur Herrschaft. An die Spitze trat die Armee, der eigentliche Sieger, gest&uuml;tzt auf die Klasse, aus der sie sich vorzugsweise rekrutierte, die kleinen Bauern, welche Ruhe haben wollten vor den St&auml;dtekrawallern. Die Form dieser Herrschaft war selbstredend der milit&auml;rische Despotismus, ihr nat&uuml;rlicher Chef der angestammte Erbe desselben, Louis Bonaparte. </P>
<P>Gegen&uuml;ber den Arbeitern wie den Kapitalisten zeichnet sich der Bonapartismus dadurch aus, da&szlig; er sie verhindert, aufeinander loszuschlagen. Das hei&szlig;t, er sch&uuml;tzt die Bourgeoisie vor gewaltsamen Angriffen der Arbeiter, beg&uuml;nstigt ein kleines friedliches Pl&auml;nkelgefecht zwischen beiden Klassen und entzieht im &uuml;brigen den einen wie den andern jede Spur politischer Macht. Kein Vereinsrecht, kein Versammlungsrecht, keine Pre&szlig;freiheit; ein allgemeines Wahlrecht unter solchem b&uuml;rokratischen Druck, da&szlig; Oppositionswahlen fast unm&ouml;glich sind; eine Polizeiwirtschaft, wie sie selbst in dem polizierten Frankreich bisher unerh&ouml;rt war. Daneben wird ein Teil der Bourgeoisie wie der Arbeiter direkt<I> gekauft</I>; der eine durch kolossale Kreditschwindeleien, wodurch das Geld der kleinen Kapitalisten in <A NAME="S72"><B>|72</A></B>| die Tasche der gro&szlig;en gelockt wird; der andere durch kolossale Staatsbauten, die neben dem nat&uuml;rlichen, selbst&auml;ndigen Proletariat ein k&uuml;nstliches, imperialistisches, von der Regierung abh&auml;ngiges Proletariat in den gro&szlig;en St&auml;dten konzentrieren. Endlich wird dem Nationalstolz geschmeichelt durch scheinbar heroische Kriege, die aber stets mit hoher obrigkeitlicher Erlaubnis Europas gegen den jeweiligen allgemeinen S&uuml;ndenbock gef&uuml;hrt werden und nur unter solchen Bedingungen, da&szlig; der Sieg von vornherein gesichert ist. </P>
<P>Das H&ouml;chste, was unter einer solchen Regierung f&uuml;r die Arbeiter wie f&uuml;r die Bourgeoisie herauskommt, ist, da&szlig; sie sich vom Kampfe ausruhen, da&szlig; die Industrie sich - unter sonst g&uuml;nstigen Umst&auml;nden - stark entwickelt, da&szlig; also die Elemente eines neuen und heftigeren Kampfes sieh ausbilden und da&szlig; dieser Kampf ausbricht, sobald das Bed&uuml;rfnis eines solchen Ruhepunktes nicht mehr existiert. Es w&auml;re die h&ouml;chste H&ouml;he der Torheit, mehr zu erwarten f&uuml;r die Arbeiter von einer Regierung, die gerade blo&szlig; dazu existiert, die Arbeiter gegen&uuml;ber der Bourgeoisie im Zaume zu halten. </P>
<P>Kommen wir nun auf den uns speziell vorliegenden Fall. Was kann die Reaktion in Preu&szlig;en der Arbeiterpartei bieten? </P>
<P>Kann diese Reaktion der Arbeiterklasse einen wirklichen Anteil an der politischen Macht bieten? - Unbedingt nein. Erstens ist es in der neueren Geschichte, weder Englands noch Frankreichs, je vorgekommen, da&szlig; eine reaktion&auml;re Regierung dies getan h&auml;tte. Zweitens handelt es sich in dem gegenw&auml;rtigen Kampf in Preu&szlig;en ja gerade darum, ob die Regierung alle wirkliche Macht in sich vereinigen oder sie mit dem Parlament teilen soll. Und die Regierung wird wahrlich nicht alle Mittel aufbieten, der Bourgeoisie die Macht zu entrei&szlig;en, blo&szlig; um diese Macht nachher dem Proletariat zu schenken! </P>
<P>Die Feudalaristokratie und die B&uuml;rokratie k&ouml;nnen ihre wirkliche Macht in Preu&szlig;en behalten auch ohne parlamentarische Vertretung. Ihre traditionelle Stellung am Hof, in der Armee, im Beamtentum garantiert ihnen diese Macht. Sie d&uuml;rfen sogar keine besondere Vertretung w&uuml;nschen, denn Adels- und Beamtenkammern, wie Manteuffel sie hatte, sind heutzutage auf die Dauer in Preu&szlig;en doch unm&ouml;glich. Sie w&uuml;nschen daher auch die ganze Kammerwirtschaft zum Teufel. </P>
<P>Dagegen k&ouml;nnen Bourgeoisie und Arbeiter eine wirkliche geregelte politische Macht nur durch parlamentarische Vertretung aus&uuml;ben; und diese parlamentarische Vertretung ist nur dann etwas wert, wenn sie mitzureden und mitzubeschlie&szlig;en hat, mit andern Worten, wenn sie "den Knopf auf dem Beutel" halten kann. Das ist ja aber gerade, was Bismarck <A NAME="S73"><B>|73|</A></B> eingestandenerma&szlig;en verhindern will. Wir fragen: Ist es das Interesse der Arbeiter, da&szlig; dies Parlament aller Macht beraubt werde, dies Parlament, in das sie selbst durch Erringung des allgemeinen, direkten Wahlrechts einzutreten und worin sie einst die Majorit&auml;t zu bilden hoffen? Ist es ihr Interesse, alle Hebel der Agitation in Bewegung zu setzen, um in eine Versammlung zu kommen, die schlie&szlig;lich doch nichts zu sagen hat? Sicherlich nicht. </P>
<P>Wenn nun aber die Regierung das bestehende Wahlgesetz umstie&szlig;e und das allgemeine, direkte Wahlrecht oktroyierte? Ja, <I>wenn</I>! <I>Wenn</I> die Regierung einen solchen bonapartistischen Streich machte und die Arbeiter gingen darauf ein, so h&auml;tten sie ja damit schon von vornherein der Regierung das Recht zuerkannt, durch eine neue Oktroyierung, sobald es ihr beliebte, das allgemeine, direkte Wahlrecht auch wieder aufzuheben, und was w&auml;re da das ganze allgemeine, direkte Wahlrecht wert? </P>
<I><P>Wenn</I> die Regierung das allgemeine, direkte Wahlrecht oktroyierte, so w&uuml;rde sie es von vornherein so verklausulieren, da&szlig; es eben kein allgemeines, direktes Wahlrecht mehr w&auml;re. </P>
<P>Und was selbst das allgemeine, direkte Wahlrecht angeht, so braucht man nur nach Frankreich zu gehen, um sich zu &uuml;berzeugen, welche zahmen Wahlen man damit zustande bringen kann, sobald man eine zahlreiche stupide Landbev&ouml;lkerung, eine wohlorganisierte B&uuml;rokratie, eine gut gema&szlig;regelte Presse, durch Polizei hinreichend niedergehaltene Vereine und gar keine politischen Versammlungen hat. Wieviel Vertreter der Arbeiter bringt denn das allgemeine, direkte Stimmrecht in die franz&ouml;sische Kammer? Und doch hat das franz&ouml;sische Proletariat vor dem deutschen eine weit gr&ouml;&szlig;ere Konzentration und eine l&auml;ngere Erfahrung im Kampf und in der Organisation voraus. </P>
<P>Dies bringt uns noch auf einen andern Punkt. In Deutschland ist die Landbev&ouml;lkerung doppelt so stark wie die St&auml;dtebev&ouml;lkerung, d.h. es leben <FONT SIZE="-1"><SUP>2</FONT></SUP>/<FONT SIZE="-2">3</FONT> vom Ackerbau, <FONT SIZE="-1"><SUP>1</FONT></SUP>/<FONT SIZE="-2">3</FONT> von der Industrie. Und da der gro&szlig;e Grundbesitz in Deutschland die Regel und der kleine Parzellenbauer die Ausnahme ist, so hei&szlig;t das mit andern Worten: da&szlig;, wenn <FONT SIZE="-1"><SUP>1</FONT></SUP>/<FONT SIZE="-2">3</FONT> der Arbeiter unter dem Kommando des Kapitalisten stehn, so stehn <FONT SIZE="-1"><SUP>2</FONT></SUP>/<FONT SIZE="-2">3</FONT> <I>unter dem Kommando des Feudalherrn</I>. Die Leute, welche in einem fort &uuml;ber die Kapitalisten herfallen, aber gegen die Feudalen kein W&ouml;rtchen des Zorns haben, m&ouml;gen sich dies zu Gem&uuml;te f&uuml;hren. Die Feudalen beuten in Deutschland doppelt soviel Arbeiter aus wie die Bourgeois; sie sind in Deutschland ganz ebenso direkte Gegner der Arbeiter wie die Kapitalisten. Das ist aber noch lange nicht alles. Die patriarchalische Wirtschaft auf den alten Feudal- <A NAME="S74"><B>|74|</A></B> g&uuml;tern bringt eine angestammte Abh&auml;ngigkeit des l&auml;ndlichen Tagel&ouml;hners oder H&auml;uslers von seinem "gn&auml;digen Herrn" zuwege, die dem Ackerbauproletarier den Eintritt in die Bewegung der st&auml;dtischen Arbeiter sehr erschwert. Die Pfaffen, die systematische Verdummung auf dem Lande, der schlechte Schulunterricht, die Abgeschlossenheit der Leute von aller Welt tun den Rest. Das Ackerbauproletariat ist derjenige Teil der Arbeiterklasse, dem seine eignen Interessen, seine eigne gesellschaftliche Stellung am schwersten und am letzten klarwerden, mit andern Worten, derjenige Teil, der am l&auml;ngsten ein bewu&szlig;tloses Werkzeug in der Hand der ihn ausbeutenden, bevorzugten Klasse bleibt. Und welche Klasse ist dies? In Deutschland nicht die Bourgeoisie, sondern der<I> Feudaladel</I>. Nun hat selbst in Frankreich, wo doch fast nur freie grundbesitzende Bauern existieren, wo der Feudaladel aller politischen Macht l&auml;ngst beraubt ist, das allgemeine Stimmrecht die Arbeiter nicht in die Kammer gebracht, sondern sie fast ganz davon ausgeschlossen. Was w&uuml;rde das Resultat des allgemeinen Stimmrechts in Deutschland sein, wo der Feudaladel noch eine wirkliche soziale und politische Macht ist und wo zwei Ackerbautagel&ouml;hner auf einen industriellen Arbeiter kommen? Die Bek&auml;mpfung der feudalen und b&uuml;rokratischen Reaktion - denn beide sind bei uns jetzt untrennbar - ist in Deutschland gleichbedeutend mit dem Kampf f&uuml;r geistige und politische Emanzipation des Landproletariats - und solange das Landproletariat nicht in die Bewegung mit hineingerissen wird, solange kann und wird das st&auml;dtische Proletariat in Deutschland nicht das geringste ausrichten, solange ist das allgemeine, direkte Wahlrecht f&uuml;r das Proletariat keine Waffe, sondern ein<I> Fallstrick</I>. </P>
<P>Vielleicht wird diese sehr offenherzige, aber n&ouml;tige Auseinandersetzung die Feudalen ermutigen, f&uuml;r das allgemeine, direkte Wahlrecht aufzutreten. Um so besser. </P>
<P>Oder sollte die Regierung nur deswegen die Presse, das Vereinsrecht, das Versammlungsrecht der b&uuml;rgerlichen Opposition gegen&uuml;ber verk&uuml;mmern (wenn &uuml;berhaupt an den jetzigen Zust&auml;nden noch viel zu verk&uuml;mmern ist), um den Arbeitern ein Geschenk mit einer freien Presse, freiem Vereins- und Versammlungsrecht zu machen? In der Tat, geht nicht die Arbeiterbewegung ruhig und ungest&ouml;rt ihren Gang? </P>
<P>Da liegt ja gerade der Hase im Pfeffer. Die Regierung <I>wei&szlig;</I>, und die Bourgeoisie wei&szlig; auch, da&szlig; die ganze jetzige deutsche Arbeiterbewegung nur<I> geduldet</I> ist, nur so lange lebt, wie es der Regierung<I> beliebt</I>. Solange der Regierung damit gedient ist, da&szlig; diese Bewegung besteht, da&szlig; der b&uuml;rgerlichen Opposition neue, unabh&auml;ngige Gegner erwachsen, solange wird sie <A NAME="S75"><B>|75|</A></B> diese Bewegung dulden. Von dem Augenblick an, wo diese Bewegung die Arbeiter zu einer selbst&auml;ndigen Macht entwickelt, wo sie dadurch der Regierung gef&auml;hrlich wird, h&ouml;rt die Sache sofort auf. Die Art und Weise, wie den Fortschrittlern die Agitation in Presse, Vereinen und Versammlungen gelegt worden ist, m&ouml;ge den Arbeitern zur Warnung dienen. Dieselben Gesetze, Verordnungen und Ma&szlig;regeln, welche da in Anwendung gebracht worden sind, k&ouml;nnen jeden Tag gegen sie angewandt werden und ihrer Agitation den Garaus machen; sie werden es, sobald diese Agitation gef&auml;hrlich wird. Es ist von der h&ouml;chsten Wichtigkeit, da&szlig; die Arbeiter in diesem Punkte klarsehen, da&szlig; sie nicht derselben T&auml;uschung verfallen wie die Bourgeoisie unter der Neuen &Auml;ra, wo sie ebenfalls nur<I> geduldet</I> war, aber bereits im Sattel zu sein glaubte. Und wenn jemand sich einbilden sollte, die jetzige Regierung w&uuml;rde die Presse, das Vereinsrecht und Versammlungsrecht von den jetzigen Fesseln befreien, so geh&ouml;rte er eben zu den Leuten, mit denen nicht mehr zu sprechen ist. Und ohne Pre&szlig;freiheit, Vereins- und Versammlungsrecht ist keine Arbeiterbewegung m&ouml;glich. </P>
<P>Die bestehende Regierung in Preu&szlig;en ist nicht so einf&auml;ltig, da&szlig; sie sich selbst den Hals abschneiden sollte. Und wenn es dahin k&auml;me, da&szlig; die Reaktion dem deutschen Proletariat einige politische Scheinkonzessionen hinwerfen sollte, um es damit zu k&ouml;dern - dann wird hoffentlich das deutsche Proletariat antworten mit den stolzen Worten des alten Hildebrandsliedes: </P><DIR>
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<FONT SIZE=2><P>"Mit g&ecirc;r&ucirc; scal man geba inf&acirc;han, ort widar orte." <BR>
Mit dem Speere soll man Gabe empfangen, Spitze gegen Spitze. </P></DIR>
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</FONT><P>Was die<I> sozialen</I> Konzessionen betrifft, die die Reaktion den Arbeitern machen k&ouml;nnte - Verk&uuml;rzung der Arbeitszeit in den Fabriken, bessere Handhabung der Fabrikgesetze, Koalitionsrecht usw. -, so beweist die Erfahrung aller L&auml;nder, da&szlig; die Reaktion solche Antr&auml;ge stellt, ohne da&szlig; die Arbeiter ihr das geringste als Entgelt zu bieten haben. Die Reaktion hat die Arbeiter n&ouml;tig, die Arbeiter aber nicht die Reaktion. Solange die Arbeiter also in ihrer eignen selbst&auml;ndigen Agitation auf diesen Punkten bestehen, so k&ouml;nnen sie darauf rechnen, da&szlig; der Moment eintreten wird, wo reaktion&auml;re Elemente dieselben Forderungen aufstellen, blo&szlig; um die Bourgeoisie zu schikanieren; und damit gewinnen die Arbeiter Erfolge gegen&uuml;ber der Bourgeoisie, ohne der Reaktion irgendwelchen Dank schuldig zu sein. Wenn aber die Arbeiterpartei von der Reaktion nichts zu erwarten hat als kleine Konzessionen, die ihr ohnehin zuflie&szlig;en, ohne da&szlig; sie darum betteln zu gehen braucht - was hat sie dann von der b&uuml;rgerlichen Opposition zu erwarten? </P>
<B><P><A NAME="S76">|76|</A></B> Wir haben gesehen, da&szlig; Bourgeoisie und Proletariat beides Kinder einer neuen Epoche sind, da&szlig; sie beide in ihrer gesellschaftlichen T&auml;tigkeit darauf hinarbeiten, die Reste des aus fr&uuml;herer Zeit &uuml;berkommenen Ger&uuml;mpels zu beseitigen. Sie haben zwar unter sich einen sehr ernsten Kampf auszumachen, aber dieser Kampf kann erst ausgefochten werden, wenn sie einander allein gegen&uuml;berstehen. Erst dadurch, da&szlig; der alte Plunder &uuml;ber Bord fliegt, wird "klar Schiff zum Gefecht" gemacht - nur da&szlig; diesmal das Gefecht nicht zwischen zwei Schiffen, sondern am Bord des einen Schiffs zwischen Offizieren und Mannschaft geschlagen wird. </P>
<P>Die Bourgeoisie kann ihre politische Herrschaft nicht erk&auml;mpfen, diese politische Herrschaft nicht in einer Verfassung und in Gesetzen ausdr&uuml;cken, ohne gleichzeitig dem Proletariat Waffen in die Hand zu geben. Gegen&uuml;ber den alten, durch Geburt unterschiedenen St&auml;nden mu&szlig; sie die Menschenrechte, gegen&uuml;ber dem Zunftwesen die Handels- und Gewerbefreiheit, gegen&uuml;ber der b&uuml;rokratischen Bevormundung die Freiheit und die Selbstregierung auf ihre Fahne schreiben. Konsequenterweise mu&szlig; sie also das allgemeine, direkte Wahlrecht, Pre&szlig;-, Vereins- und Versammlungsfreiheit und Aufhebung aller Ausnahmsgesetze gegen einzelne Klassen der Bev&ouml;lkerung verlangen. Dies ist aber auch alles, was das Proletariat von ihr zu verlangen braucht. Es kann nicht fordern, da&szlig; die Bourgeoisie aufh&ouml;re, Bourgeoisie zu sein, aber wohl, da&szlig; sie ihre eigenen Prinzipien konsequent durchf&uuml;hre. Damit bekommt das Proletariat aber auch alle die Waffen in die Hand, deren es zu seinem endlichen Siege bedarf. Mit der Pre&szlig;freiheit, dem Versammlungs- und Vereinsrechte erobert es sich das allgemeine Stimmrecht, mit dem allgemeinen, direkten Stimmrecht, in Vereinigung mit den obigen Agitationsmitteln, alles &uuml;brige. </P>
<P>Es ist also das Interesse der Arbeiter, die Bourgeoisie in ihrem Kampfe gegen alle reaktion&auml;ren Elemente zu unterst&uuml;tzen,<I> solange sie sich selbst treu bleibt</I>. Jede Eroberung, die die Bourgeoisie der Reaktion abzwingt, kommt, unter dieser Bedingung, der Arbeiterklasse schlie&szlig;lich zugut. Diesen richtigen Instinkt haben die deutschen Arbeiter auch gehabt. Sie haben, mit vollem Recht, in allen deutschen Staaten &uuml;berall f&uuml;r die radikalsten Kandidaten gestimmt, die Aussicht zum Durchkommen hatten. </P>
<P>Aber wenn nun die Bourgeoisie sich selbst untreu wird, ihre eigenen Klasseninteressen und die daraus folgenden Prinzipien verr&auml;t? </P>
<P>Dann bleiben den Arbeitern zwei Wege &uuml;brig! </P>
<P>Entweder die Bourgeoisie gegen ihren Willen voranzutreiben, sie soweit m&ouml;glich zu zwingen, das Wahlrecht auszudehnen, die Presse, die Vereine und Versammlungen zu befreien und damit dem Proletariat ein Gebiet zu <A NAME="S77"><B>|77|</A></B> schaffen, auf dem es sich frei bewegen und sich organisieren kann. Dies haben die englischen Arbeiter seit der Reformbill von 1832, die franz&ouml;sischen Arbeiter seit der Julirevolution 1830 getan und gerade durch und mit dieser Bewegung, deren n&auml;chste Ziele rein b&uuml;rgerlicher Natur waren, ihre eigene Entwicklung und Organisation mehr als durch irgendein anderes Mittel gef&ouml;rdert. Dieser Fall wird immer eintreten, denn die Bourgeoisie, bei ihrem Mangel an politischem Mut, wird sich von Zeit zu Zeit &uuml;berall untreu. </P>
<P>Oder aber, die Arbeiter ziehen sich ganz von der b&uuml;rgerlichen Bewegung zur&uuml;ck und &uuml;berlassen die Bourgeoisie ihrem Schicksale. Dieser Fall trat in England, Frankreich und Deutschland nach dem Scheitern der europ&auml;ischen Arbeiterbewegung von 1848 bis 1850 ein. Er ist nur m&ouml;glich nach gewaltsamen und momentanen fruchtlosen Anstrengungen, nach denen die Klasse Ruhe bedarf. Im gesunden Zustand der Arbeiterklasse ist er unm&ouml;glich; er k&auml;me ja einer vollst&auml;ndigen politischen Abdankung gleich, und deren ist eine ihrer Natur nach mutige Klasse, eine Klasse, die nichts zu verlieren und alles zu gewinnen hat, auf die Dauer unf&auml;hig. </P>
<P>Selbst in dem &auml;u&szlig;ersten Fall, da&szlig; die Bourgeoisie, aus Furcht vor den Arbeitern, sich unter der Sch&uuml;rze der Reaktion verkriechen und an die Macht der ihr feindlichen Elemente um Schutz gegen die Arbeiter appellieren sollte - selbst dann wird der Arbeiterpartei nichts &uuml;brigbleiben, als die von den B&uuml;rgern verratene Agitation f&uuml;r b&uuml;rgerliche Freiheit, Pre&szlig;freiheit, Versammlungs- und Vereinsrecht trotz der B&uuml;rger fortzuf&uuml;hren. Ohne diese Freiheiten kann sie selbst sich nicht frei bewegen; sie k&auml;mpft in diesem Kampf f&uuml;r ihr eigenes Lebenselement, f&uuml;r die Luft, die sie zum Atmen n&ouml;tig hat. </P>
<P>Es versteht sich von selbst, da&szlig; in allen diesen F&auml;llen die Arbeiterpartei nicht als der blo&szlig;e Schwanz der Bourgeoisie, sondern als eine durchaus von ihr unterschiedene, selbst&auml;ndige Partei auftreten wird. Sie wird der Bourgeoisie bei jeder Gelegenheit ins Ged&auml;chtnis rufen, da&szlig; die Klasseninteressen der Arbeiter denen der Kapitalisten direkt entgegengesetzt und da&szlig; die Arbeiter sich dessen bewu&szlig;t sind. Sie wird ihre eigene Organisation gegen&uuml;ber der Parteiorganisation der Bourgeoisie festhalten und fortbilden und mit der letzteren nur unterhandeln wie eine Macht mit der andern. Auf diese Weise wird sie sich eine achtunggebietende Stellung sichern, die einzelnen Arbeiter &uuml;ber ihre Klasseninteressen aufkl&auml;ren und bei dem n&auml;chsten revolution&auml;ren Sturm - und diese St&uuml;rme sind ja jetzt von so regelm&auml;&szlig;iger Wiederkehr wie die Handelskrisen und &Auml;quinoktialst&uuml;rme - zum Handeln bereit sein. </P>
<B><P><A NAME="S78">|78|</A></B> Daraus folgt die Politik der Arbeiterpartei in dem preu&szlig;ischen Verfassungskonflikt von selbst: </P>
<P>die Arbeiterpartei vor allem organisiert erhalten, soweit es die jetzigen Zust&auml;nde zulassen; </P>
<P>die Fortschrittspartei vorantreiben zum<I> wirklichen</I> Fortschreiten, soweit das m&ouml;glich; sie n&ouml;tigen, ihr eigenes Programm radikaler zu machen und daran zu halten; jede ihrer Inkonsequenzen und Schw&auml;chen unnachsichtlich z&uuml;chtigen und l&auml;cherlich machen; </P>
<P>die eigentliche Milit&auml;rfrage gehen lassen, wie sie geht, in dem Bewu&szlig;tsein, da&szlig; die Arbeiterpartei auch einmal ihre eigene,<I> deutsche</I> "Armeereorganisation" machen wird; </P>
<P>der Reaktion aber auf ihre heuchlerischen Lockungen antworten: "Mit dem Speere soll man Gabe empfangen, Spitze gegen Spitze." </P>
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