emacs.d/clones/www.mlwerke.de/lu/lu05/lu05_365.htm

376 lines
85 KiB
HTML
Raw Normal View History

2022-08-25 20:29:11 +02:00
<!DOCTYPE HTML PUBLIC "-//W3C//DTD HTML 3.2//EN">
<HTML>
<HEAD>
<TITLE>Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals, 30. Kapitel</TITLE>
<META HTTP-EQUIV="Content-Type" CONTENT="text/html; charset=ISO-8859-1">
</HEAD>
<BODY LINK="#0000ff" VLINK="#800080" BGCOLOR="#ffffaf">
<P ALIGN="CENTER"><A HREF="lu05_342.htm"><FONT SIZE=2>29. Kapitel</FONT></A><FONT SIZE=1> | </FONT><A HREF="lu05_005.htm"><FONT SIZE=2>Inhalt</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="lu05_391.htm"><FONT SIZE=2>31. Kapitel</FONT></A></P>
<FONT SIZE=2><P>Rosa Luxemburg - Gesammelte Werke. Herausgegeben vom Institut f&uuml;r Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Band 5. Berlin/DDR. 1975. "Die Akkumulation des Kapitals", S. 365-391.</P>
<P>1. Korrektur.<BR>
Erstellt am 20.10.1998</P>
<HR>
</FONT><FONT SIZE=5><P ALIGN="CENTER">Drei&szlig;igstes Kapitel</P>
<I><P ALIGN="CENTER">Die internationale Anleihe</P>
</I></FONT>
<B><P><A NAME="S365">&lt;365&gt;</A></B> Die imperialistische Phase der Kapitalakkumulation oder die Phase der Weltkonkurrenz des Kapitals umfa&szlig;t die Industrialisierung und kapitalistische Emanzipation der fr&uuml;heren Hinterl&auml;nder des Kapitals, in denen es die Realisierung seines Mehrwerts vollzog. Die spezifischen Operationsmethoden dieser Phase sind: ausw&auml;rtige Anleihen, Eisenbahnbauten, Revolutionen und Kriege. Das letzte Jahrzehnt, 1900-1910, ist besonders charakteristisch f&uuml;r die imperialistische Weltbewegung des Kapitals, namentlich in Asien und dem an Asien angrenzenden Teil Europas: Ru&szlig;land, T&uuml;rkei, Persien, Indien, Japan, China, sowie in Nordafrika. Wie die Ausbreitung der Warenwirtschaft an Stelle der Naturalwirtschaft und der Kapitalproduktion an Stelle der einfachen Warenproduktion sich durch Kriege, soziale Krisen und Vernichtung ganzer sozialer Formationen durchsetzte, so setzt sich gegenw&auml;rtig die kapitalistische Verselbst&auml;ndigung der &ouml;konomischen Hinterl&auml;nder und Kolonien inmitten von Revolutionen und Kriegen durch. Die Revolution ist in dem Proze&szlig; der kapitalistischen Emanzipation der Hinterl&auml;nder notwendig, um die aus den Zeiten der Naturalwirtschaft und der einfachen Warenwirtschaft &uuml;bernommene, deshalb veraltete Staatsform zu sprengen und einen f&uuml;r die Zwecke der kapitalistischen Produktion zugeschnittenen modernen Staatsapparat zu schaffen. Dahin geh&ouml;ren die russische, die t&uuml;rkische und die <A NAME="S366"><B>&lt;366&gt;</A></B> chinesische Revolution. Da&szlig; diese Revolutionen, wie namentlich die russische und die chinesische, gleichzeitig mit den direkten politischen Anforderungen der Kapitalsherrschaft teils allerlei veraltete vorkapitalistische Rechnungen, teils ganz neue, sich bereits gegen die Kapitalsherrschaft richtende Gegens&auml;tze aufnehmen und an die Oberfl&auml;che zerren, bedingt ihre Tiefe und ihre gewaltige Tragkraft, erschwert aber und verz&ouml;gert zugleich ihren siegreichen Verlauf. Der Krieg ist gew&ouml;hnlich die Methode eines jungen kapitalistischen Staates, um die Vormundschaft der alten abzustreifen, die Feuertaufe und Probe der kapitalistischen Selbst&auml;ndigkeit eines modernen Staates, weshalb die Milit&auml;rreform und mit ihr die Finanzreform &uuml;berall die Einleitung zur wirtschaftlichen Verselbst&auml;ndigung bilden.</P>
<P>Die Entwicklung des Eisenbahnnetzes widerspiegelt ungef&auml;hr das Vordringen des Kapitals. Das Eisenbahnnetz wuchs am raschesten in den 40er Jahren in Europa, in den 50er Jahren in Amerika, in den 60er Jahren in Asien, in den 70er und 80er Jahren in Australien, in den 90er Jahren in Afrika.<A NAME="ZF1"><A HREF="lu05_365.htm#F1">(1)</A></A></P>
<P>Die mit dem Eisenbahnbau wie mit den Milit&auml;rr&uuml;stungen verkn&uuml;pfte &ouml;ffentliche Anleihe begleitet alle Stadien der Kapitalakkumulation: die Einf&uuml;hrung der Warenwirtschaft, die Industrialisierung der L&auml;nder und kapitalistische Revolutionierung der Landwirtschaft wie auch die Emanzipation der jungen kapitalistischen Staaten. Die Funktionen der Anleihe in der Kapitalakkumulation sind mannigfache: Verwandlung von Geld nichtkapitalistischer Schichten, Geld als Waren&auml;quivalent (Ersparnisse des <A NAME="S367"><B>&lt;367&gt;</A></B> kleinen Mittelstandes) oder Geld als Konsumtionsfonds des Anhanges der Kapitalistenklasse in Kapital, Verwandlung von Geldkapital in produktives Kapital vermittelst staatlicher Eisenbahnbauten und Milit&auml;rlieferungen, &Uuml;bertragung akkumulierten Kapitals aus alten kapitalistischen L&auml;ndern in junge. Die Anleihe &uuml;bertrug im 16. und 17. Jahrhundert das Kapital aus den italienischen St&auml;dten nach England, im 18. Jahrhundert aus Holland nach England, im 19. Jahrhundert aus England nach den amerikanischen Republiken und nach Australien, aus Frankreich, Deutschland und Belgien nach Ru&szlig;land, gegenw&auml;rtig aus Deutschland nach der T&uuml;rkei, aus England, Deutschland, Frankreich nach China und unter Vermittlung Ru&szlig;lands nach Persien.</P>
<P>In der imperialistischen Periode spielt die &auml;u&szlig;ere Anleihe die hervorragendste Rolle als Mittel der Verselbst&auml;ndigung junger kapitalistischer Staaten. Das Widerspruchsvolle der imperialistischen Phase &auml;u&szlig;ert sich handgreiflich in den Widerspr&uuml;chen des modernen Systems der &auml;u&szlig;eren Anleihen. Diese sind unentbehrlich zur Emanzipation der aufstrebenden kapitalistischen Staaten und zugleich das sicherste Mittel f&uuml;r alte kapitalistische Staaten, die jungen zu bevormunden, die Kontrolle ihrer Finanzen und den Druck auf ihre ausw&auml;rtige Politik, Zoll- und Handelspolitik auszu&uuml;ben. Sie sind das hervorragendste Mittel, dem akkumulierten Kapital alter L&auml;nder neue Anlagesph&auml;ren zu er&ouml;ffnen und zugleich jenen L&auml;ndern neue Konkurrenten zu schaffen, den Spielraum der Kapitalakkumulation im ganzen zu erweitern und ihn gleichzeitig einzuengen.</P>
<P>Diese Widerspr&uuml;che des internationalen Anleihesystems sind ein klassischer Beleg daf&uuml;r, wie sehr die Bedingungen der Realisierung und die der Kapitalisierung des Mehrwerts zeitlich und &ouml;rtlich auseinanderfallen. Die Realisierung des Mehrwerts erfordert nur die allgemeine Verbreitung der Warenproduktion, seine Kapitalisierung hingegen erfordert die fortschreitende Verdr&auml;ngung der einfachen Warenproduktion durch die Kapitalproduktion, wodurch sowohl die Realisierung wie die Kapitalisierung des Mehrwerts in immer engere Schranken eingezw&auml;ngt werden. Die Verwendung des internationalen Kapitals zum Ausbau des Welteisenbahnnetzes widerspiegelt diese Verschiebung. In den 30er bis 60er Jahren des 19. Jahrhunderts dienten die Eisenbahnbauten und die hierf&uuml;r aufgenommenen Anleihen haupts&auml;chlich der Verdr&auml;ngung der Naturalwirtschaft und der Ausbreitung der Warenwirtschaft. So die mit europ&auml;ischem Kapital errichteten nordamerikanischen Eisenbahnen, so die russischen Eisenbahnanleihen der 60er Jahre. Hingegen dient der Eisenbahnbau in Asien seit zirka 20 Jahren sowie in Afrika fast ausschlie&szlig;lich den Zwecken der <A NAME="S368"><B>&lt;368&gt;</A></B> imperialistischen Politik, der wirtschaftlichen Monopolisierung und der politischen Unterwerfung der Hinterl&auml;nder. So die ostasiatischen und zentralasiatischen Eisenbahnbauten Ru&szlig;lands. Die milit&auml;rische Besetzung der Mandschurei durch Ru&szlig;land war bekanntlich durch die Truppensendungen zur Sicherung der russischen Ingenieure bei ihren Arbeiten an der Mandschurischen Bahn vorbereitet worden. Denselben Charakter tragen die Ru&szlig;land gesicherten Eisenbahnkonzessionen in Persien, die deutschen Eisenbahnunternehmungen in Kleinasien und Mesopotamien, die englischen und deutschen in Afrika.</P>
<P>Hier mu&szlig; auf ein Mi&szlig;verst&auml;ndnis eingegangen werden, das die Anlage von Kapitalien in fremden L&auml;ndern und die Nachfrage aus diesen L&auml;ndern betrifft. Die Ausfuhr englischen Kapitals nach Amerika spielte schon zu Beginn der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts eine enorme Rolle und hat die erste echte Industrie- und Handelskrise Englands im Jahre 1825 in hohem Ma&szlig;e verschuldet. Seit 1824 wurde die Londoner B&ouml;rse von s&uuml;damerikanischen Wertpapieren &uuml;berschwemmt. 1824-1825 haben die neugebildeten Staaten von S&uuml;d- und Zentralamerika f&uuml;r mehr als 20 Millionen Pfund Sterling Staatsanleihen in London aufgenommen. Au&szlig;erdem wurden hier enorme Mengen s&uuml;damerikanischer Industrieaktien und dergleichen angebracht. Der pl&ouml;tzliche Aufschwung und die Er&ouml;ffnung der s&uuml;damerikanischen M&auml;rkte haben ihrerseits eine starke Erh&ouml;hung der Ausfuhr englischer Waren nach den s&uuml;damerikanischen und zentralamerikanischen Staaten hervorgerufen. Die Ausfuhr britischer Waren nach jenen L&auml;ndern betrug 1821 2,9 Millionen Pfund Sterling, 1825 6,4 Millionen Pfund Sterling.</P>
<P>Den wichtigsten Gegenstand dieser Ausfuhr bildeten Baumwollgewebe. Unter dem Ansto&szlig; der starken Nachfrage wurde die englische Baumwollproduktion rasch erweitert, viele neue Fabriken gegr&uuml;ndet. Die in England verarbeitete Rohbaumwolle belief sich 1821 auf 129 Millionen Pfund Sterling, 1825 auf 167 Millionen Pfund Sterling.</P>
<P>So waren alle Elemente der Krise vorbereitet. Tugan-Baranowski wirft nun die Frage auf: "Woher haben aber die s&uuml;damerikanischen L&auml;nder die Mittel genommen, um im Jahre 1825 zweimal soviel Waren zu kaufen als im Jahre 1821? Diese Mittel sind von den Engl&auml;ndern selbst geliefert worden. Die Anleihen, die auf der Londoner B&ouml;rse aufgenommen worden sind, dienten zur Bezahlung f&uuml;r die eingef&uuml;hrten Waren. Die englischen Fabrikanten wurden durch die von ihnen selbst geschaffene Nach- <A NAME="S369"><B>&lt;369&gt;</A></B> frage get&auml;uscht und mu&szlig;ten sich bald durch eigene Erfahrung &uuml;berzeugen lassen, wie unbegr&uuml;ndet ihre &uuml;bertriebenen Hoffnungen waren."<A NAME="ZF2"><A HREF="lu05_365.htm#F2">(2)</A></A></P>
<P>Hier wird die Tatsache, da&szlig; die s&uuml;damerikanische Nachfrage nach englischen Waren durch englisches Kapital hervorgerufen worden war, als eine "T&auml;uschung", ein ungesundes, abnormes &ouml;konomisches Verh&auml;ltnis aufgefa&szlig;t. Tugan &uuml;bernimmt hier unbesehen Ansichten von einem Theoretiker, mit dem er sonst nichts gemein haben will. Die Auffassung, da&szlig; die englische Krise des Jahres 1825 durch die "seltsame" Entwicklung des Verh&auml;ltnisses zwischen dem englischen Kapital und der s&uuml;damerikanischen Nachfrage zu erkl&auml;ren w&auml;re, war zur Zeit jener Krise selbst aufgetaucht, und kein anderer als Sismondi stellte bereits dieselbe Frage wie Tugan-Baranowski und beschrieb in der zweiten Auflage seiner "Neuen Grunds&auml;tze" die Vorg&auml;nge mit aller Genauigkeit:</P>
<P>"Die Er&ouml;ffnung des ungeheuren Marktes, den das spanische Amerika den Produkten der Industrie darbot, scheint mir am wesentlichsten auf die Wiedererstarkung der englischen Manufakturen gewirkt zu haben. Die Regierung Englands war derselben Ansicht, und eine bis dahin unbekannte Tatkraft ist in den 7 Jahren seit der Krisis vom Jahre 1818 ge&uuml;bt worden, um den englischen Handel in die entlegensten Gebiete Mexikos, Columbias, Brasiliens, Rio de la Platas, Chiles und Perus zu tragen. Ehe das Ministerium sich schl&uuml;ssig gemacht hatte, diese neuen Staaten anzuerkennen, hatte es schon Vorsorge getroffen, den englischen Handel durch Schiffsstationen, die dauernd mit Linienschiffen besetzt waren, zu sch&uuml;tzen, deren Befehlshaber mehr diplomatische als milit&auml;rische Befugnisse hatten. Es hat dem Geschrei der Heiligen Allianz getrotzt und die neuen Republiken anerkannt in demselben Augenblick, als ganz Europa ihre Vernichtung beschlo&szlig;. Aber wie gro&szlig; auch die Absatzquellen waren, die das freie Amerika darbot, sie h&auml;tten doch nicht zugereicht, um alle Waren, die England &uuml;ber die Bed&uuml;rfnisse des Verbrauchs produziert hatte, aufzunehmen, wenn die Anleihen der neuen Republiken nicht pl&ouml;tzlich ohne Ma&szlig; ihre Mittel, englische Waren zu kaufen, vermehrt h&auml;tten. Jeder Staat Amerikas entlieh von den Engl&auml;ndern eine Summe, um seine Regierung zu befestigen, und obgleich dies ein Kapital war, verausgabte er sie unmittelbar in demselben Jahre wie ein Einkommen, d.h., er verbrauchte sie g&auml;nzlich, um englische Waren f&uuml;r &ouml;ffentliche Rechnung zu kaufen oder die zu bezahlen, die f&uuml;r Rechnung von Privatleuten abgesandt worden waren. Zahlreiche Gesellschaften wurden zu gleicher Zeit gegr&uuml;ndet mit ungeheueren Kapitalien, um alle amerikanischen Minen auszu- <A NAME="S370"><B>&lt;370&gt;</A></B> beuten, aber alles Geld, das sie ausgegeben haben, wurde zugleich in England Einnahme, um die Maschinen zu bezahlen, die sie unmittelbar gebrauchten, oder die Waren, die nach den Orten gesandt waren, an denen die Maschinen arbeiten sollten. Solange dieser seltsame Handel angedauert hat, in dem die Engl&auml;nder von den Amerikanern nur verlangten, da&szlig; sie mit dem englischen Kapital englische Waren kauften, schien der Gang der englischen Manufakturen gl&auml;nzend zu sein. Nicht mehr das Einkommen, sondern das englische Kapital hat den Verbrauch bewirkt, die Engl&auml;nder, die ihre eigenen Waren, die sie nach Amerika schickten, selbst kauften und bezahlten, haben sich nur das Vergn&uuml;gen entzogen, sie selbst zu genie&szlig;en."<A NAME="ZF3"><A HREF="lu05_365.htm#F3">(3)</A></A> Sismondi zieht daraus den ihm eigenen Schlu&szlig;, da&szlig; nur das Einkommen, d.h. die pers&ouml;nliche Konsumtion, die wirkliche Schranke f&uuml;r den kapitalistischen Absatz bilde, und benutzt auch dieses Beispiel, um ein &uuml;briges Mal vor der Akkumulation zu warnen.</P>
<P>In Wirklichkeit ist der Vorgang, der der Krise des Jahres 1825 voraufgegangen war, typisch geblieben f&uuml;r die Aufschwungsperiode und Expansion des Kapitals bis auf den heutigen Tag, und das "seltsame" Verh&auml;ltnis bildet eine der wichtigsten Grundlagen der Kapitalakkumulation. Speziell in der Geschichte des englischen Kapitals wiederholt sich das Verh&auml;ltnis regelm&auml;&szlig;ig vor jeder Krise, wie Tugan-Baranowski dies selbst durch folgende Zahlen und Tatsachen belegt. Die unmittelbare Ursache der Krise von 1836 war die &Uuml;berf&uuml;llung der M&auml;rkte in den Vereinigten Staaten mit englischen Waren. Aber auch hier wurden diese Waren mit englischem Geld bezahlt. 1834 &uuml;bertraf die Wareneinfuhr der Vereinigten Staaten ihre Ausfuhr um 6 Millionen Dollar, zugleich aber &uuml;bertraf die Einfuhr der Edelmetalle nach den Vereinigten Staaten die Ausfuhr fast um 16 Millionen Dollar. Noch im Krisenjahr selbst, 1836, belief sich der &Uuml;berschu&szlig; der Wareneinfuhr auf 52 Millionen Dollar, und doch betrug der &Uuml;berschu&szlig; der Einfuhr an Edelmetall noch 9 Millionen Dollar. Dieser Geldstrom kam, so wie der Warenstrom auch, in der Hauptsache aus England, wo Eisenbahnaktien der Vereinigten Staaten massenhaft gekauft wurden. 1835-1836 wurden in den Vereinigten Staaten 61 neue Banken mit 52 Millionen Dollar Kapital - vorwiegend englischen Ursprungs - gegr&uuml;ndet. Also bezahlten die Engl&auml;nder auch diesmal ihre Ausfuhr selbst. Genauso wurde der beispiellose industrielle Aufschwung im Norden der Vereinigten Staaten Ende der 50er Jahre, der in seinem Schlu&szlig;ergebnis zum B&uuml;rgerkrieg f&uuml;hrte, mit englischem Kapital bestritten. Dieses Kapital <A NAME="S371"><B>&lt;371&gt;</A></B> schuf wieder in den Vereinigten Staaten den erweiterten Markt f&uuml;r die englische Industrie.</P>
<P>Und nicht nur das englische, auch das &uuml;brige europ&auml;ische Kapital beteiligte sich nach Kr&auml;ften an dem "seltsamen Handel"; nach einer &Auml;u&szlig;erung Sch&auml;ffles waren in den 5 Jahren 1849-1854 mindestens eine Milliarde Gulden an den verschiedenen europ&auml;ischen B&ouml;rsen in amerikanischen Wertpapieren angelegt. Die gleichzeitig hervorgerufene Belebung der Weltindustrie m&uuml;ndete auch in den Weltkrach 1857. In den 60er Jahren beeilt sich das englische Kapital, au&szlig;er in den Vereinigten Staaten dasselbe Verh&auml;ltnis in Asien zu schaffen. Es flie&szlig;t massenhaft nach Kleinasien und nach Ostindien, unternimmt hier gro&szlig;artige Eisenbahnbauten - das Eisenbahnnetz Britisch-Indiens betrug 1860 1.350, 1870 7.683, 1880 14.977, 1890 27.000 Kilometer -, daraus ergibt sich sofort eine gesteigerte Nachfrage nach englischen Waten. Aber gleichzeitig str&ouml;mt das englische Kapital, kaum da&szlig; der Sezessionskrieg beendet war, wieder nach den Vereinigten Staaten. Der enorme Eisenbahnbau der amerikanischen Union in den 60er und 70er Jahren - das Eisenbahnnetz betrug 1850 14.151, 1860 49.292, 1870 85.139, 1880 150.717, 1890 268.409 Kilometer - wurde wiederum in der Hauptsache mit englischem Kapital bestritten. Zugleich bezogen aber diese Eisenbahnen ihr Material gleichfalls aus England, was eine der Hauptursachen der sprunghaften Entwicklung der englischen Kohlen- und Eisenindustrie und der Ersch&uuml;tterung dieser Zweige durch die amerikanischen Krisen 1866, 1873, 1884 war. Hier stimmte es also w&ouml;rtlich, was Sismondi als ein augenscheinlicher Wahnwitz erschien: Die Engl&auml;nder errichteten in den Vereinigten Staaten mit eigenem Eisen und sonstigem Material die Eisenbahnen, zahlten sich mit eigenem Kapital daf&uuml;r und enthielten sich nur des "Genusses" dieser Eisenbahnen. Dieser Wahnwitz mundete jedoch dem europ&auml;ischen Kapital trotz aller periodischen Krisen so gut, da&szlig; um die Mitte der 70er Jahre die Londoner B&ouml;rse von einem f&ouml;rmlichen Fieber nach ausl&auml;ndischen Anleihen erfa&szlig;t wurde. 1870-1875 wurden in London solcher Anleihen f&uuml;r 260 Millionen Pfund Sterling aufgenommen - ihre unmittelbare Folge war eine rasch steigende Ausfuhr englischer Waren nach den exotischen L&auml;ndern; das Kapital flo&szlig; massenhaft dahin, obgleich diese exotischen Staaten zeitweise bankrott wurden. Ende der 70er Jahre haben die Zinsenzahlung ganz oder teil- <A NAME="S372"><B>&lt;372&gt;</A></B> weise eingestellt: die T&uuml;rkei, &Auml;gypten, Griechenland, Bolivien, Costa Rica, Ecuador, Honduras, Mexiko, Paraguay, Peru, St. Domingo, Uruguay, Venezuela. Trotzdem wiederholt sich Ende der 80er Jahre das Fieber nach exotischen Staatsanleihen: s&uuml;damerikanische Staaten, s&uuml;dafrikanische Kolonien nehmen gewaltige Quantit&auml;ten europ&auml;ischen Kapitals auf. Die Anleihen der argentinischen Republik z.B. betrugen 1874 10 Millionen Pfund Sterling, 1890 59,1 Millionen Pfund Sterling.</P>
<P>Auch hier baut England Eisenbahnen mit eigenem Eisen und eigener Kohle und bezahlt daf&uuml;r mit eigenem Kapital. Das argentinische Eisenbahnnetz betrug 1883 3.123 Kilometer, 1893 13.691 Kilometer.</P>
<P>Zugleich stieg die englische Ausfuhr in</P>
<P ALIGN="CENTER"><CENTER><TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=2 WIDTH=387>
<TR><TD WIDTH="27%" VALIGN="TOP">
<P></TD>
<TD WIDTH="37%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">1886</TD>
<TD WIDTH="37%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">1890</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="27%" VALIGN="TOP">
<P>Eisen</TD>
<TD WIDTH="37%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">21,8 Mill. Pfd.Sterl.</TD>
<TD WIDTH="37%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">31,6 Mill. Pfd.Sterl.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="27%" VALIGN="TOP">
<P>Maschinen</TD>
<TD WIDTH="37%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">10,1 Mill. Pfd.Sterl.</TD>
<TD WIDTH="37%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">16,4 Mill. Pfd.Sterl.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="27%" VALIGN="TOP">
<P>Kohle</TD>
<TD WIDTH="37%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">9,8 Mill. Pfd.Sterl.</TD>
<TD WIDTH="37%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">19,0 Mill. Pfd.Sterl.</TD>
</TR>
</TABLE>
</CENTER></P>
<P>Speziell nach Argentinien belief sich die englische Gesamtausfuhr 1885 auf 4,7 Millionen Pfund Sterling, vier Jahre sp&auml;ter schon auf 10,7 Millionen Pfund Sterling.</P>
<P>Gleichzeitig flie&szlig;t das englische Kapital vermittelst Staatsanleihen nach Australien. Die Anleihen der 3 Kolonien Victoria, Neus&uuml;dwales und Tasmania betrugen Ende der 80er Jahre 112 Millionen Pfund Sterling, davon wurden 81 Millionen im Eisenbahnbau angelegt. Die Eisenbahnen Australiens umfa&szlig;ten 1880 4.900 Meilen, 1895 15.600 Meilen.</P>
<P>Auch hier lieferte England zugleich das Kapital und die Materialien zum Bau der Eisenbahnen. Deshalb wurde es auch mitgerissen in den Strudel durch die Krisen 1890 in Argentinien, Transvaal, Mexiko, Uruguay wie 1893 in Australien.</P>
<P>In den letzten zwei Jahrzehnten ist in dieser Beziehung nur der Unterschied eingetreten, da&szlig; neben englischem sich in hervorragendem Ma&szlig;e deutsches, franz&ouml;sisches und belgisches Kapital in ausw&auml;rtigen Anlagen und insbesondere in Anleihen bet&auml;tigt. Der Eisenbahnbau in Kleinasien wurde seit den 50er und bis Ende der 80er Jahre vom englischen Kapital ausgef&uuml;hrt. Seitdem hat sich das deutsche Kapital Kleinasiens bem&auml;chtigt und f&uuml;hrt den gro&szlig;en Plan der Anatolischen und der Bagdadbahn aus.</P>
<B><P><A NAME="S373">&lt;373&gt;</A></B> Die Anlage des deutschen Kapitals in der T&uuml;rkei ruft eine gesteigerte Ausfuhr deutscher Waren nach diesem Lande hervor.</P>
<P>Die deutsche Ausfuhr nach der T&uuml;rkei betrug 1896 28 Millionen Mark, 1911 113 Millionen Mark, speziell nach der asiatischen T&uuml;rkei 1901 12 Millionen, 1911 37 Millionen Mark. Auch in diesem Falle werden die eingef&uuml;hrten deutschen Waren zu einem betr&auml;chtlichen Teil mit deutschem Kapital bezahlt, und die Deutschen enthalten sich nur - nach dem Sismondischen Ausdruck - des Vergn&uuml;gens, ihre eigenen Erzeugnisse zu genie&szlig;en.</P>
<P>Sehen wir n&auml;her zu.</P>
<P>Realisierter Mehrwert, der in England oder Deutschland nicht kapitalisiert werden kann und brachliegt, wird in Argentinien, Australien, Kapland oder Mesopotamien in Eisenbahnbau, Wasserwerke, Bergwerke usw. gesteckt. Maschinen, Material und dergleichen werden aus dem Ursprungslande des Kapitals bezogen und mit demselben Kapital bezahlt. Aber so wird es auch im Lande selbst unter kapitalistischer Produktion gemacht: Das Kapital mu&szlig; selbst seine Produktionselemente kaufen, sich in ihnen verk&ouml;rpern, ehe es sich bet&auml;tigen kann. Freilich - der Genu&szlig; der Produkte bleibt dann dem Lande, w&auml;hrend er im ersteren Falle den Ausl&auml;ndern &uuml;berlassen wird. Aber Zweck der kapitalistischen Produktion ist nicht Genu&szlig; der Produkte, sondern Mehrwert, Akkumulation. Das m&uuml;&szlig;ige Kapital hatte im Lande keine M&ouml;glichkeit zu akkumulieren, da kein Bedarf nach zusch&uuml;ssigem Produkt vorhanden war. Im Auslande aber, wo noch keine kapitalistische Produktion entwickelt ist, ist eine neue Nachfrage in nichtkapitalistischen Schichten entstanden, oder sie wird gewaltsam geschaffen. Gerade da&szlig; der "Genu&szlig;" der Produkte auf <I>andere</I> &uuml;bertragen wird, ist f&uuml;r das Kapital entscheidend. Denn der Genu&szlig; der eigenen Klassen: Kapitalisten und Arbeiter, kommt f&uuml;r die Zwecke der Akkumulation nicht in Betracht. Der "Genu&szlig;" der Produkte mu&szlig; von den neuen Konsumenten allerdings realisiert, bezahlt werden. Dazu m&uuml;ssen die neuen Konsumenten Geldmittel haben. Diese liefert ihnen zum Teil der gleichzeitig entstehende Warenaustausch. An den Eisenbahnbau wie an den Bergbau (Goldgruben usw.) kn&uuml;pft sich unmittelbar ein reger Warenhandel. Dieser realisiert allm&auml;hlich das im Eisenbahnbau oder Bergbau vorgeschossene Kapital mitsamt dem Mehrwert. Ob das in dieser Weise ins Ausland flie&szlig;ende Kapital auf eigene Faust als Aktienkapital sich ein Arbeitsfeld sucht oder durch die Vermittelung des fremden Staates, als &auml;u&szlig;ere Anleihe aufgenommen, die neue Bet&auml;tigung in Industrie oder Verkehr findet, ob im ersteren Falle die Aktiengr&uuml;ndungen vielfach als <A NAME="S374"><B>&lt;374&gt;</A></B> Schwindelgr&uuml;ndungen bald verkrachen oder im letzteren Falle der borgende Staat schlie&szlig;lich bankrott wird und das Kapital auf diese oder jene Weise den Eigent&uuml;mern manchmal teilweise verlorengeht, dies alles &auml;ndert nichts an der Sache im ganzen. So geht vielfach das Einzelkapital auch im Ursprungslande bei Krisen verloren. Die Hauptsache ist, das akkumulierte Kapital des alten Landes findet im neuen eine neue M&ouml;glichkeit, Mehrwert zu erzeugen und ihn zu realisieren, d.h. die Akkumulation fortzusetzen. Die neuen L&auml;nder umfassen neue gro&szlig;e Gebiete naturalwirtschaftlicher Verh&auml;ltnisse, die in warenwirtschaftliche umgewandelt, oder warenwirtschaftlicher, die vom Kapital verdr&auml;ngt werden. Der f&uuml;r die Anlage des Kapitals alter kapitalistischer L&auml;nder in jungen charakteristische Eisenbahnbau und Bergbau (namentlich Goldgruben) hat in hervorragendem Ma&szlig;e die Eigenschaft, in bis dahin naturalwirtschaftlichen Verh&auml;ltnissen pl&ouml;tzlich einen regen Warenhandel hervorzurufen; beide sind bezeichnend in der Wirtschaftsgeschichte als Marksteine der raschen Aufl&ouml;sung alter &ouml;konomischer Formationen, sozialer Krisen, des Aufkommens moderner Verh&auml;ltnisse, d.h. vor allem der Warenwirtschaft und dann der Kapitalproduktion.</P>
<P>Die Rolle der &auml;u&szlig;eren Anleihen wie der Investierung des Kapitals in ausl&auml;ndischen Eisenbahn- und Minenaktien ist deshalb die beste kritische Illustration zu dem Marxschen Schema der Akkumulation. In diesen F&auml;llen ist die erweiterte Reproduktion des Kapitals eine Kapitalisierung des fr&uuml;her realisierten Mehrwerts (sofern die Anleihen oder die ausl&auml;ndischen Aktien nicht von kleinb&uuml;rgerlichen oder halbproletarischen Ersparnissen gedeckt werden). Der Moment, die Umst&auml;nde und die Form, worin das jetzt ins Neuland flie&szlig;ende Kapital der alten L&auml;nder realisiert war, haben nichts gemein mit seinem gegenw&auml;rtigen Akkumulationsfeld. Das englische Kapital, das nach Argentinien in den Eisenbahnbau flo&szlig;, mag selbst fr&uuml;her indisches in China realisiertes Opium gewesen sein. Ferner: Das englische Kapital, das in Argentinien Eisenbahnen baut, ist nicht nur in seiner reinen Wertgestalt, als Geldkapital, englischer Provenienz, sondern auch seine sachliche Gestalt: Eisen, Kohle, Maschinen usw., stammt aus England, d.h., auch die Gebrauchsform des Mehrwerts kommt hier in England von vornherein in der f&uuml;r Zwecke der Akkumulation geeigneten Gestalt zur Welt. Die Arbeitskraft, die eigentliche Gebrauchsgestalt des variablen Kapitals, ist meist fremd; es sind eingeborene Arbeitskr&auml;fte, die in den neuen L&auml;ndern vom Kapital der alten als neue Objekte der Ausbeutung unterworfen werden. Wir k&ouml;nnen jedoch der Reinheit der Untersuchung halber annehmen, selbst die Arbeitskr&auml;fte sind desselben <A NAME="S375"><B>&lt;375&gt;</A></B> Ursprungs wie das Kapital. In der Tat rufen z.B. neuentdeckte Goldgruben - namentlich in der ersten Zeit - massenhafte Einwanderung aus alten kapitalistischen L&auml;ndern hervor und werden in hohem Ma&szlig;e mit Arbeitskr&auml;ften dieser L&auml;nder betrieben. Wir k&ouml;nnen also den Fall setzen, wo in einem neuen Lande Geldkapital, Produktionsmittel und Arbeitskr&auml;fte zugleich aus einem alten kapitalistischen Lande, sagen wir aus England, stammen. In England waren somit alle materiellen Voraussetzungen der Akkumulation: realisierter Mehrwert als Geldkapital, Mehrprodukt in produktiver Gestalt, endlich Reserven von Arbeitern vorhanden. Und doch konnte die Akkumulation in England nicht vonstatten gehen: England und seine bisherigen Abnehmer brauchten keine Eisenbahnen und keine Erweiterung der Industrie. Erst das Auftreten eines neuen Gebietes mit gro&szlig;en Strecken nichtkapitalistischer Kultur schuf den erweiterten Konsumtionskreis f&uuml;r das Kapital und erm&ouml;glichte ihm die erweiterte Reproduktion, d.h. die Akkumulation.</P>
<P>Wer sind nun eigentlich diese neuen Konsumenten? Wer zahlt in letzter Linie die &auml;u&szlig;ere Anleihe und realisiert den Mehrwert der mit ihr gegr&uuml;ndeten Kapitalunternehmungen? In klassischer Weise beantwortet diese Frage die Geschichte der internationalen Anleihe in &Auml;gypten.</P>
<P>Drei Reihen von Tatsachen, die sich ineinander verschlingen, charakterisieren die innere Geschichte &Auml;gyptens in der zweiten H&auml;lfte des 19. Jahrhunderts: moderne Kapitalunternehmungen gr&ouml;&szlig;ten Stils, ein lawinenartiges Anwachsen der Staatsschuld und der Zusammenbruch der Bauernwirtschaft. In &Auml;gypten bestand bis in die neueste Zeit Fronarbeit und die ungenierteste Gewaltpolitik des Wali und nachher des Khediven in bezug auf die Grundbesitzverh&auml;ltnisse. Aber gerade diese primitiven Verh&auml;ltnisse boten einen unvergleichlich &uuml;ppigen Boden f&uuml;r die Operationen des europ&auml;ischen Kapitals. &Ouml;konomisch konnte es sich vorerst nur darum handeln, Bedingungen f&uuml;r die Geldwirtschaft zu schaffen. Diese wurden denn auch mit direkten Gewaltmitteln des Staates geschaffen. Mehemed Ali, der Sch&ouml;pfer des modernen &Auml;gyptens, wandte hierin bis in die 30er Jahre eine Methode von patriarchalischer Einfachheit an: Er "kaufte" den Fellachen jedes Jahr von Staats wegen ihre gesamte Ernte ab, um ihnen davon nachher zu erh&ouml;hten Preisen das Minimum zu verkaufen, das zu ihrer Existenz und zur Aussaat notwendig war. Ferner verschrieb er Baum- <A NAME="S376"><B>&lt;376&gt;</A></B> wolle aus Ostindien, Zuckerrohr aus Amerika, Indigo und Pfeffer und schrieb den Fellachen von Staats wegen vor, was und wieviel sie von jedem zu pflanzen h&auml;tten, wobei Baumwolle und Indigo wiederum als Monopol der Regierung erkl&auml;rt und nur an sie verkauft, also auch von ihr wiederverkauft werden durften. Durch solche Methoden wurde der Warenhandel in &Auml;gypten eingef&uuml;hrt. Freilich tat Mehemed Ali auch f&uuml;r die Hebung der Produktivit&auml;t der Arbeit nicht wenig. Er lie&szlig; alte Kan&auml;le ausheben, Brunnen graben, vor allem begann er mit dem grandiosen Nilstauwerk bei Kaliub, das die Serie der gro&szlig;en Kapitalunternehmungen in &Auml;gypten er&ouml;ffnete. Diese erstrecken sich sp&auml;ter auf vier gro&szlig;e Gebiete: Bew&auml;sserungsanlagen, unter denen das Werk bei Kaliub, das von 1845 bis 1853 gebaut wurde und au&szlig;er der unbezahlten Fronarbeit 50 Millionen Mark verschlungen hatte - um sich &uuml;brigens zun&auml;chst als unbrauchbar zu erweisen -, den ersten Platz einnimmt; ferner Verkehrsstra&szlig;en, unter denen der Suezkanal die wichtigste und f&uuml;r die Schicksale &Auml;gyptens fatalste Unternehmung war; sodann Baumwollbau und Zuckerproduktion. Mit dem Bau des Suezkanals hatte &Auml;gypten bereits den Kopf in die Schlinge des europ&auml;ischen Kapitals gesteckt, aus der es ihn nicht mehr herausziehen sollte. Den Anfang machte das franz&ouml;sische Kapital, dem das englische alsbald auf dem Fu&szlig;e folgte; der Konkurrenzkampf beider spielt durch die ganzen inneren Wirren in &Auml;gypten w&auml;hrend der folgenden 20 Jahre. Die Operationen des franz&ouml;sischen Kapitals, das sowohl das gro&szlig;e Nilstauwerk in seiner Unbrauchbarkeit wie den Suezkanal ausf&uuml;hrte, waren vielleicht die eigenartigsten Muster der europ&auml;ischen Kapitalakkumulation auf Kosten primitiver Verh&auml;ltnisse. F&uuml;r die Wohltat des Kanaldurchstichs, der &Auml;gypten den europ&auml;isch-asiatischen Handel an der Nase vorbei ableiten und so den eigenen Anteil &Auml;gyptens daran ganz empfindlich treffen sollte, verpflichtete sich das Land erstens zur Lieferung der Gratisarbeit von 20.000 Fronbauern auf Jahre hinaus, zweitens zur &Uuml;bernahme von 70 Millionen Mark Aktien gleich 40 Prozent des Gesamtkapitals der Suezkompanie. Diese 70 Millionen wurden zur Grundlage der riesigen Staatsschuld &Auml;gyptens, die zwanzig Jahre sp&auml;ter die milit&auml;rische Okkupation &Auml;gyptens durch England zur Folge hatte. In den Bew&auml;sserungsanlagen wurde eine pl&ouml;tzliche Umw&auml;lzung angebahnt, die uralten Sakiji, d.h. mit Ochsen betriebene Sch&ouml;pfwerke, deren im Delta allein 50.000 durch sieben Monate im Jahre in Bewegung waren, wurden zum Teil durch gewaltige Dampfpumpen ersetzt. Den Verkehr auf dem Nil zwischen Kairo und Assuan besorgten nunmehr moderne Dampfer. Die g
<P>Eine dritte Art Maschinen, die &Auml;gypten pl&ouml;tzlich in Massen ben&ouml;tigte, waren die Apparate zum Entk&ouml;rnen und die Pressen zum Packen von Baumwolle. Diese Ginanlagen wurden zu Dutzenden in den St&auml;dten des Deltas eingerichtet. Sagasik, Tanta, Samanud und andere begannen zu rauchen wie englische Fabrikst&auml;dte. Gro&szlig;e Verm&ouml;gen rollten durch die Banken von Alexandrien und Kairo.</P>
<P>Der Zusammenbruch der Baumwollspekulation kam schon im n&auml;chsten Jahr, als nach dem Friedensschlu&szlig; in der amerikanischen Union der Preis der Baumwolle in wenigen Tagen von 27 Pence das Pfund auf 15, 12 und schlie&szlig;lich auf 6 Pence fiel. - Im n&auml;chsten Jahre warf sich Ismail Pascha auf eine neue Spekulation: die Rohrzuckerproduktion. Es galt jetzt den S&uuml;dstaaten der Union, die ihre Sklaven verloren hatten, mit der Fronarbeit des &auml;gyptischen Fellahs Konkurrenz zu machen. Die &auml;gyptische Landwirtschaft wurde zum zweitenmal auf den Kopf gestellt. Franz&ouml;sische und englische Kapitalisten fanden ein neues Feld der raschesten Akkumulation. 1868 und 1869 wurden achtzehn riesige Zuckerfabriken bestellt mit einer Leistungsf&auml;higkeit von je 200.000 Kilogramm Zucker t&auml;g- <A NAME="S379"><B>&lt;379&gt;</A></B> lich, also einer vierfachen Leistungsf&auml;higkeit der gr&ouml;&szlig;ten bis dahin gekannten Anlagen. Sechs davon wurden in England, zw&ouml;lf in Frankreich bestellt, doch ging infolge des Deutsch-Franz&ouml;sischen Krieges der gr&ouml;&szlig;te Teil des Auftrags nach England. Alle 10 Kilometer sollte den Nil entlang eine dieser Fabriken errichtet werden, als Mittelpunkt eines Distrikts von 10 Quadratkilometern, der das Zuckerrohr zu liefern hatte. Jede Fabrik ben&ouml;tigte t&auml;glich zum vollen Betrieb 2.000 Tonnen Zuckerrohr. W&auml;hrend hundert alte Dampfpfl&uuml;ge aus der Baumwollperiode zerbrochen umherlagen, wurden hundert neue f&uuml;r Zuckerrohrbau bestellt. Fellachen wurden zu Tausenden auf die Plantagen getrieben, w&auml;hrend andere Tausende an dem Bau des Ibrahimiyehkanals fronten. Stock und Nilpferdpeitsche sausten in voller T&auml;tigkeit. Bald entstand die Transportfrage: Um die Rohrmassen nach den Fabriken zu schaffen, mu&szlig;ten schleunigst ein Netz von Eisenbahnen um jede Fabrik, transportable Feldbahnen, fliegende Drahtseile, Stra&szlig;enlokomotiven herbeigeschafft werden. Auch diese enormen Bestellungen fielen dem englischen Kapital zu. 1872 wurde die erste Riesenfabrik er&ouml;ffnet. Viertausend Kamele besorgten provisorisch den Transport. Aber die Lieferung der erforderlichen Menge Rohr f&uuml;r den Betrieb erwies sich als bare Unm&ouml;glichkeit. Das Arbeitspersonal war v&ouml;llig ungeeignet, der Fronfellah konnte mit der Karbatsche nicht pl&ouml;tzlich in einen modernen Industriearbeiter verwandelt werden. Das Unternehmen brach zusammen, viele bestellte Maschinen wurden gar nicht aufgestellt. Mit der Zuckerspekulation schlie&szlig;t 1873 die Periode der gewaltigen Kapitalunternehmungen &Auml;gyptens.</P>
<P>Wer lieferte das Kapital zu diesen Unternehmungen? Die internationalen Anleihen. Said Pascha nahm ein Jahr vor seinem Tode (1863) die erste Anleihe auf, die nominell 66 Millionen Mark, tats&auml;chlich, nach Abzug von Provisionen, Diskont usw., 50 Millionen Mark in bar eintrug. Er vermachte auf Ismail diese Schuld und den Suezvertrag, der &Auml;gypten schlie&szlig;lich eine Last von 340 Millionen Mark aufb&uuml;rdete. 1864 kam die erste Anleihe Ismails zustande, die nominell 114 Millionen zu 7 Prozent, in bar 9 Millionen zu 8<FONT SIZE="-1"><SUP>1</FONT></SUP>/<FONT size="-2">4</FONT> Prozent betrug. Diese Anleihe wurde in einem Jahr verbraucht, wobei allerdings 67 Millionen als Abfindungssumme an die Suezgesellschaft abgingen, der Rest wohl meist durch die Baumwollepisode verschlungen war. 1865 erfolgte durch die Anglo-&Auml;gyptische Bank das erste sogenannte Daira-Anlehen, bei dem der Privatgrundbesitz des Khediven als Pfand diente; es betrug nominell 68 Millionen zu 9 Prozent, in Wirklichkeit 50 Millionen zu 12 Prozent. 1866 wurde durch Fr&uuml;hling und G&ouml;schen eine neue Anleihe von nominell 60 Millionen, in bar 52 Mil- <A NAME="S380"><B>&lt;380&gt;</A></B> lionen aufgenommen, 1867 eine neue durch die Ottomanische Bank von nominell 40, in Wirklichkeit 34 Millionen. Die schwebende Schuld betrug um jene Zeit 600 Millionen. Zur Konsolidierung eines Teils derselben wurde 1868 eine gro&szlig;e Anleihe durch das Bankhaus Oppenheim und Neffen aufgenommen von nominell 238 Millionen zu 7 Prozent, in Wirklichkeit kriegte Ismail nur 142 Millionen zu 13<FONT SIZE="-1"><SUP>1</FONT></SUP>/<FONT size="-2">2</FONT> Prozent in die Hand. Damit konnten aber das prunkvolle Fest der Er&ouml;ffnung des Suezkanals vor den versammelten Spitzen dar europ&auml;ischen Hof-, Finanz und Halbwelt und die dabei entfaltete wahnwitzige Verschwendung bestritten sowie ein neuer Backschisch von 20 Millionen dem t&uuml;rkischen Oberherrn, dem Sultan, in die Hand gedr&uuml;ckt werden. 1870 folgte die Anleihe durch die Firma Bischoffsheim u. Goldschmidt im Betrage von nominell 142 Millionen zu 7 </P>
<P>Prozent, in Wirklichkeit 100 Millionen zu 13 Prozent. Sie diente dazu, die Kosten der Zuckerepisode zu decken. 1872 und 1873 folgten zwei Anleihen durch Oppenheim, eine kleine von 80 Millionen zu 14 Prozent und eine gro&szlig;e von nominell 640 Millionen zu 8 Prozent, die aber, da die von den europ&auml;ischen Bankh&auml;usern aufgekauften Wechsel zu Einzahlungen benutzt wurden, in Wirklichkeit nur 220 Millionen in bar und die Reduktion der schwebenden Schuld auf die H&auml;lfte einbrachte.</P>
<P>1874 wurde noch der Versuch einer Landesanleihe von 1.000 Millionen Mark gegen eine Jahresrente von 9 Prozent gemacht, der aber nur 68 Millionen ergab. Die &auml;gyptischen Papiere standen auf 54 Prozent ihres Nennwerts. Die &ouml;ffentliche Schuld war im ganzen seit Said Paschas Tode binnen 13 Jahren von 3.293.000 Pfund Sterling auf 94.110.000 Millionen Pfund Sterling, d.h. auf zirka 2 Milliarden Mark gewachsen.<A NAME="ZF5"><A HREF="lu05_365.htm#F5">(5)</A></A> Der Zusammenbruch stand vor der T&uuml;r.</P>
<P>Auf den ersten Blick stellen diese Kapitaloperationen den Gipfel des Wahnwitzes dar. Eine Anleihe jagte die andere, die Zinsen alter Anleihen wurden mit neuen Anleihen gedeckt, und riesige Industriebestellungen bei dem englischen und franz&ouml;sischen Industriekapital wurden mit englischem und franz&ouml;sischem geborgtem Kapital bezahlt.</P>
<P>In Wirklichkeit machte das europ&auml;ische Kapital, unter allgemeinem Kopfsch&uuml;tteln und St&ouml;hnen Europas &uuml;ber die tolle Wirtschaft Ismails, beispiellose, m&auml;rchenhafte Gesch&auml;fte in &Auml;gypten, Gesch&auml;fte, die dem Kapital in seiner weltgeschichtlichen Laufbahn nur einmal als eine phantastische, modernisierte Auflage der biblischen fetten &auml;gyptischen K&uuml;he gelingen sollten. Vor allem bedeutete jede Anleihe eine wucherische Operation, bei der ein F&uuml;nftel bis ein Drittel und dar&uuml;ber hinaus der angeblich geliehenen <A NAME="S381"><B>&lt;381&gt;</A></B> Summe an den Fingern der europ&auml;ischen Bankiers kleben blieb. Die wucherischen Zinsen mu&szlig;ten aber so oder anders schlie&szlig;lich bezahlt werden. Wo flossen die Mittel dazu her? Sie mu&szlig;ten in &Auml;gypten selbst ihre Quelle haben, und diese Quelle war der &auml;gyptische Fellah, die Bauernwirtschaft. Diese lieferte in letzter Linie alle wichtigsten Elemente der grandiosen Kapitalunternehmungen. Sie lieferte den Grund und Boden, da die in k&uuml;rzester Zeit zu Riesendimensionen angewachsenen sogenannten Privatbesitzungen des Khediven, die die Grundlage der Bew&auml;sserungspl&auml;ne, der Baumwoll- wie der Zuckerspekulation bildeten, durch Raub und Erpressung aus zahllosen D&ouml;rfern zusammengeschlagen wurden. Die Bauernwirtschaft lieferte auch die Arbeitskraft, und zwar umsonst, wobei die Erhaltung dieser Arbeitskraft w&auml;hrend ihrer Ausbeutung ihre eigene Sorge war. Die Fronarbeit der Fellachen war die Grundlage der technischen Wunder, die europ&auml;ische Ingenieure und europ&auml;ische Maschinen in Bew&auml;sserungsanlagen, Verkehrsmitteln, in Landbau und Industrie &Auml;gyptens schufen. Am Nilstauwerk bei Kaliub wie am Suezkanal, beim Eisenbahnbau wie bei der Errichtung der D&auml;mme, auf den Baumwollplantagen wie in den Zuckerfabriken arbeiteten un&uuml;bersehbare Scharen von Fronbauern, sie wurden nach Bedarf von einer Arbeit zur anderen geworfen und ma&szlig;los ausgebeutet. Mu&szlig;te sich auch auf Schritt und ritt die technische Schranke der fronenden Arbeitskraft in ihrer Verwendbarkeit f&uuml;r moderne Kapitalzwecke zeigen, so war dies auf der anderen Seite reichlich wettgemacht durch das unbegrenzte Kommando &uuml;ber Masse, Dauer der Ausbeutung, Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitskraft, das hier dem Kapital in die Hand gegeben war.</P>
<P>Die Bauernwirtschaft lieferte aber nicht nur Grund und Boden und Arbeitskraft, sondern auch Geld. Dazu diente das Steuersystem, das unter der Einwirkung der Kapitalswirtschaft dem Fellah Daumenschrauben anlegte. Die Grundsteuer auf b&auml;uerliche L&auml;ndereien, die immer wieder erh&ouml;ht wurde, betrug Ende der 60er Jahre 55 M pro Hektar, w&auml;hrend der Gro&szlig;grundbesitz 18 M pro Hektar, die k&ouml;nigliche Familie aber von ihren enormen Privatl&auml;ndereien gar nichts zahlte. Dazu kamen immer neue spezielle Abgaben, so zur Erhaltung der Bew&auml;sserungsanlagen, die fast ausschlie&szlig;lich den vizek&ouml;niglichen Besitzungen zugute kamen, 2,50 M pro Hektar. F&uuml;r jeden Dattelbaum mu&szlig;te der Fellah 1,35 M, f&uuml;r jede Lehmh&uuml;tte, die er bewohnte, 75 Pf zahlen Ferner kam die Kopfsteuer f&uuml;r jeden Mann &uuml;ber zehn Jahre im Betrage von 6,50 M hinzu. In Summa entrichteten die Fellachen unter Mehemed Ali 50 Millionen, unter Said 100 Millionen, unter Ismail 163 Millionen Mark.</P>
<B><P><A NAME="S382">&lt;382&gt;</A></B> Je mehr die Verschuldung bei dem europ&auml;ischen Kapital wuchs, um so mehr mu&szlig;te aus der Bauernwirtschaft herausgeschlagen werden.<A NAME="ZF6"><A HREF="lu05_365.htm#F6">(6)</A></A> 1869 wurden s&auml;mtliche Steuern um 10 Prozent erh&ouml;ht und f&uuml;r 1870 im voraus erhoben. 1870 wurde die Grundsteuer um 8 M pro Hektar erh&ouml;ht. Die D&ouml;rfer in Ober&auml;gypten begannen sich zu entv&ouml;lkern, H&uuml;tten wurden eingerissen, man lie&szlig; das Land unbebaut, um Steuern zu entgehen. 1876 wurde die Steuer auf Dattelb&auml;ume um 50 Pf erh&ouml;ht. Ganze D&ouml;rfer zogen aus, um ihre Dattelb&auml;ume umzuhauen, und mu&szlig;ten mit Gewehrsalven davon abgehalten werden. 1879 sollen 10.000 Fellachen oberhalb Siuts vor Hunger umgekommen sein, da sie die Steuer f&uuml;r die Bew&auml;sserung ihrer Felder nicht mehr erschwingen konnten und ihr Vieh get&ouml;tet hatten, um der Viehsteuer zu entgehen.<A NAME="ZF7"><A HREF="lu05_365.htm#F7">(7)</A></A></P>
<P>Jetzt war der Fellah bis auf den letzten Blutstropfen ausgesogen. Der &auml;gyptische Staat hatte seine Funktion als Saugapparat in den H&auml;nden des europ&auml;ischen Kapitals vollendet und ward &uuml;berfl&uuml;ssig. Der Khedive Ismail wurde verabschiedet. Das Kapital konnte die Liquidation antreten.</P>
<P>1875 hatte England 172.000 Suezkanalaktien f&uuml;r 80 Millionen M gekauft, wof&uuml;r ihm &Auml;gypten jetzt noch 394.000 &auml;gyptische Pfund Sterling an Zinsen zahlen mu&szlig;. Englische Kommissionen zur "Ordnung" der Finanzen &Auml;gyptens traten nun in Aktion. Merkw&uuml;rdigerweise erbot sich das europ&auml;ische Kapital, durch den verzweifelten Zustand des bankrotten Landes gar nicht abgeschreckt, zu seiner "Rettung" immer neue Riesenanleihen zu gew&auml;hren. Cave und Stokes schlugen zur Umwandlung aller Schulden eine Anleihe von 1.520 Millionen Mark zu 7 Prozent vor, Rivers Wilson hielt 2.060 Millionen Mark f&uuml;r erforderlich. Der Cr&eacute;dit Foncier kaufte Millionen schwebender Wechsel auf und versuchte mit einer Anleihe von 1.820 Millionen Mark die Gesamtschuld zu konsolidieren, was jedoch fehlschlug. Aber je verzweifelter und unrettbarer die Finanzlage war, um so n&auml;her und unentrinnbarer der Augenblick, wo das ganze Land mit all seinen Produktivkr&auml;ften dem europ&auml;ischen Kapital in die Krallen fallen <A NAME="S383"><B>&lt;383&gt;</A></B> mu&szlig;te. Im Oktober 1878 landeten die Vertreter der europ&auml;ischen Gl&auml;ubiger in Alexandrien. Eine Doppelkontrolle der Finanzen durch das englische und franz&ouml;sische Kapital wurde eingesetzt. Jetzt wurden im Namen der Doppelkontrolle neue Steuern erfunden, die Bauern gepr&uuml;gelt und gepre&szlig;t, so da&szlig; die 1876 zeitweilig eingestellten Zinsenzahlungen 1877 wieder aufgenommen werden konnten.<A NAME="ZF8"><A HREF="lu05_365.htm#F8">(8)</A></A> Nun wurden die Forderungsrechte des europ&auml;ischen Kapitals zum Mittelpunkt des Wirtschaftslebens und zum einzigen Gesichtspunkt des Finanzsystems. 1878 kam eine neue Kommission und ein halbeurop&auml;isches Ministerium zustande. 1879 kamen die &auml;gyptischen Finanzen unter dauernde Kontrolle des europ&auml;ischen Kapitals in der Person der Commission de la Dette Publique Egyptienne in Kairo. 1878 wurden die Tschifliks, die L&auml;ndereien der vizek&ouml;niglichen Familie im Umfange von 431.000 Acres, in Staatsdom&auml;nen verwandelt und den europ&auml;ischen Kapitalisten f&uuml;r die Staatsschuld verpf&auml;ndet, ebenso die Daira-L&auml;ndereien, das Privatgut des Khediven, das meist in Ober&auml;gypten gelegen war und 485.131 Acres umfa&szlig;te; es ist sp&auml;ter an ein Konsortium verkauft worden. Ein gro&szlig;er Teil des sonstigen Grundbesitzes kam in die H&auml;nde von kapitalistischen Gesellschaften, namentlich an die Suezkompanie. Die geistlichen L&auml;ndereien der Moscheen und der Schulen hat England f&uuml;r die Kosten der Okkupation beschlagnahmt. Eine Milit&auml;rrevolte der &auml;gyptischen Armee, die von der europ&auml;ischen Finanzkontrolle ausgehungert wurde, w&auml;hrend die europ&auml;ischen Beamten gl&auml;nzende Geh&auml;lter bezogen, und ein provoziertet Aufstand der gewei&szlig;bluteten Massen in Alexandrien gaben den erw&uuml;nschten Vorwand zum entscheidenden Schlag. 1882 r&uuml;ckte englisches Milit&auml;r in &Auml;gypten ein, um es nicht wieder zu verlassen und die Unterwerfung des Landes zum Ergebnis der grandiosen Kapitaloperationen in &Auml;gypten seit zwanzig Jahren und zum Abschlu&szlig; der Liquidation der &auml;gyptischen Bauernwirtschaft durch das europ&auml;ische Kapital zu machen.<A NAME="ZF9"><A HREF="lu05_365.htm#F9">(9)</A></A> - Hier zeigte sich, da&szlig; der bei oberfl&auml;chlicher Betrach- <A NAME="S384"><B>&lt;384&gt;</A></B> tung abgeschmackten Transaktion zwischen dem europ&auml;ischen Leihkapital und dem europ&auml;ischen Industriekapital, das die Bestellungen aus &Auml;gypten mit jenem Leibkapital bezahlt, wobei die Zinsen der einen Anleihe durch das Kapital der anderen Anleihe gedeckt wurden, ein vom Standpunkt der Kapitalakkumulation sehr rationelles und "gesundes" Verh&auml;ltnis zugrunde lag. Dieses l&auml;uft, nach Weglassung aller maskierenden Zwischenglieder, auf die einfache Tatsache hinaus, da&szlig; die &auml;gyptische Bauernwirtschaft in gewaltigem Umfang vom europ&auml;ischen Kapital aufgezehrt wurde: Enorme Strecken Grund
<P>Ein anderes gutes Beispiel aus der j&uuml;ngsten Zeit bilden die Gesch&auml;fte des deutschen Kapitals in der asiatischen T&uuml;rkei. Schon fr&uuml;h hatte sich das europ&auml;ische, namentlich das englische Kapital dieses Gebietes, das auf der uralten Route des Welthandels zwischen Europa und Asien liegt, zu bem&auml;chtigen gesucht.<A NAME="ZF10"><A HREF="lu05_365.htm#F10">(10)</A></A></P>
<P>In den 50er und 60er Jahren sind vom englischen Kapital die Eisenbahnlinien Smyrna-Aidin-Diner und Smyrna-Kassaba-Alaschehr ausgef&uuml;hrt sowie die Konzession f&uuml;r die Weiterf&uuml;hrung der Linie bis Afiun Karahissar erlangt, endlich auch die erste Strecke der Anatolischen Bahn Haidar-Pascha-Ismid gepachtet worden. Daneben bem&auml;chtigte sich das franz&ouml;sische Kapital eines Teils des Eisenbahnbaus. 1888 tritt das deutsche Kapital auf den Plan. Durch Unterhandlung namentlich mit der franz&ouml;sischen durch die Banque Ottomane vertretenen Kapitalgruppe kam eine internationale Interessenfusion zustande, wobei an dem gro&szlig;en Anatolischen und Bagdadbahnunternehmen die deutsche Finanzgruppe sich mit 60 Prozent, das internationale Kapital mit 40 Prozent beteiligen sollte.<A NAME="ZF11"><A HREF="lu05_365.htm#F11">(11)</A></A> Die Anatolische Eisenbahngesellschaft, hinter der haupts&auml;chlich die Deutsche Bank steht, wurde als t&uuml;rkische Gesellschaft am 14. Redscheb des Jahres 1306, d.h. am 4. M&auml;rz 1889, zur &Uuml;bernahme der seit Anfang der 70er Jahre im Betrieb befindlichen Linie von Haidar-Pascha bis Ismid und zur Ausf&uuml;hrung der Konzession der Bahnstrecke Ismid-Eski-Schehr-<A NAME="S386"> <B>&lt;386&gt;</A></B> Angora (845 Kilometer) gegr&uuml;ndet. Die Gesellschaft ist auch berechtigt, die Bahn Haidar-Pascha-Skutari und Zweigbahnen nach Brussa auszuf&uuml;hren. ferner durch die Konzession von 1893 ein Erg&auml;nzungsnetz Eski-Schehr-Konia (zirka 445 Kilometer) zu errichten, endlich die Strecke Angora-Kaisarie (425 Kilometer). Die t&uuml;rkische Regierung leistete der Gesellschaft die folgende <I>Staatsgarantie</I>: Bruttoeinnahme 10.300 Franc pro Jahr und Kilometer f&uuml;r die Strecke Haidar-Pascha-Ismid und 15.000 Franc f&uuml;r die Strecke Ismid-Angora. Zu diesem Zweck hat die Regierung der Administration de la Dette Publique Ottomane die aus der Verpachtung der Zehnten der Sandschaks Ismid, Ertogrul, Kutahia und Angora eingehenden Einnahmen zur direkten Einziehung &uuml;berwiesen. Die Administration de la Dette Publique Ottomane soll aus diesen Einnahmen der Bahngesellschaft so viel zahlen wie zur Erf&uuml;llung der von der Regierung garantierten Bruttoeinnahme erforderlich ist. F&uuml;r die Strecke Angora-Kaisarie garantiert die Regierung eine Bruttoeinnahme in Gold von 775 t&uuml;rkischen Pfund = 17.800 Franc in Gold pro Kilometer und Jahr und f&uuml;r Eski-Schehr-Konia 604 t&uuml;rkische Pfund = 13.741 Franc, im letzteren Falle nur bis zum H&ouml;chstbetrage des Zuschusses von 219 t&uuml;rkischen Pfund = 4.995 Franc pro Kilometer und Jahr. Falls dagegen die Bruttoeinnahme die garantierte H&ouml;he &uuml;bersteigt, erh&auml;lt die Regierung 25 Prozent des &Uuml;berschusses. Die Zehnten der Sandschaks Trebisond und G&uuml;m&uuml;schchane werden direkt an die Administration de la Dette Publique Ottomane bezahlt werden, die ihrerseits die erforderlichen Garantiezusch&uuml;sse an die Bahngesellschaft leistet. Alle Zehnten, die zur Erf&uuml;llung der von der Regierung gew&auml;hrten Garantie bestimmt sind, bilden ein Ganzes. 1898 wurde die Garantie f&uuml;r Eski-Schehr-Konia von 219 t&uuml;rkischen Pfund auf 296 erh&ouml;ht.</P>
<P>1899 erwarb die Gesellschaft eine Konzession zum Bau und Betrieb eines Hafens nebst Anlagen in Haidar-Pascha, zur Warrantausgabe, zum Bau von Elevatoren f&uuml;r Getreide und Depots f&uuml;r Waren aller Art, ferner das Recht, alle Ein- und Ausladungen durch eigenes Personal vornehmen zu lassen, endlich auf dem Gebiete des Zollwesens die Einrichtung einer Art Freihafen.</P>
<P>1901 erlangte die Gesellschaft die Konzession f&uuml;r die Bagdadbahn Konia-Bagdad-Basra-Persischer Golf (2.400 Kilometer), die sich mit der Strecke Konia-Eregli-Bulgurlu an die anatolische Strecke anschlie&szlig;t. Zur Ausf&uuml;hrung der Konzession wurde von der alten eine neue Aktiengesellschaft gegr&uuml;ndet, die den Bau der Linie zun&auml;chst bis Bulgurlu an eine in Frankfurt a.M. gegr&uuml;ndete Baugesellschaft vergehen hat.</P>
<B><P><A NAME="S387">&lt;387&gt;</A></B> Von 1893 bis 1910 hat die t&uuml;rkische Regierung an Zuschu&szlig; geleistet: f&uuml;r die Bahn Haidar-Pascha-Angora 48,7 Millionen Franc, f&uuml;r die Eski-Schehr-Konia-Strecke 1,8 Millionen t&uuml;rkische Pfund, zusammen also zirka 90,3 Millionen Franc.<A NAME="ZF12"><A HREF="lu05_365.htm#F12">(12)</A></A> Endlich durch die Konzession von 1907 sind der Gesellschaft die Arbeiten f&uuml;r die Trockenlegung des Sees von Karaviran und die Bew&auml;sserung der Koniaebene &uuml;bertragen worden. Diese Arbeiten sind f&uuml;r die Rechnung der Regierung innerhalb sechs Jahren auszuf&uuml;hren. Diesmal streckt die Gesellschaft der Regierung die erforderlichen Kapitalien vor bis zur H&ouml;he von 19,5 Millionen Franc, mit 5 Prozent Verzinsung und R&uuml;ckzahlung binnen 36 Jahren. Daf&uuml;r hat die t&uuml;rkische Regierung verpf&auml;ndet: 1. 25.000 t&uuml;rkische Pfund pro Jahr aus den &Uuml;bersch&uuml;ssen der f&uuml;r den Dienst der Kilometergarantien und verschiedener Anleihen verpf&auml;ndeten Zehnten, die unter der Verwaltung der Administration de la Dette Publique Ottomane stehen: 2. die auf den bew&auml;sserten L&auml;ndereien erzielten Mehrertr&auml;gnisse an Zehnten im Vergleich zu dem in den letzten f&uuml;nf Jahren vor der Konzession erbrachten Durchschnittsertr&auml;ge; 3. die aus dem Betriebe der Irrigationsanlagen sich ergebenden Nettoeinnahmen; 4. den Ertrag des Verkaufs der trockengelegten oder bew&auml;sserten L&auml;ndereien. Zur Ausf&uuml;hrung der Anlagen hat die Gesellschaft in Frankfurt a.M. eine Baugesellschaft "f&uuml;r die Bew&auml;sserung der Koniaebene" mit einem Kapital von 135 Millionen Franc gegr&uuml;ndet.</P>
<P>1908 erhielt die Gesellschaft eine Konzession f&uuml;r die Verl&auml;ngerung der Koniabahn bis Bagdad und zum Persischen Golf, wieder mit Kilometergarantie.</P>
<P>Die 4prozentige Bagdadbahnanleihe in drei Serien (54, 108 und 119 Millionen Franc), die als Zahlung f&uuml;r den Kilometerzuschu&szlig; aufgenommen wurde, ist sichergestellt durch die Verpf&auml;ndung der Zehnten der Wilajets Aidin, Bagdad, Mossul, Diarbekr, Urfa und Aleppo, durch die Verpf&auml;ndung der Hammelsteuer der Wilajets Konia, Adana und Aleppo u.a.<A NAME="ZF13"><A HREF="lu05_365.htm#F13">(13)</A></A></P>
<B><P><A NAME="S388">&lt;388&gt;</A></B> Hier tritt die Grundlage der Akkumulation ganz klar zutage. Das deutsche Kapital baut in der asiatischen T&uuml;rkei Eisenbahnen. H&auml;fen, Bew&auml;sserungsanlagen. Es pre&szlig;t bei all diesen Unternehmungen aus den Asiaten, die es als Arbeitskraft verwendet, neuen Mehrwert aus. Dieser Mehrwert mu&szlig; aber mitsamt den in der Produktion verwendeten Produktionsmitteln aus Deutschland (Eisenbahnmaterial, Maschinen usw.) realisiert werden. Wer hilft sie realisieren? Zum Teil der durch die Eisenbahnen, Hafenanlagen usw. hervorgerufene Warenverkehr, der inmitten der naturalwirtschaftlichen Verh&auml;ltnisse Kleinasiens gro&szlig;gezogen wird. Zum Teil, sofern der Warenverkehr f&uuml;r die Realisierungsbed&uuml;rfnisse des Kapitals nicht rasch genug w&auml;chst, werden Naturaleink&uuml;nfte der Bev&ouml;lkerung vermittels der Staatsmaschinerie gewaltsam in Ware verwandelt, zu Geld gemacht und zur Realisierung des Kapitals samt Mehrwert verwendet. Das ist der Sinn der "Kilometergarantie" f&uuml;r Bruttoeinnahmen bei selbst&auml;ndigen Unternehmungen des fremden Kapitals sowie der Pfandb&uuml;rgschaften bei Anleihen. Die in beiden F&auml;llen in unendlichen Variationen verpf&auml;ndeten sogenannten "Zehnten" (&Uuml;sch&uuml;r) sind Naturalabgaben der t&uuml;rkischen Bauern, die nach und nach ungef&auml;hr auf 12 bis 12<FONT SIZE="-1"><SUP>1</FONT></SUP>/<FONT size="-2">2</FONT> Prozent erh&ouml;ht worden sind. Der Bauer in den asiatischen Wilajets mu&szlig; "Zehnten" zahlen, weil sie ihm sonst mit Hilfe der Gendarmen und der Staats- und Ortsbeamten einfach abgepre&szlig;t werden. Die "Zehnten", die hier selbst eine uralte &Auml;u&szlig;erung der auf Naturalwirtschaft gegr&uuml;ndeten asiatischen Despotie sind, werden von der t&uuml;rkischen Regierung nicht direkt, sondern <A NAME="S389"><B>&lt;389&gt;</A></B> durch P&auml;chter in der Art der Steuereinnehmer des Ancien r&eacute;gime eingestrichen, denen der Staat den voraussichtlichen Ertrag der Abgabe im Wege der Auktion f&uuml;r jedes Wilajet (Provinz) einzeln verkauft. Ist der Zehnt einer Provinz von einem einzelnen Spekulanten oder einem Konsortium erstanden, so verkaufen diese den Zehnten jedes einzelnen Sandschaks (Kreises) an andere Spekulanten, die ihren Anteil wiederum einer ganzen Reihe kleinerer Agenten abtreten. Da jeder seine Spesen decken und soviel Gewinn als m&ouml;glich einstreichen will, so w&auml;chst der Zehnt in dem Ma&szlig;e, wie er sich den Bauern n&auml;hert, lawinenartig. Hat sich der P&auml;chter in seinen Berechnungen geirrt, so sucht er sich auf Kosten des Bauern zu entsch&auml;digen. Dieser wartet, fast immer verschuldet, mit Ungeduld auf den Augenblick, seine Ernte verkaufen zu k&ouml;nnen; wenn er aber sein Getreide geschnitten hat, mu&szlig; er mit dem Dreschen oft wochenlang Warten, bis es dem Zehntp&auml;chter beliebt, sich den ihm geb&uuml;hrenden Teil zu nehmen. Der Zehntp&auml;chter, der gew&ouml;hnlich Getreideh&auml;ndler ist, benutzt diese Lage des Bauern, dem die ganze Ernte auf dem Felde zu verfaulen droht, um ihn zu zwingen, ihm die Ernte zu niedrigem Preise zu verkaufen, und wei&szlig; sich gegen Beschwerden Unzufriedener die Hilfe der Beamten und besonders der Muktars (Ortsvorsteher) zu sichern.<A NAME="ZF14"><A HREF="lu05_365.htm#F14">(14)</A></A></P>
<P>Dem internationalen Conseil d'Administration de la Dette Publique Ottomane, der u.a. die Steuern von Salz, Tabak, Spirituosen, den Seidenzehnt und die Fischereiabgaben direkt verwaltet, sind die Zehnten als Kilometergarantie oder als Anleihesicherheit mit der jedesmaligen Klausel verpf&auml;ndet, da&szlig; der Conseil an der Stipulierung der Pachtkontrakte betreffs dieser Zehnten teilnimmt und da&szlig; die Ertr&auml;gnisse der Zehnten von den P&auml;chtern direkt in die Kassen und Kontore des Conseil in den Wilajets abgef&uuml;hrt werden. Falls es unm&ouml;glich ist, einen P&auml;chter f&uuml;r die Zehnten zu finden, werden sie von der t&uuml;rkischen Regierung in natura in Magazinen aufgespeichert, deren Schl&uuml;ssel dem Conseil eingeh&auml;ndigt wird, der den Verkauf der Zehnten f&uuml;r eigene Rechnung &uuml;bernimmt.</P>
<P>Der &ouml;konomische Stoffwechsel zwischen der kleinasiatischen, syrischen und mesopotamischen Bauernschaft und dem deutschen Kapital vollzieht sich also auf folgenden Wegen. Das Korn kommt auf den Fluren der Wilajets Konia, Bagdad, Basra usw. als einfaches Gebrauchsprodukt der primitiven Bauernwirtschaft zur Welt und wandert sogleich als Staatstribut in die Hand des Steuerp&auml;chters. Erst in seiner Hand wird das Korn zur Ware und als Ware zu Geld, das in die Hand des Staates &uuml;bergeht. Dieses Geld, das nur verwandelte Form des b&auml;uerlichen Korns ist, welches nicht <A NAME="S390"><B>&lt;390&gt;</A></B> einmal als Ware produziert war, dient jetzt dazu, als Staatsgarantie den Eisenbahnbau und -betrieb zum Teil zu bezahlen, d.h. den Wert der darin verbrauchten Produktionsmittel sowie den beim Bau und Betrieb der Eisenbahn aus dem asiatischen Bauern und Proletarier ausgepre&szlig;ten Mehrwert zu realisieren. Da ferner bei dem Eisenbahnbau in Deutschland hergestellte Produktionsmittel verwendet werden, dient das in Geld verwandelte asiatische Bauernkorn zugleich dazu, den bei der Herstellung jener Produktionsmittel aus deutschen Arbeitern ausgepre&szlig;ten Mehrwert zu vergolden. Bei dieser Funktion wandert das Geld aus der Hand des t&uuml;rkischen Staates in die Kassen der Deutschen Bank, um hier als Gr&uuml;ndergewinne, Tantiemen, Dividenden und Zinsen in den Taschen der Herren Gwinner, Siemens, ihrer Mitverwalter, der Aktion&auml;re und Kunden der Deutschen Bank sowie des ganzen Schlingpflanzensystems ihrer Tochtergesellschaften als kapitalistischer Mehrwert akkumuliert zu werden. F&auml;llt - wie es in den Konzessionen vorgesehen ist - der Steuerp&auml;chter weg, so reduziert sich die verwickelte Reihe der Metamorphosen auf ihre einfachste und klarste Form: Das b&auml;uerliche Korn wandert direkt in die H&auml;nde der Administration de la Dette Publique Ottomane, d.h. der Vertretung des europ&auml;ischen Kapitals, und wird hier schon in seiner Naturalgestalt Einnahme des deutschen und sonstigen ausw&auml;rtigen Kapitals, es vollzieht die Akkumulation des europ&auml;ischen Kapitals, selbst bevor es seine eigene b&auml;uerlich-asiatische Gebrauchsgestalt abgesto&szlig;en hat, es realisiert den kapitalistischen Mehrwert, bevor es Ware geworden und den eigenen Wert realisiert hat. Der Stoffwechsel geht hier in seiner brutalen und unverbl&uuml;mten Form direkt zwischen dem europ&auml;ischen Kapital und der asiatischen Bauernwirtschaft vor sich, w&auml;hrend der t&uuml;rkische Staat auf seine wirkliche Rolle des politischen Apparats zur Auspressung der Bauernwirtschaft f&uuml;r die Zwecke des Kapitals - die eigentliche Funktion aller orientalischen Staaten in der Periode des kapitalistischen Imperialismus - reduziert wird. Das Gesch&auml;ft, das &auml;u&szlig;erlich als eine abgeschmackte Tautologie als Bezahlen deutscher Waren mit deutschem Kapital in Asien erscheint, bei dem die braven Deutschen den schlauen T&uuml;rken nur den "Genu&szlig;" der gro&szlig;en Kulturwerke &uuml;berlassen, ist im Grunde genommen ein Austausch zwischen dem deutschen Kapital und der asiatischen Bauernwirtschaft, ein mit Zwangsmitteln des Staates durchgef&uuml;hrter Austausch. Die Resultate des Gesch&auml;fts sind: auf der einen Seite die fortschreitende Kapitalakkumulation und eine wachsende "Interessensph&auml;re" als Vorwand f&uuml;r die weitere politische und wirtschaftliche Expansion des deutschen Kapitals in der T&uuml;rkei; auf der anderen Seite Eisenbahnen und <A NAME="S391"><B>&lt;391&gt;</A></B> Warenverkehr auf der Grundlage der rapiden Zersetzung, des Ruins und der Aussaugung der asiatischen Bauernwirtschaft durch den Staat sowie der wachsenden finanziellen und politischen Abh&auml;ngigkeit des t&uuml;rkischen Staates vom europ&auml;ischen Kapital.<A NAME="ZF15"><A HREF="lu05_365.htm#F15">(15)</A></A></P>
<P><HR></P>
<P>Fu&szlig;noten von Rosa Luxemburg</P>
<P><A NAME="F1">(1)</A> Das Eisenbahnnetz betrug in Kilometern in</P>
<TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=2 WIDTH=571>
<TR><TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P></TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">Europa</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">Amerika</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">Asien</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">Afrika</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">Australien</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P>1840</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">2.925</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">4.754</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">-</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">-</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">-</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P>1850</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">23.504</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">15.064</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">-</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">-</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">-</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P>1860</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">51.862</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">53.935</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">1.393</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">455</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">367</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P>1870</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">104.914</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">93.139</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">8.185</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">1.786</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">1.765</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P>1880</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">168.983</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">174.666</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">16.287</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">4.646</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">7.847</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P>1890</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">223.869</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">331.417</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">33.724</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">9.386</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">18.889</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P>1900</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">283.878</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">402.171</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">60.301</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">20.114</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">24.014</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P>1910</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">333.848</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">526.382</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">101.916</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">36.854</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">31.014</TD>
</TR>
</TABLE>
<P>Demnach betrug der Zuwachs in </P>
<TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=2 WIDTH=571>
<TR><TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P></TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">Europa</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">Amerika</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">Asien</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">Afrika</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">Australien</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P>1840-50</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">710 Proz.</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">215 Proz.</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">-</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">-</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">-</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P>1850-60</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">121 Proz.</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">257 Proz.</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">-</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">-</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">-</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P>1860-70</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">102 Proz.</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">73 Proz.</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">486 Proz.</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">350 Proz.</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">350 Proz.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P>1870-80</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">61 Proz.</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">88 Proz.</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">99 Proz.</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">156 Proz.</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">333 Proz.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P>1880-90</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">32 Proz.</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">89 Proz.</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">107 Proz.</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">104 Proz.</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">142 Proz.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P>1890-1900</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">27 Proz.</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">21 Proz.</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">79 Proz.</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">114 Proz.</TD>
<TD WIDTH="17%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">27 Proz.</TD>
</TR>
</TABLE>
<P><A HREF="lu05_365.htm#ZF1">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F2">(2)</A> Tugan-Baranowski: Studien zur Theorie und Geschichte der Handelskrisen, S. 74. <A HREF="lu05_365.htm#ZF2">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F3">(3)</A> Sismondi: Nouveaux principes, Bd. II, Buch IV, Kap. IV: Der kaufm&auml;nnische Reichtum folgt dem Wachstum des Einkommens. <A HREF="lu05_365.htm#ZF3">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F4">(4)</A> "Es begann", erz&auml;hlt der Vertreter der Fowlerschen Firma, Ingenieur Eyth, "ein fieberhaftes Telegraphieren zwischen Kairo, London und Leeds. Wann kann Fowler 150 Dampfpfl&uuml;ge liefern? - Antwort: in einem Jahr. Anspannung aller Kr&auml;fte garantiert. - Das gen&uuml;gt nicht. 150 Dampfpfl&uuml;ge m&uuml;ssen bis zum Fr&uuml;hjahr in Alexandrien landen - Antwort: Unm&ouml;glich - Die Fowlersche Fabrik in ihrer damaligen Gr&ouml;&szlig;e konnte n&auml;mlich kaum 3 Dampfpflugapparate in der Woche stellen. Dabei ist zu beachten, da&szlig; ein Apparat dieser Art 50.000 M kostete, da&szlig; es sich also um eine Bestellung im Betrage von 7<FONT SIZE="-1"><SUP>1</FONT></SUP>/<FONT size="-2">2</FONT> Millionen handelte. - N&auml;chstes Telegramm Ismail Paschas: Was die sofortige Vergr&ouml;&szlig;erung der Fabrik koste? Der Vizek&ouml;nig sei bereit, das Geld hierf&uuml;r anweisen zu lassen. Sie k&ouml;nnen sich denken, da&szlig; man in Leeds das Eisen schmiedete, solange es hei&szlig; war. Aber auch andere Fabriken in England und in Frankreich wurden veranla&szlig;t, Dampfpfl&uuml;ge zu liefern. Das Arsenal in Alexandrien, die Landungsstelle der vizek&ouml;niglichen G&uuml;ter f&uuml;llte sich haushoch mit Kesseln, Rudern, Trommeln, Drahtseilen, Kisten und Kasten aller Art und die Gasth&ouml;fe zweiten Ranges in Kairo mit frischgebackenen Dampfpfl&uuml;gern, die man aus Schlossern und Schmieden, aus Bauernburschen und hoffnungsvollen junges M&auml;nnern, die zu allem und nichts f&auml;hig waren, in aller Eile zugestutzt hatte. Denn auf jedem dieser Dampfpfl&uuml;ge mu&szlig;te doch mindestens <I>ein</I> sachverst&auml;ndiger Pionier der Zivilisation sitzen, Alles das schickten die Effendis von Alexandrien in wirren Massen nach dem Innern, nur um Platz zu gewinnen, so da&szlig; wenigstens das ankommende n&auml;chste Schiff seine Ladung ausspeien konnte. Man macht sich keinen Begriff davon, wie all dies an seinem Bestimmungsort oder vielmehr an jedem andern als seinem Bestimmungsort ankam. Hier lagen zehn Kessel am Nilufer, 10 Meilen davon die dazu geh&ouml;rigen Maschinen, hier ein kleines Gebirge von Drahtseilen, zwanzig Stunden weiter oben die Windetrommeln f&uuml;r die Seile. Hier sa&szlig; ein englischer Monteur hungernd und verzweifelnd auf einem Berg franz&ouml;sischer Kisten, dort ergab sich ein anderer hoffnungslos dem heimischen Trunk. Effendis und Katibs rannten - Allah um Hilfe anflehend - zwischen Siut und Alexandrien hin und her und fertigten Listen von Dingen an, von deren Namen sie keine Ahnung hatten. Und doch kam schlie&szlig;lich auch ein Teil dieser Apparate in Bewegung. Der Dampfpflug rauchte in Ober&auml;gypten. Civilisation en progr&egrave;s hatten abermals einen Schritt weiter getan." (Lebendige Kr&auml;fte. Sieben Vortr&auml;ge aus dem Gebiete der Technik, Berlin 1908. S. 219.) <A HREF="lu05_365.htm#ZF4">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F5">(5)</A> Siehe Earl of Cromer: Das heutige &Auml;gypten, Bd. I, deutsch 1908, S. 11. <A HREF="lu05_365.htm#ZF5">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F6">(6)</A> &Uuml;brigens wanderte das aus dem &auml;gyptischen Fellah herausgeschundene Geld auch noch auf dem Umweg &uuml;ber die T&uuml;rkei an das europ&auml;ische Kapital. Die t&uuml;rkischen Anleihen von 1854, 1855, 1871, 1877 und 1886 sind auf den mehrmals erh&ouml;hten &auml;gyptischen Tribut fundiert, der direkt an die Bank von England gezahlt wird. <A HREF="lu05_365.htm#ZF6">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F7">(7)</A> "It is stated by residents in the Delta," berichtete die&#9;"Times" aus Alexandrien am 31. M&auml;rz</P>
<P>1879, "that the third quarter of the year's taxation is now collected, and the old methods of collection applied. This sounds strangely by the side of the news that people are dying by the roadside, that great tracts of country are uncultivated, because of the fiscal burdens, and that the farmers have sold their cattle, the women their finery, and that the usurers are filling the mortgage offices with their bonds and the courts with their suits of foreclosure." (Zit. bei: Th. Rothstein: Egypt's Ruin, 1910, S. 69/70.) <A HREF="lu05_365.htm#ZF7">&lt;=</A> </P>
<P><A NAME="F8">(8)</A> "This produce", schrieb der Korrespondent der "Times" aus Alexandrien, "consists wholly of taxes paid by the peasants in kind, and when one thinks of the povery-stricken, over-driven. under-fed fellaheen in their miserable hovels, working late and early to fill the pockets of the creditors, the punctual payment of the coupon ceases to be wholly a subject of gratification." (Zit bei: Th. Rothstein: l.c. S. 49) <A HREF="lu05_365.htm#ZF8">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F9">(9)</A> Eyth, ein hervorragender Agent der Kapitalkultur in den primitiven L&auml;ndern, schlie&szlig;t bezeichnenderweise seine meisterhafte Skizze &uuml;ber &Auml;gypten, der wir die Hauptdaten entnommen haben, mit dem folgenden imperialistischen Glaubensbekenntnis: "Was uns diese Vergangenheit lehrt, ist auch f&uuml;r die Zukunft von zwingender Bedeutung: Europa mu&szlig; und wird, wenn auch nicht ohne K&auml;mpfe jeder Art, in denen sich Recht und Unrecht kaum mehr unterscheiden lassen und in denen das politische und historische Recht oft genug gleichbedeutend sein m&uuml;&szlig;te mit dem Ungl&uuml;ck von Millionen, das politische Unrecht gleichbedeutend sein mag mit ihrer Rettung - Europa mu&szlig; seine feste Hand auf jene L&auml;nder legen, die nicht mehr f&auml;hig sind, aus eigener Kraft das Leben unserer Zeit zu leben, und die festeste Hand wird, wie &uuml;berall in der Welt, auch an den Ufern des Nils den Wirren ein Ende machen." (l.c. S. 247.) Wie die "Ordnung" aussieht, die England "an den Ufern des Nils" schuf, dar&uuml;ber gibt Rothstein, l.c., gen&uuml;genden Aufschlu&szlig;. <A HREF="lu05_365.htm#ZF9">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F10">(10)</A> Die anglo-indische Regierung erteilte schon zu Beginn der 30er Jahre dem Colonel Chesney den Auftrag, den Euphrat auf seine Schiffbarkeit behufs Erzielung einer m&ouml;glichst kurzen Verbindung zwischen denn Mittelmeer und dem Persischen Golf bzw. Indien zu untersuchen. Nach einer vorl&auml;ufigen Rekognoszierungstour im Winter 1831 fand nach umst&auml;ndlichen Vorbereitungen die eigentliche Expedition in den Jahren 1835-1837 statt. Im Anschlu&szlig; hieran wurden gr&ouml;&szlig;ere Teile des &ouml;stlichen Mesopotamien von englischen Offizieren und Beamten erforscht und aufgenommen. Diese Arbeiten zogen sich bis zum Jahre 1866 hin, ohne f&uuml;r die englische Regierung ein praktisches Ergebnis erzielt zu haben. Der Gedanke, eine Verbindungsstra&szlig;e vom Mittelmeer &uuml;ber den Persischen Golf nach Indien herzustellen, wurde sp&auml;ter von England in anderer Form wieder aufgenommen, n&auml;mlich durch der Plan der Tigris-Eisenbahn. 1879 macht Cameron im Auftrage der englischen Regierung eine Reise durch Mesopotamien, um die Trasse f&uuml;r die projektierte Bahn zu studieren. (Siehe Max Freiherr von Oppenheim: Vom Mittelmeer zum Persischen Golf durch den Hauran, die Syrische W&uuml;ste und Mesapotamien, Bd. II, S. 5 u. 36.) <A HREF="lu05_365.htm#ZF10">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F11">(11)</A> Siehe Schneider: Die deutsche Bagdadbahn, 1900, S. 3. <A HREF="lu05_365.htm#ZF11">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F12">(12)</A> Saling, B&ouml;rsenjahrbuch 1911/12, S. 2211. <A HREF="lu05_365.htm#ZF12">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F13">(13)</A> Siehe Saling: l.c. S. 360 u. 361.</P>
<P>&Uuml;ber den gesamten Zuschu&szlig; zum Eisenbahnbau in der T&uuml;rkei, den die t&uuml;rkische Regierung dem internationalen Kapital leisten mu&szlig;te, gibt der Ingenieur Pressel aus W&uuml;rttemberg, der an diesen Gesch&auml;ften in der europ&auml;ischen T&uuml;rkei als Gehilfe des Barons von Hirsch zum Teil selbst t&auml;tig war, die folgende h&uuml;bsche Rechnung:</P>
<TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=2 WIDTH=548>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP">
<P></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">L&auml;nge<BR>
Kilometer</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">bezahlte <BR>
Garantie Fr.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP">
<P>Die drei Linien der europ&auml;ischen T&uuml;rkei</TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">1.888.8</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">33.099.352</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP">
<P>Das bis 1900 ausgef&uuml;hrte Netz der asiatischen T&uuml;rkei</TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">2.513,2</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">53.811.538</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP">
<P>Kommissionen und andere an die Dette Publique bezahlte Kosten im Dienste der Kilometergarantie</TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM">
<P ALIGN="RIGHT">9.351.209</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="BOTTOM" BGCOLOR="#000000" HEIGHT=1></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP"></TD>
<TD WIDTH="16%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">zusammen</TD>
<TD WIDTH="15%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">96.262.099</TD>
</TR>
</TABLE>
<P>Dies alles wohlgemerkt nur bis Ende 1899, seit welchem Datum die Kilometergarantie zum Teil erst gezahlt wird. Von den 74 Sandschaks der asiatischen T&uuml;rkei waren schon damals nicht weniger als 28 mit ihrem Zehnten f&uuml;r die Kilometergarantie verpf&auml;ndet. Und mit all diesem Zuschu&szlig; waren seit dem Jahre 1856 bis 1900 im ganzen 2.513 Kilometer in der asiatischen T&uuml;rkei geschaffen. (Siehe W. von Pressel: Les chemins de fer en Turquie d'Asie, Z&uuml;rich 1900, S. 59.)</P>
<P>Von den Manipulationen der Eisenbahngesellschaften auf Kosten der T&uuml;rkei gibt Pressel als Sachverst&auml;ndiger &uuml;brigens die folgende Probe:</P>
<P>Er behauptet, da&szlig; die Anatalische Gesellschaft in der Konzession von 1893 erst die Bahn &uuml;ber Angora nach Bagdad zu leiten versprach, dann die Unausf&uuml;hrbarkeit ihres eigenen Planes erkl&auml;rte, um diese durch Kilometergarantie sichergestellte Linie ihrem Schicksal zu &uuml;berlassen und eine andere Route &uuml;ber Konia in Angriff zu nehmen. "Im Augenblick, wo es den Gesellschaften gelungen sein wird, die Linie Smyrna <20> Aidin <20> Diner zu erwerben, werden sie die Verl&auml;ngerung bis zur Linie Konia fordern. Und nachdem diese Zweiglinie vollzogen sein wird, werden die Gesellschaften Himmel und H&ouml;lle in Bewegung setzen, um den Warenverkehr zu zwingen, diese neue Route zu nehmen, die keine Kilometergarantie hat und die, was noch wichtiger, in keinem Fall ihre Eink&uuml;nfte mit der Regierung teilen mu&szlig;, w&auml;hrend die anderen Linien von einer gewissen H&ouml;he der Bruttoeinnahmen einen Teil des &Uuml;berschusses an die Regierung abf&uuml;hren m&uuml;ssen. Resultat: Die Regierung wird an der Linie Aidin nichts einnehmen, und die Gesellschaften werden Millionen einstreichen. Die Regierung wird f&uuml;r die Linien Kassaba und Angora fast den ganzen Betrag der Kilometergarantie zahlen und wird nicht erhoffen d&uuml;rfen, von dem ihr im Vertrag zugesicherten 25prozentigen Anteil an dem &Uuml;berschu&szlig; &uuml;ber 15.000 Franc Bruttoeinnahme je profitieren zu k&ouml;nnen." (l.c., S. 7.) <A HREF="lu05_365.htm#ZF13">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F14">(14)</A> Siehe Charles Morawitz: Die T&uuml;rkei im Spiegel ihrer Finanzen, 1903, S. 84. <A HREF="lu05_365.htm#ZF14">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F15">(15)</A> "&Uuml;brigens ist in diesem Lande alles schwierig und verzwickt. Will die Regierung ein Monopol auf Zigarettenpapier oder Spielkarten schaffen, gleich sind Frankreich und &Ouml;sterreich-Ungarn da, um im Interesse ihres Handels ein Veto einzulegen. Handelt es sich um Petroleum, so wird Ru&szlig;land Einw&auml;nde erheben, und selbst die am wenigsten interessierten M&auml;chte werden ihre Zustimmung zu irgendeiner Sache von irgendwelchen Regelungen abh&auml;ngig machen. Der T&uuml;rkei ergeht es wie Sancho Pansa bei seiner Mahlzeit: Sooft der Finanzminister eine Sache angreifen will, erhebt sich irgendein Diplomat, um ihm in den Arm zu fallen und sein Veto entgegenzuhalten." (Morawitz: l.c. S. 70.) <A HREF="lu05_365.htm#ZF15">&lt;=</A></P></BODY>
</HTML>